Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2021, Az. 10 AZR 196/19

10. Senat | REWIS RS 2021, 7552

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Gegenstand

Tarifliches Härtegeld - Auslegung eines Haustarifvertrags


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15. März 2019 - 8 [X.] 303/18 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über ein [X.] für die Kalenderjahre 2016 und 2017.

2

Die Beklagte produziert in ihrem Betrieb in [X.] Teiglinge für sog. Gipfelhörnchen. Der Kläger arbeitet dort seit 1997 in Vollzeit. Er ist Mitglied der [X.] [X.] ([X.]).

3

Bis 2005 zahlte die Beklagte an ihre Arbeitnehmer nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit ein [X.]. Am 13. Juni 2005 schlossen die Beklagte und die [X.] den Tarifvertrag zur [X.] in der Gipfelabteilung [X.] ([X.] 2005). § 3 Abs. 5 [X.] 2005 sah vor, dass als „Ausgleich für die [X.] ... alle Arbeitnehmer … der Gipfelabteilung [X.] ... eine Zeitgutschrift von 2 Stunden pro Woche auf das Arbeitszeitkonto gutgeschrieben“ erhalten. Im [X.] zum Sondertarifvertrag vom 13. Juni 2005 für die Beschäftigten in der Firma [X.] GmbH in 97447 [X.] vom 22. Juni 2007 ([X.]) vereinbarten die Beklagte und die [X.] die Voraussetzungen für die Fortführung des [X.] ab dem 1. Juli 2007. § 3 Buchst. d [X.] lautete:

        

„Rückwirkend für die [X.] und mind. für die Laufzeit des [X.] wird für alle Beschäftigten des Betriebes ein Härtegeld in Höhe von 600,00 Euro bezahlt. ...“

4

Das tarifliche [X.] wurde rückwirkend seit dem [X.] jeweils als Jubiläumszuwendung geleistet, wenn eine zehnjährige Betriebszugehörigkeit erreicht war. Der Kläger erhielt die Zahlung aus diesem Anlass im Jahr 2007.

5

Am 1. Oktober 2008 trat der unter anderem zwischen der Beklagten und der [X.] abgeschlossene Haus-Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der Firma [X.] GmbH und Hiestand Holding Beteiligungsgesellschaft GmbH & Co. KG in 97447 [X.] ([X.]) in [X.]. Er enthält auszugsweise die Regelungen:

        

§ 3 Arbeitszeit

        

…       

        
        

3.    

Die wöchentliche Arbeitszeit ist im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so zu verteilen, dass zwei Tage der [X.] arbeitsfrei bleiben ([X.]). …

                          
        

§ 6 Allgemeine Entgeltgrundsätze

        

…       

        
        

5.    

[X.] wird monatlich bargeldlos zum Anfang des Folgemonats, jedoch spätestens am 5. Arbeitstag des Folgemonats vom Arbeitgeber überwiesen.

        

…       

        
        

§ 10 Jahressonderzuwendung

        

1.    

Die Arbeitnehmer und die Auszubildenden, die per 30.06.05 ein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen haben, erhalten mit der November-Abrechnung des jeweiligen Kalenderjahres eine Weihnachtsgratifikation als Jahressondervergütung, …“

6

Der von denselben Parteien „in Ergänzung“ zum [X.] abgeschlossene [X.] zur [X.] vom 20. Juli 2012 ([X.] 2012) sah in § 2 Buchst. d vor:

        

„Für die Laufzeit des [X.] wird für alle Beschäftigten des Betriebes ein Härtegeld i. H. von 600,- Euro brutto als Einmalzahlung mit der Jahressonderzahlung bezahlt. Teilzeitbeschäftigte erhalten diesen Betrag anteilig. Laufende Rechtsansprüche bleiben hiervon unberührt. Die Bedingungen, die für den Erhalt der Sonderzahlung (Härtegeld) maßgeblich sind, werden zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat einvernehmlich festgelegt.“

7

Am 11. September 2015 vereinbarten die Beklagte, die Hiestand [X.] ([X.]) & Co. KG und die [X.] den [X.] zur [X.] ([X.] 2015). Darin heißt es ua.:

        

§ 1 Arbeitszeiten

        

…       

        
        

2)    

Als Ausgleich für die [X.] erhalten alle Arbeitnehmer eine Zeitgutschrift von 2 Stunden pro Woche auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben, wenn im 7-Tage-Rhythmus (18, 19, 21 Schichten) gearbeitet wird. …

        

…       

        
        

§ 2 Weiterführung [X.]

        

a.    

Zusätzlich werden für alle Beschäftigten im 7-Tage-Rhythmus gemäß dieses Geltungsbereiches zwei zusätzliche Urlaubstage pro Jahr der Laufzeit gewährt.

        

b.    

Unabhängig von den in Absatz a) erwähnten Urlaubstagen erhalten die Beschäftigten bei einem durchgängigen 6-monatigen Einsatz im 7-Tage-Rhythmus jeweils einen zusätzlichen [X.] gutgeschrieben, bei durchgängigem 12-monatigen Einsatz höchstens jedoch zwei [X.]e pro Kalenderjahr.

        

c.    

Für die Laufzeit des [X.] wird für alle Beschäftigten des Betriebes ein Härtegeld i. H. von 600,- Euro brutto als Einmalzahlung mit der Jahressonderzahlung bezahlt. Teilzeitbeschäftigte erhalten diesen Betrag anteilig. Laufende Rechtsansprüche bleiben hiervon unberührt. Die Bedingungen, die für den Erhalt der Sonderzahlung (Härtegeld) maßgeblich sind, werden zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat einvernehmlich festgelegt.

                          
        

§ 3 Tankgutscheine

        

a.    

Für alle Beschäftigten wird für jeden gearbeiteten Samstag ein steuerfreier Tankgutschein i. H. von 25,- Euro gezahlt. ... Für die sich im [X.] befindlichen Beschäftigten gilt während der 7-Tage-Zeit ein maximaler Anspruch von einem Gutschein pro 4-Wochenblock im [X.]. …

        

…       

        
        

§ 7 [X.]

        

Spätestens bis zum 31.10.2015 ist mit dem Betriebsrat nach § 87 BetrVG ein [X.] zu vereinbaren. Besteht keine Einigung, ist der Tarifvertrag nicht anwendbar. Danach werden innerhalb von 14 Tagen die Tarifvertragsparteien angerufen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.“

8

Am 29. Dezember 2016 schlossen die Betriebsparteien die Betriebsvereinbarung zu den Bedingungen der [X.]zahlung gemäß § 2 c [X.] ([X.]). Darin ist geregelt:

        

§ 1   

        

Gegenstand der Betriebsvereinbarung

        

…       

        
        

(2)     

Die für den Erhalt der Sonderzahlung maßgeblichen Bedingungen werden gemäß § 2 c Satz 4 [X.] mit dieser Betriebsvereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat einvernehmlich geregelt. …

        

…       

        
        

§ 2     

        

Höhe der Sonderzahlung

        

(1)     

Die Sonderzahlung in Höhe von [X.] 600 brutto wird jeweils bei Erreichung einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit nach Vollzeittätigkeit von 10, 20, 25 und 30 Jahren gezahlt.

        

…       

        
        

§ 3     

        

Fälligkeit der Sonderzahlung

        

(1)     

Die Sonderzahlung wird als Einmalzahlung mit der Jahressonderzahlung, also derzeit mit dem Gehaltslauf für denjenigen Monat November gezahlt, der der Vollendung der entsprechenden Betriebszugehörigkeit nachfolgt. …“

9

Am 17. Januar 2017 schlossen die Beklagte, die Hiestand [X.] ([X.]) & Co. KG und die [X.] den [X.] Nr. 1 zum [X.] zur [X.] ([X.]) vom 11. September 2015 ([X.]) ab. Darin heißt es auszugsweise:

        

§ 3   

        

[X.]

        

Dieser Ergänzungstarifvertrag stellt die einvernehmliche Lösung der Tarifvertragsparteien iSd § 7 [X.] dar. Die Tarifvertragsparteien kommen überein, dass der [X.] ab dem 01.04.2016 in [X.] tritt und anwendbar ist.

        

§ 4     

        

Schlussbestimmungen

        

Dieser Ergänzungstarifvertrag tritt mit Unterzeichnung in [X.]. Er kann mit einer Frist von 2 Monaten, erstmals zum 31.12.2018, gekündigt werden.“

Am Tag darauf unterzeichneten die Betriebsparteien die Betriebsvereinbarung Arbeitszeitkonto & Sonderurlaubskonto ([X.] 2017). Die Präambel lautet:

        

„Die Tarifvertragsparteien haben im [X.] zur [X.] vom 11.09.2015 ([X.]) sowie im Ergänzungstarifvertrag zum [X.] die verpflichtende Einführung eines ampelgesteuerten [X.] und eines [X.] durch die Betriebsparteien vorgesehen. Die Betriebsvereinbarung stellt die Umsetzung dieser tariflichen Verpflichtung dar.“

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 27. Februar 2017 auf, an ihn das [X.] 2016 iHv. 600,00 Euro nach § 2 Buchst. c [X.] 2015 zu zahlen. Im November 2017 erhielt er für seine 20-jährige Betriebszugehörigkeit eine Sonderzahlung iHv. 600,00 Euro. Sie wurde als Jubiläumszuwendung abgerechnet. Nach der übereinstimmenden Erklärung der Parteien in der Berufungsverhandlung vor dem [X.] vom 15. März 2019 handelte es sich dabei um das tarifliche [X.].

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe das tarifliche [X.] in jedem Kalenderjahr zu. Dies folge aus der Verknüpfung „mit der Jahressonderzahlung“ und daraus, dass das [X.] die mit dem [X.] einhergehenden Belastungen ausgleichen solle. Die [X.] sei unwirksam, weil sie das [X.] tarifvertragswidrig zur Jubiläumszuwendung verkläre.

Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 600,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2016 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 600,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, das [X.] nach § 2 Buchst. c [X.] 2015 sei nur einmal während der Laufzeit des [X.] zu zahlen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Tarifregelung mit § 2 Buchst. a und Buchst. b [X.] 2015. Die Verknüpfung des [X.]es mit der Jahressonderzahlung sei lediglich als Fälligkeitsbestimmung zu verstehen. Das erstmals im [X.] geregelte [X.] habe die bis 2005 ohne tarifliche Grundlage gezahlte Jubiläumszuwendung ersetzt. Daher seien die Tarifvertragsparteien ebenso wie schon bei der wortgleichen Vorgängerregelung in § 2 Buchst. d [X.] 2012 definitiv von einer Einmalzahlung ausgegangen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Berufung des [X.] nach Einholung einer schriftlichen Tarifauskunft zurückgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die [X.]erufung des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

A. Die Prozessfortsetzungsvoraussetzung der zulässigen [X.]erufung des [X.] ist erfüllt (vgl. [X.] 15. Juli 2020 - 10 [X.] - Rn. 16; 20. August 2019 - 3 [X.] - Rn. 44, [X.]E 167, 294). Der Kläger hat sich in seiner [X.]erufungsbegründung noch hinreichend iSv. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO mit den rechtlichen Erwägungen auseinandergesetzt, auf die das Arbeitsgericht seine Entscheidung gestützt hat.

I. Das Arbeitsgericht hat sein Urteil doppelt begründet: Es hat angenommen, aus dem [X.] 2015 folge schon deshalb kein Zahlungsanspruch, weil das [X.] nur einmal während der gesamten Dauer der Laufzeit des Tarifvertrags gezahlt werde. [X.]is zum 31. Oktober 2015 sei kein [X.] mit dem [X.]etriebsrat vereinbart worden. Deshalb sei es wegen § 7 [X.] 2015 fraglich, ob § 2 [X.] 2015 überhaupt zur Anwendung gelange. Sofern der Anspruch aus dem [X.] 2015 hergeleitet werden könne, sei er bereits für das [X.] wirksam geworden und erloschen, weil der Kläger die tarifvertragliche Ausschlussfrist versäumt habe.

II. Der Kläger hat sich in der [X.]erufungsbegründung mit beiden [X.]egründungssträngen des angefochtenen Urteils noch ausreichend befasst (zu den Anforderungen [X.] 28. August 2019 - 10 [X.] - Rn. 12 mwN). Die Erstbegründung hat er mit der Rüge angegriffen, das Arbeitsgericht habe bei der Tarifauslegung die Verknüpfung des [X.]es mit der [X.] und die Regelungen im [X.] nicht berücksichtigt. Gegen die Zweitbegründung hat er vorgebracht, das [X.] habe nicht im November 2015 fällig werden können, weil der [X.] 2015 erst rückwirkend zum 1. April 2016 in [X.] gesetzt worden sei.

[X.]. Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht weder für 2016 noch für 2017 ein tarifliches [X.] zu. Zinsen kann er von der [X.] ebenfalls nicht verlangen.

I. Als Grundlage für den Anspruch auf das mit dem Klageantrag zu 1. begehrte [X.] für das Kalenderjahr 2016 kommt allein § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 iVm. § 3 Satz 2 [X.] 2017 in [X.]etracht.

1. Die Rechtsnormen des [X.] 2015 und des [X.] 2017 gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 3 Abs. 1 [X.] zwischen der [X.] als [X.] der beiden Tarifverträge und dem Kläger als Mitglied der [X.] unmittelbar und zwingend. Nach § 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] 2017 sowie nach Geltungsbereich Nr. 1 und Nr. 2 [X.] 2015 sind der fachliche und der räumliche Geltungsbereich der beiden Tarifverträge für den [X.]etrieb der [X.] in [X.] eröffnet. Der persönliche Geltungsbereich der Tarifverträge erstreckt sich auf die in Geltungsbereich Nr. 3 [X.] 2015 und in § 1 Nr. 3 [X.] 2017 gleichermaßen näher umschriebenen Arbeitnehmer, die im [X.] beschäftigt sind. Der Kläger hat [X.] mehrfach unwidersprochen vorgetragen, dass er diese Voraussetzung im Kalenderjahr 2016 erfüllte.

2. Der [X.] 2015 ist rückwirkend zum 1. April 2016 in [X.] getreten. Dies folgt aus § 3 Satz 2 [X.] 2017.

a) Entgegen der Regelung in § 15 Satz 1 trat der [X.] 2015 nicht bereits ab dem 1. Oktober 2015 in [X.]. § 7 Satz 2 iVm. Satz 1 [X.] 2015 stellt die „Anwendung“ des [X.] 2015 unter die aufschiebende [X.]edingung, dass die [X.]etriebsparteien bis zum 31. Oktober 2015 eine Einigung über die Vereinbarung eines sog. [X.]s erzielen. Die [X.], die nach ihrer Präambel die Umsetzung dieser tariflichen Verpflichtung darstellt, wurde erst am 18. Januar 2017 abgeschlossen.

b) Mit der Regelung in § 7 Satz 3 [X.] 2015 haben die Tarifvertragsparteien den Eintritt der Normwirkung des [X.] 2015 nicht in die Hände Dritter gelegt (vgl. dazu [X.]/Rieble [X.] 4. Aufl. § 1 Rn. 1551; zu einem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.], wenn die Anwendung des Tarifvertrags vom Abschluss eines bestimmten Arbeitsvertrags abhängig sein soll: [X.] 13. Mai 2020 - 4 [X.] - Rn. 33; 9. April 2008 - 4 [X.] - Rn. 25 f.). Die [X.]etriebsparteien hatten bis zum 31. Oktober 2015 nicht die in § 7 Satz 1 [X.] 2015 vorgesehene Einigung über das [X.] erzielt. Deshalb begann am 1. November 2017 die 14-Tages-Frist des § 7 Satz 3 [X.] 2015, um die Tarifvertragsparteien anzurufen. Die von ihnen gefundene „einvernehmliche Lösung“ ist nach § 3 Satz 1 [X.] 2017 „dieser [X.]“. § 3 Satz 2 [X.] 2017 datiert das Inkrafttreten des [X.] 2015 auf den 1. April 2016.

II. Aus § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 ergibt sich kein Anspruch auf ein [X.] für das Kalenderjahr 2016.

1. Die vom Kläger für richtig gehaltene Auslegung des § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015, wonach das [X.] kalenderjährlich zu zahlen sein soll, lässt sich aus Sicht des [X.]s nicht mit Wortlaut, Zusammenhang und Zweck der Tarifnorm vereinbaren.

a) Schon der Wortlaut spricht dafür, dass es sich bei dem [X.] nach § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 nicht um eine kalenderjährlich wiederkehrende Zahlung handelt. Darauf deuten der unbestimmte Artikel „ein“ und die [X.]ezeichnung als „Einmalzahlung“ hin.

aa) Als Einmalzahlung wird in Tarifverträgen typischerweise eine pauschalierte Entgelterhöhung oder eine von einer konkreten Gegenleistung unabhängige Sonderzahlung beschrieben ([X.] 14. November 2012 - 5 [X.] - Rn. 15; 16. Dezember 2009 - 5 [X.] - Rn. 31; 21. Oktober 2009 - 10 [X.] 786/08 - Rn. 35). Die Tarifvertragsparteien des [X.] 2015 sind von diesem Verständnis ausgegangen. Das belegt die Verbindung des Worts „Sonderzahlung“ mit dem Klammerzusatz „[X.]“ in § 2 [X.]uchst. c Satz 4 [X.] 2015.

bb) Ein anderes [X.]egriffsverständnis folgt weder aus § 23a Abs. 1 Satz 1 SG[X.] IV noch aus dem Einkommensteuergesetz. Der [X.] stimmt der gegenläufigen Auffassung des [X.] nicht zu. Um eine Einmalzahlung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn handelt es sich, wenn das gezahlte Entgelt keinen konkreten [X.]ezug zu der in einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum geleisteten Arbeit hat ([X.]SG 10. Dezember 2019 - [X.] 12 [X.]/18 R - Rn. 19, [X.]SGE 129, 247). Deshalb kann es sich auch dann um eine solche Einmalzahlung handeln, wenn sie während des ganzen Arbeitsverhältnisses [X.] geleistet wird. Entsprechendes gilt für einmalige [X.]ezüge iSv. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG, die nach § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG [X.]esonderheiten im Hinblick auf die zu erhebende Lohnsteuer unterliegen.

b) Auch aus dem systematischen Zusammenhang der Norm mit den anderen [X.] im [X.] 2015 geht hervor, dass das [X.] nach § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 nicht kalenderjährlich zu leisten ist.

aa) Die Zeitgutschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2015 erfolgt „pro Woche …, wenn im [X.] gearbeitet wird“. Nach § 3 [X.]uchst. a Satz 4 [X.] 2015 kann höchstens ein Tankgutschein „pro 4-Wochenblock“ beansprucht werden. Für die beiden zusätzlichen Urlaubstage legt § 2 [X.]uchst. a [X.] 2015 den [X.]ezugszeitraum „pro Jahr der Laufzeit“ fest. Die „[X.]“ nach § 2 [X.]uchst. b [X.] 2015 werden „pro Kalenderjahr“ gutgeschrieben. Vor diesem Hintergrund kann § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015, wonach das [X.] „für die Laufzeit des [X.]es“ gezahlt wird, nur bedeuten, dass sich die Tarifvertragsparteien hier bewusst für diesen [X.]ezugszeitraum entschieden haben und nicht für das Kalenderjahr.

bb) Für die Auslegung des [X.] spricht auch nicht, dass § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 die [X.]eklagte dazu verpflichtet, das [X.] mit der „Jahressonderzahlung“ zu leisten, ohne eine konkrete Jahreszahl anzugeben. Den Tarifvertragsparteien war bei Abschluss des [X.] 2015 aufgrund der [X.]edingung in § 7 Satz 2 iVm. Satz 1 [X.] 2015 nicht bekannt, wann der Tarifvertrag in [X.] treten würde. Wäre ein kalenderjährlicher Zahlungsrhythmus gewollt gewesen, hätte es zudem nahegelegen, vor „Jahressonderzahlung“ das Wort „jeweiligen“ einzufügen.

cc) Der Kläger kann das von ihm für richtig gehaltene Verständnis des § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 auch nicht mit Erfolg darauf stützen, sonst sei die in § 2 [X.]uchst. c Satz 4 [X.] 2015 vorgesehene Festlegung der „[X.]edingungen … für den Erhalt der Sonderzahlung ([X.])“ durch die [X.]etriebsparteien entbehrlich. Die Frage, welche [X.]edingungen die [X.]etriebsparteien sollten regeln können, stellt sich unabhängig davon, welchen Zahlungsrhythmus die Tarifvertragsparteien festgelegt haben.

c) Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass die [X.]eschäftigung im [X.] eine Erschwernis gegenüber der in § 3 Nr. 3 Satz 1 [X.] geregelten [X.] ist. Angesichts des systematischen Zusammenhangs der Regelung in § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 mit den [X.] in § 1 Abs. 2 und § 2 [X.]uchst. a und [X.]uchst. b [X.] 2015 sowie der [X.]ezeichnung als „[X.]“ liegt es nahe, dass auch diese Sonderzahlung die Erschwernis ausgleichen soll. Dies zwingt jedoch nicht zu dem Schluss, das [X.] sei ungeachtet des Tarifwortlauts kalenderjährlich zu zahlen. Der mit dem [X.] verfolgte [X.] wird auch dann erreicht, wenn es auf die - von den Tarifvertragsparteien bestimmte - Laufzeit des [X.]s bezogen ist.

d) [X.]leiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Zweck und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden ([X.] 2. November 2016 - 10 [X.] 615/15 - Rn. 42 mwN). Solche Zweifel bestehen hier nicht, sodass die Tarifgeschichte nicht ermittelt werden muss. Dennoch stützte auch sie das gefundene Auslegungsergebnis, wonach das [X.] nicht kalenderjährlich zu zahlen ist. Die Regelung des [X.]es in § 2 [X.]uchst. c [X.] 2015 geht zurück auf die wortgleiche [X.]estimmung in § 2 [X.]uchst. d [X.] 2012 und die Vorläuferregelung in § 3 [X.]uchst. d [X.]. Das tarifliche Gefüge stellt damit seit geraumer Zeit nicht auf das Kalenderjahr, sondern auf die „Laufzeit des [X.]es“ als [X.]ezugszeitraum für das [X.] ab.

e) Aus der von der [X.] vorgelegten Tarifauskunft ergibt sich nichts anderes. Deshalb kann dahinstehen, ob das [X.] eine solche Auskunft einholen durfte (zu den Anforderungen [X.] 10. April 2019 - 4 [X.] 587/17 - Rn. 27 mwN; 8. November 2017 - 10 [X.] 501/16 - Rn. 27 mwN; [X.] 2011 S. 286, 303). Das [X.] hat dem von der [X.] zu den Akten gereichten [X.] und damit dem gehaltenen Vortrag ohne revisionsrechtlich erhebliche Fehler eine Verständigung der Tarifvertragsparteien dahin entnommen, dass es sich schon bei dem [X.] nach § 2 [X.]uchst. d [X.] 2012 nicht um eine jährliche Zahlung handeln sollte. Es hat vor allem auf das Einverständnis des Vertreters der [X.] mit der von der [X.] erbetenen Streichung des Zusatzes „jährlich“ aus dem ursprünglichen Entwurf abgestellt. Der [X.] teilt aus diesem Grund nicht die Auffassung des [X.], die in § 2 [X.]uchst. d [X.] 2012 eingefügten Worte „mit der Jahressonderzahlung“ hätten den jährlichen Zahlungsrhythmus ausdrücken sollen.

2. Anhaltspunkte dafür, dass das [X.] bereits mit der Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2016 fällig geworden sein könnte, sind weder vom [X.] festgestellt noch sonst ersichtlich. Zwar könnte aus der Regelung in § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 - mit [X.]lick auf § 271 [X.]G[X.] - abgeleitet werden, dass das [X.] bereits mit der ersten Jahressonderzahlung nach Inkrafttreten des Tarifvertrags fällig war. Der [X.] 2015 ist jedoch erst am 17. Januar 2017 - wenn auch rückwirkend zum 1. April 2016 - in [X.] gesetzt worden (§ 3 Satz 2 [X.] 2017). Das [X.] kann daher auch nach diesem Verständnis nicht bereits im Kalenderjahr 2016 fällig geworden sein.

III. Der Anspruch auf das mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte [X.] ist durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 [X.]G[X.]).

1. Sollte aus § 2 [X.]uchst. c Satz 1 [X.] 2015 iVm. § 3 [X.] 2017 folgen, dass das [X.] bereits mit der ersten Jahressonderzahlung nach Inkrafttreten des [X.] 2015 gezahlt werden musste, wäre es nach § 10 Nr. 1 iVm. § 6 Nr. 5 [X.] am 7. Dezember 2017 fällig geworden.

2. Die [X.]en haben im Kammertermin vor dem [X.] unstreitig gestellt, dass die [X.]eklagte das tarifliche [X.] iHv. 600,00 Euro brutto in der Abrechnung für November 2017 als „[X.]“ bezeichnet und an den Kläger gezahlt hat.

IV. Die Klage ist auch hinsichtlich der mit dem Antrag zu 2. begehrten Verzugszinsen unbegründet. Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, dass ihm das [X.] erst nach dem 7. Dezember 2017, dem Fälligkeitstermin für die Jahressonderzahlung 2017, gezahlt wurde.

V. Der [X.] hat nicht darüber zu entscheiden, ob der Kläger die geltend gemachten Ansprüche aus der [X.]V 2016 herleiten kann.

1. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf das Gericht einer [X.] nicht etwas zusprechen, was nicht beantragt ist. Entsprechendes gilt, wenn das Gericht dem Kläger einen Anspruch aberkennt, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (st. Rspr., z[X.] [X.] 1. Dezember 2020 - 9 [X.] 102/20 - Rn. 68; 11. April 2018 - 4 [X.] 119/17 - Rn. 22, [X.]E 162, 293; 25. August 2015 - 1 [X.] 754/13 - Rn. 20, [X.]E 152, 240 ).

2. Die [X.]V 2016 gehörte nicht zu dem zur Entscheidung gestellten [X.], den der Kläger dem Gericht unterbreitet hat, um sein Rechtsschutzbegehren zu begründen. Er hat sich in den Tatsacheninstanzen allein auf [X.] beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden [X.] 2015 gestützt. Ferner hat er geltend gemacht, die [X.]etriebsvereinbarung könne wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 [X.]etrVG ohnehin keine Wirkung entfalten.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO

        

    Gallner    

        

    Pessinger    

        

    [X.]rune    

        

        

        

    Scheck    

        

    Satl    

                 

Meta

10 AZR 196/19

24.03.2021

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Würzburg, 19. Februar 2018, Az: 3 Ca 749/17, Urteil

§ 271 BGB, § 362 Abs 1 BGB, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG, § 19 Abs 1 S 2 EStG, § 38a Abs 1 S 3 EStG, § 23a Abs 1 S 1 SGB 4, § 64 Abs 6 S 1 ArbGG, § 308 Abs 1 S 1 ZPO, § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2021, Az. 10 AZR 196/19 (REWIS RS 2021, 7552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7552

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