Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2022, Az. 3 StR 49/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2961

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Wiedereinsetzungsantrag zur Erhebung der Sachrüge bei unklarer Rechtsmittelbegründung


Tenor

1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 27. September 2021 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte hat hiergegen fristgerecht Revision eingelegt. Nach Zustellung des schriftlichen Urteils am 3. Dezember 2021 ist das Rechtsmittel mit Verteidigerschriftsatz vom 23. Dezember 2021 begründet worden. Abgesehen von dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des [X.]s zurückzuverweisen, enthält der Schriftsatz keine Ausführungen zur Sache. Der [X.] hat deshalb zunächst beantragt, die Revision als unzulässig nach § 349 Abs. 1 [X.] zu verwerfen, weil das Rechtsmittel nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 [X.] entsprechend begründet worden sei. Nachdem der Verteidiger hiervon am 21. Februar 2022 Kenntnis erlangt hatte, hat er mit Schriftsatz vom 23. Februar 2022, eingegangen beim [X.] am selben Tag, beantragt, Wiedereinsetzung in die [X.] zu gewähren. Infolge von Arbeitsüberlastung habe er kurz vor seinem Weihnachtsurlaub die [X.] nicht auf Vollständigkeit überprüft und deshalb übersehen, dass die allgemeine Sachrüge nicht aufgenommen worden sei.

2

2. Der innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestellte Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig; er ist insbesondere statthaft. Hierzu gilt:

3

a) Die Strafprozessordnung räumt die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 [X.]). Dies kann auch dann gegeben sein, wenn die [X.] zwar vorgenommen, dabei aber unverschuldet die erforderliche Form nicht gewahrt worden ist ([X.], Beschluss vom 12. Mai 1976 - 3 StR 100/76, [X.]St 26, 335, 338 f.; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 44 Rn. 6; [X.] [X.]/[X.], [X.]., § 44 Rn. 9). Denn nur durch eine den gesetzlichen Formerfordernissen entsprechende [X.] kann eine Frist eingehalten werden ([X.] [X.]/[X.], [X.]., § 44 Rn. 9; vgl. auch [X.], Beschluss vom 12. Dezember 1977 - 2 Ss 1021/77, juris Rn. 5; [X.], Beschluss vom 20. September 1991 - 1 Ws 300/91, [X.] 1991, 550).

4

Um den formalen Anforderungen zu genügen, muss eine [X.] unter anderem durch eine von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingereicht werden (§ 345 Abs. 2 [X.]). Fehlt es daran aus von dem Angeklagten nicht zu vertretenden Umständen, ist nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s ein Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Mai 1976 - 3 StR 100/76, [X.]St 26, 335, 338 f.; vom 9. Juli 2003 - 2 [X.], [X.], 615). Gleiches gilt, wenn die Begründung des Rechtsmittels den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht entspricht, mithin sich hieraus nicht ergibt, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Denn auch dann liegt - anders als in den Fällen, in denen eine zulässig erhobene Revision nach Fristablauf durch neue, bisher nicht erhobene Verfahrensrügen ergänzt beziehungsweise bislang unzulässige Verfahrensrügen nachgebessert werden soll (s. dazu etwa [X.], Beschluss vom 11. April 2019 - 1 [X.], [X.], 625 Rn. 4 mwN) - keine formal gültige Revisionsbegründung vor. Der Sache nach sollten hier keine Revisionsangriffe nachgeschoben, sondern es sollte lediglich ein von dem Angeklagten nicht zu verantwortender Formfehler beseitigt werden. Dessen Interesse, unabhängig von Fehlern und Versäumnissen seines Wahl- beziehungsweise Pflichtverteidigers seine Verurteilung durch das Revisionsgericht überprüfen zu lassen, gebietet deshalb auch in diesen Fällen, ihm durch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den [X.] zumindest für die Erhebung der Sachrüge offenzuhalten ([X.], Beschluss vom 6. Dezember 1995 - [X.]] 107/95, [X.], 298; vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 12. Dezember 1977 - 2 Ss 1021/77, juris Rn. 5 f.; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 44 Rn. 6; SSW-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 44 Rn. 17). Ob gleiches auch für die Geltendmachung der Verletzung von Rechtsnormen über das Verfahren gilt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 1991 - 1 Ws 300/91, [X.] 1991, 500), bedarf hier keiner Entscheidung.

5

b) An diesen Maßstäben gemessen ist der Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft. Eine den Formvorschriften des § 344 Abs. 2 [X.] entsprechende Revisionsbegründung lag hier nicht vor. Denn ein Antrag nach § 344 Abs. 1 [X.], mit dem (lediglich) der tatsächliche Umfang und das Ziel der Revision dargelegt werden, stellt keine auslegungsfähige Revisionsbegründung dar. Eine zulässig erhobene Sachrüge setzt vielmehr voraus, dass die Revision allein oder neben der Verfahrensrüge zweifelsfrei erkennbar auf die Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts gestützt werden soll ([X.], Beschluss vom 7. September 2021 - 3 StR 290/21, juris Rn. 3 mwN). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben. Der Verteidiger hat anwaltlich versichert, dass die Formunwirksamkeit der Erklärung vom 23. Dezember 2021 dem Angeklagten nicht zuzurechnen ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Die Erhebung der allgemeinen Sachrüge ist fristgemäß nachgeholt worden (§ 45 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

6

3. Der Antrag ist auch begründet, denn die Säumigkeit ist allein auf eine Nachlässigkeit des Verteidigers zurückzuführen und dem Angeklagten nicht anzulasten.

7

4. Die Revision erweist sich jedoch in der Sache aus den in der Antragsschrift des [X.]s genannten, zutreffenden Gründen als unbegründet (§ 349 Abs. 2 [X.]).

Schäfer    

        

[X.]    

        

Anstötz

        

Erbguth    

        

Kreicker    

        

Meta

3 StR 49/22

21.04.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 27. September 2021, Az: 10 KLs 13/21

§ 44 StPO, § 45 StPO, § 344 Abs 2 S 1 StPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2022, Az. 3 StR 49/22 (REWIS RS 2022, 2961)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2961

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 91/18

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