Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.03.2011, Az. VIII ZR 173/10

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 8092

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT MIET- UND WEG-RECHT MIETERHÖHUNG

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Gegenstand

Wohnraummiete: Umlage der aufgrund baulicher Modernisierungsarbeiten erforderlichen Aufwendungen für Tapezierarbeiten als Mieterhöhung


Leitsatz

Zu den Kosten baulicher Modernisierungsarbeiten zählen auch Aufwendungen zur Wiederherstellung einer durch die Bauarbeiten beschädigten Dekoration. Diese Kosten können auch dann gemäß § 559 Abs. 1 BGB umgelegt werden, wenn der Mieter die Arbeiten selbst durchgeführt und der Vermieter ihm die Aufwendungen gemäß § 554 Abs. 4 BGB erstattet hat .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] - 2. Zivilkammer - vom 23. Juni 2010 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus der Klägerin in [X.] Mit Schreiben vom 29. Januar 2007 kündigte die Klägerin den Mietern des Anwesens den Einbau von Wasserzählern und eine hierauf gestützte Mieterhöhung um 2,28 € monatlich an. Die Beklagten wiesen darauf hin, dass durch die beabsichtigte Maßnahme eine Neutapezierung der erst kürzlich renovierten Küche erforderlich werde, und verlangten für die in Eigenleistung auszuführenden Arbeiten gemäß § 554 Abs. 4 BGB einen Vorschuss von (zuletzt) 144,30 € auf die ihnen insoweit entstehenden Aufwendungen. Die Klägerin erklärte sich mit Schreiben vom 28. Februar 2007 bereit, die von den Beklagten beanspruchten Renovierungskosten zu übernehmen, weil eine Beschädigung der Tapete beim Einbau der Wasserzähler nicht zu vermeiden sei; zugleich wies sie darauf hin, dass es sich hierbei um umlagefähige Modernisierungskosten handele, so dass sich die Umlage auf 3,67 € monatlich erhöhen werde.

2

Die Klägerin zahlte den als Renovierungskosten geforderten Betrag an die Beklagten und baute den Wasserzähler ein. Mit Schreiben vom 22. März 2007 legte sie die Gesamtkosten von 304,37 € (160,07 € für den Einbau des Wasserzählers und 144,30 [X.] an die Beklagten) gemäß § 559 Abs. 1 BGB um, so dass sich ein monatlicher Erhöhungsbetrag von 2,79 € ergab. Den auf den Tapezierungskostenvorschuss entfallenden Teilbetrag von jeweils 1,32 € zahlten die Beklagten nicht.

3

Die Klägerin begehrt für die Monate Juni 2007 bis Mai 2009 Zahlung von 31,68 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 46,41 €. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

6

Die Klägerin sei nicht berechtigt, die den Beklagten erstatteten Auslagen für die nach dem [X.] durchgeführten Schönheitsreparaturen gemäß § 559 Abs. 1 [X.] als Mieterhöhung umzulegen.

7

Eine Abrechnung über die Schönheitsreparaturen sei nicht erfolgt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die gesamten Aufwendungen in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Einbau des Wasserzählers stünden, weil das von den Beklagten in Rechnung gestellte Material für die Tapezierung der gesamten Küche ausgereicht hätte.

8

Im Übrigen könnten Aufwendungen, die der Vermieter dem Mieter gemäß § 554 Abs. 4 [X.] erstattet habe, grundsätzlich nicht als Modernisierungskosten umgelegt werden. Denn dies würde dazu führen, dass der Mieter - entgegen dem Schutzzweck des § 554 Abs. 4 [X.] - den eigenen Aufwand finanzieren müsste und selbst nach der Amortisierung der Kosten eine entsprechend höhere Miete zu zahlen hätte. Der Mieter, der seinen Aufwendungsersatzanspruch geltend mache, würde mit einer höheren Miete quasi "bestraft".

II.

9

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin hat die Miete mit Schreiben vom 22. März 2007 für die [X.] ab Juni 2007 wirksam um 2,79 € monatlich erhöht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durfte die Klägerin auch die im [X.] an den [X.] entstandenen Renovierungskosten gemäß § 559 [X.] als Modernisierungsmieterhöhung umlegen.

1. Gemäß § 559 Abs. 1 [X.] kann der Vermieter nach der Durchführung baulicher Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöhen, die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern oder nachhaltig Einsparungen von Energie oder Wasser bewirken, die jährliche Miete um 11 vom Hundert der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. Zu derartigen baulichen Maßnahmen - hier zur Einsparung von Wasser - gehört nach allgemeiner Meinung auch der Einbau von Wasserzählern. Hiervon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus.

Zu den Kosten baulicher Modernisierungsmaßnahmen zählen auch Aufwendungen für Tapezierarbeiten, die erforderlich werden, weil die vorhandene, an sich noch nicht erneuerungsbedürftige Dekoration durch die Bauarbeiten beschädigt worden ist. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung handelt es sich dabei nicht um allgemeinen, unabhängig von der Modernisierung anfallenden und damit nicht auf den Mieter umlagefähigen Instandsetzungsaufwand.

Der Vermieter kann die Kosten für einen derartigen Aufwand nicht nur bei Auftragsvergabe an einen [X.] gemäß § 559 Abs. 1 [X.] auf den Mieter umlegen, sondern auch dann, wenn er die Kosten - wie hier - in der Weise getragen hat, dass er dem Mieter, der sich zur Durchführung der Arbeiten bereit erklärt hat, den hierfür verlangten Betrag gemäß § 554 Abs. 4 [X.] zur Verfügung gestellt hat.

a) Allerdings geht eine in der Instanzrechtsprechung und in der Literatur vertretene Auffassung, der auch das Berufungsgericht folgt, davon aus, dass § 554 Abs. 4 [X.] die Kostentragung endgültig regele und es deshalb unzulässig sei, den Mieter über § 559 [X.] die Kosten letztlich doch tragen zu lassen ([X.], [X.] 1990, 130; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. [X.]; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2011, § 559 Rn. 42; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 559 Rn. 23; [X.], Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 559 [X.] Rn. 37; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.], Miete, 4. Aufl., § 559 Rn. 103). Teilweise wird dabei danach differenziert, wer das unternehmerische Risiko für diese Arbeiten trägt (Sternel, aaO).

b) Die Gegenmeinung stellt darauf ab, dass es keinen Unterschied machen könne, ob der Vermieter die Arbeiten selbst in Auftrag gebe und die Kosten direkt trage oder ob der Mieter sie ausführe und sich die Kosten nach § 554 Abs. 4 [X.] vom Vermieter erstatten lasse. In jedem Fall handele es sich um unmittelbaren Bauaufwand ([X.]/[X.]/Börstinghaus, Mietrecht, 10. Aufl., § 559 [X.] Rn. 158; [X.], [X.] 2009, 122, 128).

c) Der letztgenannten Auffassung gebührt der Vorzug. § 559 Abs. 1 [X.] gestattet dem Vermieter die Umlage der von ihm für Modernisierungsmaßnahmen aufgewendeten Kosten, um einen Anreiz dafür zu schaffen, dass der Vermieter entsprechende im allgemeinen Interesse liegende bauliche Maßnahmen durchführt (vgl. BT-Drucks. 14/4553, [X.]). Eine Einschränkung dahin, dass der Vermieter ihm tatsächlich entstandene Kosten nicht umlegen dürfte, wenn und weil die Arbeiten von dem in Vorlage getretenen Mieter selbst ausgeführt worden sind, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 559 Abs. 1 [X.] noch aus seinem Zweck. Sie würde auch dem Interesse beider Mietparteien widersprechen, kleinere Nacharbeiten im Zusammenhang mit einer Modernisierungsmaßnahme kostengünstig durch den Mieter in Eigenleistung ausführen zu lassen. Denn ein Vermieter, der die dem Mieter hierfür erstatteten Kosten nicht umlegen könnte, hätte Anlass, von vornherein einen Handwerker zu beauftragen, weil er diese - regelmäßig höheren - Kosten ohne weiteres auf den Mieter umlegen kann. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der Vermieter als "Bauherr" der Nacharbeiten anzusehen ist; entscheidend ist vielmehr, dass der Vermieter diesen Aufwand im Rahmen einer baulichen Modernisierungsmaßnahme getragen hat.

Anders als das Berufungsgericht meint, wird der Mieter durch die Umlage der ihm erstatteten Modernisierungsaufwendungen auch nicht "bestraft". Denn der Vermieter muss diese Kosten - wie die übrigen Kosten, die ihm für den Einbau der Wasserzähler entstehen - bevorschussen und kann sie lediglich im Rahmen des § 559 Abs. 1 [X.] über einen längeren [X.]raum umlegen.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob die von den Beklagten geltend gemachten Renovierungsaufwendungen über das hinausgingen, was zur Beseitigung der durch den Zählereinbau verursachten Schäden an der Dekoration erforderlich war. Den Beklagten ist es jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 [X.]) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass die von ihnen geltend gemachten und von der Klägerin vollständig erstatteten Aufwendungen ihnen nicht entstanden oder nicht erforderlich gewesen seien. Das Gleiche gilt für den weiteren Einwand der Beklagten, sie hätten die Renovierungsarbeiten erst am 15. April 2007 abgeschlossen, so dass die von der Klägerin mit Schreiben vom 22. März 2007 begehrte Mieterhöhung verfrüht gewesen sei. Da die Beklagten den beanspruchten Kostenvorschuss für die Renovierung schon vor dem am 20. März 2007 erfolgten Einbau des Wasserzählers gefordert und erhalten haben, ist das Vorgehen der Klägerin nicht zu beanstanden; die Beklagten müssen sich zumindest nach [X.] und Glauben so behandeln lassen, als wären die Arbeiten unmittelbar nach dem Einbau des Wasserzählers erfolgt.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wurde die Mieterhöhung gemäß § 559a Abs. 2 Satz 1 [X.] mit dem Beginn des dritten Monats ab Zugang des [X.] vom 22. März 2007 wirksam, so dass die Beklagten die erhöhte Miete ab Juni 2007 zu zahlen hatten. Eine Verlängerung der Frist nach § 559a Abs. 2 Satz 3 [X.] wegen nicht rechtzeitiger Ankündigung der Modernisierung gemäß § 554 Abs. 3 Satz 1 [X.] kommt nicht in Betracht, weil der Einbau des Wasserzählers nur mit einer unerheblichen Einwirkung auf die Mieträume verbunden war und lediglich eine unerhebliche Mieterhöhung zur Folge hatte, so dass es gemäß § 554 Abs. 3 Satz 3 [X.] einer Modernisierungsankündigung nach § 554 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht bedurfte.

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Ball     

        

Dr. Milger     

        

Dr. Hessel

        

Dr. Fetzer     

        

Dr. Bünger     

        

Meta

VIII ZR 173/10

30.03.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Görlitz, 23. Juni 2010, Az: 2 S 9/10, Urteil

§ 554 Abs 4 BGB, § 559 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 30.03.2011, Az. VIII ZR 173/10 (REWIS RS 2011, 8092)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8092

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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