Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.07.2011, Az. 1 StR 154/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 4825

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Steuerhinterziehung: Anforderungen an die Urteilsgründe im Hinblick auf die Besteuerungsgrundlagen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „Steuerverkürzung in 15 Fällen“ unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus zwei vorangehenden Verurteilungen zu fünf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, eines [X.] auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es nicht.

2

1. Das auch sonst wenig sorgfältige Urteil kann keinen Bestand haben, denn es genügt nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO, von dessen Beachtung auch eine Verständigung gemäß § 257c StPO nicht entbindet.

3

Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Bei der Steuerhinterziehung, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiellrechtlich ausgefüllt wird, müssen die jeweiligen Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind ([X.], Beschluss vom 12. Mai 2009 - 1 [X.], [X.], 2546 mwN).

4

Dies lässt das angefochtene Urteil - im Gegensatz zur sorgfältig verfassten Anklageschrift - vermissen. Die Feststellungen zum Schuldspruch wegen Umsatzsteuerhinterziehung lassen nicht tragfähig erkennen, aufgrund welcher Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 3 UStG) der Angeklagte steuerbare Umsätze bewirkt hat; das Urteil bezieht sich insoweit unklar auf „Einnahmen“ ([X.]). Hinsichtlich der [X.] und der Einkommensteuer teilt das Urteil zwar einen „Gewinn“ mit und „bei der Einkommenssteuerermittlung“ ([X.] 8) diesem Gewinn hinzuzurechnende Beträge. Es verzichtet im Übrigen aber auf eine [X.] zu den hinterzogenen Steuern; weitergehende Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen werden nicht getroffen. Dadurch ermöglicht es das Urteil dem Senat nicht, die Berechnung der vom Angeklagten hinterzogenen Steuern auch nur annähernd nachzuvollziehen. Dies begründet einen durchgreifenden Rechtsfehler. Die auf den Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatrichters. Eine [X.] kann zwar dann entbehrlich sein, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis ablegt (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 399/00, [X.], 200 mwN). Den Urteilsgründen lässt sich indes schon nicht entnehmen, ob sich das abgelegte Teilgeständnis auf die Höhe der hinterzogenen Steuer bezog oder beziehen konnte.

5

Allein durch die Bezugnahme auf das Ergebnis rechtskräftig gewordener Steuerbescheide konnte die [X.] den der [X.] zukommenden Aufgaben nicht entsprechen. Die [X.] wäre freilich nicht gehindert gewesen, sich [X.] von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten (bzw. hier: den festzustellenden) Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings hätte im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein müssen, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil als Rechtsanwendung ihm obliegende - Steuerberechnung durchgeführt (vgl. [X.], Beschluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10, [X.], 228 mwN) und dabei gegebenenfalls erforderliche Schätzungen selbst vorgenommen hat.

6

2. Da die sachlich-rechtliche Überprüfung auf Grund unzureichender Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nicht zuverlässig möglich ist, beruht das Urteil auf dem Darstellungsmangel und damit auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 337 StPO). Auf die [X.] der Verletzung formellen Rechts kommt es daher nicht mehr an. Der Senat hebt das Urteil einschließlich sämtlicher Feststellungen auf; der nunmehr zur Entscheidung aufgeforderte Tatrichter kann so die erforderlichen Feststellungen insgesamt neu treffen.

[X.]                                     Wahl                                        Hebenstreit

                     [X.]                                       [X.]

Meta

1 StR 154/11

13.07.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Neuruppin, 27. Oktober 2010, Az: 13 KLs 365 Js 12594/06 (1/09), Urteil

§ 267 Abs 1 S 1 StPO, § 370 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.07.2011, Az. 1 StR 154/11 (REWIS RS 2011, 4825)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4825

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 154/11 (Bundesgerichtshof)


1 StR 176/17 (Bundesgerichtshof)

Steuerstrafsache: Erforderliche Urteilsfeststellungen bei Steuerhinterziehung


1 StR 176/17 (Bundesgerichtshof)


1 StR 159/19 (Bundesgerichtshof)

Steuerhinterziehung: Anforderungen an die Berechnungsdarstellung der hinterzogenen Steuern in den Urteilsgründen


1 StR 718/08 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.