Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2002, Az. StB 4/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2002, 3963

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Nachschlagewerk: jaBGHSt: neinVeröffentlichung: [X.] § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3Zum Merkmal der besonderen Bedeutung bei ausländerfeindlichen [X.]an-schlägen (im Anschluß an BGHSt 46, 238 ff.).BGH, Beschluß vom 21. März 2002 - StB 4/02 - [X.] StE 2/01 - 4 (2) StB 4/02vom21. März 2002in dem [X.] 2 -2.3.4.5.wegen versuchten Mordes u.a.- 3 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der [X.] 21. Mrz 2002 beschlossen:Die sofortige Beschwerde des [X.] gegen [X.] des [X.] vom [X.] wird verworfen.Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten im Be-schwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat [X.] zu tragen.Gründe:Der [X.] hat in dem von ihm geführten [X.] unter dem 19. Dezember 2001 Anklage zum [X.] erhoben. Mit ihr wird den Angeklagten achtfacher Mordversuch [X.] mit [X.]stiftung, mit versuchter besonders schwerer [X.]stiftungund mit der Herstellung von Wurfkörpern aufgrund folgenden Sachverhalteszur Last gelegt:Am 29. Juni 2001 gegen Mitternacht kamen die Angeklagten überein,ein von vietnamesischen Staatsangehörigen geführtes [X.], das"[X.]" in [X.], mit [X.] anzugreifen, um so ihrem [X.] Ausdruck zu verleihen und ein Fanal für die Bereitschaft zur Gewaltgegen Auslr zu setzen. Der Anschlag war von einem Teil der Beteiligtenschon lre Zeit ins [X.] worden. Die Angeklagten fertigten [X.] aus mit Benzin befüllten und einer Lunte versehenen Bierflaschen Wurf-körper. Sie hielten es für möglich, [X.] in den [X.] über dem [X.] -gescft Menschen schliefen und nahmen deren mlichen Tod als Folge [X.] billigend in Kauf. Die Angeklagten [X.]und [X.]schlugenzwei Schaufensterscheiben ein und warfen zwei zuvor entzte [X.]stzedurch die Öffnungen. Das Feuer erfaûte Kleidungsstcke auf den Kleiderstn-dern und setzte den Teppichboden in [X.]. Da Bewohner durch das Ein-schlagen der Scheiben sogleich wach geworden waren, gelang es, den [X.]noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr zu [X.] und die Bewohner, darunterzwei Kinder, unverletzt zu evakuieren. Der entstandene Sachschaden betrt50.000 DM.Das [X.] hat mit [X.] vom [X.] die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, jedoch das Hauptverfah-ren vor dem [X.] - [X.] - [X.] erffnet, weil dem [X.] besondere Bedeutung im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.]. [X.] zukomme. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des [X.].Das Rechtsmittel ist [X.]. Das [X.] hat zu Rechtseine Zustigkeit [X.] die Durch[X.]ung des gerichtlichen Verfahrens verneint.1. Allerdings ist die Tat im Sinne von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.]. [X.] bestimmt und geeignet, die innere Sicherheit der [X.] zu beeintrchtigen. Dies ist nach der grundlegenden Entschei-dung des Senats vom 22. Dezember 2000 (NJW 2001, 1354 = BGHSt 46,238 ff.) der Fall, wenn das innere [X.] Gesamtstaates oder dessenVerfassungsgrundstze betroffen sind. Zu letzteren zlt der [X.] Gewalt- und Willkrherrschaft r Minderheiten. Dieser Grundsatzwird beeintrchtigt, wenn der [X.] das Opfer nur deshalb angreift, weil er es- 5 -als Mitglied einer nationalen, rassischen, religisen oder durch ihr [X.] treffen will.Diese Voraussetzung ist hier erfllt. Wie der [X.] inseiner Anklageschrift (S. 42) dargelegt und in der Beschwerdebegrvom5. Februar 2002 verdeutlicht hat, setzten die Angeklagten das Wohn- und Ge-scftshaus ausschlieûlich aus einer auslrfeindlichen und rechtsextremenZielsetzung heraus in [X.], damit [X.]"auslr[X.]ei" werde, wobei "mangegen die Bewohner [X.] nichts gehabt habe". Davon geht auch das[X.] aus.2. Indes kommt dem Fall keine besondere Bedeutung im Sinne des§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] zu.a) Der Senat hat dazu in seiner Grundsatzentscheidung ausge[X.]t, [X.]dieses Merkmal zustzlich zu der in [X.]. a dieser Vorschrift genannten Vor-aussetzung gegeben sein [X.]. Es [X.] sich danach unter Beachtung [X.] der Verletzung der individuellen Rechtster der durch die Tat [X.] Gescigten um ein [X.] Delikt von erheblichem [X.], das seine besondere Bedeutung dadurch gewinnt, [X.] es die dem§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] zugrunde liegenden Schutzter des [X.] in einer derart spezifischen Weise angreift, [X.] ein Einschreiten des[X.] und eine Aburteilung durch ein [X.] geboten ist. Dabei erfordert die Beurteilung des Falleseine Gesamtwrdigung der [X.] der Tat unter beson-derer Bercksichtigung des Gewichts ihres Angriffs auf das jeweils betroffeneRechtsgut des Gesamtstaates ([X.], 1359, 1363). Aus diesenGrundstzen lût sich folgendes [X.] -aa) Da die Verfolgung der in § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] genanntenKatalogtaten selbst dann in die grundstzliche Verfolgungskompetenz der[X.]lr fllt, wenn die weitere Voraussetzung des [X.]. a dieser Vor-schrift erfllt ist, wonach die Tat bestimmt und geeignet sein [X.], die innereSicherheit der [X.] zu beeintrchtigen, kann von einerbesonderen Bedeutung nur gesprochen werden, wenn der in Frage [X.] deutlich aus den Durchschnittsfllen herausragt (vgl. [X.] NStZ 2002, 1,7). Die Beurteilung hat sich an den von § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] erfaûtenFllen zu orientieren, so [X.] etwa selbst die Begehung eines Mordes mit aus-lrfeindlicher Zielrichtung [X.] sich allein noch nicht ohne weiteres die An-nahme einer besonderen Bedeutung begrkann; denn diese [X.] [X.] die Anwendung des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] schon gegebensein, bevor in die Prfung der besonderen Bedeutung eingetreten [X.]b) Bei der Anwendung im einzelnen liegt ein maûgebliches Beurtei-lungskriterium zchst in der den Schuld- und Unrechtsgehalt bestimmendenSchwere der Tat (ebenso [X.] aaO). Neben den konkreten Folgen [X.] die [X.] gescigten Opfer kommt es dabei insbesondere auf die Auswirkun-gen der Tat [X.] die innere Sicherheit an. Namentlich kann dabei zu [X.] die von der Tat ausgehende Signalwirkung [X.] Nachahmungstter;- negative Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der [X.], insbesondere auf auûen- und wirtschaftspolitische Belange desStaates;- 7 -- die Beeintrchtigung des [X.] der im Inland lebenden Ausln-der, die einen sicheren Aufenthalt in der [X.] ge[X.]-det sehen.Die genannten Faktoren ksich gegenseitig beeinflussen. So wirdeine besonders schwere Tat mit zahlreichen Opfern auch ein verstrktesffentliches Aufsehen erregen und auf diese Weise die innere Sicherheit inbesonderer Weise berren.Als [X.] Tat, die [X.] die Annahme einer besonderen Bedeu-tung herangezogen werden k, kommen etwa eine konspirative [X.], rregionale Aktivitten und vereinigungsliche Strukturen von [X.] in Betracht, da sie die Ge[X.]lichkeit [X.] die innere Sicherheit [X.] und ihnen mit den in der rregionalen Ermittlung derartiger [X.]struktu-ren erfahrenen Ermittlungsrden des [X.] besser begegnet [X.]) Gemessen an diesen Kriterien hat hier das [X.] bei [X.] der maûgeblichen Umstzu Recht eine besondereBedeutung des Falles verneint.Die konkreten Folgen der Tat sind vergleichsweise gering. [X.] nicht eingetreten, auch der Sachschaden von 50.000 DM ist inAnbetracht eines derartigen [X.]anschlags als eher niedrig zu bewerten. DieKatalogtaten des Mordes und der besonders schweren [X.]stiftung sind [X.] steckengeblieben. Dem steht allerdings die hohe konkrete Gefahr [X.]die Bewohner des Hauses r; diese sind aber aufgrund glcklicherUmstverletzt evakuiert [X.] 8 -Dementsprechend ist auch das ffentliche Aufsehen des Falles geringgeblieben, wie der Senat aus den Beobachtungen der rregionalen [X.] und das [X.] aus eigener Kenntnis der regionalen [X.] Medien feststellen konnte. Daher sind konkrete Auswirkungen dieses Fal-les auf das Ansehen [X.] im Ausland nicht feststellbar. Auch [X.] po-tentielle Nachahmungstter wird von einer solchen Tat mit geringen Folgenund ohne nachhaltiges Echo in den Medien allenfalls ein schwacher Anreiz [X.]Folgetaten ausgehen. Entsprechendes gilt [X.] die Beeintrchtigung des Si-cherheitsgefls der auslischen [X.], die hier eher nur im [X.] beunruhigt worden seirften.Allerdings zeigt die Gruppierung, aus der heraus der Anschlag erfolgte,eine sehr deutliche auslrfeindliche Zielrichtung, die der Generalbun-desanwalt in seiner Beschwerdebegricht zu Unrecht als "exempla-risch" bezeichnet hat. [X.] hinaus war ein Teil der [X.] in eine sich [X.] rechtsextreme Gruppierung, die sich "Nationaler Widerstand [X.]" nennt, eingebunden. Jedoch konnte bislang weder festgestellt werden,[X.] diese Gruppe - abgesehen von Flugblttern mit rechtsextremen Parolen -bereits vorher mit Straftaten in Erscheinung getreten war, noch [X.] der [X.]-anschlag auf das "[X.]" in [X.] in die Verantwortung dieser Gruppefllt. Denn zum einen ist kein Beleg [X.] die Beteiligung des [X.]vorhanden und zum anderren nur drei der ff angeklagten [X.] dieser Gruppe an. Die Mitnahme von [X.] bei der [X.] solchen Tat, insbesondere des nicht der rechtsextremen Jugends-zene zrigen Angeklagten [X.]und des an der Tat selbst nicht be-teiligten Jugendlichen [X.], spricht gegen eine dem "[X.] [X.]" zuzurechnende Straftat. Dem in der [X.] -grsprochenen Aspekt der Vielzahl von [X.]n kann angesichtsdes Umstandes, [X.] am [X.] nur zwei von ihnen den unmittelbaren [X.] und die anderen sich mehr oder weniger im Hintergrund gehaltenhaben, kein entscheidendes Gewicht zukommen.Das [X.] hat schlieûlich zu Recht bei der Bewertung [X.] mitbercksichtigt, [X.] es sich bei den [X.] um [X.] handelt, so [X.] die Annahme der Landeszu-stigkeit die Mlichkeit der Aburteilung durch ein spezielles Jugendgerichterffnet. Soweit der [X.] auf den vom Gesetzgeber in § 102Satz 1, § 112 Satz 1 JGG geregelte Vorrang der Staatsschutzsenate der[X.]r den [X.] hinweist, ist zu bemer-ken, [X.] dieser erst eingreift, wenn die Zustigkeit des [X.]sfeststeht. Bei der zuvor zu entscheidenden Frage, ob die besondere Bedeu-tung des Falles im Sinne des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 [X.] gegeben ist, kanndagegen der Umstand, [X.] sich das Verfahren gegen Jugendliche und Heran-wachsende richtet und die Intentionen des [X.] eher [X.] dieZustigkeit einer [X.] sprechen, durchaus mitbercksichtigt wer-den ([X.], 1359, 1364; vgl. auch [X.] NStZ 1996, 263 ff.).Eine Gesamtabwrgibt, [X.] zwar einige Gesichtspunkte [X.] eineherausgehobene Bedeutung sprechen, [X.] diesen jedoch wesentlich mehr undgewichtigere Aspektrstehen, die eine Einordnung des Falles [X.] zu sonstigen auslrfeindlichen [X.]anschlls eher durch-schnittlich rechtfertigen.[X.] von [X.]

Meta

StB 4/02

21.03.2002

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2002, Az. StB 4/02 (REWIS RS 2002, 3963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 3963

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