Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.11.2023, Az. I R 9/20

1. Senat | REWIS RS 2023, 10429

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Gegenstand

Irrtümliche Zuwendung und Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis (vGA)


Leitsatz

Für die Frage, ob eine Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, ist bei der Prüfung eines möglicherweise fehlenden Zuwendungswillens aufgrund Irrtums des Gesellschafter-Geschäftsführers nicht darauf abzustellen, ob einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter der Irrtum gleichfalls unterlaufen wäre. Maßgebend ist allein, ob der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer einem solchen Irrtum unterlegen ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom [X.] - 1 K 88/16 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH; ihr Stammkapital (… €) wurde von der alleinigen Gesellschafterin [X.] in Höhe von … € durch Einbringung eines 100%igen Geschäftsanteils an der [X.] (GmbH) sowie in Höhe von … € durch [X.]areinlage erbracht.

2

Im Zuge der Gründung der Klägerin war unter anderem thematisiert worden, wie eine für erforderlich erachtete Kapitalerhöhung bei der einzubringenden GmbH-[X.]eteiligung erfolgen könnte. Hierzu war am 11.08.2008 in der Kanzlei des steuerlichen [X.]eraters ([X.]) ein Aktenvermerk gefertigt worden:

"[…] Die [X.] soll in die neu zu gründende [Klägerin] eingebracht werden. Die [X.] hat ein Stammkapital in Höhe von [X.], die [Klägerin] soll durch Sacheinlage der Anteile an der [X.] in Höhe von [X.] und durch [X.]areinlage in Höhe von [X.] gegründet werden. … Gleichzeitig möchte Frau [[X.]] das Stammkapital der [X.] von [X.] um [X.] auf [X.] erhöhen. … In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, in welcher Reihenfolge die Kapitalerhöhung bezogen auf die Umstrukturierung durchgeführt wird: …

1. Die Kapitalerhöhung wird vor der Einbringung durch die Gesellschafterin Frau [[X.]] durchgeführt. Es erfolgt eine Einzahlung in Höhe von [X.] von [[X.]] privat, ihre Anschaffungskosten (§ 17 EStG) erhöhen sich entsprechend. Die Kapitalerhöhung findet aufschiebend bedingt statt. Da … hierin ein haftungsrechtliches Problem sieht, haben wir uns gegen diese Vorgehensweise entschieden. …

2. Es werden zuerst die Anteile an der [X.] mit einem Stammkapital in Höhe von [X.] in die [Klägerin] eingebracht. Nach Eintragung der [Klägerin] wird das Kapital der [X.] auf [X.] erhöht. Die Erhöhung erfolgt durch die [Klägerin], indem diese mit [X.] in bar und [X.] Sacheinlage gegründet wird, ihr somit liquide [X.]ittel in Höhe von [X.] zur Verfügung stehen. …

Nach Rücksprache mit Frau [[X.]] soll die zweite Variante durchgeführt werden."

3

Die Erhöhung des Stammkapitals der GmbH wurde am ….12.2008 beschlossen. Der Vorgang war von Seiten der GmbH maßgeblich von einem ihrer [X.]itarbeiter ([X.]) sowie durch [X.] vorbereitet worden. Insofern hatte [X.] einen Entwurf für den zu beurkundenden Gesellschafterbeschluss erstellt, den er zunächst am 25.11.2008 per E-[X.]ail der GmbH übersandte. Der Entwurf lautete auszugsweise wie folgt: "[…] Es wird festgestellt, dass in dieser ordentlichen Gesellschafterversammlung das Gesellschafterkapital vollständig vertreten ist, nämlich durch Gesellschafter [Klägerin] (100 % der Anteile am Gesellschafterkapital). ….

Unter Verzicht auf sämtliche Frist- und Formvorschriften wird eine Gesellschafterversammlung abgehalten. Folgende Punkte wurden abgehandelt:

Das Stammkapital wird durch eine [X.]areinlage in Höhe von … € von … € auf … € erhöht. […]."

4

[X.] leitete den Entwurf am 02.12.2008 per E-[X.]ail an [X.] weiter. Dieser vereinbarte daraufhin einen [X.]eurkundungstermin für den 09.12.2008. Am 03.12.2008 übersandte er den oben genannten Entwurf per E-[X.]ail an das Notarbüro. Aufgrund eines durch einen Notfall erforderlich gewordenen mehrtägigen Krankenhausaufenthalts der [X.] konnte diese den Termin am 09.12.2008 nicht einhalten. Die [X.]eurkundung wurde daher auf den Tag ihrer Krankenhausentlassung verlegt. Vor dem [X.]eurkundungstermin gab es keinen weiteren Kontakt mit dem Notarbüro; weder wurde der [X.]eschlussinhalt weitergehend abgestimmt noch wurden seitens des [X.] vorab schriftliche Entwürfe des zu beurkundenden [X.]eschlusses zur Verfügung gestellt. In der notariellen Urkunde über die [X.]eschlussfassung heißt es:

"… erschien heute: …

Frau [[X.]], …, handelnd wie folgt: …

1. als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der [Klägerin] …

2. im eigenen Namen …

Dieselbe erklärte: …

Die [X.]eteiligte zu 1), die [Klägerin], ist alleinige Gesellschafterin der […] GmbH […], deren Stammkapital insgesamt … € […] beträgt. … Unter Verzicht auf alle Frist- und Formvorschriften der Ankündigung und Einberufung halten die [X.]eteiligten hiermit eine außerordentliche Gesellschafterversammlung ab und beschließen folgendes: …

1. Das Stammkapital der Gesellschaft wird von … € […] um … € […] auf … € […] erhöht. …

Es wird ein neuer Geschäftsanteil zum Nennbetrag von … € […] gebildet. …

2. Der neue Geschäftsanteil wird zum Nennwert ausgegeben und ist in Geld zu erbringen. …

3. [X.]), Frau [[X.]], wird zur Übernahme des Geschäftsanteils in Höhe von … € […] zugelassen. …

Hierzu erklärt die Erschienene zu 2), dass sie den neuen Geschäftsanteil übernimmt. … ."

5

Neben [X.] waren im [X.]eurkundungstermin der Notar und eine Angestellte des Notars anwesend. Die Urkunde wurde von der Angestellten des Notars verlesen, eine Leseabschrift erhielt [X.] nicht. Die Urkunde wurde von [X.] unterzeichnet. Ferner befindet sich eine Unterschrift der [X.] mit Datumsangabe ….12.2008 unter einer "Liste der Übernehmer", auf der sich auch die Unterschrift ihres Ehemanns befindet. Die Liste wurde neben der notariellen Niederschrift über die außerordentliche Gesellschafterversammlung und dem Gesellschaftsvertrag der ebenfalls vom Notar verfassten Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister beigefügt. Die Anmeldung wurde mit der Datumsangabe ….12.2008 von [X.] unterzeichnet. [X.]ereits am 09.12.2008 hatte die Klägerin die Stammeinlage in Höhe von … € an die GmbH gezahlt.

6

Die Kapitalerhöhung wurde am ….02.2009 in das Handelsregister eingetragen. Am ….03.2009 übermittelte die amtlich bestellte Vertreterin des Notars dem Registergericht eine von ihr unterzeichnete Liste der Gesellschafter, in der sowohl [X.] als auch die Klägerin aufgeführt waren. Der [X.] war diese Liste nicht bekannt.

7

Die Klägerin bilanzierte in der Folge beide Geschäftsanteile an der GmbH in ihrem Anlagevermögen. Sämtliche in der Folgezeit gefassten [X.]eschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH wurden allein durch die Klägerin gefasst. In den Protokollen über die ordentlichen Gesellschafterversammlungen vom ….12.2008 und vom ….12.2009, die jeweils von [X.] unterzeichnet wurden, wurde die Klägerin als zu 100 % an der GmbH beteiligt bezeichnet.

8

Am ….05.2010 wurde ein "Geschäftsanteilsübertragungsvertrag" beurkundet:

"[…] erschien heute: …

Frau [[X.]] […], handelnd wie folgt: …

1. im eigenen Namen …

2. als einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der [Klägerin] […]

Dieselbe erklärte: …

Die [X.]eteiligten zu 1) und 2) sind […] die alleinigen Gesellschafter der […] [X.] […], deren Stammkapital … € […] beträgt. …

Durch Gesellschafterbeschluss vom [X.]…] hat die [X.] ihr damaliges Stammkapital in Höhe von … € […] um … € […] auf … € […] erhöht. … Im Rahmen des [X.] hat die Erschienene zu 1) den neu gebildeten Geschäftsanteil Nr. 1 in Höhe von … € […] übernommen und ist somit Gesellschafterin der [X.] geworden. Die Übernahme des neu gebildeten Geschäftsanteils Nr. 1 in Höhe von … € […] durch die Erschienene zu 1) erfolgte im Rahmen des [X.] irrtümlich. …

Vielmehr sollte die [Klägerin] als zum damaligen Zeitpunkt alleinige Gesellschafterin neben ihrem Geschäftsanteil Nr. 2 in Höhe von … € […] den weiteren, durch den Kapitalerhöhungsbeschluss gebildeten Geschäftsanteil Nr. 1 in Höhe von … € […] anstatt der Erschienenen zu 1) übernehmen. …

Die auf den neuen Geschäftsanteil zu zahlenden Leistungen wurden deshalb auch von der [Klägerin] erbracht. …

Um nunmehr die Gesellschaftsstruktur zu schaffen, die bereits durch den Kapitalerhöhungsbeschluss vom [X.]…] gebildet werden sollte, schließen die [X.]eteiligten zu 1) und 2) den folgenden … Geschäftsanteilsübertragungsvertrag …

I. [X.]), […] überträgt hiermit an die Erschienene zu 2) […] ihren vorgenannten Geschäftsanteil Nr. 1 in Höhe von … € […] mit folgenden Vereinbarungen: …

1. Die Übertragung erfolgt mit allen Rechten und Pflichten, auch bezüglich des Gewinnbezugsrechts, mit Wirkung zum ….12.2008. […]".

9

[X.] führte das Finanzamt … unter anderem bei der Klägerin eine Außenprüfung durch und gelangte zu der Ansicht, dass die Klägerin auf eine Teilnahme an der Kapitalerhöhung bei der GmbH vom ….12.2008 verzichtet und sie stattdessen unentgeltlich [X.] ermöglicht habe, daran teilzunehmen. In diesem Verzicht liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zugunsten der [X.], die mit dem Teilwert des im Rahmen der Kapitalerhöhung von [X.] erworbenen Geschäftsanteils zu bewerten sei (… € nach einer Ermittlung im vereinfachten Teilwertverfahren). Ferner habe die Klägerin anstelle der [X.] die Stammeinlage in Höhe von … € eingezahlt. Auch darin sei eine vGA zu sehen.

Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) folgte diesen Feststellungen und erließ am 05.09.2014 geänderte [X.]escheide unter anderem über die Körperschaftsteuer und den [X.] 2008 (Streitjahr). Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem [X.] ([X.]), die erfolglos blieb (Urteil vom [X.] - 1 K 88/16, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2020, 595).

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung von [X.]undesrecht geltend macht.

Sie beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen [X.] vom [X.] - 1 K 88/16 aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 2008 sowie den [X.]escheid über den [X.] 2008, jeweils vom 05.09.2014 und jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2016, dahingehend zu ändern, dass vom Ansatz einer vGA in Höhe von … € abgesehen und die Körperschaftsteuer sowie der [X.] entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass es für die Frage, ob eine [X.] von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, im Falle eines (vermeintlichen) Irrtums des Gesellschafter-Geschäftsführers bei der zur [X.] führenden [X.]eschlussfassung auf den objektivierenden Maßstab eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters und dabei darauf ankomme, ob einem solchen Geschäftsleiter ein solcher Irrtum unterlaufen wäre. Vielmehr ist alleine maßgebend, ob der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer einem Irrtum unterlegen war, sodass diese Frage vom [X.] nicht offen gelassen werden konnte, sie vielmehr noch aufzuklären ist.

1. VGA sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats [X.] (verhinderte [X.]), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind, sich auf die Höhe des [X.] gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes ([X.]) --jeweils in der Fassung des [X.] auswirken und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stehen. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (z.[X.]. Urteile vom 16.03.1967 - I 261/63, [X.], 208, [X.]I 1967, 626; vom 08.10.2008 - I R 61/07, [X.], 131, [X.], 62; vom 22.12.2010 - I R 47/10, [X.], 1019; vom 15.02.2012 - I R 19/11, [X.], 452; [X.]eschluss vom 13.07.2021 - I R 16/18, [X.], 36, [X.] 2022, 119). Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen [X.]ezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (z.[X.]. Senatsurteile vom 07.08.2002 - I R 2/02, [X.], 197, [X.] 2004, 131; vom 22.08.2007 - I R 32/06, [X.], 523, [X.] 2007, 961; vom 04.05.2022 - I R 25/19, [X.], 1313; [X.]eschluss vom 13.07.2021 - I R 16/18, [X.], 36, [X.] 2022, 119).

2. Es ist zunächst offensichtlich und zwischen den [X.]eteiligten auch nicht im Streit, dass [X.] aufgrund des [X.] vom [X.] das zivilrechtliche Eigentum an dem durch die Kapitalerhöhung entstandenen Geschäftsanteil erworben hat. Mit der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister wurde die dort enthaltene Übertragungsvereinbarung wirksam und [X.], die zuvor nicht (mehr) Gesellschafterin der GmbH gewesen war, wurde durch die Übernahme des neuen Geschäftsanteils deren Gesellschafterin. Die [X.]eteiligten streiten im Revisionsverfahren auch nicht mehr darüber, dass der neu entstandene Geschäftsanteil bis zu seiner (Weiter-)Übertragung auf die Klägerin im Jahr 2010 auch steuerrechtlich der [X.] zuzurechnen war, weil es --wie auch das [X.] ausgeführt hat-- schon an einer bürgerlich-rechtlichen Vereinbarung fehlt, der zufolge die mit dem neu entstandenen Geschäftsanteil zusammenhängenden wesentlichen Rechte der Klägerin zugewiesen worden wären. Der Senat sieht von Ausführungen dazu ab.

Dass auch auf Grundlage des Rechtsgedankens des § 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) keine anderweitige Zurechnung in [X.]etracht kommen kann, folgt schon daraus, dass der Übertragungsvorgang zivilrechtlich wirksam vereinbart worden ist und eine Ausdehnung der Vorschrift auf zivilrechtlich wirksame, wirtschaftlich aber nicht gewollte Vorgänge nach dem Normwortlaut nicht in [X.]etracht kommt. Ebenso ist es ausgeschlossen, dass die im Jahr 2010 erfolgte (Weiter-)Übertragung des Geschäftsanteils von [X.] auf die Klägerin nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] auf das Streitjahr zurückwirken könnte, denn der [X.] vom ….05.2010 ließ bis zu seinem Inkrafttreten die Vereinbarung vom [X.] in ihrem rechtlichen [X.]estand ebenso unberührt wie die durch sie geschaffenen steuerrechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen.

3. Da die Klägerin rechtlich und wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre, für das Ausüben des ihr zustehenden [X.]ezugsrechts ein (angemessenes) Entgelt zu erzielen und damit einen bilanzierungsfähigen Vermögensvorteil zu erlangen, liegt im Ausbleiben dieses Vorteils dadurch, dass eine andere Person zur Übernahme des neuen Geschäftsanteils zugelassen wurde, eine verhinderte Vermögensmehrung, die als solche zu einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] führen kann (vgl. allgemein Senatsurteil vom 15.12.2004 - I R 6/04, [X.]FHE 209, 57, [X.] 2009, 197). Dabei wurde [X.] begünstigt, indem sie --unentgeltlich-- zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung zugelassen wurde.

4. Der Senat kann indessen nicht abschließend darüber entscheiden, ob die verhinderte Vermögensmehrung auf Seiten der Klägerin ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis gehabt hat.

a) Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist nach der Senatsrechtsprechung anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (s. die Nachweise zu 1. der Gründe). Dieser Maßstab ist eine "Denkfigur", die helfen soll, die Veranlassung einer Leistung an den Gesellschafter möglichst objektiv zu beurteilen (z.[X.]. [X.] in [X.]/Herlinghaus/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8 Rz 234; ausführlich Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, S. 143 ff.). Subjektive [X.] bestehen insoweit prinzipiell nicht, um das Vorliegen einer vGA annehmen zu können (zutreffend [X.], Der [X.]etrieb --D[X.]-- 1994, 1105, 1107 f.; [X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rz 276; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8 Rz 249). Es bedarf damit in der Regel weder der Absicht, Gewinne verdeckt auszuschütten, noch eines entsprechenden Ausschüttungsbewusstseins. Der handelnde Gesellschafter muss nicht mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis handeln, er muss den Tatbestand der vGA nicht kennen und er muss das Geschehene auch nicht richtig würdigen (vgl. Senatsurteil vom 10.01.1973 - I R 119/70, [X.]FHE 108, 183, [X.] 1973, 322), vielmehr genügt in aller Regel ein persönlich zurechenbares Handeln. Die objektiven Abläufe sprechen insoweit grundsätzlich für sich und reichen aus, um den Tatbestand einer vGA erfüllen zu können (so [X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rz 276).

b) Diese Grundsätze gelten aber nicht uneingeschränkt, da es zur Annahme einer vGA --so wie bei einer offenen Gewinnausschüttung-- eines Zuwendungswillens bedarf (z.[X.]. Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, S. 49, 52 f., 58 f.). Steht deshalb zur Überzeugung eines [X.] fest, dass die (objektive) Vorteilsverschiebung von der Kapitalgesellschaft zugunsten des Gesellschafters nicht aus gesellschaftlichen Gründen erfolgt ist, scheidet eine vGA aus, weil es dann an der konkreten Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis fehlt (vgl. Senatsurteile vom 29.04.2008 - I R 67/06, [X.]FHE 221, 201, [X.], 55; vom 28.04.2010 - I R 78/08, [X.]FHE 229, 234, [X.] 2013, 41). Dies kann etwa bei subjektiven Entschuldigungsgründen (aufgrund Unerfahrenheit oder der besonderen persönlichen Situation des Handelnden) der Fall sein (vgl. [X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rz 277, m.w.[X.]; s.a. [X.], D[X.] 2021, 636, 640; ablehnend aber wohl [X.], [X.] --GmbHR-- 2009, 910, 914).

c) Mit den vorgenannten Ausführungen ist die Auffassung des [X.], wonach es darauf ankommen soll, ob auch ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter im konkreten Fall die [X.] aufgrund Irrtums nicht erkannt hätte (dem [X.] zustimmend z.[X.]. [X.]randis/[X.]/Rengers, § 8 [X.] Rz 371, m.w.[X.]; ähnlich [X.], GmbHR 2008, 940, 944), nicht vereinbar; eine solche Rechtsfrage hatte der Senat im Urteil vom 29.04.2008 - I R 67/06 ([X.]FHE 221, 201, [X.], 55) auch nicht "offen gelassen" (so aber [X.], E[X.] 2020, 601, 602). Richtig ist vielmehr, dass subjektive Entschuldigungsgründe unabhängig vom verobjektivierenden Maßstab des ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters die "konkrete" Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis entfallen lassen können (zutreffend [X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rz 277; [X.] in [X.]/Herlinghaus/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8 Rz 227 und 1193; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 8 Rz 355; derselbe, D[X.] 2021, 636, 640; [X.], D[X.] 2001, 2465, 2467 f.).

Die Rechtsauffassung des [X.], in Fällen, in denen der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer irrtumsbedingt gehandelt habe, bestehe weder ein Anlass noch eine Rechtfertigung dafür, vom Maßstab des ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiters abzuweichen, ist abzulehnen. Das folgt schon daraus, dass der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter eine idealtypische Denkfigur ist, die alle Gegebenheiten des [X.] kennt und sich infolgedessen per definitionem nicht in einem Irrtum befinden kann.

Legt der Gesellschafter-Geschäftsführer vielmehr glaubhaft dar, dass eine [X.] an ihn nicht stattfinden sollte und dass damit kein Zuwendungsbewusstsein vorhanden war, ist der konkrete betriebliche Veranlassungszusammenhang gesichert und man gelangt bei der Prüfung nicht mehr zu einer "Umdeutung" infolge des gedachten [X.] eines typisierten sorgfältig handelnden Geschäftsführers. In derartigen Ausnahmefällen ist es daher möglich, dass es dem Gesellschafter-Geschäftsführer gelingt, entgegenstehende Vermutungen des Fremdvergleichs durch einen konkreten Veranlassungsnachweis zu widerlegen (zutreffend [X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rz 277).

Fehlt es an jeglichem finalen Zuwendungswillen in Richtung eines Vermögenstransfers zu Lasten der Gesellschaft und zugunsten des Gesellschafters und steht fest, dass die Vorteilsverschiebung nicht aus gesellschaftlichen Gründen erfolgt ist, kann eine vGA wegen fehlender konkreter Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis ausscheiden (so ausdrücklich Senatsurteil vom 29.04.2008 - I R 67/06, [X.]FHE 221, 201, [X.], 55). Dass im Rahmen des Tatbestands der vGA ausnahmsweise subjektive Elemente von [X.]edeutung sein können, zeigt sich beispielsweise darin, dass die durch einen [X.]uchungsfehler des steuerlichen [X.]eraters irrtumsbedingt ausgelösten [X.]en zu korrigieren sind (Senatsurteil vom 24.03.1998 - I R 88/97, [X.]FH/NV 1998, 1374; s.a. [X.], [X.] Steuer-Zeitung [X.], 431, 432; derselbe, [X.], 925, 934).

d) Da das [X.] von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist aber nicht spruchreif; denn das [X.] durfte die Frage, ob [X.] zum Zeitpunkt der [X.]eschlussfassung am [X.] tatsächlich einem Irrtum über den Inhalt des [X.]eschlusses unterlag, nach den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht unaufgeklärt lassen. [X.]ei dieser Tatsachenfrage kommt es entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Einlassungen der [X.] und ihre Glaubwürdigkeit an; eine entsprechende Tatsachenfeststellung und -würdigung ist Aufgabe des [X.] als Tatsachengericht.

e) Für den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin:

Die streitgegenständlichen Geschäftsvorfälle (einerseits die unentgeltliche Überlassung des [X.]ezugsrechts durch die Klägerin an [X.], andererseits die für diese [X.] [X.]areinlage) sind, wie auch das [X.] erkannt hat, getrennt voneinander zu beurteilen (vgl. zur geschäftsvorfallbezogenen [X.]etrachtungsweise z.[X.]. Senatsurteil vom 28.04.2010 - I R 78/08, [X.]FHE 229, 234, [X.] 2013, 41; Senatsbeschluss vom 27.07.2010 - I [X.] 61/10, [X.]FH/NV 2010, 2119).

Für den ersten Geschäftsvorfall ist [X.]eurteilungszeitpunkt bei der Prüfung des Vorliegens der gesellschaftlichen Veranlassung der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (s. allgemein die ständige Rechtsprechung, z.[X.]. Senatsurteil vom [X.], [X.]FHE 102, 268, [X.] 1971, 600; Senatsbeschluss vom 12.09.2018 - I R 77/16, [X.]FH/NV 2019, 296). Ein späteres Entdecken eines dabei unterlaufenen Irrtums ist insoweit irrelevant und würde nicht gegen das ursprüngliche Vorliegen eines Irrtums sprechen. Der Senat teilt dabei die Auffassung des [X.], dass sich die Höhe einer gegebenenfalls anzunehmenden vGA nach dem --zwischen den [X.]eteiligten nicht streitigen-- Wert richten würde, den die Klägerin im Falle einer Verwertung des [X.]ezugsrechts von einem gedachten Erwerber hätte erlangen können. Diesen [X.]etrag haben das [X.] und das [X.] mit dem Wert des infolge der Ausübung des [X.]ezugsrechts erworbenen neuen Geschäftsanteils bemessen. Indessen ist zu beachten, dass auch ein Dritter als Erwerber des [X.]ezugsrechts zum Erwerb des Geschäftsanteils die von der Klägerin [X.] [X.]areinlage in Höhe von … € hätte leisten müssen. Die Verpflichtung zur Leistung der [X.]areinlage wäre mithin bei der [X.]emessung des fremdvergleichskonformen Preises für den Erwerb des [X.]ezugsrechts mit zu berücksichtigen. Zutreffend hat das [X.] die mögliche vGA zeitlich auf das Streitjahr bezogen; das [X.] ist zutreffend (und von der Klägerin unwidersprochen) davon ausgegangen, dass die Klägerin das [X.]ezugsrecht in unmittelbarem Zusammenhang mit der [X.]eschlussfassung zur Kapitalerhöhung hätte verwerten können (bilanzierungsfähiger Vermögensvorteil).

Die vorstehenden Ausführungen gelten mit [X.]lick auf den zweiten Geschäftsvorfall sinngemäß für die Frage, ob in der Zahlung der Kapitaleinlage in Höhe von … € durch die Klägerin eine weitere vGA zu sehen ist (Tilgung einer Verbindlichkeit der Gesellschafterin). Auch insoweit ist nochmals zu prüfen, ob eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis irrtumsbedingt ausgeschlossen werden kann.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 9/20

22.11.2023

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 28. November 2019, Az: 1 K 88/16, Urteil

§ 8 Abs 3 S 2 KStG 2002, KStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.11.2023, Az. I R 9/20 (REWIS RS 2023, 10429)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10429

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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