Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2005, Az. IX ZR 49/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 2428

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 21. Juli 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 287 Zu den Anforderungen an die Begründung der freien tatrichterlichen Überzeugung, der Mandant hätte einen Abfindungsvergleich trotz der damit verbun-denen Vorteile nicht geschlossen, wenn er vom Anwalt zutreffend über dessen recht-liche Risiken belehrt worden wäre.

[X.], [X.]eil vom 21. Juli 2005 - [X.] - OLG Köln

LG Köln

- 2 -

Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 21. Juli 2005 durch [X.] [X.], [X.] Ganter, [X.], [X.] und die Richterin [X.]
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das [X.]eil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 24. Januar 2002 aufgehoben.
[X.] wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die beklagte [X.] we-gen Schlechterfüllung eines [X.] auf Schadensersatz in Anspruch. Der Kläger war seit dem 1. Januar 1990 Mitglied des Vorstandes der F.

[X.] (fortan: [X.]) gewesen. Sein Anstellungsvertrag war bis zum 31. Dezember 1999 befristet. [X.] gab es Überlegungen, den Vertrag vorzeitig zu beenden. Der Kläger beauftragte die Beklagte, ihn dazu umfas-send zu beraten. Am 25. November 1998 schlossen der Kläger und die [X.] ei-ne Aufhebungsvereinbarung, die den [X.] zum 30. November 1998 beendete. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 1.150.000 DM - 3 -

brutto, welche der Höhe nach seinem garantierten Jahreseinkommen für das [X.] entsprach. Er erhielt außerdem vom 1. Januar 2000 an einen unver-fallbaren Anspruch auf betriebliche Altersversorgung in Höhe von 48 % aus 900.000 DM.

Der Kläger wirft der Beklagten vor, ihn nicht darauf hingewiesen zu ha-ben, daß seine Pensionsansprüche infolge der vorzeitigen Beendigung des Vertrages nicht gemäß §§ 1, 7 Abs. 1 [X.] insolvenzgesichert sind. Er hat behauptet, bei vollständiger Unterrichtung über die Rechtslage hätte er den Anstellungsvertrag nicht aufgehoben, sondern auf dessen Erfüllung bestanden, und beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, für sämtliche [X.] Nachteile - begrenzt auf eine Haftungssumme von 2.000.000 DM - einzustehen, die ihm im Falle einer Insolvenz der [X.] dadurch entstehen, daß der [X.] die Pensionsansprüche wegen mangelnder Un-verfallbarkeit seiner Anwartschaften ablehnt. Die Beklagte hat behauptet, den Kläger ausdrücklich auf den fehlenden Insolvenzschutz hingewiesen zu haben. Der Kläger habe die Aufhebungsvereinbarung im Hinblick auf das nur noch bis zum 31. Dezember 1998 geltende [X.] des § 34 EStG in der damals geltenden Fassung unbedingt noch im Jahr 1998 schließen wollen.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen [X.]eils. - 4 -

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei als Feststellungskla-ge zulässig. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß der für die Beklagte handelnde Rechtsanwalt [X.]seine Beratungspflicht ver-letzt habe. Dieser habe den Kläger nicht ausreichend darüber belehrt, daß bei vorzeitiger Vertragsauflösung und einer dadurch bedingten Vertragslaufzeit von nur 9 Jahren im Falle einer Insolvenz der [X.] keine Ansprüche gegen den [X.] bestünden. Die Pflichtverletzung sei kausal für den Schaden, der dem Kläger drohe; denn ohne die Zustimmung des [X.] hätte der Vertrag nicht vorzeitig beendet werden können. Ob der Kläger sich im We-ge des Vorteilsausgleichs Steuervorteile anrechnen lassen müsse, sei [X.] im Betragsverfahren zu entscheiden.

I[X.]

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 5 -

1. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig. Ein Feststellungsinte-resse (§ 256 Abs. 1 ZPO) für einen künftigen Anspruch auf Ersatz eines allge-meinen Vermögensschadens besteht zwar regelmäßig nicht, solange der [X.] irgendeines Schadens noch ungewiß ist ([X.], [X.]. v. 15. Oktober 1992 - [X.] ZR 43/92, [X.], 251, 259 f). Das gilt jedoch dann nicht, wenn die für den Anspruch geltende Verjährungsfrist unabhängig von dessen Entstehung zu laufen beginnt. Im vorliegenden Fall richtet sich die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs nach § 51b Fall 2 [X.]. Die Verjährung etwaiger [X.] des [X.] wegen fehlerhafter Beratung hat mit der Beendigung des Auftrags der Beklagten im Jahre 1998 begonnen. Daraus folgt ohne weiteres ein rechtliches Interesse des [X.] an der alsbaldigen Klärung der Haftungs-frage (§ 256 Abs. 1 ZPO).

2. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zur umfassenden Beratung des [X.] beim Abschluß des [X.] verletzt, indem sie ihn nicht umfassend und verständlich über die Frage der Insolvenzsicherheit seiner Ver-sorgungsansprüche aufgeklärt hat. Die entsprechenden Ausführungen des Be-rufungsgerichts werden von der Revision zu Recht nicht angegriffen.

3. Das Berufungsgericht hat jedoch keine ausreichenden Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der Beratungsfehler der Beklagten für den Vermö-gensnachteil, den der Kläger im Falle einer Insolvenz der [X.] befürchtet, [X.] geworden ist. Es hat dafür ausreichen lassen, daß die [X.] den [X.] nicht gegen den Willen des [X.] hätte erzwingen können, also unterstellt, der Kläger hätte die Vereinbarung bei voll-ständiger Aufklärung nicht geschlossen. Damit hat es das Vorbringen der [X.] - wie die Revision zu Recht rügt - nicht ausgeschöpft. - 6 -

a) Die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Beratung des Rechtsanwalts verhalten hätte, zählt zur haftungsausfüllenden Kausalität, die der Mandant nach § 287 ZPO zu beweisen hat ([X.] 129, 386, 399; [X.], [X.]. v. 13. Januar 2005 - [X.] ZR 455/00, [X.]-Report 2005, 787, 788). Der [X.] kann durch die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens erleichtert werden. Diese Vermutung gilt jedoch nur, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten [X.] hätte ([X.] 123, 311, 314 ff; 126, 217, 224; [X.], [X.]. v. 13. [X.], aaO). Eine derartige Feststellung hat das Berufungsgericht nicht ge-troffen. Sie läge auch fern.
b) Um beurteilen zu können, wie ein Mandant sich nach [X.] anwaltlicher Beratung verhalten hätte, müssen die Handlungsalternativen ge-prüft werden, die sich ihm stellten; deren Rechtsfolgen müssen ermittelt sowie miteinander und mit den Handlungszielen des Mandanten verglichen werden ([X.], [X.]. v. 13. Januar 2005, aaO). Der Kläger hätte nach vollständiger Auf-klärung über die Folgen der Aufhebungsvereinbarung - wie er behauptet - von deren Abschluß absehen können; er hätte sie jedoch auch - wie die Beklagte behauptet - gleichwohl unterzeichnen können.
Beide Parteien haben umfänglich dazu vorgetragen, welche Gesichts-punkte für und gegen die eine oder die andere Entscheidung gesprochen [X.]. Wäre der Anstellungsvertrag nicht vorzeitig beendet worden, wären die Versorgungsansprüche des [X.] teilweise für den Fall einer späteren Insol-venz der [X.] gesichert gewesen. Diese Sicherung hätte jedoch nicht für die gesamten Versorgungsansprüche des [X.] von 432.000 DM (48 % von - 7 -

900.000 DM) gegolten. Gemäß § 3 Abs. 3 [X.] war die Versicherungslei-stung des [X.]s auf den dreifachen Betrag der Bezugs-größe des § 18 SGB IV begrenzt. Im [X.] hätte der Kläger daher nur Anspruch auf jährliche Leistungen in Höhe von 158.760 DM (4.410 DM x 3 x 12) gehabt. Die im Anstellungsvertrag des [X.] versprochenen [X.] für zusätzliche 10 Jahre wären gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] [X.] nicht abgesichert gewesen. Die vorzeitige Auflösung des Vertrages brachte dem Kläger demgegenüber einen Steuervorteil von 287.387 DM (§ 34 EStG a.F.). Die Abfindung in Höhe von 1,15 Mio. DM wurde bereits am 31. Dezember 1998 ausgezahlt. Das Jahresgehalt für 1999 in Höhe von 600.000 DM wäre im Verlauf des Jahres 1999 ausgezahlt worden, der [X.] von 300.000 DM erst am 31. Dezember 1999 und die Tantieme von [X.] 200.000 DM am Tag nach der Hauptversammlung, in der der Bericht über das Geschäftsjahr 1999 vorgelegt worden wäre. Weitere 50.000 DM wä-ren nicht an den Kläger ausgezahlt, sondern für Prämienleistungen für eine private Versicherung zur Altersversorgung verwandt worden. Der Kläger hätte der [X.] außerdem noch im Jahre 1999 seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen müssen. Wie hoch das Risiko einer Insolvenz der [X.] einzuschätzen war, konnte der Kläger als ehemaliges Mitglied des Vorstandes am besten [X.]; im vorliegenden Rechtsstreit haben beide Parteien den wirtschaftli-chen Zustand der [X.] als "gut" bezeichnet.
Alle diese Umstände hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt. Die Würdigung des Tatsachenstoffs obliegt grundsätzlich dem Tatrichter ([X.], [X.]. v. 13. Januar 2005, aaO). Sie kann in der Revisionsinstanz nicht [X.] werden. Das angefochtene [X.]eil ist daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). - 8 -

4. Das Berufungsurteil kann außerdem aus einem weiteren Grund kei-nen Bestand haben. Selbst dann, wenn alle Voraussetzungen eines Scha-densersatzanspruchs aus positiver Vertragsverletzung des [X.] festgestellt werden, kann der Kläger nicht Ersatz des aus der fehlenden Unver-fallbarkeit seiner Pensionsansprüche resultierenden Schadens verlangen. Er behauptet, bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Rechtslage hätte er die Aufhebungsvereinbarung nicht geschlossen. Dann besteht sein Schaden darin, die Vereinbarung geschlossen zu haben; er kann - das Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen unterstellt - verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Vereinbarung nicht geschlossen. Im Rahmen eines späteren [X.] müßten die Vor- und die Nachteile, welche die Vereinbarung mit sich gebracht hat, darunter auch die von der Beklagten behaupteten Steu-ervorteile, in den erforderlichen "[X.]" (vgl. [X.], [X.]. v. 20. November 1997 - [X.] ZR 286/96, [X.], 142 f; Zugehör/[X.], [X.] der Anwaltshaftung Rn. 1087) eingestellt werden.

Der jetzige Feststellungsausspruch stellt den Kläger demgegenüber so, daß ihm sämtliche Vorteile der Aufhebungsvereinbarung zufließen, der Nach-teil der fehlenden Insolvenzsicherung dagegen nicht eintritt. Da dies aber selbst nach dem Vorbringen des [X.] nicht erreichbar war, dieser vielmehr behauptet, er hätte bei vertragsgerechter Beratung die [X.] nicht geschlossen, entspricht das angefochtene [X.]eil in diesem Punkt nicht der allgemein anerkannten Regel, daß auch dem Grunde nach der Scha-den durch einen Vergleich der gegenwärtigen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne das pflichtwidrige Verhalten des Anwalts eingetreten wäre, bestimmt werden muß. Der Kläger kann daher schon seiner eigenen Darstellung nach - 9 -

nur den Schaden ersetzt verlangen, der ihm daraus entsteht, daß er infolge unzureichender anwaltlicher Beratung über die Voraussetzungen der Insol-venzsicherung die Abfindungsvereinbarung vom 25. November 1998 geschlos-sen hat. Nur ein entsprechend eingeschränkter Feststellungsausspruch ermög-licht es, im Falle einer zukünftigen Insolvenz der [X.] die dem Kläger günstigen Rechtsfolgen der Abfindungsvereinbarung nach den Regeln über den [X.] zu berücksichtigen.

II[X.]

[X.] ist nicht zur Endentscheidung reif. Sie ist an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Nach der [X.] hat der Kläger Gelegenheit, den Feststellungsantrag neu zu formu-lieren (§ 139 ZPO). Das Berufungsgericht wird den Vortrag der Parteien zur Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden sowie eventuelle Beweisan-träge umfassend auszuwerten haben, um feststellen zu können, welche Ent-scheidung der Kläger bei vollständiger Belehrung über die Folgen der Aufhe-bungsvereinbarung getroffen hätte. Dabei wird es die Beweiserleichterungen zu beachten haben, die dem Geschädigten nach § 287 ZPO zugute kommen. Grundsätzlich reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit, daß ein Schaden entstanden ist, für die richter-liche Überzeugungsbildung aus ([X.], [X.]. v. 18. März 2004 - [X.] ZR 255/00, [X.], 2217, 2219). Geht es darum, welche hypothetische Entscheidung der Mandant bei vertragsgerechtem Verhalten des rechtlichen Beraters getrof-fen hätte, liegt es nahe, ihn dazu gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO zu verneh-- 10 -

men, weil es um eine innere, in seiner Person liegende Tatsache geht. Da die Feststellung, ob ein Schaden entstanden ist, nach den Beweisregeln des § 287 - 11 -

ZPO getroffen wird, gehört die Frage, wie sich der Mandant bei ordnungsge-mäßer Beratung verhalten hätte, zu dem von § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfaßten Bereich ([X.], [X.]. v. 16. Oktober 2003 - [X.] ZR 167/02, [X.], 472, 474).
[X.] Ganter [X.]

[X.] [X.]

Meta

IX ZR 49/02

21.07.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2005, Az. IX ZR 49/02 (REWIS RS 2005, 2428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2428

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