Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.02.2014, Az. V B 12/14

5. Senat | REWIS RS 2014, 7471

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zustellung des Urteils bei Prozessvollmacht; Heilung von Zustellungsfehlern; Unterschriftserfordernis bei Urteilen; Schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler


Leitsatz

1. NV: Das Urteil des FG wird nicht ordnungsgemäß zugestellt, wenn es ausschließlich dem Kläger zugeht, obwohl dieser einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hat.

2. NV: Der Zustellungsmangel gilt mit dem tatsächlichen Zugang des Urteils an den Bevollmächtigten als geheilt und das Urteil in diesem Zeitpunkt als zugestellt.

3. NV: Eine Urteilsausfertigung erfordert keine Originalunterschrift der Richter.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob vor dem Finanzgericht ([X.]) erfolglos Klage wegen Umsatzsteuer 2008 und auf Feststellung der Nichtigkeit der "Steuerbeträge aus den Jahren 2002 bis einschließlich 2012 und fortfolgend, einschließlich der Feststellung der Nichtigkeit der Steuergesetzgebung".

2

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. November 2013 erschien der Kläger mit einem Bevollmächtigten und legte die Kopie einer Vollmacht vom 12. November 2013 vor. Diese gilt für alle Instanzen und umfasst u.a. die Befugnis, Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen.

3

Das Urteil des [X.] vom 26. November 2013 wurde laut [X.] am 6. Dezember 2013 durch Einlegung des Schriftstücks in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten zugestellt.

4

Am 27. Januar 2014 legte der Bevollmächtigte des Klägers Beschwerde ein und wies darauf hin, dass er das Urteil --durch urlaubsbedingte Abwesenheit des Mandanten bis 22. Dezember 2013-- erst am 27. Dezember 2013 erhalten habe. Zur Begründung der Beschwerde macht er geltend, das als Ausfertigung zugestellte Urteil müsse die exakte Kopie der Urschrift darstellen. Da die ihm vorliegende Ausfertigung keine Unterschrift der beteiligten [X.] aufweise, sei davon auszugehen, dass auch die Urschrift des Urteils diesen Mangel habe. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2008 und die Steuerbescheide, die Steuerbeträge aus den Jahren 2002 bis 2012 und fortfolgend forderten, seien nichtig. Seit der durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19. Dezember 2001 ([X.], 3922) zum 1. Januar 2002 eingeführten [X.] (§ 27b des [X.]es) sei das [X.] wegen Eingriffs in die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger verfassungswidrig und damit insgesamt nichtig.

5

Mit Schreiben vom 29. Januar 2014 hat die Geschäftsstelle des Senats auf den [X.] nach § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) und die Unzulässigkeit eines nicht von einer vertretungsberechtigten Person oder Gesellschaft eingelegten Rechtsmittels hingewiesen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die fristgerecht erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 132 [X.]O).

7

1. Nach § 116 [X.]O kann die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil eines [X.] mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden. Diese ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim [X.] ([X.]) einzulegen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 [X.]O).

8

a) Das Urteil ist dem Kläger zwar laut Postzustellungsurkunde am 6. Dezember 2013 zugestellt worden, sodass die Frist zur Einlegung der Beschwerde nach § 54 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bei ordnungsgemäßer Zustellung bereits am Dienstag, dem 7. Januar 2014, abgelaufen wäre.

9

b) Im Streitfall fehlt es jedoch an einer ordnungsgemäßen Zustellung. Ausweislich der in den [X.]-Akten befindlichen Postzustellungsurkunde wurde das Urteil ausschließlich an den Kläger zugestellt, obwohl dieser einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hatte. Nach § 62 Abs. 6 Satz 5 [X.]O waren Zustellungen des Gerichts daher ausschließlich an den Bevollmächtigten zu richten.

c) [X.] gilt mit dem tatsächlichen Zugang des Urteils an den Prozessbevollmächtigten als geheilt (§ 189 ZPO) und das Urteil in diesem Zeitpunkt als zugestellt (vgl. [X.]-Beschluss vom 17. März 2009 IV B 102/08, juris). Ausweislich des Vorbringens des Bevollmächtigten hat er das Urteil am 27. Dezember 2013 erhalten. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde nach § 54 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB endete daher erst mit Ablauf des 27. Januar 2014. Die an diesem Tag beim [X.] eingegangene Beschwerde war daher noch rechtzeitig.

2. Die Beschwerde ist unbegründet, da Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 [X.]O nicht vorliegen.

a) Entgegen der Ansicht des [X.] ergibt sich ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O nicht daraus, dass die [X.] nicht von den [X.]n unterschrieben ist. Vielmehr belegt der Ausfertigungsvermerk des Urkundsbeamten, dass die mitwirkenden [X.] das Urteil im Original unterschrieben haben (vgl. Urteil des [X.] vom 2. Februar 2012 I ZR 81/10, [X.] 2013, 187, m.w.N.). Von einer unzulässigen Ersetzung einer [X.]unterschrift kann insoweit nicht ausgegangen werden. Die [X.] erfordert gerade keine Originalunterschrift (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 19. November 2013 IX B 79/13, [X.]/NV 2014, 371, sowie vom 8. März 2006 VII B 309/05, [X.]/NV 2006, 1317).

b) Soweit der Kläger geltend macht, die angegriffenen Umsatzsteuerbescheide seien entgegen dem Urteil des [X.] seit 2002 verfassungswidrig und damit nichtig, rügt er eine vermeintlich unrichtige Rechtsanwendung durch das [X.]. Ein materiell-rechtlicher Fehler bei der Rechtsanwendung kann aber nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt jedoch nur dann vor, wenn die angefochtene [X.]-Entscheidung objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. [X.]-Beschluss vom 25. März 2010 X B 176/08, [X.]/NV 2010, 1455, m.w.N.). Einen solchen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler des [X.] hat der Kläger weder dargelegt noch liegt ein solcher Fehler tatsächlich vor. Wie der [X.] bereits mehrfach entschieden hat, ergibt sich aus einem etwaigen Verstoß gegen das sog. Zitiergebot keine Nichtigkeit des Umsatzsteuergesetzes oder der hierauf gestützten Umsatzsteuerbescheide ([X.]-Beschlüsse vom 16. Dezember 2009 V B 23/08, [X.]/NV 2010, 1866; vom 18. Mai 2011 VII B 195/10, [X.]/NV 2011, 1743; vom 12. März 2009, [X.], 24/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R 538).

3. Da die Beschwerde unbegründet ist, kann der Senat offen lassen, ob es sich beim Bevollmächtigten um eine zur Vertretung berechtigte Person i.S. von § 62 Abs. 4 [X.]O handelt.

Meta

V B 12/14

27.02.2014

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 26. November 2013, Az: 4 K 274/09, Urteil

§ 54 FGO, § 62 Abs 4 FGO, § 62 Abs 6 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 2 FGO, § 189 ZPO, § 222 Abs 1 ZPO, § 222 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.02.2014, Az. V B 12/14 (REWIS RS 2014, 7471)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7471

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX B 79/13 (Bundesfinanzhof)

Nichtzulassungsbeschwerde: Verfahrensfehler, grundsätzliche Bedeutung und Divergenz


V B 70/11 (Bundesfinanzhof)

Verfahrensfehler: Verletzung der Sachaufklärungspflicht


V B 89/11 (Bundesfinanzhof)

Beweiskraft einer Postzustellungsurkunde - Urlaub als erheblicher Grund für eine Terminsänderung


V B 151/09 (Bundesfinanzhof)

Beweiskraft der Postzustellungsurkunde - Gegenbeweis - Keine Widerlegung durch schlichte Behauptung einer Falschbeurkundung


V B 3/15 (Bundesfinanzhof)

Zum Leistungsaustausch bei Verträgen mit Körperschaften des öffentlichen Rechts


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.