Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2017, Az. B 5 RS 44/16 B

5. Senat | REWIS RS 2017, 17213

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache - geklärte Rechtsfrage - höchstrichterliche Entscheidung - eindeutige Gesetzeslage


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des [X.] im Beschwerdeverfahren.

Gründe

1

Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] die Beklagte im Zugunstenverfahren verpflichtet, für Zeiten zwischen dem 1.1.1963 bis 30.9.1990 [X.] in bestimmter Höhe und für Zeiten zwischen dem 15.2.1958 bis 20.3.1964 den Geldwert der kostenlosen Vollverpflegung (Sachbezug) in bestimmter Höhe als weitere vom Kläger erzielte Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte Beschwerde zum [X.] eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.].

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]),

-       

das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 [X.] [X.] dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 [X.] iVm § 169 [X.] zu verwerfen.

6

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN).

7

Die Beklagte misst folgender Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei:

        

"Stellen das [X.] sowie der Geldwert der kostenlosen Vollverpflegung (Sachbezug), welches Angehörige eines Sonderversorgungssystems der [X.], hier der [X.]-Zollverwaltung, erhalten haben, erzieltes Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG dar?"

8

Die Beschwerdebegründung zeigt jedoch nicht schlüssig auf, dass diese Frage klärungsbedürftig ist. Die Beklagte weist selbst auf die Senatsurteile vom 30.10.2014 ([X.] R[X.]/13 R - [X.] 4-8570 § 6 [X.]; [X.] RS 2/13 R, [X.] R[X.]/14 R, [X.] RS 2/14 R und [X.] R[X.]/14 R - alle Juris) hin, wonach bei der nach Bundesrecht vorzunehmenden Qualifizierung des Rechtscharakters von [X.]zahlungen als Arbeitsentgelt in tatsächlicher Hinsicht an die jeweils einschlägigen [X.] Regelungen des [X.]-Rechts und in rechtlicher Hinsicht an § 14 SGB IV anzuknüpfen ist. Sie legt jedoch weder dar, dass sich die Frage mit den dort aufgestellten Rechtsgrundsätzen nicht beantworten lässt noch zeigt sie auf, inwiefern diese Rechtsgrundsätze für die Entscheidung des Rechtsstreits erweitert, geändert oder ausgestaltet werden müssen (vgl [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, [X.] Rd[X.]5 f). Die Beklagte verkennt, dass eine Rechtsfrage auch dann als geklärt anzusehen ist, wenn das Revisionsgericht zwar über bestimmte Fallkonstellationen (hier: [X.] gezahlter [X.]er) noch nicht tragend zu befinden hatte, höchstrichterliche Entscheidungen oder das Gesetz selbst aber klare oder ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Dann kommt es lediglich auf die Anwendung der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen festgestellten Sachverhalt an; eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts ist nicht mehr zu erwarten (vgl [X.] Beschlüsse vom [X.] - B 11 [X.] 137/12 B - Juris Rd[X.]1; vom 27.8.2012 - B 12 R 4/12 B - Juris RdNr 8 und vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]2).

9

Um darzulegen, dass eine geklärte Problematik noch oder wieder grundsätzliche Bedeutung hat, muss aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen wird bzw inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist ([X.] [X.] 1500 § 160 [X.]) oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl hierzu [X.] [X.] 3-4100 § 111 [X.] S 2 mwN; s auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 8b). Diese Umstände müssen substantiiert dargetan werden, was nur auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung und in Auseinandersetzung mit ihr möglich ist (vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 71). Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Zwar verweist sie auf die Urteile des [X.] vom 17.11.2015 ([X.] 22 R 702/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 5.7.2016 - [X.] RS 8/16 B) sowie des 3. Senats des [X.] vom 28.10.2015 ([X.] 3 R 664/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R[X.]8/16 B; [X.] 3 R 765/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R[X.]5/16 B; [X.] 3 R 766/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R[X.]6/16 B; [X.] 3 R 934/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R[X.]7/16 B; [X.] 3 R 1351/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R[X.]4/16 B; [X.] 3 R 1535/13, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R[X.]2/16 B; [X.] 3 R 1534/13, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R[X.]3/16 B), die den Arbeitsentgeltcharakter des [X.]es bejaht haben und stellt sie den Urteilen des [X.]SG Sachsen-Anhalt vom 19.11.2015 ([X.] 1 R[X.]3/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 15.3.2016 - [X.] RS 4/16 B - BeckRS 2016, 67689) und des 12. Senats des [X.] vom 25.11.2015 ([X.] 12 R 540/12, Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch Senatsbeschluss vom 13.7.2016 - [X.] RS 7/16 B) gegenüber, die diese Frage verneint haben. Dies allein genügt jedoch nicht, um die grundsätzliche Bedeutung aufzuzeigen. Selbst wenn verschiedene Berufungssenate widersprüchliche Entscheidungen treffen, folgt allein daraus noch nicht zwingend, dass der [X.] wieder klärungsbedürftig geworden ist.

Vertiefte Ausführungen zum erneuten Klärungsbedarf waren vielmehr deshalb erforderlich, weil die Beklagte ausdrücklich betont, dass alle Berufungssenate "dieselben [X.]-Vorschriften zugrunde" legen und "grundsätzlich der vom [X.] vorgegebenen Rechtsprechung" folgen. In dieser Situation hätte die Beschwerdebegründung detailliert aufzeigen müssen, warum die Zulassung der Revision dennoch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gerade zur Wahrung oder (Wieder-)Herstellung der Rechtseinheit erforderlich sein könnte und gleichzeitig ausschließen müssen, dass die widersprüchlichen Entscheidungen der [X.]andessozialgerichte darauf zurückzuführen sind, dass die Berufungsgerichte aus denselben "[X.]-Vorschriften" unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen haben. Genau dies ist nach der Beschwerdebegründung jedoch der Fall: Während das [X.]SG Sachsen-Anhalt (aaO) und der 12. Senat des [X.] (aaO) die [X.] gezahlter [X.]er verneinen, weil "sich aus diesen [X.]-Vorschriften ergebe, dass das [X.] keinen Entgeltcharakter habe" bzw "ausschließlich aus betriebsfunktionalen Zwecken gezahlt wurde", kommen das [X.] (aaO) und der 3. Senat des [X.] (aaO) zu dem gegenteiligen Schluss, "dass sich anhand dieser Vorschriften ergebe, dass das [X.] als Bestandteil der Besoldung anzusehen" und "auch nicht als Sozialleistung zu qualifizieren sei" und "ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Zahlung von [X.]" iS notwendiger Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen "auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften" folge. Da es sich im vorliegenden Zusammenhang bei den [X.] Regelungen der einschlägigen "[X.]-Vorschriften" nicht um (sekundäres) Bundesrecht, sondern um generelle Anknüpfungstatsachen handelt (vgl exemplarisch etwa Senatsurteil vom 19.7.2011 - [X.] RS 7/09 R - Juris Rd[X.]6 und [X.] Urteil vom 18.10.2007 - [X.] RS 28/07 R - [X.] 4-8570 § 5 [X.]0), an deren tatrichterliche Feststellung das [X.] als Revisionsgericht gebunden ist (§ 163 [X.]), beziehen sich Angriffe auf das Verständnis des [X.]SG vom Inhalt dieser Regelungen auf die Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 [X.] [X.] (Entscheidung des Gerichts nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung), die von vornherein nicht zur Zulassung der Revision führen können (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 5 RS 44/16 B

18.01.2017

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: RS

vorgehend SG Potsdam, 19. Oktober 2012, Az: S 16 R 639/09

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 169 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.01.2017, Az. B 5 RS 44/16 B (REWIS RS 2017, 17213)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17213

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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