Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2017, Az. 1 StR 19/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 13721

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:210317B1STR19.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 19/17

vom
21. März
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] am 21. März
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. September 2016
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Ange-klagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmit-teln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen schuldig ist,
b) im Straf-
und Maßregelausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Jugendstrafkammer des [X.] zu-rückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen we-gen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
und sechs Monaten verurteilt. Seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist bei [X.] von einem Jahr und drei Monaten der Strafe vor der [X.]
-
3
-
regel angeordnet worden. Darüber hinaus hat das [X.] Verfall des Wer-tersatzes bestimmt.
Die näher ausgeführte, auf sachlich-rechtliche Beanstandungen
gestütz-te Revision des Angeklagten ist weitgehend erfolgreich.

I.
Das Rechtsmittel des zu Beginn des Tatzeitraums noch heranwachsen-den Angeklagten wendet sich allein gegen die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge (Fall C.II.d. der Urteilsgründe

UA S.
10 und 11) sowie gegen die Höhe der Einheitsjugend-strafe. Dies ergibt sich unmissverständlich aus den gestellten [X.] (§
344 Abs.
1 StPO) unter Berücksichtigung der Begründungsschrift. So-weit mit dieser Beschränkung auch die Anordnung der Maßregel des §
64 StGB vom Rechtsmittelangriff ausgenommen werden sollte, wäre eine solche weiter-gehende Beschränkung nicht wirksam. Wegen der durch §
5 Abs.
3, §
105 Abs.
1 [X.] hergestellten Verknüpfung zwischen freiheitsentziehenden Maßre-geln und einer Jugendstrafe kann regelmäßig nicht gesondert lediglich über die Strafe oder die Maßregel entschieden werden (siehe nur [X.] in [X.] Kommentar zum StGB, 3.
Aufl., §
64 Rn.
129 und 137 mwN).

2
3
-
4
-
II.
Im Umfang der Anfechtung hat das Rechtsmittel ganz überwiegend Er-folg.
1.
Der Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht getragen.
a)
Nach der Rechtsprechung des [X.] liegen die Voraus-setzungen der Qualifikation aus §
30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG grundsätzlich nicht vor, wenn lediglich eine als Gehilfe am Grunddelikt strafbar beteiligte Person während des Tatzeitraums eine Schusswaffe oder einen sonstigen Gegenstand mit sich führt, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist ([X.], Beschlüsse vom 4.
Februar 2003

[X.], [X.]St 48, 189, 194 und vom 15.
Oktober 2013

3 [X.], [X.], 617, 618; siehe auch [X.], Urteil vom
21.
März 2000

1 StR 441/99, [X.], 433; [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8.
Aufl., §
30a Rn.
106). Ausreichend ist [X.] das Mitsichführen eines von §
30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG erfassten Ge-genstandes durch einen Mittäter des betäubungsmittelrechtlichen Grunddelikts, wenn sich der gemeinsame [X.] auf den [X.] [X.] (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4.
Februar 2003

[X.], [X.]St 48, 189, 192 ff. und vom 15.
Oktober 2013

3 [X.], [X.], 617, 618; Urteil vom 10. August 2016

2
StR 22/16, [X.], 375, 376 f.).
b)
Ein gemeinschaftliches Handeltreiben durch den Angeklagten und

11) belegen die [X.] nicht. Auch aus dem
Gesamtzusammenhang des Urteils lassen sich die Voraussetzungen einer Mittäterschaft nicht entnehmen.
4
5
6
7
-
5
-
aa)
Mittäter ist, wer [X.] fördert, sondern einen eige-nen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen [X.] erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung um-fasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Umfang der Tatbe-teiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 15. Januar 1991

5 [X.], [X.]St 37, 289, 291; vom 9. April 2013

1 [X.], [X.]St 58, 218, 225 f.; vom 13.
Juli 2016

1
StR 94/16 Rn.
17 und vom 10. August 2016

2 StR 22/16, [X.], 375, 376). Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter, wer seinen eige-nen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines ande-ren Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.] erscheint. Stets muss sich
diese Mitwirkung aber nach der Willens-richtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 29. September 2015

3 [X.], [X.], 6; Urteil vom 10. August 2016

2 StR 22/16, [X.], 375, 376).
bb)

i-chen Tat beschränkte sich auf eine Rangelei mit dem nicht revidierenden [X.] [X.]

, in
deren Folge dieser eine Tasche mit 250
g Marihuana an einen der beiden Begleiter übergab. Im weiteren Verlauf des Geschehens zeig-te einer der Begleiter dem Mitangeklagten ein von ihm (dem Begleiter) mitge-führtes Messer. Bei dieser Gelegenheit erkannte der Angeklagte erstmals das Mitsichführen eines Messers durch einen seiner Begleiter und die von diesem vorgenommene Zweckbestimmung, das Messer zu Verteidigungszwecken ge-8
9
-
6
-
gen Menschen einzusetzen. Der Angeklagte billigte dieses. Später übergab der Mitangeklagte in seiner Wohnung ein weiteres Päckchen mit Marihuana an den Angeklagten und dessen Begleiter.
Daraus lassen sich die für eine Mittäterschaft erforderlichen Anhalts-punkte nicht entnehmen.
Ein eigenes Tatinteresse der Begleiter ist aus den Urteilsgründen nicht erkennbar. Gleiches gilt für eine auf das Handeltreiben gerichtete
Tatherrschaft oder wenigstens den Willen dazu. Durch festgestellte tatsächliche Umstände belegt ist allenfalls eine Beihilfe der Begleiter, damit auch des bewaffneten Begleiters, zu täterschaftlichem
Handeltreiben des [X.]. Das genügt aber nicht für die Qualifikation aus §
30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG.
c)
Die Voraussetzungen, unter denen der [X.] aus-nahmsweise das Mitsichführen einer Schusswaffe oder eines sonst verlet-zungsgeeigneten und -bestimmten Gegenstands durch einen Gehilfen für die Verwirklichung des bewaffneten Handeltreibens seitens des [X.] hat ausrei-chen lassen (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Februar 1997

2 [X.], [X.]St 43, 8,
14; Beschluss vom 4.
Februar 2003

[X.], [X.]St 48, 189, 194), lie-gen nach den Feststellungen ebenfalls nicht vor. Da der Angeklagte überhaupt erst während des Vorgehens gegen den Mitangeklagten [X.]

eher zufällig (sie-he UA S.
11) Kenntnis von dem Messer eines seiner Begleiter erhielt, liegt sehr fern, dass der Angeklagte jederzeit auf das Messer selbst hat zugreifen oder über dessen Einsatz im Wege eines Befehls hat verfügen können (zu den Krite-rien [X.] jeweils aaO). Das gilt erst recht unter Berücksichtigung der Ausfüh-rungen des [X.] im Rahmen der Strafzumessung. Dort schildert das Tatgericht
den Eindruck des Mitangeklagten [X.]

, dem Angeklagten habe

ersichtlich bezogen auf das Vorzeigen des Messers durch einen
der Beglei-ter

b10
11
-
7
-
S.
23

vom
4.
Februar 2003

[X.], [X.]St 48, 189, 194) bezeichneten Ausnahme-konstellation der Zurechnung von [X.] zum Täter des [X.] nichts zu tun.
d)
Angesichts des bislang Festgestellten zu

e-n-de Feststellungen aus, durch die ein bewaffnetes
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln für den Angeklagten noch belegt werden könnte. Der [X.] lässt daher die Verurteilung aus dem [X.] entfallen und ändert den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel zu 1.a) ersichtlich. §
265 Abs.
1 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich nicht erfolgreicher als geschehen
verteidigen können.
2.
Der Ausspruch über die Jugendstrafe und die Unterbringung des [X.] in einer Entziehungsanstalt halten
revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis ebenfalls nicht stand.
a)
Wird aus Anlass der Straftat eines Jugendlichen oder Heranwachsen-den dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet, so wird gemäß §
5 Abs.
3 [X.]

bei Heranwachsenden in Verbindung mit §
105 Abs.
1 [X.]

von Jugendstrafe abgesehen, wenn die [X.] eine solche Ahndung entbehrlich macht. Die spezifisch jugendstrafrechtliche Regelung [X.] es nach dem Verständnis des [X.], die im allgemeinen Strafrecht vorgesehene Kumulation von Strafe und freiheitsentziehender [X.] zu vermeiden und dem Gedanken der Einspurigkeit im Jugendstrafrecht Rechnung zu tragen ([X.], Urteile vom 9.
Dezember 1992

3 StR 434/92, [X.]St 39, 92, 95 und vom 3.
Dezember 2015

4 StR 387/15, [X.], 736 mwN; Beschluss vom 26.
Mai 2011

4 [X.], [X.], 288). Ange-12
13
14
-
8
-
sichts dessen ist
das Tatgericht grundsätzlich gehalten,
auch bei einem nach Jugendstrafrecht zu beurteilenden Heranwachsenden
die Voraussetzungen von §
5 Abs.
3 [X.] zu erörtern (siehe nur [X.], Beschluss vom 22.
Juli 2009

2 [X.], [X.], 354 mwN).
b)
Dem genügt das angefochtene Urteil nicht. Es ist weder eine [X.] Prüfung von §
5 Abs.
3 [X.] erfolgt noch lässt sich eine solche aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils, was genügen kann (vgl. [X.], [X.] vom 26.
Mai 2011

4 [X.], StrafFo 2011, 288 und vom 21.
Juli 2015

1 [X.]/15 Rn.
2), entnehmen. In Bezug auf die für sich genommen i-gung von §
18 Abs.
2 [X.] bemessene Jugendstrafe kann den Urteilsgründen auch nicht
ohne weiteres entnommen werden, dass eine Anwendung von §
5 Abs.
3 [X.] von vornherein ausscheidet (vgl. zu einer solchen Konstellation
[X.], Beschlüsse vom 23.
Juni 2015

1 [X.] und vom 21.
Juli 2015

1 [X.]/15 Rn.
2). Angesichts der wiederum bei isolierter Betrachtung rechtsfehlerfreien Erwägungen zum notwendigen Umfang der Einwirkung auf den Angeklagten mag ein Absehen von Jugendstrafe eher fern liegen. Das zu beurteilen, ist jedoch Aufgabe des Tatrichters ([X.], Beschluss vom 26.
Mai 2011

4 [X.], [X.], 288; zum Ermessen des Tatrichters [X.], Beschluss vom 17.
September 2013

1 [X.], [X.], 28; Urteil vom 3.
Dezember 2015

4 StR 387/15, [X.], 736).
c)
Die unterbliebene Erörterung von §
5 Abs. 3 [X.] (i.V.m.
§
105 Abs. 1 [X.]) führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs
insgesamt (vgl. nur [X.], Beschluss vom 17.
März 2011

4 StR 49/11, [X.], 240). Eine Aufhebung der zugrunde liegenden Feststellungen kommt nicht in Betracht. 15
16
-
9
-
Diese sind rechtsfehlerfrei getroffen worden. Da sich die Revision auch gegen diese richtet, bleibt sie insoweit erfolglos.
3.
Der Ausspruch über die Maßnahme (§
11 Abs.
1 Nr.
8 StGB) des [X.] ist nicht angefochten.
Raum

Jäger Bellay

Radtke Fischer
17

Meta

1 StR 19/17

21.03.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2017, Az. 1 StR 19/17 (REWIS RS 2017, 13721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13721

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 19/17 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmittelstraftat: Mitführen einer Waffe durch einen Mittäter


3 StR 78/17 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Urteilsfeststellungen zum Mitsichführen einer Waffe


4 StR 303/19 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Einschränkende Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion; griffbereit zur Verfügung stehende …


3 StR 78/17 (Bundesgerichtshof)


4 StR 463/18 (Bundesgerichtshof)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Mit sich Führen eines nicht verbotenen Springmessers


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.