Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.08.2012, Az. B 10 LW 5/12 B

10. Senat | REWIS RS 2012, 3567

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache - Verfassungsmäßigkeit der sog Hofabgabeklausel als Anspruchsvoraussetzung für eine Regelaltersrente


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 19. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Streitig ist die Zuerkennung einer Regelaltersrente ([X.]) nach § 11 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte [X.]) ohne Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft (§ 11 Abs 1 [X.], § 21 [X.]).

2

Die von der im Jahre 1940 geborenen Klägerin beantragte [X.] wurde von der beklagten Alterskasse durch Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] unter Hinweis auf die bisher nicht erfolgte Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens abgelehnt. Klage und Berufung der Klägerin blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Köln vom [X.]; Urteil des [X.] <[X.]> vom 19.10.2011).

3

Mit ihrer gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] eingelegten Beschwerde macht die Klägerin als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.]) geltend.

4

II. Die Beschwerde ist zulässig.

5

Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 160a Abs 1 [X.] und [X.] und 2 S[X.]). Sie genügt den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 [X.] S[X.]. Die Klägerin hat mehrere auf die Rechtmäßigkeit der sog [X.] als Anspruchsvoraussetzung für die [X.] abzielende Fragen aufgeworfen, nämlich

a)    

ob § 11 iVm § 21 [X.] mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 [X.] vereinbar sind,

b)    

ob die [X.] des § 21 [X.] wegen Verstoßes gegen Art 14 Abs 1 [X.] verfassungswidrig ist und

c)    

ob die [X.] des § 21 [X.] wegen Verstoßes gegen die nach Art 2 Abs 1 [X.] gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit verfassungswidrig ist.

6

Die Klägerin will damit eine revisionsgerichtliche Prüfung und Entscheidung über die Frage erreichen, ob die Verpflichtung zur Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens nach § 11 Abs 1 [X.] und § 21 [X.] - nach wie vor - eine wirksame Voraussetzung für den Anspruch auf [X.] ist oder ob sie wegen Verstoßes gegen die genannten Vorschriften des [X.] verfassungswidrig und damit unwirksam ist. Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Frage nach der Verletzung des Art 3 Abs 1 [X.] Fragen nach tatsächlichen Umständen, nämlich zur Erfüllung der Überprüfungspflicht durch den Gesetzgeber und zur heutigen Eignung der [X.] zur Förderung des Strukturwandels in der Landwirtschaft, gestellt hat, will sie damit ersichtlich die geltend gemachte Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes untermauern.

7

Die Klägerin hat die (konkrete) Klärungsfähigkeit der Rechtsfragen in dem angestrebten Revisionsverfahren sowie deren Breitenwirkung hinreichend substantiiert aufgezeigt. Auch die Darlegung der (abstrakten) Klärungsbedürftigkeit reicht aus, denn die Klägerin hat Gründe angeführt, die eine erneute Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen begründen könnten. Eine Rechtsfrage ist allerdings nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich beantwortet ist ([X.] § 160 [X.]; [X.] § 160a [X.]3 und 65). Falls zu der Rechtsfrage schon Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts oder des [X.] ([X.]) vorliegt, kommt es darauf an, ob sie erneut klärungsbedürftig geworden ist, weil [X.] im neueren Schrifttum neue Argumente angeführt oder erhebliche Einwände vorgebracht werden (vgl [X.] 3-1500 § 160a [X.] 21 [X.]8; [X.]; [X.] 3-4100 § 111 [X.] [X.] f; s auch [X.] 3-2500 § 240 [X.]3 S 151 f, jeweils mwN). Eine Rechtsfrage kann auch dann wieder klärungsbedürftig werden, wenn sich im Geltungsbereich einer unveränderten gesetzlichen Bestimmung allein die tatsächlichen Lebensverhältnisse ändern (s [X.], [X.], 2. Aufl 2010, Rd[X.]20). Dafür spricht, dass nach der Rechtsprechung des [X.] eine ursprünglich verfassungsmäßige Norm wegen Veränderungen der maßgeblichen Umstände als verfassungswidrig beurteilt werden kann ([X.]E 59, 336, 357; 97, 271, 293). Diese Kriterien hat die Klägerin bei ihrem umfangreichen Beschwerdevorbringen berücksichtigt.

8

Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin angesprochenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig.

9

Die Pflicht zur Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens als Anspruchsvoraussetzung für Renten aus dem System der Alterssicherung der Landwirte besteht durchgehend seit der Schaffung einer [X.] durch das Gesetz über eine [X.] vom [X.] ([X.] 1063 - [X.] -) und ist mit der Umwandlung des [X.] in eine Alterssicherung der Landwirte durch das Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung - ASRG - vom [X.] ([X.] 1890) in [X.] übernommen worden. Es wurden im Laufe der [X.] mehrfach Modifizierungen der Anforderungen an eine Unternehmensabgabe (heute § 21 [X.]) vorgenommen (s zusammenfassend: Informationen zu den Modifizierungen der [X.] [X.] <[X.]> vom [X.] <[X.] 579>, [X.] und Verbraucherschutz, Stand März 2012; zur Darstellung der Gesetzesentwicklung im Einzelnen s [X.] Urteil vom [X.] - B 10 LW 1/09 R - [X.] 4-5868 § 13 [X.] Rd[X.] 20 - 28 mwN). Die letzte Änderung hat § 21 [X.] durch das [X.] mit Wirkung ab 19.4.2012 (Art 14 Abs 2 iVm Art 4 [X.] [X.]) erfahren.

In der Rechtsprechung de[X.] und des [X.] ist das Erfordernis der [X.] stets als mit höherrangigem Recht im Einklang beurteilt worden. Erstmals hat da[X.] durch Urteile vom 22.11.1963 (- 7 RLw 50/62 - [X.] 10/H c6 § 8 [X.]2) und 24.11.1964 (- 7 RLw 29/63 - [X.], 92 = [X.] [X.] zu [X.] § 2 aF) entschieden, dass die Vorschrift des § 2 Abs 1 Buchst c [X.] aF, wonach Voraussetzung für den Anspruch auf [X.] die Abgabe des Unternehmens ist, nicht gegen Art 2, 3, 12 und 14 [X.] verstößt. Diese Rechtsprechung wurde in der Folgezeit fortgeführt und zuletzt durch Urteil vom [X.] (- B 10 LW 1/09 R - [X.] 4-5868 § 13 [X.] Rd[X.]0 ff mwN) bekräftigt.

Das [X.] hat die Pflicht zur Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens in einer Reihe von Entscheidungen ebenfalls als verfassungsrechtlich einwandfrei und insbesondere im Einklang mit Art 3 Abs 1 [X.] beurteilt (s zusammenfassend [X.] 4-5868 § 13 [X.] Rd[X.]2). Schon in seiner Entscheidung vom [X.] (- 1 BvL 18/68 - [X.]E 25, 314 = [X.] [X.] 77 zu Art 3 [X.]) zur Verfassungsmäßigkeit strengerer Voraussetzungen für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente in der [X.] gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung hat das Gericht - beiläufig - die [X.]pflicht erwähnt, ohne diese zu kritisieren. Die Entscheidungen vom [X.] (- 1 BvR 313/80 - [X.] 5850 § 2 [X.] 6) und 18.12.1981 (- 1 BvR 943/81 - [X.] 5850 § 2 [X.] 8) betrafen die Pflicht zur Unternehmensabgabe als Anspruchsvoraussetzung für ein [X.]. In der Entscheidung vom [X.] (- 1 BvR 1750/95 - [X.] 3-5850 § 4 [X.]) zu den beitrags- und leistungsrechtlichen Folgen der Nichtabgabe des Unternehmens nach Vollendung des 65. Lebensjahres hat das [X.] diese Rechtsprechung fortgeführt. Schließlich betrifft die Entscheidung vom [X.] (- 1 BvR 2099/03 - [X.] 4-5868 § 1 [X.]) die Einbeziehung privater Forstwirte in die Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem [X.]. Auch darin wurde die [X.]pflicht als durch die damit verfolgten Ziele legitimiert angesehen. Zuletzt hat das [X.] in einem dem vorliegenden Verfahren ähnlichen Rechtsstreit, in dem da[X.] die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen hatte (Beschluss vom [X.] LW 4/11 B -), die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Kammerbeschluss vom [X.] -).

Mit dieser Rechtsprechung sind die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen entschieden. Sie sind - bisher - auch nicht wieder klärungsbedürftig geworden. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe veranlassen keine gegenteilige Beurteilung.

Soweit sie einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungssatz des Art 3 Abs 1 [X.] rügt, greift die Klägerin die [X.]pflicht in erster Linie mit zwei Hauptargumenten an:

1.    

Die [X.] sei unter den heutigen - veränderten - Verhältnissen nicht mehr geeignet, das ursprünglich verfolgte Ziel eines Strukturwandels in der Landwirtschaft zu erreichen, weil ältere Landwirte keine [X.] mehr fänden und die wirtschaftlichen Zwänge inzwischen derart seien, dass es der [X.]pflicht nicht mehr bedürfe. Ihre Wirkung werde weiter verringert durch die steigende Zahl von [X.], die von der Versicherungspflicht nach dem [X.] befreit seien. Der Gesetzgeber habe hinsichtlich dieser Umstände seine Überprüfungspflicht verletzt.

2.    

Es bestünden erhebliche Vollzugsdefizite, weil in ca 30 bis 40 % aller Abgabefälle eine bloße Scheinabgabe vorliege, bei der der [X.] nicht nur weiter mitarbeite, sondern auch das volle unternehmerische Risiko trage.

Weiter macht sie geltend: Die Verknüpfung von [X.]pflicht und Gewährung des Rentenanspruchs verletze auch den Schutz des Eigentums nach Art 14 Abs 1 [X.] sowie die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 [X.]. Das Gesetz zwinge zwar nicht zur [X.], enthalte aber dem Landwirt den Rentenanspruch vor. Hierfür gebe es keinen legitimierenden Grund.

Die von der Klägerin zur Begründung eines jetzt bestehenden Verfassungsverstoßes dargestellten, gegenüber den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts veränderten tatsächlichen Verhältnisse bedürfen keiner vertieften Betrachtung und Feststellung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass die [X.]pflicht zur Erreichung ihrer gesetzten Ziele ungeeignet geworden ist.

Die Behauptung des - weitgehenden - Nichtvorhandenseins geeigneter [X.] ist rechtlich unerheblich, weil § 21 [X.] auf die Abgabe bzw die Aufgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens durch den [X.] zielt und diese Abgabe nicht auf die Übernahme des Unternehmens durch einen Nachfolger begrenzt ist (s § 21 [X.]). Insofern verfolgt die Abgabepflicht - wie die Klägerin selbst einräumt - weiter gefasste strukturpolitische Ziele. Auch die Behauptung, allein der heutige "wirtschaftliche Druck" zwinge zur [X.], belegt nicht die Überflüssigkeit einer gesetzlichen Pflicht zur Abgabe des Unternehmens als Voraussetzung für einen Rentenanspruch. Ersichtlich gibt es eine erhebliche Zahl von "älteren" Landwirten, die sich dem behaupteten wirtschaftlichen Zwang nicht beugen und ihr Unternehmen weiterführen wollen. Diese machen im Gegenteil ua geltend, sie seien zur Weiterführung des landwirtschaftlichen Unternehmens aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen. Im Übrigen stellt die [X.]pflicht für ältere Landwirte, die ihre Flächen ohnehin abgeben, kein besonderes Rentenhindernis dar.

In tatsächlicher Hinsicht wird das Beschwerdevorbringen zur mangelnden strukturpolitischen Eignung der [X.]pflicht nicht ausreichend belegt. Insbesondere greift die Klägerin dabei zum Teil auf ältere Quellen zurück ([X.] "Gutachten von Maydell", das unter dem Titel "Weiterentwicklung des landwirtschaftlichen Sozialrechts" in der Schriftenreihe des [X.] in Buchform bereits im Jahre 1988 veröffentlicht worden ist). Ihren Ausführungen ist zudem in vollem Umfang widersprochen worden ([X.]/Liebscher, [X.], 77, 82). Die in der Beschwerdebegründung angeführte "Ausarbeitung, Fragen zur [X.] im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, der wissenschaftlichen Dienste des [X.]" geht lediglich davon aus, dass "mittlerweile im [X.] nur mehr in einem Drittel der Betriebe … Nachfolger aus der Familie zur Übernahme bereit" seien. Die Ausarbeitung geht insoweit zu Unrecht davon aus, dass die [X.]pflicht seit 1957 im Wesentlichen unverändert geblieben sei (s auch Fleuth/Liebscher, aaO 82), und berücksichtigt daher nicht hinreichend, dass nach § 21 [X.] neben der Nachfolge innerhalb der Familie in großem Umfang andere Vorgehensweisen zur Verfügung stehen und von zur Abgabe verpflichteten Landwirten genutzt werden können.

Schließlich sind die gesetzgebenden Körperschaften dem ihnen vorgetragenen Verlangen nach Abschaffung der [X.]pflicht aufgrund einer entsprechenden Prüfung nicht gefolgt. Vielmehr hat der Gesetzgeber im [X.] die Voraussetzungen der Unternehmensabgabe zwar weiter modifiziert (s insbesondere § 21 Abs 8 [X.] und Abs 9 [X.]), an der Verpflichtung selbst jedoch festgehalten. Verfassungsrechtlich ist insoweit von Bedeutung, dass der Gesetzgeber nicht nur eine - rechtlich durch das [X.] begrenzte - Gestaltungsfreiheit, sondern hinsichtlich tatsächlicher Umstände auch einen Einschätzungsspielraum hat, der sich insbesondere auf die zu erwartenden Wirkungen gesetzlicher Vorschriften bezieht ([X.] Urteil vom [X.] - B 10 LW 3/09 R - [X.], 1 = [X.] 4-5868 § 23 [X.], Rd[X.] 48, 49 mwN). Der Gesetzgeber des [X.] bzw des [X.] geht nach wie vor davon aus, dass der [X.]pflicht auch unter den heutigen Verhältnissen in der [X.] Landwirtschaft eine positive Auswirkung auf deren Struktur zukommt (s Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung [X.] 698/11 S 72, zu der in den Plenarberatungen des [X.] keine abweichenden Äußerungen zu finden sind, vgl [X.] 17/147 und 17/158). Diese Beurteilung steht im Übrigen, worauf die Beklagte hingewiesen hat, im Einklang mit den Stellungnahmen des [X.] und der [X.] Landjugend.

Die von der Klägerin als "Vollzugsdefizite" bezeichneten Unzulänglichkeiten bei der Anwendung des Gesetzes sind nicht geeignet, das Gesetz selbst in Frage zu stellen. Schon der Ausgangspunkt der Argumentation (Vorliegen zahlreicher "Scheinabgaben") wird von anderer Seite widersprochen. So wird darauf hingewiesen, dass die [X.]pflicht keineswegs verhindern wolle, dass der [X.] nach der Abgabe rein tatsächlich weiter auf dem Hof arbeite (Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks 17/5691 [X.]). Daher sei es verfehlt, bei einer weiteren betrieblichen Mitarbeit der früheren Landwirte von Scheinpachtverträgen zu sprechen (BT-Drucks 17/5691 aaO). Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat sich zu dieser Problematik wie folgt geäußert (s Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Informationen zu den Modifizierungen der [X.]verpflichtung in der Alterssicherung der Landwirte im [X.], Stand März 2012, [X.]):

"Im Falle der Abgabe innerhalb der Familie ändert sich an der Arbeitsverteilung zuweilen wenig und der abgebende Landwirt ist weiterhin in erheblichem Umfang im Betrieb tätig. Gelegentlich wird dies zum Anlass genommen, dies als 'Scheinabgabe' zu bezeichnen. Das ist deshalb nicht zutreffend, weil eine Mitarbeit des [X.] mit der Abgabeverpflichtung durchaus in Einklang steht. Es wird keine Einstellung der Arbeit im Betrieb verlangt, weil dies praxisfremd wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass im [X.]punkt der Unternehmensabgabe das unternehmerische Risiko vollständig auf den Nachfolger übergeht."

Unabhängig davon begründen bloße Vollzugsdefizite eines strukturell auf eine gleichmäßige Rechtsanwendung angelegten Gesetzes keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] zum Steuerrecht verlangt der Gleichheitssatz allerdings, dass die Abgabepflichtigen durch das Gesetz nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im [X.] durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, so kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen und die Steuerpflichtigen in ihrem Grundrecht auf Besteuerungsgleichheit verletzen ([X.]E 84, 239, 268 ff). Diese Rechtsprechung hat da[X.] auf die Beiträge zur Sozialversicherung, konkret die Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, übertragen und entschieden, dass eine tatsächliche Belastungsungleichheit, die lediglich durch [X.] bei der Beitragserhebung verursacht werde, noch nicht zu einer gleichheitswidrigen Lastenverteilung führe (BSG Urteil vom 7.12.2004 - B 2 U 43/03 R - [X.] 4-2700 § 182 [X.] Rd[X.] 25).

So liegt es auch hier. Das Aufdecken und die Sanktionierung von Umgehungen der [X.]pflicht obliegt den Trägern der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Die behaupteten Vollzugsdefizite sind strukturell im Gesetz selbst nicht angelegt. Es ist auch nicht ersichtlich und nicht vorgetragen, dass sie nicht behebbar seien. Zurzeit kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie zu einer Verfassungswidrigkeit der [X.]pflicht führen würden.

Soweit die Klägerin Rechtsfragen im Hinblick auf Art 14 Abs 1 und Art 2 Abs 1 [X.] aufgeworfen hat, enthält die Beschwerdebegründung keine weiteren Argumente für eine erneute Klärungsbedürftigkeit der betreffenden Fragen.

[X.] ist mit der Kostenfolge entsprechend § 193 S[X.] zurückzuweisen. Im - hier vorliegenden - Leistungsstreit sind landwirtschaftliche Unternehmer als "Versicherte" iS des § 183 S 1 S[X.] anzusehen. Sie werden damit von der Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift erfasst.

Meta

B 10 LW 5/12 B

29.08.2012

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: LW

vorgehend SG Köln, 25. Februar 2011, Az: S 18 LW 7/10, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 11 Abs 1 Nr 3 ALG, § 21 Abs 8 S 2 ALG, § 21 Abs 9 ALG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.08.2012, Az. B 10 LW 5/12 B (REWIS RS 2012, 3567)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3567

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