Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.04.2010, Az. VII B 229/09

7. Senat | REWIS RS 2010, 7271

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Gegenstand

Grundsätzliche Bedeutung des Akteneinsichtsrechts des Insolvenzverwalters - Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters ist ein zivilrechtlicher Anspruch


Leitsatz

1. NV: Ein Auskunftsanspruch und damit ein Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters besteht nur dann, wenn ein Anfechtungsrecht nach der InsO dem Grunde nach feststeht. Dies ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, so dass einer diesbezüglichen Frage keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

2. NV: Bei einem vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Auskunftsanspruch handelt es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch, der sich aus einem durch Anfechtung nach der InsO begründeten Rückgewährschuldverhältnis ergibt. Aufgrund des zivilrechtlichen Charakters dieses Anspruchs ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) wurde zum Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Schuldners (S) bestellt. Da dieser gegenüber dem Kläger nur unspezifizierte Angaben über Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten und Beschwerdeführers (das Finanzamt --[X.]--) machte, beantragte der Kläger Einsicht in die Vollstreckungsakten, die das [X.] ablehnte.

2

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht ([X.]) das [X.] verpflichtete, den Antrag unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Das [X.] urteilte, dass das [X.] von dem ihm zustehenden Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe (§ 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] habe es unterlassen, eine regelgerechte Abwägung der Interessen beider Beteiligten vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) bestehe ein Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters in den Fällen, in denen das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters dem Grunde nach feststehe. In Bezug auf Zahlungen, die nach dem Insolvenzantrag an das [X.] geleistet worden seien, bestehe im Streitfall ein solcher Anspruch, den das [X.] unberücksichtigt gelassen habe. Zu Unrecht habe das [X.] das Bestehen des Anspruchs auf Einsicht in die Vollstreckungsakten von einer konkret benannten Pfändung abhängig gemacht. Der Anspruch bestehe ohne derartige Vorbedingungen. Entgegen der Auffassung des [X.] habe der Kläger nicht nur insolvenzrechtliche und damit zivilrechtliche, sondern auch steuerrechtliche Belange geltend gemacht, denn er habe darauf hingewiesen, dass ihn das [X.] zur Abgabe von Steuererklärungen aufgefordert und einen Fristverlängerungsantrag abgelehnt habe. Schließlich habe das [X.] nicht erwogen, dass die Prüfung der Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung durch Einsicht in die Vollstreckungsakten dem in § 1 der Insolvenzordnung ([X.]) festgelegten und im öffentlichen Interesse liegenden Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung diene. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege allerdings nicht vor.

3

Mit seiner Beschwerde begehrt das [X.] die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O). Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Ermittlung von [X.] ein schützenswertes Interesse bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch eines Insolvenzverwalters darstelle. In nahezu jedem Insolvenzverfahren würde der Insolvenzverwalter eine solche Prüfung begehren. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob das [X.] überhaupt dazu verpflichtet sei, Anfechtungen gegen sich im Interesse einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zu erleichtern. Entgegen der Rechtsprechung des [X.] habe das [X.] einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch angenommen, der sich auf alle in der Akte befindlichen Vorgänge erstrecke. Das [X.] stelle weitreichende Anforderungen an die zu treffende Ermessensentscheidung, die nicht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung und der Verwaltungsauffassung stünden.

4

Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

5

II. [X.] ist unzulässig. Die Ausführungen des [X.] genügen nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]O.

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1. [X.]oweit das [X.] die Frage aufwirft, ob die Ermittlung von [X.] ein schützenswertes Interesse bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch darstellt, wird allein mit diesen Ausführungen weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit der Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren belegt.

7

Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Frage bereits dahingehend entschieden worden, dass ein Auskunftsanspruch --und damit ein Akteneinsichtsrecht-- des Insolvenzverwalters dann besteht, wenn ein Anfechtungsrecht dem Grunde nach feststeht. In diesem Fall bildet das der näheren Bestimmung des Rückgewährsanspruchs dienende Auskunftsrecht einen Teil des infolge der Zahlungen entstandenen [X.] ([X.] vom 13. August 2009 IX ZR 58/06, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2009, 1942, m.w.N., und vom 21. Januar 1999 [X.], Neue Juristische Wochenschrift 1999, 1033). In der Urteilsbegründung hat das [X.] ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach dem Insolvenzantrag von der Tochter des [X.] Zahlungen an das [X.] geleistet worden seien, deren Anfechtung das [X.] anerkannt habe. Gegen diese Feststellungen hat das [X.] keine Einwände erhoben. Es hat lediglich ausgeführt, dass das [X.] den eigentlichen Zweck des Verfahrens "nur abrundungsweise um eventuelle steuerliche Aspekte" ergänzt habe. [X.]oweit damit belegt werden soll, dass das [X.] diesen Zahlungen nur eine zu vernachlässigende und nicht streitentscheidende Bedeutung beigemessen habe, trifft dies ausweislich der Urteilsbegründung nicht zu. Bei diesem Befund ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass es auf die Klärung der aufgeworfenen Frage, die das vom [X.] festgestellte Anfechtungsrecht nicht zur Kenntnis nimmt, in dem angestrebten Revisionsverfahren ankommt.

8

2. [X.]oweit das [X.] die Frage aufwirft, ob die Finanzverwaltung wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 des Grundgesetzes (GG) überhaupt verpflichtet sei, Anfechtungen gegen sich erleichtert zu ermöglichen, genügen auch diese Darlegungen aus den vorgenannten Gründen und auch deshalb nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]O, weil sie sich in keiner Weise mit der dazu ergangenen und vom [X.] zitierten [X.]-Rechtsprechung auseinandersetzen. Darüber hinaus befasst sich die Beschwerde nicht einmal ansatzweise mit der Reichweite der in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Bindungswirkung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des [X.]. Die Bezugnahme auf eine einzige [X.]timme in der Literatur vermag die erforderliche nähere Erläuterung und Befassung mit der aufgeworfenen Frage nicht zu ersetzen.

9

3. [X.]oweit die Beschwerde eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der Rechtsprechung des [X.] behauptet, ist eine solche Divergenz ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des [X.] ([X.]) zur [X.]icherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O), so muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen ([X.]-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 [X.], [X.]/NV 2004, 80, und vom 5. Juli 2002 [X.]/00, [X.]/NV 2002, 1479). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Einen dem Urteil des [X.] entnommenen Rechtssatz stellt die Beschwerde einem näher bezeichneten Rechtssatz aus einer Divergenzentscheidung des [X.] oder [X.] nicht gegenüber. Im Übrigen ist dem Urteil der von der Beschwerde im Zusammenhang mit der [X.] aufgestellte Rechtssatz, dass sich ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch auf alle in der Akte befindlichen Vorgänge erstreckt, nicht zu entnehmen.

4. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit zuzulassen. [X.]elbst wenn das [X.] die Eröffnung des [X.] aufgrund des Bestehens eines [X.]teuerrechtsverhältnisses zwischen dem Insolvenzverwalter und dem [X.] zu Unrecht angenommen haben sollte, handelt es sich nicht um eine objektiv willkürliche oder greifbar gesetzwidrige Entscheidung. Die Regelungen in § 17a des Gerichtsverfassungsgesetzes belegen, dass vom Bestand einer von einem sachlich unzuständigen Gericht getroffenen Entscheidung auszugehen ist und eine zwingende Veranlassung zu ihrer Aufhebung nicht besteht.

In diesem Zusammenhang weist der [X.]enat darauf hin, dass zivilrechtliche Auskunftsansprüche nicht Gegenstand einer öffentlich-rechtlichen [X.]treitigkeit über Abgabenangelegenheiten sein können (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O). Nach der Rechtsprechung des [X.] handelt es sich bei einem vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Auskunftsanspruch um einen zivilrechtlichen Anspruch, der sich aus einem durch Anfechtung nach der [X.] begründeten Rückgewährschuldverhältnis ergibt. Aufgrund des zivilrechtlichen Charakters dieses Anspruchs ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet. Dementsprechend wäre eine abgabenrechtliche Verpflichtung des [X.] zur ermessensfehlerfreien Entscheidung in vergleichbaren Fällen nicht gegeben. Die Nichteröffnung des Rechtswegs zu den Finanzgerichten in solchen Fällen bestätigt, dass der [X.]ache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Diesen Aspekt lässt die Beschwerde unberücksichtigt.

Meta

VII B 229/09

26.04.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 12. August 2009, Az: 8 K 1002/09, Urteil

Art 20 Abs 3 GG, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 33 Abs 1 Nr 1 FGO, § 17a GVG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.04.2010, Az. VII B 229/09 (REWIS RS 2010, 7271)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7271

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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