Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2018, Az. I ZR 71/17

1. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 3606

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß durch Nachahmung: Voraussetzungen für eine Herkunftstäuschung aufgrund der Annahme lizenzvertraglicher Beziehungen; gezielte Behinderung eines Mitbewerbers - Industrienähmaschinen


Leitsatz

Industrienähmaschinen

1. Für eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne aufgrund der Annahme lizenzvertraglicher Beziehungen sind über eine fast identische Nachahmung hinausgehende Hinweise auf mögliche lizenzrechtliche Verbindungen erforderlich.

2. Eine Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG kommt beim systematischen Nachbau einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse einer Mitbewerberin in Betracht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 3. November 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die [X.]lägerin ist ein weltweit tätiges Unternehmen, das auch [X.] herstellt. Die Beklagte ist ein in [X.]  ansässiges Unternehmen, das ebenfalls [X.] herstellt und seine Produkte im Juni 2013 auf der internationalen Messe "Texprocess 2013" in [X.] ausstellte. In dem am Messestand der Beklagten ausliegenden [X.]atalog wurden fünf Modelle dargestellt, die im Hinblick auf Aussehen, technische Leistungsdaten und - bei zwei Modellen - Bedienungsanleitung mit Modellen der [X.]lägerin fast identisch waren. Sowohl der Messestand als auch die in den [X.] abgebildeten Nähmaschinen waren jeweils klar erkennbar mit dem Zeichen "S.   " versehen.

2

Die [X.]lägerin wendet sich gegen die Nachahmung ihrer Modelle und hat neben Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung beantragt,

der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland

a. [X.] wie in Anlage [X.] abgebildet und/oder

b. [X.] wie in Anlage [X.] und [X.]a abgebildet und/oder

c. [X.] wie in Anlage [X.] 19 abgebildet und/oder

d. [X.] wie in Anlage [X.] 21 und [X.] 21a abgebildet und/oder

e. [X.] wie in Anlage [X.] 24 abgebildet

jeweils unabhängig von Vorhandensein, Farbe und Beschriftung der in Anlagen [X.], [X.], [X.]a, [X.] 19, [X.] 21, [X.] 21a und [X.] 24 wiedergegebenen [X.] in Form von Plaketten mit der Beschriftung "S.   " bzw. in Form der Beschriftung "S.   ",

insbesondere jedoch bei Vorhandensein dieser [X.] in Form von Plaketten mit der Beschriftung "S.   " bzw. in Form der Beschriftung "S.   ",

anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen.

3

Das [X.] hat der [X.]lage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abgeändert und die [X.]lage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die [X.]lägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

4

A. Das Berufungsgericht hat Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz sowie wegen gezielter Behinderung der Klägerin verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

5

Das Angebot der beanstandeten Maschinen sei ausschließlich an das auf der Fachmesse anwesende Fachpublikum gerichtet gewesen. Die Maschinen, die Prospekte und der Messestand seien deutlich sichtbar mit dem Zeichen der Beklagten "S.   " versehen gewesen. Eine solche offene Nachahmung rufe in der Regel keine unmittelbare Herkunftstäuschung hervor. Für eine mittelbare Herkunftstäuschung lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Wegen der konkreten Umstände bestehe auch nicht die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr die Qualitätserwartungen, die er mit den Maschinen der Klägerin verbinde, auf die von der Beklagten auf dem Messestand angebotenen Nachahmungen übertrage. Eine gezielte Behinderung sei nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte durch die Nachahmungen Kosten erspart oder einen sonstigen [X.]vorteil erzielt habe.

6

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin erhobenen Ansprüche nicht verneint werden. Die Annahme des [X.], der Klägerin stünden Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG (§ 4 Nr. 9 UWG aF) nicht zu, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand (dazu [X.]). Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG (§ 4 Nr. 10 UWG aF) abgelehnt hat, weist ebenfalls Rechtsfehler auf (dazu [X.]I).

7

I. Für den von der Klägerin auf Wiederholungsgefahr gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gestützten Unterlassungsanspruch muss die beanstandete Handlung sowohl im Zeitpunkt ihrer Vornahme als auch im Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig sein (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16, [X.], 622 Rn. 11 = [X.], 835 - [X.], mwN). Nach der von der Klägerin beanstandeten Verletzungshandlung vom 10. Juni 2013 ist das Lauterkeitsrecht mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das [X.] zur Änderung des [X.] vom 2. Dezember 2015 ([X.] I, S. 2158) novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus jedoch nicht. Der bisher in § 4 Nr. 9 Buchst. a bis c UWG aF geregelte lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz findet sich nunmehr ohne inhaltliche Änderung in der Bestimmung des § 4 Nr. 3 Buchst. a bis c UWG (vgl. [X.], Urteil vom 16. November 2017 - [X.], [X.], 311 Rn. 11 = [X.], 332 - [X.], mwN). Auch der früher in § 4 Nr. 10 UWG aF geregelte Tatbestand der gezielten Mitbewerberbehinderung, der jetzt in § 4 Nr. 4 UWG geregelt ist, hat keine inhaltliche Änderung erfahren (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2017 - [X.], [X.], 317 Rn. 10 = [X.], 324 - [X.]).

8

II. Die Annahme des [X.], der Klägerin stünden keine Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz zu, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG nicht vorliegt (dazu [X.] 1). Mit der Begründung des [X.] können Ansprüche wegen einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung der von der Klägerin angebotenen [X.] im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. [X.] aber nicht verneint werden (dazu [X.] 2).

9

1. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen die Grundsätze des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes unter dem Gesichtspunkt einer vermeidbaren Täuschung über die betriebliche Herkunft nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG verneint. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, den Maschinen der Klägerin komme wettbewerbliche Eigenart und eine gewisse Verkehrsbekanntheit zu. Es liege auch eine fast identische Nachahmung vor. Die Maschinen in den [X.] seien aber ebenso wie der Messestand klar erkennbar mit dem Zeichen "S.   " versehen gewesen. Zwar werde allein eine deutlich abweichende Kennzeichnung in vielen Fällen nicht ausreichen, um der Gefahr einer Herkunftstäuschung vollständig entgegenzuwirken. Hier bestehe der angesprochene Verkehr allerdings aus dem engen Fachkreis der Anwender von [X.]. Soweit diese von der Maschinenform auf die Klägerin als Herstellerin schließen sollten, wüssten sie, dass diese durchgängig ihre Herstellermarke "B.   " verwende. Die Gestaltung des Messestands der Beklagten schließe auch die Erwartung aus, die Klägerin biete ihre Maschinen unter einer Zweitmarke an. Eine solche offene Nachahmung rufe in der Regel keine unmittelbare Herkunftstäuschung hervor. Für eine mittelbare Herkunftstäuschung bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

b) Das Angebot einer Nachahmung durch einen Mitbewerber kann nach § 4 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände - wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (Buchst. a) oder eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (Buchst. b) - hinzutreten, aus denen die [X.]keit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die [X.]keit der Nachahmung begründen und umgekehrt (vgl. [X.], [X.], 311 Rn. 13 - [X.], mwN).

c) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen sind die Parteien Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Die Maschinen der Klägerin verfügen danach auch über wettbewerbliche Eigenart sowie eine gewisse Verkehrsbekanntheit und die Maschinen der Beklagten stellen fast identische Nachahmungen der Maschinen der Klägerin dar. Dagegen wendet sich die Revision als für sie günstig nicht; die Revisionserwiderung erhebt keine Gegenrügen. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

d) Zutreffend hat das Berufungsgericht in der Messepräsentation der Beklagten ein Anbieten der [X.] im Inland gesehen. Zwar gibt es keinen Erfahrungssatz, dass die Ausstellung eines Produkts auf einer Messe im Inland die Besucher stets zum Erwerb dieses Produkts im Inland anregen soll (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 2014 - I ZR 133/13, [X.], 603 Rn. 21 bis 24 = [X.], 717 - Keksstangen; Urteil vom 23. Februar 2017 - [X.], [X.], 793 Rn. 25 = [X.], 956 - [X.]). Die Beklagte ist aber über eine bloße Präsentation hinausgegangen. Das [X.], auf dessen Feststellungen sich das Berufungsgericht bezogen hat, hat festgestellt, ein Mitarbeiter der Beklagten habe dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Messestand auf dessen ausdrückliche Nachfrage mitgeteilt, dass alle im Katalog dargestellten [X.] auf Bestellung auch nach [X.] geliefert würden.

e) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Täuschung über die betriebliche Herkunft nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG nicht gegeben ist. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

aa) Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Dabei ist zwischen einer unmittelbaren Herkunftstäuschung und einer mittelbaren Herkunftstäuschung (einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne) zu unterscheiden. Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, bei der Nachahmung handele es sich um das Originalprodukt. Eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers hält oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen - wie lizenz- oder gesellschaftsvertraglichen - Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgeht (vgl. [X.], Urteil vom 2. April 2009 - [X.], [X.], 1069 Rn. 15 = [X.], 1374 - Knoblauchwürste, mwN).

bb) Für die Beurteilung der Frage der Herkunftstäuschung hat das Berufungsgericht auf den engen Fachkreis der Anwender von [X.] und deren Marktkenntnisse abgestellt. Das wird von der Revision nicht beanstandet und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

cc) Die Revision wendet sich auch nicht gegen die Annahme des [X.], eine unmittelbare Herkunftstäuschung liege nicht vor. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

dd) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, eine mittelbare Herkunftstäuschung könne mit Blick auf das Fachpublikum auf der Messe nicht verneint werden.

(1) Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe die seiner Würdigung zugrunde liegenden Feststellungen nicht aufgrund eigener Sachkunde treffen können. Auch wenn seine Mitglieder nicht zum engen Fachkreis der Anwender von [X.] gehören, konnte das Berufungsgericht die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise aufgrund eigener Sachkunde feststellen. Gehören die Mitglieder des Tatgerichts nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen, können sie die Sichtweise der angesprochenen Fachkreise aufgrund eigenen [X.] beurteilen, wenn dafür keine besonderen Kenntnisse oder Erfahrungen erforderlich sind (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2013 - [X.], [X.], 1052 Rn. 29 = [X.], 1339 - Einkaufswagen III; Urteil vom 15. Dezember 2016 - I ZR 197/15, [X.], 734 Rn. 58 = [X.], 792 - Bodendübel, mwN). Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung der Herkunftstäuschung nicht auf Umstände abgestellt, die allein von Anwendern von [X.] beurteilt werden können. Es hat angenommen, eine Herkunftstäuschung sei ausgeschlossen, weil sowohl der Messestand als auch der Katalog sowie die in den Katalogen abgebildeten [X.] der Beklagten unübersehbar mit dem Zeichen "S.   " versehen gewesen seien. Die Feststellung, eine so deutliche Kennzeichnung könne dem Fachpublikum, das regelmäßig über genauere Kenntnisse der im Markt vertretenen Produkte, ihrer Gestaltung und ihrer Herkunft verfügt als das allgemeine Publikum (vgl. [X.], [X.], 603 Rn. 36 - Keksstangen), nicht entgehen, erfordert keine besondere Sachkunde. Entsprechendes gilt für die Annahme, der angesprochene Verkehr sehe in einer solchen Kennzeichnung einen Hinweis auf den unter dem Unternehmenskennzeichen "S.   " firmierenden Hersteller der angebotenen [X.]. Aus der Gestaltung des Messestands ergibt sich, dass es sich bei diesem Zeichen nicht nur um eine Marke, sondern (auch) um ein Unternehmenskennzeichen handelt.

(2) Die Revision rügt auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass aus Sicht der angesprochenen Fachkreise aufgrund der von der Klägerin vorgetragenen Umstände des Einzelfalls hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme lizenzvertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien bestünden. Der Fachkreis der Anwender von [X.] nimmt aufgrund der deutlichen Herstellerangabe "S.   " in den [X.] sowie am Messestand der Beklagten nicht an, die [X.] der Beklagten stammten aus dem Unternehmen der Klägerin oder es bestünden Lizenzverbindungen zwischen den Parteien (vgl. [X.], [X.], 1052 Rn. 37 - Einkaufswagen III). Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht der Revision nicht aus der nahezu vollständigen Übereinstimmung der Modelle der Beklagten mit denen der Klägerin, den Unterschieden zu den Konkurrenzmodellen anderer Wettbewerber, der Anzahl der nachgeahmten Modelle, den übernommenen Bedienungsanleitungen und dem Umstand, dass eine von der Klägerin nicht mehr hergestellte Maschine angeboten worden ist. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nicht ersichtlich, weshalb das Fachpublikum trotz der deutlichen Kennzeichnung der Produkte mit dem Herstellerkennzeichen der Beklagten annehmen müsste, die Produkte seien von der Beklagten unter Lizenz der Klägerin hergestellt worden. Es fehlt an über die fast identische Nachahmung hinausgehenden Hinweisen auf mögliche lizenzrechtliche Verbindungen. Ein solcher Hinweis könnte beispielsweise darin liegen, dass die Beklagte zuvor Originalprodukte der Klägerin vertrieben hat (vgl. [X.], Urteil vom 24. Mai 2007 - [X.], [X.], 984 Rn. 36 = [X.] 1455 - Gartenliege) oder die Parteien früher einmal durch einen Lizenzvertrag verbunden waren.

2. Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung der Produkte der Klägerin im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. [X.] verneint hat.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, es bestehe nicht die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr die Qualitätserwartungen, die er mit den Maschinen der Klägerin verbinde, auf die von der Beklagten auf dem Messestand angebotenen Nachahmungen übertrage. Die an [X.] interessierten Fachkreise ließen sich von der äußeren Übereinstimmung der Maschinen nicht in der Weise beeindrucken, dass sie allein wegen der Erwartung vergleichbarer Qualität einen Erwerb der Erzeugnisse der Beklagten in Betracht zögen. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

b) Nach § 4 Nr. 3 Buchst. [X.] handelt unlauter, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt. Eine unlautere Rufausnutzung kann nicht nur auf einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft der Nachahmung, sondern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert. Die Frage, ob hierdurch eine Gütevorstellung im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. b Fall 1 UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind. Dabei kann grundsätzlich schon die Annäherung an die verkehrsbekannten Merkmale eines fremden Produkts als solche zu einer für die Annahme einer Rufausbeutung erforderlichen Übertragung der Gütevorstellung führen. Bei einer identischen Nachahmung gilt insofern ein strenger Maßstab (vgl. [X.], Urteil vom 22. Januar 2015 - [X.], [X.], 909 Rn. 40 = [X.], 1090 - Exzenterzähne; [X.], [X.], 734 Rn. 66 - Bodendübel). Allerdings reicht es für eine Rufausbeutung nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2004 - [X.], [X.]Z 161, 204, 214 f. [juris Rn. 35] - [X.]; [X.], [X.], 1052 Rn. 38 - Einkaufswagen III).

c) Die Beurteilung des [X.], eine unlautere Rufausnutzung liege nicht vor, hält den Angriffen der Revision nicht stand.

aa) Die Revision rügt mit Recht, die Begründung des [X.] sei in sich widersprüchlich. Das Berufungsgericht stellt zunächst fest, es bestehe nicht die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr die Qualitätserwartungen, die er mit den Maschinen der Klägerin verbinde, auf die Nachahmungen der Beklagten übertrage. Im nächsten Satz führt es dagegen aus, dass sich das Fachpublikum von der äußeren Übereinstimmung der Maschinen nicht in der Weise beeindrucken lasse, dass es allein wegen der Erwartung vergleichbarer Qualität einen Erwerb der Erzeugnisse der Beklagten in Betracht zöge. Danach ist unklar, ob das Berufungsgericht für seine Beurteilung von einer Übertragung der Qualitätserwartungen durch das Fachpublikum ausgegangen ist oder nicht.

bb) Darüber hinaus fehlt es an Feststellungen des [X.], anhand deren beurteilt werden könnte, ob eine unangemessene Rufausnutzung vorliegt. Das Berufungsgericht hat weder eine Gesamtwürdigung angestellt noch überhaupt hinreichende Feststellungen zu den relevanten Umständen des Einzelfalls getroffen, die für eine solche Gesamtwürdigung notwendig sind. Was den Grad der Anlehnung betrifft, geht das Berufungsgericht zwar in anderem Zusammenhang von einer fast identischen Nachahmung aus. Es fehlt aber an Feststellungen zur Stärke des Rufs der nachgeahmten Produkte der Klägerin.

III. Die Revision hat auch insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht eine gezielte Behinderung gemäß § 4 Nr. 4 UWG verneint hat.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, allein der Umstand, dass die Beklagte mehrere Maschinen der Klägerin nachgeahmt habe, begründe den Vorwurf der gezielten Behinderung nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte hierdurch Kosten erspart oder einen sonstigen [X.]vorteil erzielt habe. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

2. Nach § 4 Nr. 4 UWG handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert. Eine wettbewerbsrechtlich relevante Behinderung setzt voraus, dass die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgehend eingeschränkt werden und zusätzlich bestimmte [X.]keitsmerkmale vorliegen. [X.] ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls beurteilen (vgl. [X.], [X.], 317 Rn. 12 - [X.], mwN).

3. Danach ist die Beurteilung des [X.] nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die bloße Nachahmung für sich alleine den Tatbestand des § 4 Nr. 4 UWG nicht erfüllt, sondern zusätzliche [X.]keitsmerkmale erforderlich sind. Auch der Umstand, dass die Mitbewerberin infolge der Vermarktung des nachgeahmten Produkts die Preise senken muss, reicht für sich genommen nicht für die Annahme einer gezielten Behinderung aus; eine solche Preissenkung kann die Folge eines wettbewerbsrechtlich erwünschten lauteren [X.] sein (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2016 - [X.], [X.]Z 210, 144 Rn. 82 - Segmentstruktur).

b) Das Berufungsgericht hat aber nicht berücksichtigt, dass eine Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG beim systematischen Nachbau einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse eines Mitbewerbers in Betracht kommt. In einem solchen Fall können ein zielbewusstes Anhängen an eine Vielzahl von Produkten eines Mitbewerbers, die freie Wählbarkeit einer Fülle von Gestaltungselementen und die aufgrund der Ersparung kostspieliger, eigener Entwicklungsarbeit mögliche erhebliche Preisunterbietung in Verbindung mit den daraus erzielten [X.]vorteilen den Vorwurf der [X.]keit begründen (zu § 4 Nr. 9 UWG aF vgl. [X.], Urteil vom 7. Februar 2002 - I ZR 289/99, [X.], 820, 823 [juris Rn. 56] = WRP 2002, 1054 - Bremszangen, mwN; vgl. auch [X.]Z 210, 144 Rn. 78 f. - Segmentstruktur). In die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist der Grad der wettbewerblichen Eigenart ebenso wie der Grad der Nachahmung einzubeziehen. Diesen Maßstäben wird das Urteil des [X.] nicht gerecht.

Das Berufungsgericht hat die Vielzahl der Nachahmungen nicht berücksichtigt und überdies ohne Begründung und in Widerspruch zum Sachvortrag der Klägerin eine Kostenersparnis oder einen sonstigen [X.]vorteil seitens der Beklagten verneint. Die Klägerin hat nicht nur zu ihren Entwicklungskosten substantiiert vorgetragen, sondern auch dazu, dass die Beklagte, indem sie diesen Aufwand durch die Nachahmung eingespart hat, ihre Produkte wesentlich günstiger anbieten kann. Die Beklagte, die insoweit eine sekundäre Darlegungslast trifft, hat zu ihren eigenen Entwicklungskosten nicht substantiiert Stellung genommen.

IV. Das angegriffene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die gebotene Gesamtschau sowohl im Rahmen von § 4 Nr. 3 Buchst. [X.] als auch im Rahmen von § 4 Nr. 4 UWG bedarf einer erneuten Würdigung durch das Tatgericht.

Koch     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 71/17

20.09.2018

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 3. November 2016, Az: 6 U 175/15

§ 3 UWG, § 4 Nr 3 UWG, § 4 Nr 4 UWG, § 8 Abs 1 S 1 UWG, § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2018, Az. I ZR 71/17 (REWIS RS 2018, 3606)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 175-176 REWIS RS 2018, 3606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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