Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.11.2010, Az. 5 AZR 766/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 1512

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Gegenstand

Arbeitszeitkonto - Klage auf Zeitgutschrift


Leitsatz

Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden "gutzuschreiben", ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Juli 2009 - 7 [X.]/09 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 2. Oktober 2008 - 1 Ca 3101/08 - zurückgewiesen hat.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Oktober 2008 - 1 Ca 3101/08 - abgeändert und die Klage hinsichtlich des Klageantrags zu 2. insgesamt abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Kläger 13/20 und die Beklagte 7/20 zu tragen. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob dem Arbeitszeitkonto des [X.] 500 Stunden gutzuschreiben sind.

2

Der Kläger ist seit Mai 2000 bei der Beklagten als Monteur beschäftigt. Seit 1. Juli 2005 ist er Mitglied der [X.]. Die Beklagte trat mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 aus dem [X.] aus. Bis zu diesem [X.]punkt wandte sie auf alle Arbeitsverhältnisse unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer die Tarifverträge für die Beschäftigten in der Metallindustrie [X.]/[X.] an.

3

Am 24. Juni 2005 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag, in dem es ua. heißt:

        

„2.     

[X.], [X.], [X.], KÜNDIGUNGSFRISTEN

        

2.1     

Der vorliegende Arbeitsvertrag tritt mit Wirkung zum 01. Januar 2006 in [X.] und läuft auf unbestimmte [X.].

        

…       

        
        

3.    

VERGÜTUNG

        

3.1     

Entsprechend der ausgeübten Funktion setzt sich das monatliche Bruttogehalt auf Basis der in diesem Arbeitsvertrag vereinbarten Wochenarbeitszeit wie folgt zusammen:

                 

…       

        

4.    

[X.], [X.]

        

4.1     

Die individuelle regelmäßige Wochenarbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt 40 Stunden.

        

4.2     

Über das maximal zulässige [X.]guthaben hinausgehende Arbeitsstunden sind mit der Bruttomonatsvergütung abgegolten und verfallen am Monatsende.

        

4.3     

Über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit ist keine Mehrarbeit, sondern führt lediglich zum Auf- bzw. Abbau des [X.]guthabens des Arbeitnehmers. Eine Auszahlung von [X.]guthaben ist ausgeschlossen.

        

…       

        
        

13.     

[X.], [X.] KLAUSEL, GERICHTSSTAND

        

…       

        
        

13.5   

Sämtliche bisherigen Arbeitsverträge oder andere schriftliche Abmachungen verlieren mit der Unterzeichnung dieses Arbeitsvertrages ihres Gültigkeit.

        

13.6   

Die Vertragsparteien stimmen darin überein, dass keinerlei Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

        

…“    

        

4

Ab 1. Januar 2006 arbeitete der Kläger 40 Wochenstunden, während der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metallindustrie in [X.]/[X.] vom 14. Juni 2005 (im Folgenden: [X.]) eine tarifliche wöchentliche Arbeitszeit (ohne Pausen) von 35 Stunden vorsah.

5

Mit Anwaltsschreiben vom 15. April 2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm bis zum 17. April 2008 zu bestätigen, dass er für jede ab dem 1. Januar 2006 über 35 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeitsstunde eine entsprechende Bezahlung erhalte oder jede über 35 Stunden pro Woche geleistete Arbeitsstunde seinem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werde. Mit seiner der Beklagten am 25. April 2008 zugestellten Klage hat der Kläger ua. geltend gemacht, seinem Arbeitszeitkonto seien für die [X.] vom 1. Januar 2006 bis zum 18. April 2008 insgesamt 600 Arbeitsstunden gutzuschreiben.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den [X.]raum 1. Januar 2006 bis 18. April 2008 600 Stunden gutzuschreiben.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich zuletzt noch auf Verfall berufen. Der Kläger habe die sechsmonatige Ausschlussfrist des [X.] nicht eingehalten.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des [X.] für die [X.] vom 1. Januar 2006 bis zum 18. April 2008 500 Arbeitsstunden gutzuschreiben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger hat beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des [X.] in der Spalte „[X.]“ erfolgen solle.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.] ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben.

I. Die Klage ist mit der in der Revisionsinstanz nachgeholten Konkretisierung des Leistungsantrags zulässig.

Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können (vgl. [X.] 23. Januar 2008 - 5 [X.] - Rn. 9, [X.] § 1 Tarifverträge: [X.] Nr. 42 = EzA [X.] § 4 Luftfahrt Nr. 16; 14. August 2002 - 5 [X.] EntgeltFG § 2 Nr. 10 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 4). Gleichermaßen kann der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen. Seit der vor dem Senat erfolgten Konkretisierung des Leistungsbegehrens (Gutschrift in der Spalte „[X.]“) ist der Klageantrag hinreichend bestimmt.

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch, dass die vom 1. Januar 2006 bis zum 18. April 2008 über die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit als Mehrarbeit auf seinem Arbeitszeitkonto in der Spalte „[X.]“ verbucht wird. Dafür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

1. Der Kläger hat in der Revisionsinstanz eine „Betriebsvereinbarung“ vom 7. Dezember 2005 vorgelegt, die nach ihrem Einleitungssatz von der [X.] „mit ihren Mitarbeitern, vertreten durch den Betriebsrat“ geschlossen wurde. Sollte es sich dabei um eine Betriebsvereinbarung iSd. [X.], also eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 77 Abs. 1 BetrVG) handeln, ergibt sich aus ihr kein Anspruch darauf, dass die über 35 Wochenstunden hinausgehende Arbeitszeit auf den Arbeitszeitkonten der Arbeitnehmer als Mehrarbeit verbucht wird. Die Betriebsvereinbarung hält als Dauer der Arbeitszeit eine solche von wöchentlich 40 Stunden fest und regelt deren Lage und Verteilung (Ziff. 2. der Betriebsvereinbarung). Nur die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und der Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden wird in ein Arbeitszeitkonto übertragen (Ziff. 4. der Betriebsvereinbarung).

2. Ebenso wenig ergibt sich der [X.] aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag vom 24. Juni 2005.

a) Nach Ziff. 4.3 des Arbeitsvertrags führt nur die über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus geleistete Arbeit zum Aufbau eines Zeitguthabens. [X.] haben die Parteien eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, Ziff. 4.1 des Arbeitsvertrags. Selbst wenn diese Vereinbarung wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1 und Abs. 3 [X.]) nach § 4 Abs. 3 [X.] unwirksam wäre, lässt sich aus Ziff. 4.3 des Arbeitsvertrags nicht herleiten, dass die Differenz zwischen vertraglicher und tariflicher Wochenarbeitszeit als Mehrarbeit auf dem Arbeitszeitkonto verbucht werden soll.

b) Aus § 611 Abs. 1 BGB kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des [X.] haben, wenn dieses nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt (vgl. [X.] 19. März 2008 - 5 [X.] - Rn. 10 mwN, [X.] § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1). Denn ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit nur in anderer Form seinen Vergütungsanspruch aus ([X.] 28. Juli 2010 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.], 1241; 13. Februar 2002 - 5 [X.] I 2 b bb der Gründe, [X.]E 100, 256). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt damit voraus, dass die [X.] nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines [X.] auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen.

c) Der Kläger hat entsprechend Ziff. 3.1 und 4.1 des Arbeitsvertrags vom 24. Juni 2005 im streitgegenständlichen Zeitraum Vergütung für 40 Arbeitsstunden wöchentlich erhalten. Ausgehend von den erteilten Lohnabrechnungen steht dies zwischen den Parteien außer Streit. Damit sind aber die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto des [X.] in der Spalte „[X.]“ als Mehrarbeit verbucht werden sollen, von der [X.] laufend vergütet worden. Daran ändert die - zugunsten des [X.] unterstellte - Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden nach § 4 Abs. 3 [X.] nichts. Der Kläger hat allenfalls für die wöchentlich „zu viel“ geleisteten Arbeitsstunden eine zu geringe Vergütung erhalten, sofern auch die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung - wozu es allerdings an Sachvortrag des [X.] fehlt - nach § 4 Abs. 3 [X.] unwirksam sein sollte. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeitsstunden begründet aber keinen Anspruch, diese Stunden auf einem Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern nur auf Zahlung der Vergütungsdifferenz.

III. Unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Kostenentscheidung des [X.] nach § 91a ZPO hinsichtlich des in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits haben von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz der Kläger 13/20 und die Beklagte 7/20 zu tragen, § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der Revision hat der Kläger gemäß § 91 ZPO zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    W. Hinrichs    

        

    Heyn    

        

        

Meta

5 AZR 766/09

10.11.2010

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 2. Oktober 2008, Az: 1 Ca 3101/08, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.11.2010, Az. 5 AZR 766/09 (REWIS RS 2010, 1512)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1512

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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