Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2012, Az. 1 StR 438/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9293

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Gegenstand

Steuerhehlerei in Form von Absatzhilfe vor Beendigung der vorangegangenen Steuerhinterziehung


Leitsatz

Steuerhehlerei kann jedenfalls in Form von Absatzhilfe auch vor Beendigung der vorangegangenen Steuerhinterziehung begangen werden.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. März 2011 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Der Angeklagte war wiederholt an Geschäften mit unversteuert, d.h. ohne Anmeldung von [X.] Tabaksteuer nach [X.] verbrachten Zigaretten beteiligt. Deshalb wurde er wegen gewerbsmäßiger [X.] in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Seine Revision ist auf die nur zum ersten Fall der Urteilsgründe konkret begründete Sachrüge gestützt. Sie ist unbegründet, § 349 Abs. 2 [X.], was nur hinsichtlich dieses Falles näher auszuführen ist.

2

1. Die Strafkammer hat zu diesem Fall zur Beteiligung des Angeklagten am Absatz von derartigen Zigaretten (10.000 Stangen der Marke „[X.]“) Folgendes festgestellt:

3

Nachdem die Zigaretten bereits im Inland waren, war der ursprünglich vorgesehene Abnehmer abgesprungen. Daraufhin wandte sich „[X.]“, der den Transport im Auftrag der Lieferanten organisierte, hilfesuchend an den bisher an dem Geschehen nicht beteiligten Angeklagten, er brauche Lagerfläche und einen Abnehmer. Der Angeklagte nahm Kontakt mit dem gesondert verfolgten [X.]  auf, der an der Abnahme der Zigaretten interessiert war. Der Angeklagte, die Transporteure, [X.]  und ein Partner [X.]  s trafen sich an einer Raststätte. Das Geschäft kam zustande, der Partner [X.]   s dirigierte den Lastwagen mit den Zigaretten in eine Lagerhalle [X.]  s. Der Angeklagte erhielt für die Vermittlung des Geschäfts aus der Lieferung 1.500, mit logistischer Hilfe eines Partners von [X.]  von ihm dann weiterverkaufte Stangen Zigaretten zu einem Vorzugspreis, wobei er letztlich mit „[X.]“ abrechnete.

4

2. Die Strafkammer hat hinsichtlich der gesamten Lieferung (aus näher dargelegten Gründen gewerbsmäßige) [X.] (§ [X.]) in Form von Absatzhilfe angenommen. Als hinterzogene Steuer hat sie dabei nur (sachgerecht; vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 9. Juni 2011 - 1 StR 21/11 mwN) die [X.] Tabaksteuer zugrunde gelegt.

5

Die Revision meint, [X.] liege lediglich hinsichtlich der Übernahme der 1.500 Stangen Zigaretten vor. Soweit der Angeklagte davor gehandelt habe, seien die Zigaretten insgesamt noch nicht „zur Ruhe gekommen“, die Steuerhinterziehung also noch nicht beendet gewesen. Daher könne er insoweit keine [X.] begangen haben, es liege vielmehr Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor.

6

3. Der Senat sieht keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler.

7

a) Als der Angeklagte Kontakt mit [X.]   aufnahm, war die Steuerhinterziehung zwar bereits vollendet, aber noch nicht beendet, da die Zigaretten bereits im Inland, aber noch nicht „zur Ruhe gekommen“ waren (vgl. hierzu nur [X.], Urteil vom 2. Februar 2010 - 1 [X.]/09 mwN).

8

Es wird unterschiedlich beurteilt, ob [X.] nur nach Beendigung der Vortat begangen werden kann. Die Beendigung der Vortat wird z.B. ohne nähere Begründung und für Fallgestaltungen, bei denen nicht [X.] in Form der Absatzhilfe im Raum stand, von [X.], Urteil vom 4. September 1956 - 5 [X.] für erforderlich gehalten, ebenso von [X.], Urteil vom 24. Juni 1952 - 1 StR 316/51, [X.]St 3, 40, 44 noch zu § 398 [X.], hier sollte „die Ware aus der … gefährlichen Nähe der Grenze“ weggebracht werden (aaO 45), sowie von [X.], 316, 317 und Hilgers-Klautzsch in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § [X.] Rn. 26 ff. [X.] Eine Vollendung der Vortat halten hingegen für [X.] in [X.], 7. Aufl., § [X.] Rn. 13; [X.] in [X.], § 374 Rn. 23 f.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § [X.] Rn. 17, in vergleichbarem Sinne auch [X.], Beschluss vom 18. Juli 2000 - 5 StR 245/00.

9

b) Nach Auffassung des Senats kann [X.] jedenfalls in Form der Absatzhilfe - hinsichtlich anderer Begehungsformen ist dies hier nicht zu prüfen - auch dann vorliegen, wenn die Vortat (hier Steuerhinterziehung) zwar vollendet, aber noch nicht beendet ist.

(1) Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass [X.] grundsätzlich eine abgeschlossene Vortat erfordert (vgl. zuletzt [X.], Beschluss vom 9. November 2011 - 2 StR 386/11; [X.], StGB, 59. Aufl., § 259 Rn. 8 mwN).

(2) Jedoch kann für [X.] sogar eine nur versuchte Tat als Vortat dann ausreichen, wenn diese den Vortäter bereits in den Besitz der Sache gebracht hat (vgl. [X.], Urteil vom 7. März 1995 - 1 StR 523/94, [X.], 81 f. mwN; ebenso [X.] in [X.], 12. Aufl., § 259 Rn. 19, wonach dies im Ergebnis unstreitig sei). Dieser Gesichtspunkt ist hier nicht einschlägig, weil die vorangegangene Steuerhinterziehung nicht unmittelbar an die rechtswidrige Erlangung von Sachherrschaft anknüpfte (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § [X.] Rn. 19). Wenn jedoch sogar eine nur versuchte Vortat Grundlage der [X.] sein kann, zeigt dies aber, dass nicht allein auf das formale Stadium der Vortat abzustellen ist, sondern dass auch die tatsächlichen Verhältnisse in den Blick zu nehmen sind.

Gründe für die Annahme, dass dies nur für [X.], aber nicht für [X.] gelten würde, sind nicht ersichtlich.

(3) Die hier maßgeblichen Gesichtspunkte ergeben sich bereits aus dem Wesen der Absatzhilfe. Diese ist eine zur Täterschaft erhobene Beihilfe, weil die Absatztat für den Vortäter nicht gesondert strafbar ist (vgl. [X.] in [X.], 7. Aufl., § [X.] Rn. 21 mwN). Dennoch ist die Möglichkeit des Absatzes regelmäßig der eigentliche Grund für die der [X.] vorangegangene Steuerhinterziehung in Form des „([X.]“. Denn in Fällen der vorliegenden Art werden, anders als z.B. beim Diebstahl als Vortat einer [X.], zunächst Kosten für den Erwerb der Zigaretten aufgewendet. Hinzu treten die Kosten für ihren Transport und das Risiko der Entdeckung mit allen Folgen. Der Vortäter würde all dies nicht auf sich nehmen, wenn er bei Begehung der Steuerhinterziehung nicht bereits die sichere Erwartung des gewinnbringenden Weiterverkaufs der Zigaretten vor Augen hätte, sondern lediglich deren Verwahrung in einem Versteck, wo sie zur Ruhe kommen, oder - noch fernliegender - eigenen Verbrauch.

(4) Hilfe bei dem für den Vortäter also wesentlichen Absatz (Absatzhilfe) kann typischerweise (wie auch vorliegend) in der Vermittlung von Kontakten zu Kaufinteressenten liegen (vgl. zur [X.] Jahn in [X.], § 259 StGB Rn. 26). Die Absatzhilfe geht im [X.] der Übertragung an den Abnehmer jedenfalls regelmäßig voraus. Sie beschränkt sich also nicht auf Fallgestaltungen, in denen die Steuerhinterziehung bereits beendet ist, weil die Ware schon aus anderem Grunde zur Ruhe gekommen ist (vgl. zu dieser Fallgestaltung [X.], Beschluss vom 18. Juli 2000 - 5 StR 245/00). Vielmehr sind auch die - häufigeren - Fälle erfasst, in denen die Steuerhinterziehung erst mit der Übergabe der „Schmuggelware“ an den Kaufinteressenten beendet wird. Eine Verurteilung allein wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung würde das nach gesetzlicher Wertung beim Tatbeteiligten eigenständige Unrecht, das in der Mitwirkung am Absatz liegt, nicht erfassen.

(5) Abweichende Entscheidungen anderer Senate zum gleichen Sachverhalt sind nicht ersichtlich. Sie würden im Hinblick auf die inzwischen (allein) dem Senat übertragene Zuständigkeit für [X.] auch nicht zu einem Verfahren nach § 132 [X.] führen ([X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 132 [X.], Rn. 12, [X.], [X.], 54. Aufl., § 132 [X.], Rn. 14).

c) An den Voraussetzungen der Absatzhilfe bestehen hier auch sonst keine Zweifel.

(1) Der Angeklagte wollte nicht lediglich die Zigaretten sichern. Er hat nämlich entsprechend der Bitte von „[X.]“ nicht etwa nur einen Lagerplatz beschafft, von dem aus dieser den Absatz der Zigaretten selbst hätte weiterbetreiben können. Er hat darüber hinaus auch einen Abnehmer der Ware beschafft, der die Zigaretten dann in seiner eigenen Halle gelagert hat (zur Bedeutung der - hier ohne Weiteres klaren - Willensrichtung zur Abgrenzung zwischen Beihilfe zur Vortat und [X.] vgl. [X.] in [X.], 7. Aufl., § [X.] Rn. 13 mwN).

(2) Dass der Angeklagte im „Lager“ von „[X.]“ tätig wurde (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 11. Juni 2008 - 5 [X.]/08 mwN), ergibt sich daraus, dass er auf dessen Initiative tätig wurde; dass er zugleich auch ein für den Abnehmer nicht nachteiliges Geschäft vermitteln wollte, steht dem nicht entgegen.

(3) Die erforderliche Unselbständigkeit der Tätigkeit des Angeklagten gegenüber „D.  “ (vgl. [X.] aaO mwN) ergibt sich daraus, dass die Entscheidung zum Weiterverkauf der Zigaretten an [X.]  nicht vom Angeklagten, sondern allein von „[X.]“ getroffen wurde.

Auch sonst sind Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ersichtlich.

[X.]                                                    Wahl                                             Hebenstreit

                            [X.]                                                  [X.]

Meta

1 StR 438/11

09.02.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 30. März 2011, Az: 35 KLs 11/10 - 302 Js 237/09

§ 374 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.02.2012, Az. 1 StR 438/11 (REWIS RS 2012, 9293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9293

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