Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2017, Az. 1 StR 426/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 3327

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Gegenstand

Strafbares gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern: Doppelverwertungsverbot; Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts; Einreise von Syrern mit einem bulgarischen Flüchtlingsausweis


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. April 2017 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die vom Angeklagten in dieser Sache in [X.] erlittene Freiheitsentziehung auf die hier verhängte Strafe in der Weise angerechnet wird, dass ein Tag Auslieferungshaft zwei Tagen inländischer Haft entspricht.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 3.100 Euro angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt lediglich zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Ergänzung des Strafausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. [X.] ist ein in [X.] wohnhafter [X.] Staatsangehöriger, der dort ein Restaurant und einen Supermarkt betrieb. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 20. November 2014 entschloss er sich, die wiederholte Schleusung von [X.] aus dem Flüchtlingsheim der [X.] Stadt H.    nach [X.] gegen ein Entgelt von mindestens 200 Euro je Person zu organisieren und sich dadurch eine weitere Einnahmequelle von nicht unerheblichem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Die geschleusten Flüchtlinge nahmen Kontakt zu dem unter Aliasnamen handelnden Angeklagten auf, indem sie ihn anriefen oder ihn sogleich an einem bekannten Treffpunkt nahe der Unterkunft aufsuchten. Die Telefonnummer des Angeklagten war Aushängen in dem Flüchtlingsheim zu entnehmen, in denen er als eine Art „Reiseunternehmer“ auftrat.

4

Vom 20. November 2014 bis zum 14. März 2015 organisierte er mindestens sechs Fahrten mit insgesamt 31 [X.] Staatsangehörigen, die ein Fahrer im Auftrag des Angeklagten mit einem Personenkraftwagen von [X.] aus über [X.] nach [X.] transportierte. Nach der Einreise stellten mindestens 21 von ihnen in [X.] einen Asylantrag. Die letzte Fahrt endete in einer Polizeikontrolle auf der [X.] Alle transportierten Personen verfügten - dies kontrollierte der Angeklagte jeweils vor Fahrtantritt - über einen „[X.] Flüchtlingspass“.

5

[X.] wusste um die Praxis der [X.] Behörden, dass geflüchtete Personen, die als Asylsuchende für einige Monate in der Flüchtlingsunterkunft untergebracht waren, binnen 14 Tagen nach Erhalt des „[X.] [X.]“ diese Unterkunft verlassen mussten und keine staatliche Unterstützung mehr erhielten. Des Weiteren war dem Angeklagten bekannt, dass alle von ihm geschleusten Personen nicht nur Kurzbesuche, sondern einen dauerhaften Aufenthalt in [X.] anstrebten und „nicht über einen Aufenthaltstitel für die [X.]“ verfügten.

6

2. Das [X.] hat dies als gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern in sechs Fällen gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b, Abs. 2 Nr. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1 [X.] gewertet, weil sich die transportierten Personen mit Grenzübertritt nach [X.] der unerlaubten Einreise schuldig gemacht hätten. Der [X.] erlaube keine Einreise der [X.] Staatsangehörigen. Dies hat das [X.] insbesondere mit Blick auf den beabsichtigten Daueraufenthalt verneint.

II.

7

[X.] von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Insbesondere sind die Personen, denen der Angeklagte unter Verwirklichung von [X.] zur Einreise in die [X.] verholfen hat, ohne den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlichen Aufenthaltstitel und daher unerlaubt eingereist. Im Einzelnen:

8

1. Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass den [X.] Staatsangehörigen die Einreise in die [X.] nicht nach Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen ([X.]) gestattet war, weil es sich bei ihnen nicht um „sichtvermerksfreie Drittausländer“ handelte. Dies folgt schon daraus, dass die in [X.] anerkannten Flüchtlinge dort keinen „Wohnsitz“ hatten.

9

a) Das Tatbestandsmerkmal der „sichtvermerksfreien Drittausländer“ in Art. 20 [X.] nimmt Bezug auf Art. 1 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 ([X.] [X.] vom 21. März 2001, [X.] - [X.]-[X.]VO). Nach dessen Satz 1 dürfen Angehörige der im Anhang II der Verordnung genannten [X.] die [X.]n für einen Kurzaufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, visumfrei passieren (sog. „Positivstaater“, zu denen syrische Staatsangehörige nicht zählen). Ihnen stehen Personen mit Flüchtlingsstatus und Wohnsitz in dem [X.] gleich, der ihnen ein Reisedokument ausgestellt hat (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 2, 3. Spiegelstrich [X.]-[X.]VO). Die Regelungen der [X.]-[X.]VO sind gemäß Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Nr. 8 der [X.] 2005 (Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik [X.] und [X.] und die Anpassungen der Verträge, auf denen die [X.] beruht, [X.] [X.] vom 21. Juni 2005, [X.]) auch in [X.] anzuwenden. Im [X.] an das Passieren der [X.] gestattet sodann Art. 20 [X.] den Kurzaufenthalt der nach Art. 1 Abs. 2 [X.]-[X.]VO privilegierten Personen im Hoheitsgebiet der Schengen-[X.] und das Überschreiten der Binnengrenzen (vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2012 - 4 StR 142/12, [X.], 481, 482; [X.], Beschluss vom 11. November 2015 - 18 B 387/15, NVwZ-RR 2016, 354, 356).

b) Den geschleusten [X.] war die Einreise in die [X.] nicht nach Art. 20 [X.] gestattet. Denn sie erfüllten mangels eines „Wohnsitzes“ in [X.] nicht die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 Satz 2, 3. Spiegelstrich [X.]-[X.]VO. Dieses Tatbestandsmerkmal hat aufgrund der Bezüge der [X.]-[X.]VO zum „Europäischen Übereinkommen über die Aufhebung des [X.] für Flüchtlinge“ vom 20. April 1959 ([X.] II 1961 [X.]098 - [X.]) entsprechend dessen Art. 1 Abs. 1 keine andere Bedeutung als der „gewöhnliche Aufenthalt“ (vgl. Erwägungsgrund 7 der [X.]-[X.]VO; ebenso [X.], [X.] 2016, 289, 290 zum „Wohnsitz“ in Art. 12 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, [X.] II 1953 S. 560 - [X.]). Demgemäß decken sich die [X.] Fassungen der [X.]-[X.]VO („reside“) und des Übereinkommens („resident“).

In unionsrechtlichen Rechtsquellen ist unter dem gewöhnlichen Aufenthalt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] im [X.] der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person zu verstehen, der aufgrund einer Gesamtabwägung der tatsächlichen Umstände (wie Dauer des Aufenthalts, [X.] und familiäre Bindungen, Beweggründe) zu bestimmen ist (vgl. hierzu [X.], Urteile vom 15. September 1994 - [X.]/93, [X.]. 1994, [X.] Rn. 22; vom 25. Februar 1999 - [X.], [X.]. 1999, [X.] Rn. 28 f.; vom 11. November 2004 - [X.]/02, [X.]. 2004, [X.] Rn. 37; vom 17. Juli 2008 - [X.]/08, [X.]. 2008, [X.] Rn. 48; vom 5. Juni 2014 - [X.]/13 Rn. 44 f. und vom 11. September 2014 - [X.]/13 Rn. 34). Dafür, dass der [X.] und der Zweck des Art. 1 Abs. 2 Satz 2, 3. Spiegelstrich [X.]-[X.]VO, anerkannten [X.] (und Personen ohne Staatsangehörigkeit) ein visumfreies Passieren der [X.]n für Kurzaufenthalte zu ermöglichen, ein grundlegend anderes Verständnis erfordern könnten, ist nichts ersichtlich.

Den gewöhnlichen Aufenthalt im Einzelfall festzustellen, ist Sache der nationalen Gerichte (vgl. [X.], Urteile vom 22. Dezember 2010 - [X.]/10, [X.]. 2010, [X.] Rn. 56 [X.] und vom 16. Mai 2013 - [X.]/10 Rn. 52). Nach den Feststellungen des [X.]s mussten die geschleusten Personen mit Gewährung des Flüchtlingsstatus das ihnen für einige Monate als Unterkunft zugewiesene Flüchtlingsheim auf Weisung der [X.] Behörden kurzfristig verlassen. Auch unter besonderer Berücksichtigung der Situation geflohener Personen ist es daher mangels Festigung [X.]r Bindungen und des nicht weiter beabsichtigten Aufenthalts in [X.] nicht zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in [X.] als „Person mit Flüchtlingsstatus“ gekommen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 13. September 1999 - [X.], BeckRS 2016, 43435; Vienenkötter, [X.] im Internationalen Familien- und Erbrecht der [X.], 2017, [X.]). Zudem hätte ein solcher spätestens mit dem Verlassen des Flüchtlingsheims ohne einen Bleibe- und Rückkehrwillen sein Ende finden müssen. Dass Personen ein gewöhnlicher Aufenthalt fehlen kann, entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 22. Dezember 2010 - [X.]/10, [X.]. 2010, [X.] Rn. 57). Diese Möglichkeit belegt zudem Art. 12 Abs. 1 der [X.], der das Personalstatut von [X.] hilfsweise an deren (schlichten) Aufenthalt knüpft.

c) Der Senat weicht dabei von der dem Urteil des [X.]s zugrundeliegenden Begründung ab, weil er anstatt auf den [X.] auf den fehlenden fortbestehenden „Wohnsitz“ abstellt.

Da ein „Wohnsitz“ in [X.] bei einem Reiseantritt der geschleusten Personen - wie festgestellt - aus der Flüchtlingsunterkunft heraus offensichtlich nicht einmal hätte fortbestehen können, kann der Senat ausschließen, dass sich der Angeklagte anders hätte verteidigen können, wäre bereits das [X.] auf diesen Gesichtspunkt eingegangen.

2. Die Einreise der geschleusten Flüchtlinge nach [X.] erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als erlaubt.

a) Art. 21 [X.], wonach ein Aufenthaltstitel und das Reisedokument eines Mitgliedstaats die Bewegungsfreiheit im Schengen-Raum (für einen Kurzaufenthalt) verbürgen, findet im Verhältnis zu [X.] keine Anwendung. Die Vorschrift ist in [X.] der [X.] 2005 nicht genannt, fällt also nach deren Art. 4 Abs. 2 unter den für [X.] zwar bindenden, aber noch unanwendbaren Teil des [X.] (vgl. [X.], [X.], 270, 277). Dass von dort stammende Aufenthaltstitel nicht genügen (vgl. [X.]/Schild in [X.], Ausländerrecht, 2. Aufl., § 6 [X.] Rn. 4; [X.] [X.], 67. [X.]., Aufenthaltsfragen allgemein [X.]5), lässt sich zudem etwa Erwägungsgrund 3 der [X.] ([X.]) Nr. 265/2010 vom 25. März 2010 ([X.] [X.] vom 31. März 2010, [X.]) entnehmen, mit der unter anderem Art. 21 Abs. 2a in das [X.] eingefügt worden ist. Demnach sollten neben sonstigen Aufenthaltstiteln auch [X.] für den längerfristigen Aufenthalt den freien Personenverkehr unter jenen Mitgliedstaaten verbürgen, die - anders als [X.] - den [X.] vollständig anwenden.

b) Die visumfreie Einreise ermöglichte ebenso wenig § 18 [X.], der ebenfalls an die Flüchtlingseigenschaft und den von bestimmten [X.] ausgestellten Reiseausweis anknüpft. Schon die - vormalige - Ermächtigungsgrundlage für § 18 [X.] in der [X.]-[X.]VO (Art. 3, 2. Spiegelstrich aF) knüpfte nicht anders als Art. 1 Abs. 1 [X.] daran an, dass sich die Flüchtlinge in näher bezeichneten Drittstaaten (gewöhnlich) aufhalten ([X.] Fassung: „reside“). Aufgrund des abschließenden Charakters des vorrangigen [X.]-Rechts (vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2012 - 4 StR 142/12, [X.], 481, 482 mwN), wie ihn auch § 15 [X.] betont, ist nicht anzunehmen, dass der [X.] Verordnungsgeber die visumfreie Einreise von [X.] mit Reisedokumenten eines [X.]es ohne dortigen gewöhnlichen Aufenthalt ermöglichen wollte (vgl. auch [X.], Beschluss vom 23. September 2013 - 3 Bs 131/13, NVwZ-RR 2014, 490, 492). In der geforderten Rückkehrberechtigung findet dies seinen Ausdruck. Das [X.] hat darüber hinaus die Anwendbarkeit von § 16 [X.] zutreffend verneint.

c) Auch aus Art. 16a Abs. 1 GG lässt sich für die geschleusten Personen, die in [X.] im [X.] an ihre Einreise Asyl beantragt haben, keine Befugnis ableiten, in die [X.] einzureisen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2015 - 4 StR 178/14, [X.], 184, 185 f.).

3. Schließlich sind den Urteilsgründen jene subjektiven Umstände zu entnehmen, die für eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Einschleusens von Ausländern notwendig sind. Die - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hinreichend bestimmt geregelte - Strafbarkeit des Schleusers nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] setzt unerlaubte Einreisen als vorsätzlich begangene rechtswidrige [X.] voraus; Umstände, die gleichwohl einer Bestrafung der eingereisten Personen entgegenstehen können, sind hingegen unmaßgeblich (vgl. zum Vorrang des Rückführungsverfahrens [X.], Urteile vom 8. März 2017 - 5 [X.], [X.], 1624 f. und vom 4. Mai 2017 - 3 StR 69/17, Rn. 20 f.; vgl. zudem aaO Rn. 19 und [X.], Urteil vom 26. Februar 2015 - 4 StR 178/14, [X.], 184, 186 zu § 95 Abs. 5 [X.]). Das [X.] ist im Einklang hiermit davon ausgegangen, dass nicht nur der Angeklagte, sondern auch die geschleusten Personen vorsätzlich handelten.

Den auf die [X.] der unerlaubt einreisenden Personen und auf die eigenen Tatbeiträge bezogenen, „doppelten“ Vorsatz des Angeklagten hat das [X.] auf Basis einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung festgestellt.

Nach den getroffenen Feststellungen ist offenkundig, dass diese Personen um alle relevanten äußeren Umstände inklusive ihres fehlenden Wohnsitzes in [X.] wussten, aus denen sich die unerlaubte Einreise ergab. Darüber hinaus ist auch ein nach § 16 StGB zu behandelnder (so [X.], Urteil vom 11. April 2011 - 5 Ns 35 Js 28732/08, juris Rn. 38 ff. unter Hinweis auf eine unveröffentlichte Entscheidung des [X.]; BeckOK [X.]/ Hohoff, § 95 [X.] Rn. 25; aA etwa MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 95 [X.] Rn. 44) Irrtum über den rechtlichen Bedeutungsgehalt des Merkmals „erforderlicher Aufenthaltstitel“ (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 [X.]) auszuschließen. Die Urteilsgründe belegen ein Vorstellungsbild der Flüchtlinge, dass ihr an einen dortigen Wohnsitz anknüpfendes [X.] Reisedokument für die Einreise in die [X.] nicht genügte. Damit geht konform, dass zumindest die Mehrzahl von ihnen „entsprechend ihrer bereits bei Reiseantritt bestehenden Absicht“ ([X.] f.) einen Asylantrag in der [X.] stellte.

III.

Die Revision bleibt auch im Strafausspruch erfolglos. Sie führt lediglich zu einer Ergänzung der Entscheidung um die unterbliebene Anrechnungsentscheidung.

1. Entgegen der Auffassung der Revision liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB nicht vor. Mit der Erwägung im Rahmen der Strafzumessung, der Angeklagte habe die Schleusungsfahrten „geschäftsmäßig organisiert“, hat das [X.] ihm im Sinne der nachfolgend genannten Umstände die Organisation einer erheblichen Anzahl an Schleusungen in einem recht kurzen Zeitraum und für eine Vielzahl von Personen als Ausdruck krimineller Energie anlasten wollen. Dies geht über das Merkmal „gewerbsmäßig“ des § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] hinaus. Da gewerbsmäßig nur die Absicht umschreibt, sich eine fortlaufende Einnahmequelle zu sichern, aber nicht notwendig eine geschäftsmäßige Organisation umfasst, liegt keine unzulässige Doppelverwertung vor.

2. Allerdings hat das [X.] entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die in [X.] vollzogene Auslieferungshaft des Angeklagten auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Dies holt der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nach (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Mai 2003 - 5 [X.], juris Rn. 2). Aufgrund der im Einzelfall hinter [X.]n Verhältnissen zurückbleibenden Haftbedingungen in [X.], wie sie Entscheidungen im Auslieferungsverfahren zu entnehmen sind (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 4. April 2017 - 1 AR 328/16, juris Rn. 47), legt der Senat einen Anrechnungsmaßstab von 1:2 fest, um eine Beschwer des Angeklagten auszuschließen.

IV.

Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit sämtlichen Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Raum     

      

[X.]     

      

Fischer

      

Bär     

      

Hohoff     

      

Meta

1 StR 426/17

25.10.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hof, 20. April 2017, Az: 5 KLs 354 Js 1442/16 (2)

§ 96 Abs 1 Nr 1 AufenthG, § 96 Abs 2 S 1 Nr 1 AufenthG, Art 20 SchÜbkDÜbk, Art 1 Abs 2 S 2 Ss 3 EGV 539/2001

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.10.2017, Az. 1 StR 426/17 (REWIS RS 2017, 3327)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3327

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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