Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.11.2010, Az. VI R 28/10

6. Senat | REWIS RS 2010, 1046

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Gegenstand

Kürzung des Höchstbetrages für Unterhaltsaufwendungen aufgrund der Ländergruppeneinteilung


Leitsatz

1. Die Ermittlung der Angemessenheit und Notwendigkeit von Unterhaltsleistungen an Unterhaltsempfänger im Ausland anhand des Pro-Kopf-Einkommens ist nicht zu beanstanden, weil die Lebensverhältnisse eines Staates dadurch realitätsgerecht abgebildet werden   .

2. Ein steuerlich unzutreffendes Ergebnis bei der Anwendung der Ländergruppeneinteilung ist nicht zu beklagen, wenn die tatsächlichen Lebenshaltungskosten des Unterhaltsempfängers das Pro-Kopf-Einkommen seines Wohnsitzstaates übersteigen. Denn § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG verlangt die Berücksichtigung der durchschnittlichen Lebensverhältnisse eines Staates insgesamt   .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Kürzung des [X.] im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen anhand einer vom [X.] ([X.]) vorgenommenen Schätzung (sog. Ländergruppeneinteilung) rechtmäßig war.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger betrieb des Weiteren einen Gewerbebetrieb.

3

In der Steuererklärung für 2006 machten die Kläger [X.] für die [X.]utter der Klägerin ([X.]) als außergewöhnliche Belastung geltend. [X.] hatte ihren Wohnsitz in der [X.], in [X.]. Sie bezog im Streitjahr eine Rente in Höhe von 976,59 € und verfügte über kein nennenswertes Vermögen.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) kürzte den [X.] des § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgrund des Schreibens des [X.] vom 17. November 2003 [X.] -S2285- 54/03 ([X.], 637) auf ein Viertel des gesetzlichen Betrages. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb im Wesentlichen erfolglos.

5

Das Finanzgericht ([X.]) wies die erhobene Klage ab. Es führte aus, dass die vom [X.] vorgenommene Kürzung anhand der Ländergruppeneinteilung durch das [X.] rechtmäßig erfolgt sei. Diese Einteilung biete einen von den [X.] grundsätzlich zu beachtenden [X.]aßstab. Die Schätzungsmethode des [X.] sei verfassungsrechtlich unbedenklich, auch wenn der Vergleich des Existenzminimums der Länder gerechter wäre. Die Anwendung der Ländergruppeneinteilung führe auch im Streitfall nicht zu einer unzutreffenden Besteuerung. Da der Gesetzgeber typisierend auf die Verhältnisse eines ganzen Staates abstelle, sei es konsequent vom [X.], nicht die konkreten Lebensverhältnisse einer Person oder bestimmten Gruppe zu berücksichtigen, sondern die Verhältnisse der Gesamtbevölkerung zu Grunde zu legen. Ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis sei nur möglich, wenn die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten zur Sicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums von dem Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zu den [X.] Verhältnissen extrem nach oben abweichen. Ein solcher Fall liege aber nicht vor.

6

[X.]it der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

7

Sie beantragen,

das am 16. [X.]ärz 2010 verkündete Urteil des Niedersächsischen [X.] 15 K 14346/09 und die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 5. Oktober 2009 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 21. September 2009 i.d.[X.] vom 5. Oktober 2009 zu ändern und die festgesetzte Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen nach § 33a Abs. 1 EStG in Höhe von 1.521 € herabzusetzen.

8

Das [X.] beantragt,

die Revision der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung zurückzuweisen. Zu Recht hat das [X.] Unterhaltszahlungen an die [X.] nur in Höhe von 1.791 € zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zugelassen.

Aufwendungen für den Unterhalt einer unterhaltsberechtigten Person können nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen bis zu einem Höchstbetrag von 7.680 € steuermindernd berücksichtigt werden. Ist die unterhaltene Person nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, kann ein Abzug der Aufwendungen nur erfolgen, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates --hier die [X.] notwendig und angemessen sind (§ 33a Abs. 1 Satz 5 EStG). Für die Ermittlung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Unterhaltsleistungen an [X.] hat sich das [X.] in nicht zu beanstandender Weise die vom B[X.]F im Schreiben in [X.], 637 für die Bemessung des Höchstbetrages für Unterhaltszahlungen ins Ausland erlassene sog. [X.] zu eigen gemacht und auf den Streitfall angewendet.

a) Zu Recht hat das [X.] die Einordnung der [X.] in die Ländergruppe 4 der [X.] als zutreffend beurteilt. Die Einordnung eines Staates erfolgt über den Vergleich des [X.] des jeweiligen Staates mit dem inländischen Pro-Kopf-Einkommen. Die Höhe der prozentualen Abweichung entscheidet über die konkrete Gruppe und damit über die Abschlagshöhe vom Unterhaltshöchstbetrag des § 33a Abs. 1 EStG. Hiergegen bestehen keine Bedenken, da das Pro-Kopf-Einkommen die tatsächlichen Lebensverhältnisse realitätsgerecht abbildet. Durch den direkten Bezug zum Bruttoinlandsprodukt fließen vielfältige Faktoren in die Einordnung in eine Ländergruppe ein. Der Vergleich der nationalen Lebensverhältnisse anhand des [X.] begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Selbst der durchschnittliche Stundenlohn von Industriearbeitern als Vergleichsmaßstab ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn vergleichbare Zahlen für sämtliche [X.] vorliegen (Beschluss des [X.] vom 31. [X.]ai 1988  1 BvR 520/83, [X.] 78, 214). Die erforderliche Vergleichbarkeit der Daten ist beim Pro-Kopf-Einkommen --anders als beim wie auch immer zu bemessenden nationalstaatlichen [X.] gewährleistet. Denn die [X.] ermittelt einheitlich das Pro-Kopf-Einkommen sämtlicher [X.]. Verbleibenden Ungenauigkeiten bei der Ermittlung der tatsächlichen Lebensverhältnisse hat das B[X.]F insoweit Rechnung getragen, als die [X.]inderung des [X.] aufgrund der ermittelten Ländergruppe immer geringer ist, als die tatsächliche prozentuale Abweichung vom [X.] Pro-Kopf-Einkommen. Damit bildet sich letztlich auch im Streitfall in der [X.] zutreffend die Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen nach den Verhältnissen des [X.]S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG realitätsgerecht ab (vgl. Urteile des [X.] --BFH-- vom 5. [X.]ai 2010 VI R 5/09, [X.], 9; vom 2. Dezember 2004 [X.]/03, [X.], 531, [X.] 2005, 483).

b) Dem steht der Vortrag der Kläger, dass es vorliegend Vergleichsgrößen gebe, die besser geeignet seien, um die Angemessenheit und Notwendigkeit von Unterhaltsleistungen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG zu ermitteln, nicht entgegen. Die von den Klägern vorgeschlagenen Vergleichsgrößen, zum einen der vom [X.] ermittelte [X.] (EDA-Wert) und zum anderen das Ergebnis eines von der [X.] durchgeführten Kaufkraftvergleiches ([X.]), werden den Anforderungen des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG nicht gerecht. Beide Werte bilden zwar Lebenshaltungskosten eines [X.] ab, jedoch werden sie nur in bestimmten Bevölkerungsgruppen, nicht jedoch bei der Gesamtbevölkerung, erhoben. Dem EDA-Wert liegen Daten von Bürgern der Hauptstadt eines [X.] zu Grunde, die einen repräsentativen Lebensstil mit vielen Reisen und einem hohen Anteil von [X.]arkenprodukten pflegen. Dagegen erfasst der [X.] die Kosten von Familien mit einem urbanen Lebensstil und einem westeuropäischen Konsumverhalten. § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG stellt aber nach seinem eindeutigen Wortlaut auf die Verhältnisse des gesamten Staates in Form einer Durchschnittsbetrachtung ab. Damit ist eine typisierende Betrachtung ohne Prüfung des konkreten Einzelfalls zur Festlegung einheitlicher Höchstbeträge verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG-Beschluss in [X.] 78, 214).

c) Zu Recht hat das [X.] entschieden, dass vorliegend kein Fall vorliegt, bei dem die Anwendung der [X.] zu einem offensichtlich falschen Ergebnis führt. Entgegen der Auffassung der Kläger können erhebliche Unterschiede zwischen den Lebenshaltungskosten in einer Großstadt und denen in ländlichen Regionen eines Staates kein unzutreffendes Ergebnis im Einzelfall begründen. Denn auf die konkreten Lebenshaltungskosten am Wohnort kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 [X.], [X.], 468, [X.] 2007, 106). [X.]it § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG sind derartige Abweichungen bei den Lebensverhältnissen verschiedener Regionen eines Staates --mögen sie im Einzelfall auch gravierend sein-- angelegt.

d) Auch der Sinn und Zweck des § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG fordert --unabhängig von der Zulässigkeit einer Auslegung gegen den Wortlaut einer [X.] kein anderes Ergebnis. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, den Grundbedarf in den einzelnen [X.] basierend auf den tatsächlichen Lebensbedingungen zu ermitteln und mit dem Grundbedarf eines inländischen Unterhaltsempfängers (§ 33a Abs. 1 EStG) zu vergleichen ([X.], in: [X.][X.]ellinghoff, EStG, § 33a [X.]). Der inländische Grundbedarf ist jedoch typisiert und der Nachweis eines tatsächlich höheren [X.] ausgeschlossen. Deshalb ist es in Bezug auf die Vergleichbarkeit folgerichtig, den Grundbedarf der anderen [X.] ebenfalls typisierend für ein ganzes Land und eben nicht, wie die Kläger meinen, den Grundbedarf eines jeden Einzelnen zu ermitteln.

Meta

VI R 28/10

25.11.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. März 2010, Az: 15 K 14346/09, Urteil

§ 33a Abs 1 S 1 EStG 2002, § 33a Abs 1 S 5 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.11.2010, Az. VI R 28/10 (REWIS RS 2010, 1046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1046

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