Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.01.2015, Az. V R 5/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 16327

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Gegenstand

(Zum Merkmal "Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer" in § 3 Abs. 8 UStG)


Leitsatz

1. Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer i.S. des § 3 Abs. 8 UStG ist die Person, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Darauf, dass tatsächlich Einfuhrumsatzsteuer angefallen ist, kommt es nicht an.

2. Als Vertreter "für Rechnung" eines anderen i.S. des Art. 5 Abs. 2 ZK handelt nicht, wer in eigener Person alle etwaig anfallenden Steuern und sonstige Kosten trägt und sein Handeln sich für den anderen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt wirtschaftlich auswirkt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 14. Januar 2014  15 K 2663/10 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die [X.]ieferung von Waren (Bücher, [X.]D's) mit einem Warenwert von bis zu 22 € aus einem in der [X.] gelegenen Auslieferungslager an im Inland ansässige Kunden nach § 3 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes 2005 in der im Streitjahr (2007) geltenden Fassung (UStG) im Inland steuerbar ist.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr umsatzsteuerrechtliche Organträgerin u.a. der in [X.] (Inland) geschäftsansässigen X-Gmb[X.] und der Y-Gmb[X.]. Zum Konzern der Klägerin gehörte auch die in der [X.] geschäftsansässige [X.], eine Enkelgesellschaft der Klägerin.

3

Die Y-Gmb[X.], die Betriebsabteilung "[X.]", führte das Buchgeschäft in eigenem Namen, aber für Rechnung, im Interesse und auf Risiko der X-Gmb[X.]. Die Y-Gmb[X.] schloss die Verträge mit den Kunden von "[X.]" ab und belieferte im Streitjahr die Kunden im Versandhandel mit Schallplatten, [X.]D's, Videokassetten, Büchern und Ähnlichem. Wie in den Vorjahren versandte "[X.]" auch im Jahr 2007 Kataloge an die Kunden, aus denen diese vierteljährlich mindestens einen Artikel per Bestellkarte bestellen mussten. [X.] die Bestellung, versandte "[X.]" an die Kunden für das Vierteljahr einen sog. [X.]auptvorschlag. Auf der Beitrittserklärung von "[X.]" in der Fassung 2007 hieß es dazu u.a.: "Ich kaufe in einer Filiale oder per [X.]ostbestellung mit Versandkostenanteil; es gelten die [X.]ieferbedingungen bei Versandbestellungen (siehe vorletzte Katalogseite). Erfüllungsort [X.]." In den auf der vorletzten Seite der verwendeten Kataloge abgedruckten [X.] ([X.]) heißt es: "Sie bevollmächtigen uns, alle für die Einfuhr aus der [X.] notwendigen Erklärungen abzugeben. [X.]ierfür fallen derzeit keine Steuern an. Bei Änderungen werden wir anfallende Steuern und sonstige Kosten natürlich für Sie übernehmen." In Fettdruck hieß es abschließend: "Weitere Vereinbarungen gibt es nicht." Die Kunden mussten die Entgelte für die von ihnen bei "[X.]" gekauften Waren auf ein inländisches Konto einer [X.] Bank bezahlen.

4

Nachdem bis April 1998 die Belieferung der Kunden vom inländischen Zentrallager [X.] aus erfolgte, erfolgte danach die Versendung von Großartikeln des Sortiments (z.B. Serien-[X.]D's, [X.]auptvorschlags-[X.]D's) für ganz [X.] ([X.], [X.], [X.]) aus [X.] in der [X.].

5

Die [X.], für die die [X.] Gmb[X.] & [X.]o. O[X.]G bzw. die [X.] Vertriebs Gmb[X.] und [X.]o. KG ([X.]) tätig wurden, holte die Ware aus [X.] ab und erledigte die Zollformalitäten. Dies geschah, indem die [X.] an der Grenze dem [X.] Zoll (Zollamt) einen von der Y-Gmb[X.] nicht auf amtlichem Vordruck gefertigten "Antrag auf Freischreibung der Sendungen" mit folgendem Text vorlegte: "[X.]iermit beantragen wir (Y-Gmb[X.]) die Freischreibung der Sendungen nach Art. 27 der [X.] Nr. 918 aus dem Jahr 1983." Dieses Verfahren entsprach einem zwischen der Deutschen [X.]ost AG und dem [X.] Zollamt abgestimmten Verfahren. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Deutschen [X.]ost AG aus dem [X.] und die hierauf erfolgte Bestätigung des [X.] Zolls per Stempelvermerk Bezug genommen.

6

Nachfolgend differenzierte das Dokument tabellarisch zwischen Büchern und [X.]D's sowie der Anzahl und der Art der Titel und der Gesamtzahl der Sendungen. Die Erklärung endete mit dem Vermerk: "Die Sendungen gehen an diverse Empfänger in [X.]. Die Einfuhr erfolgt im Namen der Empfänger. Der Wert pro Sendung liegt unter 43 DM/22 EUR."

7

Danach verbrachte die [X.] die Waren in ihr Zentrallager in [X.] (Inland). Von dort aus belieferte sie die im Inland ansässigen Kunden von "[X.]". Die [X.]ieferungen ab [X.] umfassten ausschließlich [X.]rodukte, deren Warenwert je Einzelsendung 22 € nicht überstieg. In 2007 versandte die [X.] ab dem [X.] R unter Verwendung einer Spezialverpackungsmaschine von ihrem [X.] Auslieferungslager im Auftrag der Y-Gmb[X.] Ein-Titel-Sendungen mit einem jeweiligen Warenwert von bis zu 22 € an im Inland ansässige Kunden von "[X.]". [X.] und solche, die einen Warenwert von 22 € überstiegen, wurden direkt aus dem in [X.] unterhaltenen Zentrallager an die Kunden ausgeliefert.

8

Die Klägerin reichte am 27. Februar 2009 eine gemäß § 168 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) nicht zustimmungsbedürftige Umsatzsteuer-Erklärung für 2007 ein, in der sie die Warenlieferungen mit einem Warenwert von bis zu 22 € ab dem [X.] Auslieferungslager an im Inland ansässige Kunden als steuerpflichtige Umsätze behandelte. Am 20. März 2009 legte sie gegen die Steuerfestsetzung Einspruch ein. Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) am 8. Oktober 2013 einen Änderungsbescheid, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Gegenstand des Klageverfahrens wurde und mit dem die streitige Belieferung der Kunden als im Inland steuerbar und steuerpflichtig behandelt wurde.

9

Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2014, 688 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht ([X.]) aus, das [X.] habe zu Recht die streitigen [X.]ieferungen aus der [X.] als gemäß § 3 Abs. 8 UStG im Inland erbracht angesehen. Steuerschuldner der durch diese [X.]ieferungen ausgelösten Umsatzsteuer seien nicht die im Inland ansässigen Kunden, weil sie nicht als Zollanmelder anzusehen seien. Die von der Y-Gmb[X.] in ihren [X.] verwendete Klausel zur Überwälzung der Steuerschuldnerschaft für die [X.] auf die [X.]ieferungsempfänger sei nicht Vertragsbestandteil geworden, weil es sich um eine überraschende Klausel [X.] von § 305c des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gehandelt habe. Die Steuerschuldnerschaft der Kunden sei auch nicht aufgrund einer Zollanmeldung durch die [X.] im Namen der Kunden begründet worden. Zudem stelle die der Klägerin zuzurechnende Gestaltung der Vertragsbeziehung zwischen der Y-Gmb[X.] und deren Kunden einen Rechtsmissbrauch [X.] des § 42 [X.] dar, so dass auch insoweit die durch die [X.]ieferungen an die Kunden ausgelöste Umsatzsteuer der Klägerin zuzurechnen sei.

[X.]iergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und rügt Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt sie vor, die streitigen [X.]ieferungen seien nicht steuerbar, weil sie nicht im Inland ausgeführt worden seien; sie gälten gemäß § 3 Abs. 6 UStG als in der [X.] ausgeführt. Die Voraussetzungen einer Verlagerung der Ausführung der [X.]ieferung in das Inland nach § 3 Abs. 8 UStG seien nicht erfüllt, weil sie, die Klägerin, nicht Schuldner der [X.] sei. Dieser sei nach Zollrecht zu bestimmen. Zollschuldner und damit Schuldner der [X.] sei der Anmelder gemäß Art. 201 Abs. 3, Art. 4 Nr. 18 der Verordnung ([X.]) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des [X.] ([X.]). Dies sei der jeweilige Empfänger der [X.]ieferung im Inland.

Die Voraussetzungen von Art. 238  2. Spiegelstrich der Durchführungsvorschriften zu der Verordnung ([X.]) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des [X.] --[X.]DVO-- ([X.] Nr. [X.] 302), bei deren Vorliegen die Anwendung von Art. 237 [X.]DVO ausgeschlossen sei, lägen nicht vor. Im Gegensatz zur Auffassung des [X.] verfolge Art. 238  2. Spiegelstrich [X.]DVO nicht den Zweck, den Empfänger einer Masseneinfuhr davor zu schützen, Schuldner der [X.] zu werden. Außerdem handele es sich bei den streitigen [X.]ieferungen nicht um künstlich kleingearbeitete Massensendungen [X.] von Art. 225 Buchst. b [X.]DVO.

Auch die Merkmale des Art. 238  3. Spiegelstrich [X.]DVO seien nicht erfüllt. Eine Zollanmeldung liege schon deshalb nicht vor, weil der von der [X.] beim [X.]assieren der Grenzzollstelle abgegebene "Antrag auf Freischreibung der Sendungen" weder unterzeichnet noch auf einem amtlichen Muster abgegeben worden sei und die nach Art. 62 Abs. 1 Satz 2  2. Alternative [X.] i.V.m. Anhang 37 zur [X.]DVO erforderlichen Angaben nicht enthalte.

[X.]ilfsweise sei davon auszugehen, dass die [X.]ost AG/[X.] bei [X.]assieren der Zollstelle bzw. Überschreiten der Grenze des [X.] der [X.] gemäß Art. 233 Abs. 1 Buchst. a oder b [X.]DVO konkludent eine Zollanmeldung im Namen und mit Vertretungsmacht für die [X.] Endkunden abgegeben habe.

Die Vertretungsmacht der [X.] ergebe sich aus § 5 Abs. 2 des Zollverwaltungsgesetzes ([X.]) vom 21. Dezember 1992 ([X.], 2125). Wenn die [X.] ohne Vertretungsmacht gehandelt haben sollte, müsste sie gemäß Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 [X.] als im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelnd angesehen werden mit der Folge, dass die [X.] zollrechtlicher Anmelder sei.

Alternativ sei davon auszugehen, dass die Y-Gmb[X.] die Zollanmeldungen in direkter Vertretung der [X.] Endkunden abgegeben habe. Ausweislich des [X.]inweises in dem "Antrag auf Freischreibung der Sendungen" sei die Anmeldung im Namen der Empfänger erfolgt. Die Vertretungsmacht ergebe sich aus den [X.] der Y-Gmb[X.]. Das [X.] sei zu Unrecht von einer überraschenden und deshalb gemäß § 305c BGB unwirksamen Klausel ausgegangen. [X.]ierauf komme es im Ergebnis aber auch gar nicht an, weil die nationale Regelung des § 305c BGB im Rahmen der unionsrechtlich autonom auszulegenden Vorschrift des Art. 5 [X.] keine Bedeutung habe.

Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten [X.] des § 42 [X.] komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Regelung im Umsatzsteuerrecht keine Anwendung finde. Ein Verstoß gegen das unionsrechtliche Missbrauchsverbot liege nicht vor. Im Übrigen sei der Steuervorteil gar nicht wesentlicher Zweck der Gestaltung gewesen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Umsatzsteuer 2007 unter Änderung des [X.] vom 8. Oktober 2013 auf ... € herabzusetzen.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen in den Gründen des [X.]-Urteils an.

Mit Urteil vom 21. März 2007 V R 32/05 (BF[X.]E 217, 66, [X.], 153) hat der Senat über eine Revision im Verfahren wegen Umsatzsteuer 1998 über einen ähnlich gelagerten Sachverhalt entschieden. [X.] war zu diesem Zeitpunkt Angestellter der damaligen [X.]rozessbevollmächtigten und ist im Verfahren V R 32/05 für diese aufgetreten.

Entscheidungsgründe

II. A. Der [X.] entscheidet in der geschäftsplanmäßigen Besetzung anstelle des nach § 51 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 41 Nr. 4 der Zivilprozessordnung (Z[X.]O) ausgeschlossenen [X.] mit dem nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] ([X.]) für dessen Vertretung zuständigen Ri[X.] B.

Nach § 51 Abs. 1 [X.]O gelten für die Ausschließung oder Ablehnung der [X.] die §§ 41 bis 49 Z[X.]O sinngemäß.

Nach § 41 Nr. 4 Z[X.]O ist [X.] von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er als [X.]rozessbevollmächtigter oder Beistand einer [X.]artei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer [X.]artei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf [X.] vor. An dessen Stelle tritt nach dem Geschäftsverteilungsplan für 2014 Teil A, [X.] der zu dessen Vertretung berufene Ri[X.] B.

B. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Y-GmbH aus der [X.] an ihre [X.] Kunden gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG der Klägerin zuzurechnen sind und im Inland der Umsatzsteuer unterliegen. Die streitigen Umsätze sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar, weil der Ort der Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG im Inland liegt.

1. Wird --wie hier-- der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten [X.] befördert oder versendet, gilt die Lieferung gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen [X.] beginnt. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG). Ob hier die [X.] oder die Y-GmbH die [X.] mit der Beförderung der Gegenstände an die Kunden beauftragte, kann offenbleiben, da beide Gesellschaften Organgesellschaften der Klägerin sind. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten (§ 3 Abs. 6 Satz 4 UStG). Vorliegend begann die Versendung mit der Abholung der Gegenstände durch die [X.] vom Logistikzentrum im [X.] Q.

2. Abweichend von § 3 Abs. 6 UStG bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG, wenn der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung aus einem Drittlandsgebiet in das Inland gelangt und der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der [X.] ist. In diesem Fall gilt der Ort der Lieferung als im Inland gelegen.

Die Regelung setzt Art. 32 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) um. Danach gilt der Ort der Lieferung, die durch den Importeur bewirkt wird, der gemäß Art. 201 MwStSystRL als Steuerschuldner bestimmt oder anerkannt wurde, als in dem Mitgliedstaat gelegen, in den die Gegenstände eingeführt werden, wenn der Ort, von dem aus die Gegenstände versandt oder befördert werden, in einem Drittgebiet oder in einem Drittland liegen.

a) Dass [X.] tatsächlich anfällt, ist nicht entscheidend. Schuldner der [X.] i.S. des § 3 Abs. 8 UStG ist auch derjenige, dessen Umsätze zwar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbar, aber gemäß § 5 UStG steuerfrei sind ([X.]-Urteil in [X.]E 217, 66, [X.], 153). Der Annahme einer Lieferung im Inland steht daher nicht entgegen, dass die Lieferungen der Klägerin gemäß § 1a der [X.]-Befreiungsverordnung vom 11. August 1992 ([X.], 1526) nicht der [X.] unterliegen, weil es sich um Sendungen von Waren mit geringem Wert i.S. des Art. 27 der Verordnung ([X.]) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 --VO ([X.]) Nr. 918/83-- ([X.] Nr. L 105/1) handelt, deren Gesamtwert je Sendung 22 € nicht übersteigt.

b) Die Klägerin lieferte die Waren aus der [X.], einem Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG). Sie gelangten bei der Versendung in das Inland (§ 1 Abs. 2 Satz 1 UStG).

c) Die Klägerin war auch "Schuldner der [X.]". Der Schuldner der [X.] bestimmt sich gemäß § 13a Abs. 2 UStG i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG nach den Vorschriften über die Zölle.

Gemäß Art. 201 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist Zollschuldner der Anmelder der Waren. Dieser ist folglich auch Schuldner der [X.]. Anmelder ist gemäß Art. 4 Nr. 18 [X.] die [X.]erson, die in eigenem Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder die [X.]erson, in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird. Der Anmelder kann sich gemäß § 5 [X.] vertreten lassen.

Die Y-GmbH war Anmelder, weil sie durch den "Antrag auf Freischreibung" Zollanmeldungen zwar im Namen der Empfänger, aber mit Wirkung für sich selbst abgegeben hat.

aa) Ob der "Antrag auf Freischreibung" nach Art. 27 VO ([X.]) Nr. 918/83 die Anforderungen an eine Zollanmeldung i.S. des Art. 61 [X.] in vollem Umfang erfüllt, d.h. ob er auf einem dem amtlichen Muster entsprechenden Vordruck i.S. des Art. 62 Abs. 1 [X.] abgegeben und unterschrieben wurde, braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Denn das Zollrecht kennt die Fiktion der Zollanmeldung, wenn Waren die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232, 237 [X.] erfüllen, z.B. im [X.]ostverkehr beförderte Waren, und zulässigerweise eine andere Form der Willensäußerung an die Stelle einer schriftlichen oder mündlichen Anmeldung getreten ist ([X.] in [X.], Zollkodex, 6. Aufl., [X.] 2013, Art. 63 Rz 3). Hiervon ist bei dem zwischen der Deutschen [X.]ost AG und der Klägerin abgestimmten Verfahren auszugehen.

bb) Die Klägerin hat die Empfänger zollrechtlich nicht wirksam bei der Anmeldung vertreten, so dass der [X.] nicht darüber zu entscheiden brauchte, ob der Beurteilung der [X.] durch das [X.] als überraschende Klausel i.S. des § 305c BGB zu folgen ist.

Es fehlt an dem für die allein in Betracht kommende direkte Vertretung zollrechtlich erforderlichen Handelns "für Rechnung eines anderen" (Art. 5 Abs. 2  1. Spiegelstrich [X.]).

(1) Nimmt ein Steuergesetz, wie vorliegend § 3 Abs. 8, § 13a Abs. 2, § 21 Abs. 2 UStG durch den Verweis auf den Begriff der Vertretung in Art. 5 [X.], auf einen Begriff Bezug, der einem anderen Rechtsgebiet entnommen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob das Steuerrecht insoweit den Wertungen des jeweiligen [X.], wie hier des Zivilrechts, folgt oder mit Hilfe der entlehnten Begriffe eigenständige steuerrechtliche Tatbestände bildet. Steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale sind danach, auch wenn sie einem anderen Rechtsgebiet entnommen sind, nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung zu interpretieren. Es besteht weder eine Vermutung für ein übereinstimmendes noch für ein abweichendes Verständnis (Beschluss des [X.] vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, [X.] 1992, 212).

(2) Davon ausgehend hat der [X.] auch an der unionsrechtlichen Auslegung des Begriffes der Vertretung unabhängig von den verschiedenen Sprachfassungen des Art. 5 [X.] keine Zweifel. Eine Vorlage an den [X.] kommt daher vorliegend nicht in Betracht. Es kommt nicht darauf an, ob der Begriff der Vertretung in Art. 5 [X.] mit der [X.] Fassung ein Handeln "für Rechnung eines anderen" oder mit der [X.] Fassung ein "act ... on behalf of another person", was eher einem Handeln "im Interesse eines anderen" entspricht, voraussetzt. Denn beides ist vorliegend nicht erfüllt.

(a) Die Klägerin hat nicht für Rechnung der Empfänger gehandelt, weil die zollrechtliche Abwicklung unabhängig von der Befreiung der Einfuhr durch § 1a der [X.]-Befreiungsverordnung aufgrund der Übernahme aller etwaig anfallenden Steuern und sonstiger Kosten durch die Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für die Empfänger wirtschaftliche Auswirkungen haben konnte.

(b) Es sind auch keine sonstigen Interessen der Empfänger erkennbar, die durch das Handeln der Klägerin berührt sein könnten. Die gesamte Gestaltung hat allein den Interessen der Klägerin gedient, mögen diese steuerrechtlicher oder im Hinblick auf den Aufbau eines zentralen Auslieferungslagers für [X.] wirtschaftlicher Natur gewesen sein.

d) Der [X.] stehen die Regelungen in Art. 237 [X.] nicht entgegen. Grundsätzlich erhält der [X.]ostverkehr im Recht der Zollanmeldung eine privilegierte Sonderstellung ([X.] in [X.], a.a.O., Art. 61 Rz 41). Nach Art. 237 [X.] würden die Empfänger zollrechtlich als Anmelder gelten, weil es sich bei dem Warentransport durch die [X.] um [X.]ostsendungen handelte, die gemäß Art. 38 Abs. 4 [X.] i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b aa der [X.] in der Fassung vom 22. Dezember 2003 --ZollV-- ([X.], 2449) von der Verpflichtung des [X.] freigestellt waren. Im [X.]ostverkehr gelten gemäß Art. 237 Abs. 1 Buchst. A.a 4. Spiegelstrich [X.] derartige [X.]ostsendungen als angemeldet. Als Anmelder und Zollschuldner gilt in diesen Fällen gemäß Art. 237 Abs. 2 Satz 1  1. Halbsatz [X.] der Empfänger.

Die Anwendung von Art. 237 [X.] ist vorliegend aber durch Art. 238  3. Spiegelstrich [X.] ausgeschlossen, denn gemäß Art. 238 [X.] gilt Art. 237 [X.] nicht, wenn eine Zollanmeldung schriftlich, mündlich oder unter Einsatz der Datenverarbeitung abgegeben wird. Das ist aus den unter [X.] genannten Gründen vorliegend der Fall.

e) Die [X.] ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die [X.] Zollanmeldungen in Vertretung der Empfänger für diese abgegeben hat, mit der Folge, dass diese als Anmelder gälten.

Zwar ist die Deutsche [X.]ost AG gemäß § 5 Abs. 2 [X.] befugt, für von ihr beförderte Waren, die nach Maßgabe des [X.] sind, Zollanmeldungen in Vertretung des Empfängers abzugeben. Das gilt auch für die [X.], eine Tochtergesellschaft der Deutschen [X.]ost AG. Nach den Feststellungen des [X.] hat die [X.] aber weder eine schriftliche Zollanmeldung i.S. des Art. 61 und 62 [X.] mittels Einheitspapiers noch eine Anmeldung mit Mitteln der Datenverarbeitung abgegeben. Nach den den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hat die Y-GmbH den "Antrag auf Freischreibung" gestellt. Die Klägerin geht selbst davon aus, dass die [X.] insoweit nur als Bote aufgetreten ist. Aus diesem Grund kommt auch keine vollmachtlose Vertretung seitens der [X.] in Betracht.

f) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die [X.] durch das bloße Verbringen der Waren über die Grenze auch nicht konkludent Zollanmeldungen im Namen der Empfänger abgegeben. Zwar kommt gemäß Art. 233 [X.] auch eine konkludente Zollanmeldung in Betracht. Das gilt aber nicht, wenn --wie hier-- eine ausdrückliche Anmeldung vorliegt.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 5/14

29.01.2015

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 14. Januar 2014, Az: 15 K 2663/10 U, Urteil

§ 1 Abs 1 UStG 2005, § 1 Abs 2a UStG 2005, § 3 Abs 6 UStG 2005, § 3 Abs 8 UStG 2005, § 13a Abs 2 UStG 2005, § 21 Abs 2 UStG 2005, Art 32 EGRL 112/2006, Art 201 EGRL 112/2006, Art 27 EWGV 918/83, § 42 AO, § 305c BGB, Art 4 Nr 18 ZK, Art 5 Abs 2 ZK, Art 5 Abs 4 ZK, Art 38 Abs 4 ZK, Art 61 ZK, Art 62 ZK, Art 201 ZK, Art 233 ZKDV, Art 237 ZKDV, Art 238 ZKDV, § 5 Abs 2 ZollVG, § 5 Abs 1 ZollV, § 51 Abs 1 FGO, § 41 Nr 4 ZPO, Art 4 Nr 18 EWGV 2913/92, Art 5 Abs 2 EWGV 2913/92, Art 5 Abs 4 EWGV 2913/92, Art 38 Abs 4 EWGV 2913/92, Art 61 EWGV 2913/92, Art 62 EWGV 2913/92, Art 201 EWGV 2913/92, Art 233 EWGV 2454/93, Art 237 EWGV 2454/93, Art 238 EWGV 2454/93, UStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.01.2015, Az. V R 5/14 (REWIS RS 2015, 16327)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16327

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