Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2013, Az. VIII ZR 295/12

8. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4269

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Stromlieferungsvertrag: EEG-Aufschlag und Abrechnungsfrist für die Differenzkosten als Ausschlussfrist


Leitsatz

Die in § 54 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 (in der Fassung vom 25. Oktober 2008, BGBl. I S. 2074, 2087) bestimmte Frist ist keine Ausschlussfrist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 14. August 2012 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 2. Juli 2008 einen Stromlieferungsvertrag für die Abnahmestelle der Klägerin in [X.]  . Das Entgelt für die Stromlieferungen, geregelt in einer als Anlage 2 zum Stromlieferungsvertrag enthaltenen "[X.]", setzte sich aus einem verbrauchsunabhängigen Grundpreis, verbrauchsabhängigen Leistungs- und Arbeitspreisen sowie dem ebenfalls verbrauchsabhängigen "[X.]" gemäß Ziff. 5 zusammen. Ziff. 5 der Anlage 2 zum Stromlieferungsvertrag lautet:

"[X.]

5.1

Das Entgelt für die Stromlieferung gem. den Ziff. 1 - 4 [Grund-, Leistungs-, Arbeitspreis] erhöht sich um einen [X.] zur Deckung der Mehrkosten, die [X.]für den [X.] nach dem "Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien" entstehen. Dieser beträgt (Stand Januar 2008) 1,034 Cent pro Kilowattstunde.

5.2

[X.]  hat bei Erhöhung der [X.] das Recht, bei Reduzierung der [X.] die Pflicht, den [X.] gemäß Ziff. 5.1 jeweils zum ersten eines jeden Monats, auch zu Beginn der Erstlaufzeit, anzupassen.

a. In einem ersten Rechnungsschritt wird der [X.] "Prognose Folgemonat" nach folgender Formel ermittelt: [X.] = [X.] ([X.] - vermiedene Strombeschaffungskosten) […]

b. Der [X.] "Prognose Folgemonat" wird in einem zweiten Berechnungsschritt ergänzt um einen Korrekturbetrag. [X.]  ermittelt diesen Korrekturbetrag aus der endgültigen Abrechnung der Übertragungsnetzbetreiber gemäß § 14 Abs. 3 S. 6 und 7 [X.] unter Anrechnung der von [X.]  vereinnahmten entsprechenden [X.]-Erlöse für das vorvergangene Kalenderjahr. Dieser Korrekturbetrag hat den Zweck, die Differenzen zwischen den gemäß Ziff. 5.2 a. im vorvergangenen Kalenderjahr zugrunde gelegten Prognosewerten und den für das vorvergangene Kalenderjahr nachträglich festgestellten Ist-Werten von [X.]-Quoten und [X.] auszugleichen. Dieser Korrekturbetrag wird von [X.]bei der Ermittlung des [X.]s berücksichtigt und kann zu einer Erhöhung oder zu einer Ermäßigung des [X.]es "Prognose Folgemonat" nach Ziffer a führen. […]"

2

Am 16. Dezember 2009 verlangte die Beklagte die Anpassung der [X.] einschließlich des [X.]s und des [X.] ab dem 1. Januar 2010. Die Klägerin widersprach am 5. Januar 2011 der Anpassung des [X.]s für 2010, insbesondere der Weiterberechnung des [X.] in Höhe von 0,114 Cent pro Kilowattstunde. Sie ist der Auffassung, für die Anpassung des [X.]s gebe es keine Rechtsgrundlage, und zahlte im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2010 bis April 2010 lediglich unter Vorbehalt insgesamt 97,94 € netto als Korrekturbetrag für das [X.] zum [X.] an die Beklagte.

3

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung von als solchen nicht streitigen 97,94 € netto in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr auf die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Anders als vom Amtsgericht angenommen, stehe die Abrechnungsfrist des § 54 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2009 (in der Fassung vom 25. Oktober 2008, [X.] I S. 2074 [2087]; im Folgenden: § 54 [X.] 2009 aF) einer erst nach dem 30. November 2009 erfolgenden Abrechnung der [X.] und ihrer Geltendmachung in Form des monatlichen [X.]s entgegen. Die Klägerin habe den streitigen Betrag deswegen ohne Rechtsgrund gezahlt. Mangels gesetzlicher Übergangsregelungen gelte § 54 [X.] 2009 aF ab dem Inkrafttreten des Gesetzes und erfasse auch Strom, der bereits zuvor eingespeist worden sei. Den betroffenen Unternehmen sei die für die Geltendmachung von [X.] am 30. November 2009 endende Frist des § 54 Abs. 1 [X.] 2009 aF bereits über ein Jahr vor deren Ablauf bekannt gewesen; daher hätten sie sich auf die Änderung der Abrechnungsmodalitäten hinreichend einstellen können.

II.

7

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

8

Die in § 54 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2009 aF genannte Frist ist keine Ausschlussfrist, so dass die von der Klägerin unter Vorbehalt gezahlten 97,94 € (netto) mit Rechtsgrund geleistet worden sind.

9

1. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2009 aF mussten alle Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die Differenzkosten anzeigten, diese für das Vorjahr gegenüber Letztverbrauchern spätestens bis zum 30. November des folgenden Jahres abrechnen und dabei ihre tatsächlichen Strombezugskosten zu Grunde legen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass § 54 [X.] 2009 aF mangels einer abweichenden Übergangsregelung auch auf Differenzkosten für Strommengen, die vor dessen Inkrafttreten eingespeist, aber noch nicht endgültig abgerechnet worden waren, anzuwenden war (Salje, [X.], 5. Aufl., § 54 Rn. 19; [X.] in [X.][X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 54 Rn. 13; [X.]. 10/08, [X.]; [X.]/8148, [X.]). Deswegen waren auch die im vorliegenden Vertrag als "[X.]-Aufschlag" bezeichneten Differenzkosten im Sinne des § 15 Abs. 1 [X.] 2004 (in der Fassung vom 21. Juli 2004, [X.] I S. 1918 [1925]) aus dem [X.] zum 30. November 2009 abzurechnen.

2. Von [X.] beeinflusst ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, es sei der Beklagten verwehrt, entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen den [X.]-Aufschlag im Jahr 2010 um einen aus den Daten des Jahres 2008 errechneten [X.] zu erhöhen, weil sie über die [X.] nicht bis zum 30. November 2009 abgerechnet hatte. Eine solche [X.] der Abrechnungsfrist ist § 54 Abs. 1 [X.] 2009 aF nicht beizulegen, und zwar unabhängig davon, ob die Frist verschuldet oder unverschuldet versäumt wurde.

a) Der Wortlaut von § 54 Abs. 1 [X.] 2009 aF gibt keinen Anhaltspunkt für eine [X.] der Frist. Insbesondere fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung, dass es sich bei der in § 54 Abs. 1 [X.] 2009 aF normierten Frist um eine echte (verschuldensunabhängige) Ausschlussfrist handeln würde, wie sie sich an anderer Stelle des Gesetzes (§ 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2009) findet. Auch gibt der Gesetzeswortlaut, anders als etwa § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB für die Abrechnung über Betriebskosten oder § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG durch den Verweis auf §§ 233 ff. ZPO (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 2009 - [X.], [X.]Z 179, 230 Rn. 8 f.), keinen Hinweis darauf, dass jedenfalls bei verschuldeter Fristversäumung eine Erhöhung des zukünftig zu zahlenden [X.]-Aufschlags um einen [X.] aus dem vorvergangenen Jahr ausgeschlossen sein sollte.

b) Auch aus den Gesetzesmaterialien kann nicht abgeleitet werden, dass es sich bei der in § 54 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2009 aF genannten Frist um eine Ausschlussfrist handeln würde.

aa) Zum einen lässt sich den Gesetzesmaterialien zu § 54 [X.] 2009 aF nicht entnehmen, dass eine [X.] beabsichtigt wäre (BT-Drucks. 16/8148, [X.]). Für den Gesetzgeber waren die Folgen von Fristversäumnissen, abgesehen von § 43 [X.] 2009 ([X.]. 10/08, [X.] f.; BT-Drucks. 16/8148, [X.]), erkennbar nicht von Bedeutung. Zu §§ 53, 54 [X.] 2009 aF wurde lediglich allgemein erörtert, ob der Verweis des § 58 [X.] 2009 auf die §§ 8-14 UWG auch auf die §§ 53, 54 [X.] 2009 aF ausgedehnt werden sollte ([X.]. 10/1/08, [X.]). Weil ein ausreichender Verbraucherschutz bereits durch die Änderungen des Unterlassungsklagengesetzes (in der Fassung vom 25. Oktober 2008, [X.] I 2074 [2099]; [X.]) sichergestellt sei, wurde diese Ausweitung abgelehnt (BT-Drucks. 16/8393, S. 3).

bb) Zum anderen erfordert es der in den Gesetzesmaterialien genannte Zweck der §§ 53, 54 [X.] 2009 aF nicht, der Fristüberschreitung über den Wortlaut hinaus anspruchsvernichtende Wirkung beizulegen. Der Gesetzgeber beabsichtigte, die Transparenz der Ausweisung von Mehrkosten im Zusammenhang mit der Förderung erneuerbarer Energien zu erhöhen und insbesondere mit der Förderung von erneuerbaren Energien begründete, aber tatsächlich ungerechtfertigte Kostensteigerungen zu verhindern ([X.]. 10/08, [X.]; BT-Drucks. 16/8148, [X.], [X.]). Dass er an die Fristversäumung zugleich die einschneidende Rechtsfolge eines Anspruchsverlusts hätte knüpfen wollen, geht aus den Materialien hingegen nicht hervor.

Eine solche Rechtsfolge war auch nicht erforderlich, um dem gesetzgeberischen Anliegen Rechnung zu tragen ([X.] [X.] [Hrsg.], [X.], 3. Aufl., § 53 Rn. 8). Dem gesetzgeberischen Ziel des § 54 Abs. 1 [X.] 2009 aF - Transparenz und zutreffende Abrechnung der Differenzkosten - ist vollumfänglich dadurch Genüge getan, dass dem Endverbraucher ein klagbarer Anspruch auf Abrechnung, ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB an weiteren Vorauszahlungen und gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch bei verspäteter Abrechnung zusteht. Auch kann eine Verletzung der Pflichten aus §§ 53, 54 [X.] 2009 aF gemäß § 2 Abs. 1, 2 Nr. 9 [X.] von [X.] angegriffen werden. Schließlich kann die Aufsichtsbehörde gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 [X.] 2009 aF eine gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.] 2009 aF - bußgeldbewehrte Weisung erteilen (vgl. Posser/[X.] in [X.]/[X.] [Hrsg.], [X.], § 54 Rn. 6, § 53 Rn. 13).

III.

Da die Revision begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Zahlung von 97,94 € aufgrund des [X.] mit Rechtsgrund erfolgte, besteht kein Rückzahlungsanspruch. Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Amtsgerichts ist daher zurückzuweisen.

[X.]                           Dr. Milger                               Dr. Hessel

          Dr. Achilles                          Dr. [X.]

Meta

VIII ZR 295/12

10.07.2013

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Dortmund, 14. August 2012, Az: 1 S 49/11, Urteil

§ 54 Abs 1 S 1 EEG vom 25.10.2008

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2013, Az. VIII ZR 295/12 (REWIS RS 2013, 4269)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4269

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 295/12 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 23/13 (Bundesgerichtshof)

Stromlieferungsvertrag: Rückforderungsanspruch des Kunden nach Ablauf der Abrechnungsfrist für einen "EEG-Aufschlag"


VIII ZR 23/13 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 152/15 (Bundesgerichtshof)

Allgemeine Geschäftsbedingungen für einen Altmietvertrag über eine Wohnung: Anwendbarkeit der Unklarheitenregelung im Hinblick auf eine …


8 C 24/12 (Bundesverwaltungsgericht)

Umfang der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 16 Abs. 1 EEG 2004; "höhere Gewalt" bei Postlaufverzögerungen; …


Referenzen
Wird zitiert von

VIII ZR 152/15

VIII ZR 152/15

VIII ZR 23/13

VIII ZR 23/13

VIII ZR 295/12

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.