Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.07.2018, Az. XI ZR 572/16

11. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6780

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Gegenstand

Anschlussberufung eines Darlehensnehmers eines Verbraucherdarlehensvertrags bei erfolgreicher Klage in erster Instanz auf Feststellung der Umwandlung des Vertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis aufgrund seines Widerrufs; Zulässigkeit der Feststellungsklage; Revisionsentscheidung


Leitsatz

Zur Anschlussberufung in Fällen, in denen der Darlehensnehmer eines Verbraucherdarlehensvertrags in erster Instanz die Feststellung erwirkt hat, der Verbraucherdarlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 27. September 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des [X.] vom 19. Februar 2016 weiter dahin abgeändert, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird, soweit die Kläger beantragt haben festzustellen, dass sich die Darlehensverträge vom 28. Mai 2008/2. Juni 2008 Nr.          62 über netto 65.000 € und Nr.        55 über netto 90.000 € aufgrund des Widerrufs der Kläger in [X.] umgewandelt haben.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in dritter Instanz noch um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier [X.] gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

2

Die Parteien schlossen Anfang Juni 2008 im Wege des [X.] zwei in einer Vertragsurkunde zusammengefasste Darlehensverträge zur Nummer        62 über 65.000 € mit einem bis zum 30. Juni 2018 festgeschriebenen Nominalzinssatz in Höhe von 5,10% p.a. und zur Nummer         55 über 90.000 € mit einem ebenfalls bis zum 30. Juni 2018 festgeschriebenen Nominalzinssatz in Höhe von 4,35% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente eine Grundschuld. Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:

Abbildung

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3

Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. [X.] widerriefen sie ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen, wobei zwischen den Parteien streitig geblieben ist, ob der Widerruf zuerst durch ein Schreiben der Kläger selbst vom 27. Juni 2014 oder durch ein Schreiben ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 26. September 2014 erklärt worden ist.

4

Ihrer Klage festzustellen, dass die zwei in dritter Instanz noch streitgegenständlichen und drei weitere Darlehensverträge "durch Erklärung der Kläger wirksam widerrufen und in [X.] umgewandelt worden" seien, hat das [X.] entsprochen. Den weiteren Antrag der Kläger auf Freistellung von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten hat es abgewiesen. Über eine Hilfswiderklage der Beklagten, mit der die Beklagte die Rückforderung eines Teils der Darlehensvaluta verlangt hat, die die Kläger zunächst anerkannt haben, um dann die Berechnung der Beklagten nachträglich doch in Zweifel zu ziehen, und die die Beklagte später zurückgenommen hat, hat das [X.] nicht erkannt.

5

Gegen das landgerichtliche Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Beklagten ist den Klägern am 31. Mai 2016 zugestellt worden. Der Vorsitzende des mit der Sache befassten Senats des Berufungsgerichts hat mit Verfügung vom 3. Juni 2016, den Klägern zugestellt am 9. Juni 2016, eine Frist zur Erwiderung auf das Berufungsvorbringen "durch ihren Rechtsanwalt" bis zum 5. Juli 2016 gesetzt. In dieser Verfügung hat er Hinweise zur Wahrung der Frist und den mit der Versäumung der Frist verbundenen Folgen erteilt. Innerhalb dieser Frist haben die Kläger Anschlussberufung nicht eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten - soweit die noch streitgegenständlichen beiden Darlehensverträge betreffend - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es festgestellt hat, die Darlehensverträge hätten sich "aufgrund des Widerrufs der Kläger in [X.] umgewandelt". Im Übrigen hat es auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen. Im Umfang ihrer Beschwer richtet sich dagegen die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der [X.]n hat Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ([X.], Urteil vom 27. September 2016 - 6 U 46/16, juris) - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die Feststellungsklage sei zulässig. Die Wandlung des Darlehensvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis könne zum Gegenstand einer gerichtlichen Feststellung gemacht werden. Die Kläger hätten auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung dieser Rechtswirkung des Widerrufs. Insbesondere könnten sie nicht auf die Erhebung einer Leistungsklage verwiesen werden. Eine Feststellungsklage des Darlehensnehmers sei von Anfang an zulässig, wenn sich nach einer Aufrechnung der wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis kein Saldo zu seinen Gunsten ergäbe.

9

Die Feststellungsklage sei auch begründet, weil die [X.] die Kläger unzureichend deutlich über ihr Widerrufsrecht belehrt habe, ohne dass sie die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung für sich in Anspruch nehmen könne. Die Kläger hätten das Widerrufsrecht auch nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt oder verwirkt.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Der Feststellungsantrag ist nicht nur mangels Angabe der maßgeblichen Widerrufserklärung unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. [X.]surteil vom 7. November 2017 - [X.], [X.], 45 Rn. 14). Den Klägern fehlt auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

1. Der Feststellungsantrag der Kläger, "dass sich die Darlehensverträge […] in [X.] umgewandelt haben", ist auf eine positive Feststellung gerichtet. Eine von der Revisionserwiderung gewünschte Auslegung des [X.], die Kläger begehrten die negative Feststellung, die [X.] habe gegen die Kläger seit dem Zugang der Widerrufserklärung keinen Anspruch mehr auf den [X.] und die vertragsgemäße Tilgung, kommt mangels eines in diesem Sinne auslegungsfähigen anspruchsleugnenden Zusatzes nicht in Betracht (vgl. [X.]surteil vom 4. Juli 2017 - [X.], [X.], 1602 Rn. 15).

2. Als positive Feststellungsklage ist der Feststellungsantrag der Kläger unzulässig (vgl. [X.]surteile vom 24. Januar 2017 - [X.], [X.], 766 Rn. 11 ff., vom 21. Februar 2017 - [X.], [X.], 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017 - [X.], [X.], 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - [X.], [X.], 1258 Rn. 16 und vom 4. Juli 2017 - [X.], [X.], 1602 Rn. 16 f.).

Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des [X.] vom 24. Januar 2017 ([X.], [X.], 766 Rn. 16) ausnahmsweise zulässig. An[X.] als dort steht hier nicht fest, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigen wird. Das Anerkenntnis der Kläger auf die später zurückgenommene Hilfswiderklage der [X.]n bezog sich allein auf einen Teil der Darlehensvaluta. Die Kläger haben das Rechenergebnis der [X.]n im weiteren Verlauf des Rechtsstreits in Frage gestellt. Überdies sind die Parteien über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs uneinig, der indessen über die Höhe der den Klägern nach § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. [X.] zustehenden Ansprüche entscheidet.

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Der [X.] erkennt selbst auf die Unzulässigkeit der Feststellungsklage (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. Zwar ist das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung (st. Rspr., zuletzt etwa [X.]surteile vom 4. Juli 2017 - [X.], [X.], 1602 Rn. 31 und vom 10. Oktober 2017 - [X.], [X.], 2256 Rn. 29). Die Feststellungsklage ist aber nicht auch unbegründet. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis richtig davon ausgegangen, die [X.] habe die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt (vgl. [X.]surteil vom 24. Januar 2017 - [X.], [X.], 766 Rn. 31; [X.]sbeschluss vom 28. November 2017 - [X.], juris; [X.], NJW 2017, 2383, 2385; [X.]., [X.], 209; kritisch [X.], [X.], 373, 377 f.). Einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand halten überdies die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, der Ausübung des Widerrufsrechts habe § 242 [X.] nicht entgegen gestanden.

2. Die Sache ist auch nicht vorrangig vor einer Abweisung der Klage als unzulässig an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um den Klägern Gelegenheit zu geben, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen. Die Frist zur Einlegung einer dazu erforderlichen Anschlussberufung ist abgelaufen.

a) Die Kläger können zulässig nur auf Rückgewähr der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (vgl. [X.]surteil vom 21. Februar 2017 - [X.], [X.], 906 Rn. 39) oder darauf klagen, dass die [X.] gegen die Kläger aufgrund des Widerrufs keine Ansprüche (mehr) aus § 488 Abs. 1 Satz 2 [X.] hat ([X.]surteil vom 16. Mai 2017 - [X.], [X.], 1258 Rn. 16). Im Übergang von der positiven Feststellungsklage zur Leistungsklage läge eine [X.] nach § 264 Nr. 2 ZPO, in dem Übergang von der positiven Feststellungsklage zur negativen Feststellungsklage läge eine Klageänderung nach § 263 ZPO ([X.], NJW 2017, 3170 Rn. 27 f. und Urteil vom 23. Januar 2018 - 6 U 238/16, juris Rn. 47 ff., 57 ff.). Sowohl die [X.] als auch die Klageänderung setzen voraus, dass die in erster Instanz mit ihrem positiven Feststellungsbegehren erfolgreichen anderweitig beschwerten Kläger entweder selbst Berufung eingelegt haben und ihren Rechtsmittelangriff noch erweitern oder noch zulässig Anschlussberufung einlegen können (vgl. [X.]surteile vom 21. Februar 2017, aaO, vom 14. März 2017 - [X.], [X.], 849 Rn. 32 und vom 16. Mai 2017, aaO, Rn. 17; [X.], Urteil vom 7. Mai 2015 - [X.], [X.], 1871 Rn. 34; [X.], Urteil vom 6. Juli 2017 - 5 U 24/17, juris Rn. 46 ff.).

b) Die Kläger, die gegen das landgerichtliche Urteil - soweit die Abweisung ihres Antrags auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten betreffend - Berufung nicht eingelegt haben, könnten dies nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht nicht mehr tun. Auch eine Anschlussberufung können sie nicht mehr einlegen, weil die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO abgelaufen ist.

Das Anlaufen der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO setzt voraus, dass das Berufungsgericht eine Frist zur Erwiderung auf die Berufung gesetzt und die in § 521 Abs. 2 Satz 2, § 277 Abs. 2 ZPO vorgeschriebene Belehrung erteilt hat ([X.], Urteile vom 22. Januar 2015 - [X.], [X.], 1719 Rn. 19, vom 7. Mai 2015 - [X.], [X.], 1871 Rn. 41 und vom 16. Mai 2017 - [X.], [X.], 785 Rn. 38; Beschluss vom 23. September 2008 - [X.], [X.], 515 Rn. 4). Die fristsetzende Verfügung des Vorsitzenden muss durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift zugestellt werden (§ 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO; [X.], Beschluss vom 23. September 2008, aaO, Rn. 5). Bedingung für eine wirksame Fristsetzung ist, dass ein Hinweis auf den [X.] vor dem Berufungsgericht ([X.], Urteile vom 22. Januar 2015, aaO, Rn. 18 und vom 16. Mai 2017, aaO, Rn. 49; Beschluss vom 23. September 2008, aaO, Rn. 6) und auf die Folgen einer Fristversäumung erteilt wird ([X.], Urteil vom 16. Mai 2017, aaO, Rn. 50; Beschluss vom 23. September 2008, aaO). Über die Folgen einer Versäumung der Frist für die Einlegung der Anschlussberufung muss dagegen nicht belehrt werden ([X.], Urteil vom 16. Mai 2017, aaO, Rn. 40 ff.). Die Frist muss auch nicht schon zugleich mit der Zustellung der [X.] gesetzt werden (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 521 Rn. 7; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 15. Aufl., § 524 Rn. 11).

Hier ist den Klägern durch Verfügung vom 3. Juni 2016, den Klägern zugestellt am 9. Juni 2016, unter Beachtung dieser Grundsätze wirksam eine Frist zur Erwiderung auf die Berufung der [X.]n bis zum 5. Juli 2016 gesetzt worden. Innerhalb dieser Frist haben die Kläger Anschlussberufung nicht eingelegt.

[X.]     

      

Grüneberg     

      

Maihold

      

Menges     

      

Derstadt     

      

Meta

XI ZR 572/16

03.07.2018

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 27. September 2016, Az: 6 U 46/16, Urteil

§ 355 BGB vom 02.12.2004, § 357 Abs 1 S 1 BGB vom 02.01.2002, § 495 Abs 1 BGB vom 23.07.2002, § 139 ZPO, § 233 ZPO, §§ 233ff ZPO, § 256 Abs 1 ZPO, § 264 Nr 2 ZPO, § 524 Abs 2 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.07.2018, Az. XI ZR 572/16 (REWIS RS 2018, 6780)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1399-1400 WM2018,1599 REWIS RS 2018, 6780

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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