Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2014, Az. 2 StR 436/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7187

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Erfolgsaussicht bei Sprachunkundigkeit eines Ausländers


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2013

a) im Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,

b) im Strafausspruch und, soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zu einer Klarstellung des Schuldspruchs und führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

2

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf. Er ist allerdings - entsprechend dem Antrag des [X.] - klarzustellen, weil die in den Urteilsgründen zutreffend angenommene Verwirklichung von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in dem landgerichtlichen Tenor keinen Ausdruck findet.

3

2. Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

4

Das [X.] hat von einer Unterbringung des betäubungsmittelabhängigen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB allein deshalb abgesehen, weil der Angeklagte über keine oder jedenfalls nicht ausreichende Deutschkenntnisse verfüge, wegen der deshalb erforderlichen Kommunikation mit dem Dolmetscher ein unmittelbarer Kontakt des Therapeuten mit dem Untergebrachten nicht möglich und deshalb eine „erfolgreiche Therapie bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt" sei. Dies ist rechtsfehlerhaft.

5

Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 ([X.] I 1327) sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, [X.]). Zwar muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 [X.], [X.], 204). Der Tatrichter hat insoweit aber eine Ermessensentscheidung zu treffen, die für das Revisionsgericht nachprüfbar sein muss.

6

Mangels ausreichender Feststellungen ist hier dem Senat die Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung nicht möglich. Es fehlt an konkreten Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Angeklagten, der sich immerhin seit Juli 2012 in [X.] aufhält und in [X.] einer Tätigkeit auf einer Baustelle nachgegangen ist. Ob die Sprachkenntnisse für eine direkte Kommunikation mit dem Therapeuten ausreichen oder nicht, lässt sich ohne jegliches Wissen um das Sprachvermögen des Angeklagten nicht einschätzen. Zudem wäre bei dem von der [X.] auszuübenden Ermessen zu berücksichtigen gewesen, dass in der Zeit des Vorwegvollzuges der Strafe der Erwerb von weiterreichenden Sprachkenntnissen zumindest möglich gewesen wäre; insoweit wäre zu erwägen gewesen, ob jedenfalls bei Beginn der Unterbringung der Angeklagte über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen könnte.

7

Die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt führt zur Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch. Es ist nicht auszuschließen, dass die angesichts gewichtiger Strafmilderungsgründe recht hoch bemessene Freiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre, hätte die [X.] die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt angeordnet. Mit der gesamten Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs wird zudem eine sachgerechte Abstimmung von Strafe und Maßregel ermöglicht ([X.], Beschluss vom 7. November 2012 - 2 StR 201/12).

Fischer                               Schmitt                               Krehl

                   Eschelbach                                Zeng

Meta

2 StR 436/13

12.03.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 23. Mai 2013, Az: 24 KLs 101 Js 615/12 - 1/13

§ 64 StGB vom 16.07.2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2014, Az. 2 StR 436/13 (REWIS RS 2014, 7187)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7187

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 436/13 (Bundesgerichtshof)


2 StR 91/21 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Fall eines sprachunkundigen Ausländers


2 StR 380/21 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Feststellung des Hangs des Täters zum Missbrauch von Alkohol oder anderen …


4 StR 124/17 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Erfolgsaussicht bei fehlenden deutschen aber vorhandenen englischen Sprachkenntnissen


3 StR 513/12 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Erfolgsaussicht trotz unzureichender Sprachkenntnisse und Ablehnung einer Suchtbehandlung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.