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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Täterschaft und Teilnahme: Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe bei Beteiligung an Handlungen im Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.]vom 26. Juni 2015, soweit es die Angeklagte betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. 2. a), c) und g) (Fälle 1, 3 und 6) der Urteilsgründe sowie
b) im Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das [X.]hat di[X.]Angeklagt[X.]wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in fünf Fällen un[X.]versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstraf[X.]von drei Jahren un[X.]sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet si[X.]sich mit ihrer auf sachlich-rechtlich[X.]Beanstandungen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinn[X.]von § 349 Abs. 2 StPO.
Das Urteil hat keinen Bestand, soweit di[X.]Angeklagt[X.]in den Fällen II. 2. a) un[X.]c) (Fäll[X.]1 un[X.]3) der Urteilsgründ[X.]wegen - gemeinschaftlich begangener - besonders schwerer räuberischer Erpressung sowi[X.]im Fall II. 2. g) (Fall 6) der Urteilsgründ[X.]wegen - jeweils gemeinschaftlich begangener - versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Abs. 2 StGB) verurteilt worden ist.
1. Nach den Feststellungen des [X.]überfiel der Mitangeklagt[X.]L. in allen Fällen allein[X.]Tankstellen, di[X.]zuvor beid[X.]Angeklagt[X.]gemeinsam danach ausgesucht hatten, dass sich nur ein[X.]einzig[X.]weiblich[X.]Angestellt[X.]im [X.]befand. Zur Begehung dieser Straftaten hatten sich di[X.]beiden Angeklagten aus Geldnot entschlossen; im Tatzeitraum bestritten si[X.]ihren gemeinsamen Lebensbedarf aus der Tatbeute. Der Mitangeklagt[X.]L. hatt[X.]vor dem ersten Überfall - mit Wissen un[X.]Billigung der Angeklagten - einen [X.]un[X.]Munition erworben, mit der er - wi[X.]von beiden Angeklagten von Anfang an geplant - das [X.]bedrohte. Er hatt[X.]gleichzeitig ein Pfefferspray gekauft, das nach dem Plan der Angeklagten - falls notwendig - als [X.]eingesetzt werden sollte. In den Fällen II. 2. b) bis e) (Fäll[X.]2 bis 5) der Urteilsgründ[X.]benutzten di[X.]Angeklagten für di[X.]Fahrten zu den [X.]un[X.]von diesen weg Fahrzeuge, di[X.]di[X.]Angeklagt[X.]auf ihren Namen angemietet hatte. In den Fällen II. 2. b), d) un[X.]e) (Fäll[X.]2, 4 un[X.]5) der Urteilsgründ[X.]war di[X.]Angeklagt[X.]bei diesen Fahrten jeweils di[X.]Fahrzeugführerin. In den übrigen Fällen (II. 2. a), c) un[X.]g) (Fäll[X.]1, 3 un[X.]6) der Urteilsgründ[X.]fuhr di[X.]Angeklagt[X.]hingegen jeweils als Beifahrerin des Mitangeklagten L. zu den [X.]mit un[X.]wartet[X.]in einiger Entfernung von den Tankstellen auf dem Beifahrersitz auf dessen Rückkehr.
2. Di[X.]Feststellungen zu den Fällen II. 2. a), c) un[X.]g) (Fäll[X.]1, 3 un[X.]6) der Urteilsgründ[X.]tragen di[X.]vom [X.]hinsichtlich der Erpressungstaten angenommen[X.]Mittäterschaft der Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB) nicht.
a) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jed[X.]sämtlich[X.]Tatbestandsmerkmal[X.]verwirklicht, ist Mittäter im Sinn[X.]von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet un[X.]diesen so in di[X.]Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten un[X.]umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.]erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingen[X.]ein[X.]Mitwirkung am [X.]selbst un[X.]auch kein[X.]Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein di[X.]Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf ein[X.]Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich di[X.]objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehend[X.]Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich [X.]als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft oder Beihilf[X.]anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrun[X.]einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umständ[X.]zu prüfen; maßgeblich[X.]Kriterien sin[X.]der Gra[X.]des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung un[X.]di[X.]Tatherrschaft oder wenigstens der Will[X.]dazu, so dass di[X.]Durchführung un[X.]der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26).
b) Nach diesen Maßstäben begegnet di[X.]rechtlich[X.]Einordnung der Beteiligung der Angeklagten als Mittäterschaft in den vorbezeichneten drei Fällen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Anders als in den übrigen Fällen, bei denen di[X.]Angeklagt[X.]den Mitangeklagten L. zum [X.]gebracht, währen[X.]des [X.]auf dem Fahrersitz fluchtbereit auf ihn gewartet un[X.]ihn danach mit dem Fahrzeug vom [X.]weggefahren hatt[X.](Fäll[X.]2, 4 un[X.]5), wirkt[X.]di[X.]Angeklagt[X.]in den Fällen 1, 3 un[X.]6 der Urteilsgründ[X.]lediglich beim Ausspähen der Tankstellen mit, begleitet[X.]den Mitangeklagten L. bei den Fahrten zu den [X.]un[X.]nach den Überfällen von diesen weg als Beifahrerin un[X.]wartet[X.]währen[X.]der Taten auf di[X.]Rückkehr des in dieser [X.]di[X.]Überfäll[X.]allein[X.]durchführenden Mitangeklagten.
Di[X.]Tätigkeit der Angeklagten im Rahmen der Überfäll[X.]in den Fällen II. 2. a), c) un[X.]g) (Fäll[X.]1, 3 un[X.]6) der Urteilsgründ[X.]stellt sich nach dem äußeren Erscheinungsbil[X.]in Bezug zu den Tatbeiträgen des Mitangeklagten L. als Beteiligungshandlung an dessen Erpressungstaten dar, di[X.]für sich weder auf ein[X.]Tatherrschaft noch auf einen Willen hierzu schließen lassen. Di[X.]Taten beging der Mitangeklagt[X.]L. alleine; ihr[X.]Ausführung un[X.]ihr Erfolg waren nach den Feststellungen in den vorbezeichneten Fällen in jeder Hinsicht dem Einfluss un[X.]dem Willen der Angeklagten entzogen. Der vom [X.]festgestellt[X.]gemeinsam[X.][X.]un[X.]das auch aus dem Bestreiten des gemeinsamen Lebensbedarfes folgend[X.]Interess[X.]der Angeklagten am Gelingen der Überfäll[X.]vermag ein[X.]ander[X.]Beurteilung un[X.]di[X.]rechtlich[X.]Einordnung dieser Tatbeiträg[X.]durch das [X.]nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft un[X.]Beihilf[X.]ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen sein sollte, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil[X.]vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254 un[X.]vom 10. Dezember 2013 - 5 StR 387/13, juris Rn. 10). Ein solcher Beurteilungsspielraum, den das [X.]im vorliegenden Urteil, das zur Mittäterschaft der Angeklagten kein[X.]näher[X.]rechtlich[X.]Subsumption oder wertend[X.]Betrachtung enthält, ersichtlich nicht ausgefüllt hat, wär[X.]hier jedenfalls überschritten. Di[X.]Annahm[X.]des Landgerichts, di[X.]Angeklagt[X.]sei in den Fällen 1, 3 un[X.]6 der Urteilsgründ[X.]als Mittäterin der vollendeten bzw. der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung anzusehen, hält der rechtlichen Überprüfung danach nicht stand.
c) Entsprechendes gilt, soweit das [X.]di[X.]Angeklagt[X.]im Fall II. 2. g) (Fall 6) der Urteilsgründ[X.]- tateinheitlich zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung - wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Abs. 2 StGB verurteilt hat. Bei diesem Überfall setzt[X.]der Mitangeklagt[X.]L. gegen di[X.]durch di[X.]Bedrohung mit dem Revolver nicht (genügend) beeindruckt[X.]Zeugin R. das mitgeführt[X.]Pfefferspray ein, verletzt[X.]di[X.]Tankstellenkassiererin dadurch im Gesicht, im Bereich des Dekolletés sowi[X.]an den Unterarmen un[X.]fügt[X.]ihr erheblich[X.]Schmerzen zu. Währen[X.]des gesamten [X.]wartet[X.]di[X.]Angeklagt[X.](erneut) im Fahrzeug auf dem Beifahrersitz verweilen[X.]auf di[X.]Rückkehr des Mitangeklagten, der das von den Angeklagten genutzt[X.]Fahrzeug vor un[X.]nach dem Überfall steuerte.
Ob ein Abwesender Mittäter einer gefährlichen Körperverletzung eines anderen ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Mittäterschaft, der Anstiftung oder Beihilf[X.](s. oben 1. b); insoweit gilt daher dasselb[X.]wi[X.]auch für den Tatbestan[X.]der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14, juris Rn. 68, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 60, 166 mwN). Nach den Feststellungen leistet[X.]di[X.]Angeklagt[X.]einen wesentlichen Tatbeitrag (auch) zu der - wiederum allein[X.]von dem Mitangeklagten L. ausgeführten - gefährlichen Körperverletzung nicht, sodass - trotz des gemeinsamen Tatplanes der Angeklagten, das Pfefferspray notfalls als [X.]einzusetzen - di[X.]angenommen[X.]Mittäterschaft der Angeklagten auch insoweit nicht belegt ist.
3. Di[X.]teilweis[X.]Aufhebung des angefochtenen Urteils im vorbezeichneten Umfang führt zum Wegfall der verhängten Jugendstrafe.
Di[X.]Sach[X.]muss zum Schuldspruch in den aufgehobenen Einzelfällen sowi[X.]zum Strafausspruch neu verhandelt un[X.]entschieden werden.
Becker Hubert Mayer
Gericke Spaniol
Meta
08.12.2015
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Koblenz, 26. Juni 2015, Az: 2040 Js 27510/14 - 2 KLs jug.
§ 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 224 Abs 1 Nr 2 StGB, § 250 Abs 2 Nr 1 StGB, § 253 Abs 1 StGB, § 255 StGB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2015, Az. 3 StR 439/15 (REWIS RS 2015, 1095)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 1095
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
3 StR 439/15 (Bundesgerichtshof)
3 StR 129/16 (Bundesgerichtshof)
Räuberische Erpressung: Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Teilnahme anhand der jeweiligen Tatbeiträge
3 StR 129/16 (Bundesgerichtshof)
2 StR 349/13 (Bundesgerichtshof)
2 StR 156/19 (Bundesgerichtshof)
Gefährliche Körperverletzung: Anforderungen an einen hinterlistigen Überfall; Voraussetzungen der Mittäterschaft