Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2013, Az. 3 StR 513/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8860

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Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Erfolgsaussicht trotz unzureichender Sprachkenntnisse und Ablehnung einer Suchtbehandlung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. August 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die auf die - nicht ausgeführte - Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt ist. Das Rechtsmittel hat auf die Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Indes kann das Urteil nicht bestehen bleiben, soweit das [X.] die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat. Die Prognose, es bestehe bei dem Angeklagten für eine Behandlung in einer Entziehungsanstalt keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB, ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.

3

a) Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des [X.]s, dass Anordnung und Vollzug der Maßregel die konkrete Aussicht voraussetzen, die süchtige Person zu heilen oder über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den [X.] zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB). Erforderlich ist die Prognose, dass bei erfolgreichem Verlauf der Therapie die Gefährlichkeit aufgehoben oder deutlich herabgesetzt wird [X.], StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 19 [X.]).

4

b) Die sich daraus ergebenden rechtlichen Anforderungen an die Bejahung einer konkreten Erfolgsaussicht hat das [X.] indes verkannt.

5

Bedenken bestehen bereits insofern, als die Strafkammer davon ausgeht, dass die Therapiekonzepte im Maßregelvollzug eine differenzierte intellektuelle und sprachliche Auseinandersetzung mit der Suchtproblematik erfordern, und die Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung des Angeklagten wegen seiner "intellektuellen Minderbegabung" ablehnt. Eine erhebliche intellektuelle Behinderung, die wegen ihrer Schwere dazu führen könnte, dass der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt nicht behandelbar wäre (vgl. MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 64 Rn. 68), ist nicht festgestellt.

6

Auch der Hinweis der Strafkammer auf Defizite des Angeklagten in der Beherrschung der [X.] vermag die Ablehnung einer Erfolgsaussicht nicht zu tragen. Mangelnde Sprachkenntnisse von Ausländern haben zwar als in der Persönlichkeit des [X.] begründete, nicht suchtbezogene Umstände für die Unterbringungsanordnung eine, wenn auch im Einzelnen hinsichtlich ihrer Erheblichkeit nicht einheitlich beurteilte, Bedeutung (vgl. MüKoStGB, aaO, Rn. 71 sowie [X.], StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 141 f., [X.]. [X.]; [X.], Beschluss vom 30. Oktober 1996 - 2 [X.], [X.], 74; Urteil vom 18. Dezember 2007 - 1 [X.], [X.], 138, 139 sowie Beschluss vom 10. Juli 2012 - 2 StR 85/12, [X.], 689; vgl. auch BT-Drucks. 16/1344 S. 12 f.). Bei weitgehender Sprachunkundigkeit kann die Annahme, eine Behandlung habe keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht, nahe liegen [X.], aaO, Rn. 23a, 24 [X.]). Derartige Sprachdefizite sind hier jedoch nicht festgestellt: Der - zunächst in [X.] aufgewachsene - 31-jährige Angeklagte besuchte ab seinem 9. Lebensjahr eine Grund- und Hauptschule bzw. die Sonderschule sowie Berufsschulen in [X.] und arbeitete hier mehrere Jahre lang. Danach liegt es nahe, dass er zumindest über Grundkenntnisse der [X.] verfügt; dies genügt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2001 - 3 [X.], [X.], 7). Darauf, dass der Angeklagte, wie das [X.] in der Begründung seiner Prognoseentscheidung ausführt, weder die [X.] noch die [X.] Schriftsprache beherrscht, kann es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht nicht ankommen.

7

Die Erklärung des Angeklagten, dass er eine Behandlung im Maßregelvollzug ablehne, kann die Verneinung eines Therapieerfolges hier ebenfalls nicht begründen. Zwar kann fehlende [X.], die der Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB weiterhin grundsätzlich nicht entgegensteht (vgl. [X.], aaO, Rn. 138 ff.), ein gegen die erforderliche konkrete Erfolgsaussicht sprechendes Indiz sein (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Dezember 2009 - 3 [X.], [X.], 141 sowie Beschluss vom 3. Juli 2012 - 5 StR 313/12, [X.], 307). Vorliegend steht einer solchen Bedeutung indes entgegen, dass sich der Angeklagte bereit erklärt hat, bei Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG an einer Suchtbehandlung teilzunehmen. Angesichts dessen hätte die Verneinung einer Erfolgsaussicht der Maßregel im Sinne von § 64 StGB zumindest näherer Darlegung bedurft (vgl. MüKoStGB, aaO, Rn. 75). Der pauschale Hinweis des [X.]s auf unterschiedliche Therapiekonzeptionen reicht dazu nicht aus. Die Therapie im Maßregelvollzug hat im Übrigen gegenüber der nach § 35 BtMG Vorrang [X.], aaO, Rn. 26).

8

2. Diese Rechtsmängel entziehen der negativen Prognose des [X.]s zur Erfolgsaussicht einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Grundlage. Da der Angeklagte die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, [X.]St 38, 362), das [X.] die Voraussetzungen der [X.] gemäß § 64 Satz 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht hat und die Unterbringung nach den bisherigen Feststellungen auch nicht aus anderem Grunde von vornherein ausscheidet, bedarf die Frage ihrer Anordnung - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - der nochmaligen Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; [X.], Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, [X.]St 37, 5 sowie Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 3 [X.], [X.], 48).

9

3. Der Strafausspruch wird durch die Teilaufhebung des Urteils nicht berührt. Der [X.] kann ausschließen, dass das [X.] im Falle der Unterbringung gegen den Angeklagten auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

[X.]Hubert

                    Mayer                      Spaniol

Meta

3 StR 513/12

22.01.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mönchengladbach, 13. August 2012, Az: 21 KLs 13/12

§ 64 S 2 StGB, § 35 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.01.2013, Az. 3 StR 513/12 (REWIS RS 2013, 8860)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8860

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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