Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2019, Az. 4 StR 553/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 885

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:031219B4STR553.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 553/19

vom
3. Dezember
2019
in der Strafsache
gegen

wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 3.
Dezember 2019
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf
die Revision des Angeklagten wird das Urteil
des [X.] vom 28.
Juni 2019
a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungs-mitteln
in nicht geringer Menge
in fünf Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Jugendliche und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist, und
b)
im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen [X.] aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsan-stalt unterblieben i[X.]
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels,
an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen uner-laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge sowie
in
einem weiteren Fall in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21
Jahren an Jugendliche unter 18
Jahren, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Annahme von zwei selbstständigen, real konkurrierenden Taten in
den
Fällen 9
und 10
der Anklageschrift begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a)
Nach den Feststellungen bekam der Angeklagte nach vorangegange-ner telefonischer
Bestellung am 3.
Dezember 2018 insgesamt 298,7
Gramm Kokainzubereitung mit
einem Wirkstoffgehalt von 82,7
% [X.] zum Zweck gewinnbringenden Weiterverkaufs in die von ihm betriebene Teestube geliefert, für die er 8.700
Euro bezahlte (Fall 9
der Anklageschrift).
Das geliefer-te Kokain wurde bei einer kurze [X.] später durchgeführten Durchsuchung der Teestube auf der Fensterbank in einem
Raum neben dem
Schankraum aufge-funden. In demselben Raum lagen auf einem etwa mittig im [X.] stehenden Tisch 72,13
Gramm Kokainzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 88,3
% [X.] sowie 79,67
Gramm Marihuana
mit einer Wirkstoffmenge von 1
2
3
-
4
-
14,97
Gramm THC, die vom Angeklagten ebenfalls
jeweils
zur gewinnbringen-den Weiterveräußerung bestimmt waren. In einer
Ecke des Raums etwa im [X.] von zwei Metern zu dem Tisch mit den Betäubungsmitteln befand sich ein Schreibtisch, auf dem ein größerer Bargeldbetrag und Verpackungsmaterial vorgefunden wurden. Unter der erhöhten Platte des Schreibtischs lag für eine hinter dem Schreibtisch befindliche Person sichtbar und griffbereit ein Messer mit einer Klingenlänge von 27
cm. Der Angeklagte kannte den Ablegeort des aus seiner Sicht subjektiv zur Verletzung von Personen bestimmten Messers und wusste, dass er über dieses jederzeit verfügen konnte (Fall 10 der Ankla-geschrift).
b)
Das [X.] hat übersehen, dass sich der Angeklagte auf der Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch im Fall
9 der Anklageschrift des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungs-mitteln gemäß §
30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG schuldig gemacht hat. Denn die Besitz-ausübung über das auf der Fensterbank abgelegte Kokain aus der Lieferung vom 3.
Dezember 2018 stellt einen Teilakt der auf den Umsatz der Gesamt-menge bezogenen Bewertungseinheit des unerlaubten Handeltreibens mit [X.]
in nicht geringer Menge dar, bei welchem dem Angeklagten das bereitliegende, seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignete und bestimmte Messer zur Verfügung stand. Dies reicht für die Erfüllung des [X.] des §
30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG aus ([X.] Rspr.;
vgl. nur [X.], Urteile vom 28.
Februar 1997

2
StR 556/96, [X.]St 43, 8, 10; vom 12.
Januar 2017

1
StR 394/16, [X.], 714, 715; Beschluss vom 8.
Mai 2019

4
StR 203/19, NStZ-RR 2019, 220, 221).
Der Angeklagte hat sich damit sowohl hinsichtlich der am 3.
Dezember 2018 gelieferten [X.] als auch bezüglich der an diesem Tag zu Han-4
5
-
5
-
delszwecken bereits vorrätig gehaltenen Betäubungsmittel jeweils wegen be-waffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß
§
30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG strafbar gemacht. Da sich beide Taten durch das Bereithalten des [X.] in ihren Ausführungshandlungen teilweise überschneiden,
sind die Taten konkurrenzrechtlich zu Tateinheit verknüpft
(vgl. [X.], Beschlüsse vom 5.
Dezember 2017

4
StR 562/17 Rn.
4; vom 21.
August 2018

3
StR 615/17 Rn.
12; vom 27.
Juni 2018

4
StR 116/18, [X.], 97; vom 8.
Mai 2019

4
StR 203/19, NStZ-RR 2019, 220, 221).
c)
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend, wobei nach §
260 Abs.
4 Satz
5 StPO davon abgesehen wird, die gleichartige Idealkonkurrenz in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. §
265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen kön-nen.
2.
Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Prüfung insoweit nicht stand, als die [X.] es versäumt hat, über eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach §
64 StGB zu befinden.
a)
Nach
den Feststellungen konsumierte
der 1974 geborene Angeklagte seit seinem 29. oder 30. Lebensjahr Cannabis. Aufgrund von Schmerzen vor einer etwa zwei bis drei Jahre zurückliegenden
Bandscheibenoperation [X.] er seinen [X.], den er nach der [X.] wieder auf zuletzt etwa vier bis fünf
Joints
pro Tag reduzierte. An den Wochenenden
konsumierte er seit [X.]/Ende
2015 auch Kokain. Im Januar
2013 wurde er wegen Besitzes von [X.] zu einer Geldstrafe verurteilt. Bei der Tat Fall 1 der [X.] kaufte der Angeklagte vor dem 16.
Juli 2018 bei zwei Gelegenheiten je 6
7
8
-
6
-
200
Gramm Marihuana,
wovon er jeweils 100
Gramm für den Eigenkonsum verwendete. Schließlich hat die [X.] im Rahmen der Strafzumessung bei allen abgeurteilten Taten jeweils strafmildernd berücksichtigt, dass der [X.] in nicht unerheblichem
Umfang selbst Betäubungsmittel konsumierte.
b)
Vor dem Hintergrund dieser Urteilsausführungen erscheint es in tat-sächlicher Hinsicht naheliegend, dass die Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß
§
64 StGB in Betracht kommt. Die [X.] hätte sich daher aus Gründen sachlichen Rechts (vgl. [X.], Urteil vom 11.
August 2011

4
StR 267/11 Rn.
24; Beschluss vom 2.
Oktober 2019

3
StR 406/19 Rn.
3)
veranlasst sehen müssen, die tatbestandlichen Vo-raussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsan-stalt gemäß
§
64 StGB zu prüfen und in den Urteilsgründen näher zu erörtern. Dies ist nicht geschehen.
Der [X.] führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenaus-spruchs, soweit eine Entscheidung über die Maßregel nach §
64 StGB unter-blieben i[X.] Dass
nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nach-holung der Unterbringungsanordnung nicht (§
358 Abs.
2 Satz
3
StPO; vgl. [X.], Urteil vom 10.
April 1990

1
StR 9/90, [X.]St 37, 5). Der Beschwerde-führer hat die [X.] des §
64 StGB durch das Tatgericht nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen.
3.
Die Schuldspruchänderung hat den Wegfall der für die Tat Fall
9 der Anklageschrift verhängten [X.] von zwei
Jahren und sechs
Mo-naten zur Folge. Die von der [X.] für die Tat Fall 10 der Anklageschrift festgesetzte [X.]
von sechs
Jahren kann in entsprechender Anwendung des §
354
Abs.
1 StPO als alleinige Einzelstrafe für die beiden tat-9
10
11
-
7
-
einheitlich verwirklichten Verbrechen des bewaffneten Handeltreibens mit [X.]
bestehen bleiben.
Auch im Übrigen hat der Strafausspruch des angefochtenen Urteils [X.]. Die von der
[X.] bei der Bemessung der Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten angestellten Erwägungen zur kriminellen Energie des planmäßig handelnden
Angeklagten
beinhalten letztlich eine tatrichterliche Be-wertung des konkreten Tatbildes und sind unter dem Gesichtspunkt des §
46 Abs.
3 StGB nicht durchgreifend bedenklich. Ungeachtet des Wegfalls der für die Tat Fall
9 der Anklageschrift verhängten [X.] kann der [X.] bestehen bleiben. Der Senat schließt angesichts der verbleibenden Einzelstrafen von sechs Jahren, zwei Jahren und drei
Monaten, zwei Jahren, zwei Mal
einem
Jahr und sechs Monaten sowie einem Jahr aus, dass das [X.] ohne die entfallene Einzelstrafe auf eine niedrigere Ge-samtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Da zwischen Strafausspruch und Maßregela-nordnung grundsätzlich keine Wechselwirkung besteht (vgl. [X.], Urteil vom 7.
Oktober 1992

2
StR 374/92, [X.]St 38, 362, 365;
Beschluss vom 6.
September
2016

3
StR 283/16, insoweit nicht abgedruckt in [X.], 358) und ein innerer Zusammenhang zwischen beiden [X.] auch nicht ausnahmsweise
12
-
8
-
in den Ausführungen der [X.] im angefochtenen Urteil hergestellt [X.] ist, wird der Strafausspruch entgegen der Ansicht der Verteidigung schließ-lich auch
durch die Aufhebung
der Maßregelentscheidung zu §
64 StGB nicht berührt.

Sost-Scheible
Roggenbuck
Bender

Feilcke
Paul

Meta

4 StR 553/19

03.12.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2019, Az. 4 StR 553/19 (REWIS RS 2019, 885)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 885

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 553/19

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