Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.09.2021, Az. 5 StR 188/21

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 2907

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Gegenstand

Strafverfahren: Konnexitätserfordernis beim Beweisantrag


Leitsatz

Zum Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel nach der Neufassung von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO („Konnexität“; Aufgabe von BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284).

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten M.    gegen das Urteil des [X.] vom 17. November 2020 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Adhäsionsausspruch zu Ziffer 7 des Tenors wie folgt lautet: Es wird festgestellt, dass der Angeklagte M.    gesamtschuldnerisch verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm künftig infolge der zu seinem Nachteil begangenen Tat vom 29. November 2019 entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden; im Übrigen wird insoweit von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels, die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger durch sein Rechtsmittel im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

2. Der Antrag des Angeklagten [X.], ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionseinlegungsfrist zu gewähren, wird als unzulässig verworfen.

3. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das oben genannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft.

Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklagten M.    wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren, den Angeklagten [X.]    wegen „Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Zudem hat es [X.] getroffen. Die Revision des Angeklagten [X.]   hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten M.      führt zu einer geringfügigen Änderung eines Teils des [X.]; im Übrigen ist sie im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.] unbegründet (vgl. Antragsschrift des [X.]s).

I.

2

Die Adhäsionsentscheidung betreffend den Angeklagten M.    war hinsichtlich des Feststellungsausspruchs dahingehend zu korrigieren, dass dieser nur zukünftige Schäden erfasst (vgl. näher Antragsschrift des [X.]s).

II.

3

Der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten [X.]    geht ins Leere, denn er hat fristgemäß Revision eingelegt; dies führt zur Unzulässigkeit seines Antrags (vgl. [X.], Beschluss vom 26. März 2019 - 2 StR 511/18, [X.]R [X.] § 341 Frist 2).

III.

4

Die Rüge des Angeklagten [X.]   , das Gericht habe durch die Ablehnung eines Beweisantrags § 244 Abs. 3 [X.] verletzt, hat Erfolg.

5

1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

6

a) Die Verteidigung des Angeklagten [X.]   stellte in der seit Anfang Juni 2020 laufenden Hauptverhandlung am 1. September 2020 den Antrag, den Zeugen [X.]zum Beweis der Tatsache zu hören, dass er im November 2019 zwei Anrufe von dem Nebenkläger [X.]erhalten habe. Dieser habe beim ersten Telefonat eine Rechtsauskunft eingeholt und ihm bei dem zweiten Anruf erzählt, er sei von einem persischen Immobilienmakler bedroht worden.

7

b) Hintergrund des Antrags war, dass der Angeklagte M.    persischer Herkunft ist und sich nach Zeugenaussagen für ein oder mehrere Immobiliengeschäfte interessiert haben soll. Der nach den Urteilsfeststellungen von dem Angeklagten M.     angeschossene Nebenkläger [X.]war bei dem Finanzdienstleister [X.]    tätig. Deren Compliance-Abteilung hatte am 16. Dezember 2019 (zweieinhalb Wochen nach der Tat) gegenüber der Polizei angezeigt, dass der im Beweisantrag benannte Zeuge [X.]aus der Rechtsabteilung der Zentrale von M.  vor wenigen Wochen zwei Telefonate mit einem Berater des Unternehmens „[X.]“ ([X.]elbe Vorname wie der des [X.]) aus [X.]geführt habe. Dieser Berater habe sich eine Rechtsauskunft eingeholt und beim zweiten Anruf erzählt, dass er am Telefon von einem persischen Immobilienmakler bedroht worden sei.

8

Nach einem [X.] des Zeugen [X.].   hatte der Zeuge [X.]ihm gegenüber in einem Telefonat am 16. Dezember 2019 angegeben, sich an zwei Telefonate im November 2019 zu erinnern. In dem ersten habe ein M.  -Berater namens „[X.] “ aus [X.] ihn um Rat gefragt, weil ein M.  -Kunde bei einem Immobilienkauf Unstimmigkeiten mit dem Verkäufer gehabt habe; da dieser Verkauf extern abgewickelt worden sei, habe er - der Zeuge [X.]- dahingehend informiert, dass dies nicht Sache von M.  sei. Ein bis zwei Wochen später habe der M.  -Berater „[X.] “ erneut angerufen und erklärt, nun habe sich der Immobilienmakler bei ihm beschwert und die Herausgabe einer Erklärung gefordert; zudem habe dieser ihm gedroht, er sei persischer Herkunft und habe viele Freunde, er werde schon sehen, was er davon habe. Zudem hatte der Zeuge [X.] gegenüber [X.].   erklärt, er kenne den Nebenkläger seit Jahren telefonisch als M. -Berater, könne sich aber an Telefonate mit ihm in den letzten Wochen nicht erinnern.

9

Der Nebenkläger hatte am selben Tag auf telefonische Anfrage des [X.].   angegeben, in den letzten Monaten nicht mit dem Zeugen [X.] telefoniert zu haben. Recherchen führten in den Folgetagen zur Namhaftmachung zweier weiterer Mitarbeiter von [X.]   mit dem Vornamen [X.]. Auch diese beiden gaben an, nicht mit dem Zeugen [X.] gesprochen zu haben. Technisch ließen sich die vom Zeugen [X.]berichteten Telefonate mangels Speicherung interner Telefonate nicht nachvollziehen. Auf Vorhalt dieser Erkenntnisse durch den Zeugen [X.].   blieb der Zeuge [X.] bei seinen Angaben und erklärte, dass der Kollege aus [X.] gewesen sei, habe sich aus einem kurzen Gespräch über die dortige „Clan-Kriminalität“ ergeben.

c) Ziel des [X.] war, eine eigenständige geschäftliche Beziehung zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten M.    zu belegen. In Anklageschrift und Urteil wird als Beleg für die Teilnahme des Angeklagten [X.]   am versuchten Mord des Angeklagten M.     zum Nachteil des [X.] u.a. angegeben, es gebe keine eigenständige Verbindung zwischen M.    und dem Nebenkläger, diese ergebe sich zwingend nur über den Angeklagten [X.]   , der - an[X.] als M.      - ein Motiv zur Tötung des [X.] gehabt habe. Zudem sollte mit dem Beweisantrag die Glaubwürdigkeit des [X.] erschüttert werden, der zuvor in der Hauptverhandlung in Abrede gestellt hatte, die beiden Telefonate mit dem Zeugen [X.] geführt zu haben.

d) Nach Stellung des Beweisantrags äußerte sich die Staatsanwaltschaft dazu und verwies auf den genannten Vermerk des Zeugen [X.].  , der zu einem anderen Ergebnis gelangt sei. Anschließend fragte der Vorsitzende den Verteidiger des Angeklagten [X.]   , ob dieser über den Inhalt des von [X.].   gefertigten Vermerks hinaus weitergehende Kenntnisse habe. Dies verneinte der Verteidiger, fügt aber hinzu, dass er davon ausgehe, dass der Zeuge bei einer direkten Befragung in der Hauptverhandlung die [X.] bestätigen werde. [X.].   könne den Zeugen bei seiner telefonischen Befragung missverstanden haben. Ausweislich des Vermerks sei der Zeuge [X.] trotz [X.] entsprechend negativer Ermittlungen bei seinen Angaben geblieben.

e) Die Schwurgerichtskammer lehnte die begehrte Beweiserhebung mit Beschluss ab und begründete dies wie folgt:

Es handele sich bei dem Antrag nicht um einen Beweisantrag. Im Antrag werde entgegen § 244 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht dargelegt, welche Tatsachen die Kammer zu der Annahme drängen sollten, der Zeuge werde etwas ganz anderes als in der bisherigen Beweisaufnahme festgestellt sagen. Der Zeuge [X.].   habe in der Hauptverhandlung so ausgesagt, wie er es in dem genannten Vermerk niedergelegt habe. Danach habe der Zeuge [X.]gerade nicht erklärt, der Nebenkläger habe ihn angerufen. Ein Irrtum oder Missverständnis, das aufzuklären wäre, läge bei diesem klaren Sachverhalt fern. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Zeuge [X.]den Zeugen [X.].   anlügen solle. Zudem passe die [X.] nicht zum Ergebnis der bisherigen Beweiserhebung, denn diese habe gerade nicht ergeben, dass der Angeklagte M.      im Jahr 2019 ein Grundstücksgeschäft abgeschlossen habe. Weil sich auch sonst keine Anhaltspunkte für die von der Verteidigung beantragte Beweiserhebung ergäben, sei auch die Aufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 [X.] nicht berührt. Die Verteidiger des Angeklagten [X.]   erklärten daraufhin, dass sie den Beschluss für falsch hielten, weil es Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Nebenkläger der Anrufer gewesen sei. Die Kammer blieb bei ihrem Beschluss.

2. Die zulässig erhobene Rüge ist begründet.

a) Das Gericht hat durch die Bescheidung des Antrags § 244 Abs. 3 [X.] verletzt.

aa) Entgegen der Auffassung der Schwurgerichtskammer handelt es sich bei dem Antrag um einen Beweisantrag.

Ein solcher liegt nach § 244 Abs. 3 Satz 1 [X.] vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

(1) In dem Antrag wird sowohl eine für den Schuldspruch relevante konkrete [X.] bestimmt behauptet (zwei Telefonate des [X.] mit dem Zeugen [X.] im November 2019) als auch ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet (Zeuge [X.]). Dem Antrag mangelt es weder an der „[X.]“ zwischen Beweismittel und [X.] (2) noch an der gebotenen Ernsthaftigkeit (3).

(2) Aus dem Beweisantrag ergibt sich ohne weiteres, weshalb das Beweismittel (Zeuge [X.]) die behauptete [X.] bekunden können soll (Telefonate mit dem Nebenkläger). Damit wird er den bislang ganz überwiegend an die „[X.]“ zwischen [X.] und Beweismittel gestellten Anforderungen gerecht.

Danach muss aus dem Beweisantrag selbst klar werden, weshalb das Beweismittel die [X.] belegen können soll. Dies betrifft in aller Regel den Zeugenbeweis. Das Merkmal der „[X.]“ (im bislang überwiegend verstandenen Sinne) fordert, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll, etwa weil er am [X.] war, in der Nachbarschaft wohnt oder eine Akte gelesen hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21; vom 8. Juli 2014 - 3 [X.], [X.], 295; vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, [X.], 476; vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, [X.], 169 f.; vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09, [X.], 152; Urteile vom 14. August 2008 - 3 [X.], [X.], 171; vom 15. Dezember 2005 - 3 [X.], [X.], 585; vom 28. November 1997 - 3 [X.], [X.]St 43, 321, 329 ff.; vom 8. Dezember 1993 - 3 [X.], [X.]St 40, 3, 6; hierzu näher auch [X.], NStZ 1993, 602, 603; [X.], [X.], 225, 230 f.; [X.] in [X.], 2009, 609, 618 ff.; [X.], [X.] 2012, 475; [X.], [X.] 2012, 297, 302 ff.; [X.], [X.], 128; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 244 Rn. 113 f.; [X.]/[X.]/[X.], § 244 Rn. 134 ff.; [X.], 8. Aufl., § 244 Rn. 82 ff.; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 244 Rn. 21a ff.; SSW-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 244 Rn. 99; [X.] in [X.], [X.] im Strafprozess, 7. Aufl., Rn. 121 ff. jeweils mwN).

Keiner näheren Darlegung bedarf es, wenn sich der erforderliche Zusammenhang zwischen [X.] und Beweismittel - wie in vielen Fällen - von selbst versteht (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, [X.], 282), etwa wenn - wie hier - ein Telefongespräch bewiesen werden soll, das der Zeuge selbst geführt hat, oder ein Treffen mit dem Zeugen unter Beweis gestellt wird, das dieser aus eigenem Erleben schildern kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09, [X.]R [X.] § 244 Abs. 6 Beweisantrag 47; vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21). Nur dann, wenn ein solcher Zusammenhang nicht auf der Hand liegt, sind weitere Ausführungen im Beweisantrag notwendig. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Darlegung der Umstände, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die [X.] zu bekunden (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, [X.], 351). Je nach Sachlage kann es dabei erforderlich sein, die [X.] des Zeugen vor Ort ganz konkret zu benennen, etwa wenn es um länger andauernde Geschehensabläufe geht (vgl. [X.], Beschluss vom 10. März 2020 - 4 [X.]). Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung können dagegen vom Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, [X.], 476; vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09, [X.]R [X.] § 244 Abs. 6 Beweisantrag 47; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 244 Rn. [X.]).

Soweit das [X.] davon ausgegangen ist, dass sich der Beweisantrag darüber hinaus auch zu solchen Umständen verhalten muss, die ihn bei fortgeschrittener Beweisaufnahme mit gegenläufigen Beweisergebnissen dennoch plausibel erscheinen lassen - was sich insbesondere aus der Ablehnungsbegründung ergibt: es sei nicht dargelegt, warum der Zeuge „etwas ganz anderes als in der bisherigen Beweisaufnahme festgestellt, aussagen“ werde -, trifft dies nicht zu. Denn solche weitergehenden Anforderungen an die [X.], die die vom [X.] vorgenommene Einstufung als bloßen Beweisermittlungsantrag rechtfertigen könnten, werden von Gesetzes wegen nach der umfassenden Neuregelung des [X.]s durch das [X.] vom 10. Dezember 2019 ([X.] I S. 2121) nicht gestellt.

(a) Der Gesetzestext des § 244 Abs. 3 Satz 1 [X.] („weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll“) legt nach seinem Wortlaut nicht nahe, dass der Antragsteller über die Darlegung der [X.] im bezeichneten Sinne hinaus weitergehende Umstände vortragen müsse, die seinen Antrag - etwa bei fortgeschrittener Beweisaufnahme mit bislang gegenteiligen Beweisergebnissen - „plausibel“ erscheinen lassen (vgl. demgegenüber aber - sogenannte „qualifizierte [X.]“ - [X.], Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, [X.]St 52, 284; Beschluss vom 24. Juni 2008 - 5 [X.]; vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, [X.], 169 f.; kritisch gegenüber dieser Erweiterung des [X.]serfordernisses [X.], Urteil vom 14. August 2008 - 3 [X.], [X.], 171; Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, [X.], 476; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 244 Rn. 113; [X.]/[X.]/[X.], § 244 Rn. 136; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 244 Rn. [X.]; [X.], 8. Aufl., § 244 Rn. 82; SK-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 244 Rn. 57; [X.], [X.], 301; [X.]. [X.], 655, 657 f.; [X.], [X.], 169; [X.]. [X.], 2009, 609, 628 f.; [X.]/[X.], [X.], 58; Fezer, [X.] 2008, 457, 458 f.; [X.]/[X.], [X.] 2009, 406, 420 f.; [X.] StV 2013, 66; [X.]., [X.], 139; Jahn [X.], 663, 664 f.; [X.], [X.] 2009, 410; [X.], [X.], 520).

(b) Diese Auslegung des [X.]smerkmals entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Ausweislich der Gesetzgebungsgeschichte und der Gesetzesmaterialen hat er bei der Normierung des Merkmals „weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll“ lediglich die „[X.]“ im zuerst genannten, nicht aber diejenige im „qualifizierten“ Sinne im Blick gehabt (ausführlich [X.], NStZ 2020, 377, 379; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 244 Rn. [X.]; [X.], [X.] 2021, 92, 97 f.). Dies wird durch seine lediglich auf solche Konstellationen abstellenden Formulierungen in den Gesetzesmaterialien deutlich. Darin heißt es (BT-Drucks. 19/14747 S. 33 f.): „Um solchen [X.] zu begegnen, die überhaupt nicht erkennen lassen, in welcher Weise das benannte Beweismittel zur Klärung der Beweisbehauptung beitragen kann, soll auch die Rechtsprechung zur sogenannten ‚[X.]‘ eines Beweisantrags ins Gesetz übernommen werden (vergleiche [X.], Beschluss vom 19. September 2007 - 3 [X.], [X.], 9 f.; Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 [X.], [X.], 466). [X.] muss danach den erforderlichen Zusammenhang (‚[X.]‘) zwischen Beweismittel und [X.] erkennen lassen. In der Begründung des Beweisantrags soll ein nachvollziehbarer Grund dafür anzugeben sein, weshalb mit dem bezeichneten Beweismittel die Beweisbehauptung nachgewiesen werden kann (vergleiche [X.], Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, [X.], 169 f. mit weiteren Nachweisen), wenn sich dies nicht ohnehin von selbst versteht. Dem Beweisantrag soll beispielsweise zu entnehmen sein, weshalb ein Zeuge die Beweisbehauptung aus eigener Wahrnehmung bestätigen können soll. Dadurch soll den Gerichten schon von Gesetzes wegen insbesondere der Umgang mit solchen Beweisersuchen erleichtert werden, die die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnen, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder die keinen konkreten Zusammenhang des bezeichneten Beweismittels mit der [X.] aufweisen.“

(c) Eine derartige Auslegung wird auch der Systematik und den Prinzipien des [X.]s gerecht. Das [X.] garantiert den Verfahrensbeteiligten als Ausgleich für die dominierende Stellung des die Beweisaufnahme bestimmenden Gerichts ein starkes Teilhaberecht am Prozess der Wahrheitsfindung in der Hauptverhandlung (vgl. [X.], GS [X.], 2013, 79). Es sichert die Subjektstellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. [X.], Beschluss vom 29. November 1983 - 1 BvR 1313/82, [X.]E 65, 305, 307 mwN) und ist eines der zentralen Rechte des Angeklagten und der Verteidigung ([X.]/[X.]/[X.], § 244 Rn. 13). Den Verfahrensbeteiligten muss es auch möglich sein, solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, deren Bestätigung durch das Beweismittel lediglich vermutet oder für möglich gehalten wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21; vom 11. April 2013 - 2 [X.], [X.], 536, 537; vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, [X.], 476; Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 [X.], [X.], 585). Zudem ist das [X.] vom Verbot der [X.] geprägt (vgl. [X.], Beschluss vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21; näher [X.]/[X.]/[X.], § 244 Rn. 2; [X.]/[X.], 27. Aufl., § 244 Rn. 183 ff.). Der Antragsteller muss auch eine Tatsache unter Beweis stellen können, für deren Richtigkeit die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben hat und die ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 372/12, [X.], 476 mwN). Für das Vorliegen eines [X.] kann es mithin nicht konstituierend sein, dass der Antragsteller plausibel macht, weshalb das von ihm benannte Beweismittel trotz gegebenenfalls entgegenstehender bisheriger Beweisergebnisse die unter Beweis gestellte Tatsache belegen können soll ([X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 244 Rn. [X.]). Die Grenzen werden insoweit lediglich durch das Merkmal der Ernsthaftigkeit (vgl. dazu näher [X.], Beschluss vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21) und eine Antragstellung in [X.] (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 2 [X.]) gezogen.

An insoweit etwa entgegenstehender eigener Rechtsprechung hält der [X.] nicht fest, an solche anderer [X.]e des [X.] ist er angesichts der umfassenden gesetzlichen Neuregelung des [X.]s nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG gebunden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. Juli 1998 - 4 [X.], [X.]St 44, 121, 124; vom 24. Oktober 2001 - 1 [X.], [X.], 160). Die Entscheidung des 4. Strafsenats vom 10. März 2020 (4 [X.]) betraf einen Fall, bei dem im Beweisantrag die [X.] des Zeugen nicht konkret genug geschildert wurde; sie steht der hiesigen Auslegung deshalb nicht tragend entgegen (vgl. aber auch [X.], [X.] 2021, 92, 97).

(3) Dass es dem Antrag an der gebotenen Ernsthaftigkeit gemangelt hätte, ist nicht ersichtlich.

Mangels Ernsthaftigkeit ist einem auf Beweiserhebung gerichteten Antrag die Qualität eines Beweisantrags im Rechtssinne abzusprechen, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung lediglich „aufs Geratewohl“ und „ins Blaue hinein“ aufgestellt wird (vgl. näher [X.], Beschluss vom 16. März 2021 - 5 StR 35/21). Die Ablehnung eines Beweisantrags als nicht ernsthaft gemeint, kommt nur ausnahmsweise in Betracht und erfordert einen hohen argumentativen Aufwand des Tatgerichts. Erforderlich ist eine ausführlich begründete Gesamtwürdigung von [X.], Prozessverhalten und Beweislage. Weil die Herabstufung eines ansonsten formgerechten Beweisantrags zu einem bloß unter [X.] beachtlichen Beweisermittlungsantrag regelmäßig in ein Spannungsverhältnis zu den Beweisteilhaberechten der Verfahrensbeteiligten und dem das [X.] prägenden Verbot der [X.] gerät, ist bei der Ablehnung derartiger Anträge mangels Ernsthaftigkeit äußerste Zurückhaltung geboten ([X.], aaO).

Im vorliegenden Fall gab es ausreichende Anhaltspunkte für die Vermutung der Verteidigung, der Zeuge werde trotz des bis dahin erzielten [X.] die [X.] bekunden. Die Verteidigung hat nach Antragsablehnung nochmals auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen: der Vorname des Anrufers, seine Stellung als M. -Berater, die Lokalisierung des Anrufers in [X.], die Verbindung mit Immobiliengeschäften und zu [X.] von persischer Abstammung, von dem eine Bedrohung ausgehe, und der kurze Zeitraum vor der Tat. Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen von M.  selbst eine Benachrichtigung der Polizei wegen eines mutmaßlichen Zusammenhangs der Anrufe mit der Tat für erforderlich gehalten und die anschließenden Aufklärungsbemühungen kein klares Ergebnis erbracht hatten.

(4) Dass der Antrag in [X.] gestellt worden wäre (vgl. § 244 Abs. 6 Satz 2 [X.]), ist ebenfalls nicht ersichtlich.

bb) Da nach diesen Maßstäben ein Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 [X.] vorlag und die beantragte Beweiserhebung nicht unzulässig war, konnte das Gericht diesen nur nach Maßgabe von § 244 Abs. 3 Satz 3 [X.] ablehnen. Der Ablehnungsbeschluss ergibt aber keinen der dort genannten Gründe. Vielmehr hat das Gericht den Beweisantrag im [X.] mit dem Argument abgelehnt, der Zeuge werde die unter Beweis gestellte Tatsache nicht bekunden, und damit gegen das Verbot der [X.] verstoßen.

b) An[X.] als der [X.] kann der [X.] nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (vgl. § 337 Abs. 1 [X.]). Mit der beantragten Beweiserhebung sollte nicht nur die Glaubwürdigkeit des [X.] erschüttert, sondern vor allen Dingen auch ein Szenario unter Beweis gestellt werden, das eine zentrale, die Beteiligung des Angeklagten [X.]    betreffende These der Anklage (und des Urteils) in Frage stellt. Mithin ist nicht auszuschließen, dass das Urteil ohne den Rechtsfehler in Bezug auf den Angeklagten [X.]    an[X.] ausgefallen wäre.

Cirener     

        

Gericke     

        

[X.]

        

Köhler      

        

von Häfen      

   

Meta

5 StR 188/21

01.09.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 17. November 2020, Az: 540 Ks 3/20

§ 244 Abs 3 S 1 StPO vom 10.12.2019

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.09.2021, Az. 5 StR 188/21 (REWIS RS 2021, 2907)

Papier­fundstellen: NJW 2021, 3404 REWIS RS 2021, 2907

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