Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 09.12.2010, Az. 10 C 19/09

10. Senat | REWIS RS 2010, 545

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Gegenstand

Vorlage zur Vorabentscheidung; Flüchtlingsanerkennung; religiöse Verfolgung pakistanischer Ahmadis; Vorabentscheidungsersuchen


Leitsatz

Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Voraussetzungen einer Verfolgung wegen Verletzung der Religionsfreiheit nach der Richtlinie 2004/83/EG (juris: EGRL 83/2004).

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] zu folgenden Fragen eingeholt:

1) Ist Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/[X.] dahin auszulegen, dass nicht jeder Eingriff in die Religionsfreiheit, der gegen Art. 9 [X.] verstößt, eine Verfolgungshandlung im Sinne der erstgenannten Vorschrift darstellt, sondern liegt eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht nur dann vor, wenn ihr Kernbereich betroffen ist?

2) Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:

a) Ist der Kernbereich der Religionsfreiheit auf das Glaubensbekenntnis und auf [X.] im häuslichen und nachbarschaftlichen Bereich beschränkt oder kann eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/[X.] auch darin liegen, dass im Herkunftsland die Glaubensausübung in der Öffentlichkeit zu einer Gefahr für Leib, Leben oder physische Freiheit führt und der Antragsteller deshalb auf sie verzichtet?

b) Falls der Kernbereich der Religionsfreiheit auch bestimmte [X.] in der Öffentlichkeit umfassen kann:

Genügt es in diesem Fall für eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit, dass der Antragsteller diese Betätigung seines Glaubens für sich selbst als unverzichtbar empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren,

oder ist außerdem erforderlich, dass die Religionsgemeinschaft, der der Antragsteller angehört, diese religiöse Betätigung als zentralen Bestandteil ihrer Glaubenslehre ansieht,

oder können sich aus sonstigen Umständen, etwa den allgemeinen Verhältnissen im Herkunftsland, weitere Einschränkungen ergeben?

3) Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:

Liegt eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/[X.] dann vor, wenn feststeht, dass der Antragsteller bestimmte - außerhalb des Kernbereichs liegende - religiöse Betätigungen nach Rückkehr in das Herkunftsland vornehmen wird, obwohl sie zu einer Gefahr für Leib, Leben oder physische Freiheit führen werden, oder ist es dem Antragsteller zuzumuten, auf solche künftigen Betätigungen zu verzichten?

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein [X.] Staatsangehöriger, begehrt die Zuerkennung der Flü[X.]htlingseigens[X.]haft sowie hilfsweise die Feststellung eines Abs[X.]hiebungsverbots in Bezug auf [X.].

2

Der 1977 in [X.] geborene Kläger reiste im August 2003 na[X.]h [X.] ein und beantragte hier Asyl. Zur Begründung gab er an, er habe [X.] verlassen, weil er der [X.]yya-Glaubensgemeins[X.]haft angehöre und deshalb misshandelt und inhaftiert worden sei.

3

Mit Bes[X.]heid vom 8. Juli 2004 lehnte das [X.] - jetzt: [X.] - ([X.]) den Antrag auf Gewährung von Asyl na[X.]h Art. 16a des Grundgesetzes ab (Ziff. 1) und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 [X.] (Flü[X.]htlingss[X.]hutz) ni[X.]ht vorliegen (Ziff. 2). Zuglei[X.]h stellte es fest, dass [X.] na[X.]h § 53 [X.] ni[X.]ht vorliegen (Ziff. 3), und drohte dem Kläger die Abs[X.]hiebung na[X.]h [X.] an (Ziff. 4).

4

Das Verwaltungsgeri[X.]ht hat mit Urteil vom 13. Juli 2007 die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe [X.] ni[X.]ht aus begründeter Fur[X.]ht vor Verfolgung verlassen. Die Lage der [X.]s in [X.] re[X.]htfertige no[X.]h ni[X.]ht die Annahme einer Verfolgung aus religiösen Gründen.

5

Auf die hiergegen geri[X.]htete Berufung hat das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht mit Urteil vom 13. Novem[X.] 2008 das Urteil des [X.] geändert und die Beklagte zu der Feststellung verpfli[X.]htet, dass in der Person des [X.] die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 [X.] ([X.]) in Bezug auf [X.] vorliegen. Zur Begründung hat es im Wesentli[X.]hen ausgeführt, der Kläger habe zwar ni[X.]ht glaubhaft gema[X.]ht, dass er in [X.] s[X.]hon vor seiner Ausreise von individueller Verfolgung bedroht gewesen sei. Er sei jetzt a[X.] jedenfalls als aktiver [X.] in [X.] einer ihn kollektiv treffenden Verfolgungsgefahr im Sinne von § 60 Abs. 1 [X.] ausgesetzt. Ihm sei nämli[X.]h eine Fortführung seiner öffentli[X.]hkeitswirksamen religiösen Betätigung bei einer Rü[X.]kkehr na[X.]h [X.] ni[X.]ht ohne konkrete Gefahr für Leib und Leben mögli[X.]h.

6

Na[X.]h den Feststellungen des O[X.]verwaltungsgeri[X.]hts wurde die [X.]yya- Gemeins[X.]haft 1889 im heutigen [X.] Bundesstaat [X.] gegründet. Sie verstehe si[X.]h als innerislamis[X.]he Erneuerungsbewegung, während aus Si[X.]ht der orthodoxen Muslime die [X.]s Apostaten seien, die ihr Leben verwirkt hätten. In [X.] leben etwa ein bis zwei Millionen [X.]s, davon allerdings allenfalls 500 000 bis 600 000 bekennende Mitglieder. Der ganz ü[X.]wiegende Teil der pakistanis[X.]hen Bevölkerung seien sunnitis[X.]he und s[X.]hiitis[X.]he Moslems. Der Islam sei in [X.] dur[X.]h die Verfassung von 1973 zur Staatsreligion erklärt worden. Die [X.]s seien na[X.]h der Verfassung als Ni[X.]ht-Muslime anzusehen und würden als religiöse Minderheit eingestuft. Na[X.]h dem pakistanis[X.]hen Strafgesetzbu[X.]h würden Angehörige der [X.]yya-Glaubensgemeins[X.]haft mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe betraft, wenn sie den Anspru[X.]h erheben würden, Muslime zu sein, ihren Glauben als Islam bezei[X.]hnen, ihn predigen oder propagieren oder andere auffordern würden, ihren Glauben anzunehmen ([X.]. 298 C des Strafgesetzbu[X.]hes). Na[X.]h [X.]. 295 C des Strafgesetzbu[X.]hes könne zudem mit dem Tode oder lebenslanger Freiheitsstrafe und Geldstrafe bestraft werden, wer den Namen des Propheten [X.] verunglimpfe. Seit Einführung dieser spezifis[X.]h auf die [X.]s zuges[X.]hnittenen Blasphemiebestimmung sollen etwa 2 000 Strafverfahren gegen [X.]s eingeleitet worden sein. In den Pässen würden die [X.]s - entgegen ihrem religiösen Selbstverständnis - als "non-muslim" geführt.

7

Den [X.]s sei es untersagt, öffentli[X.]he Versammlungen sowie religiöse Treffen und Konferenzen abzuhalten, namentli[X.]h au[X.]h sol[X.]he Veranstaltungen, auf denen öffentli[X.]h gebetet werde. Hingegen werde es ihnen ni[X.]ht generell unmögli[X.]h gema[X.]ht, si[X.]h in ihren Gebetshäusern zu versammeln. Allerdings werde die gemeinsame Ausübung des Glaubens immer wieder dadur[X.]h behindert, dass Gebetshäuser aus willkürli[X.]hen Gründen ges[X.]hlossen würden oder deren Erri[X.]htung verhindert werde und Gebetshäuser oder Versammlungsstätten von Extremisten ü[X.]fallen würden. Im Gegensatz zu anderen Minderheitsreligionen sei den [X.]s jedes Werben für ihren Glauben mit dem Ziel, andere zum Beitritt in die eigene Glaubensgemeins[X.]haft zu bewegen, strikt untersagt und werde regelmäßig strafre[X.]htli[X.]h verfolgt. [X.]s seien seit Jahren in besonders auffälligem Maße Opfer religiös motivierter Gewalttaten, die aus der Mitte der Mehrheitsbevölkerung von religiösen Extremisten begangen würden, ohne dass die [X.] hiergegen effektiven S[X.]hutz gewährten.

8

Die so bes[X.]hriebene Situation stellt na[X.]h der Würdigung des O[X.]verwaltungsgeri[X.]hts für einen dem Glauben eng und verpfli[X.]htend verbundenen [X.] in [X.], zu dessen Ü[X.]zeugung es au[X.]h gehört, den Glauben in der Öffentli[X.]hkeit zu leben, eine s[X.]hwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit dar. Angesi[X.]hts der angedrohten erhebli[X.]hen Strafen sowie der zahlrei[X.]hen ungehinderten Ü[X.]griffe extremistis[X.]her Gruppen lege es für einen [X.] der gesunde Mens[X.]henverstand nahe, alle öffentli[X.]hkeitswirksamen [X.] zu unterlassen oder äußerst zu bes[X.]hränken, insbesondere jedes öffentli[X.]he Verbreiten des eigenen Glaubens. Aufgrund der informatoris[X.]hen Befragung des [X.] in der mündli[X.]hen Verhandlung und der von ihm eingerei[X.]hten Unterlagen ist das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht davon ü[X.]zeugt, dass der Kläger seinem Glauben eng verbunden sei und ihn in [X.] aktiv in führender Position gelebt habe. Au[X.]h in [X.] übe er seinen Glauben weiterhin aus.

9

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügen die Beklagte und der Bundesbeauftragte, dass das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht den S[X.]hutz[X.]ei[X.]h der Religionsfreiheit na[X.]h Art. 9 und Art. 10 Abs. 1 Bu[X.]hst. b der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] zu weit gezogen habe. Sie verweisen auf die in [X.] vor Umsetzung der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] herrs[X.]hende Re[X.]htspre[X.]hung, wona[X.]h eine asylerhebli[X.]he Verfolgung nur bei Eingriffen in den Kern[X.]ei[X.]h der religiösen Ü[X.]zeugung angenommen worden sei, ni[X.]ht a[X.] au[X.]h bei Bes[X.]hränkungen der öffentli[X.]hen Ausübung des Glaubens. Die Bes[X.]hränkungen für [X.]s in [X.], die die Praktizierung ihres Glaubens in der Öffentli[X.]hkeit betreffen, stellten keinen Eingriff in den Kern[X.]ei[X.]h der Religionsfreiheit dar. Im Übrigen ergebe si[X.]h aus den Feststellungen des O[X.]verwaltungsgeri[X.]hts zu der Frage, wie der Kläger seinen Glauben in [X.] praktiziere, ni[X.]hts dafür, dass für ihn Handlungsweisen unverzi[X.]htbar wären, die ü[X.] den Kern[X.]ei[X.]h der religiösen Betätigung hinausgehen.

II.

Der Re[X.]htsstreit ist auszusetzen. Es ist eine Vorabents[X.]heidung des Geri[X.]htshofs der [X.] (im Folgenden: Geri[X.]htshof) zu den im [X.] formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 AEUV). Die Fragen betreffen die Auslegung des Art. 2 Bu[X.]hst. [X.] und des Art. 9 der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] des Rates vom 29. April 2004 ü[X.] [X.] für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flü[X.]htlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen S[X.]hutz benötigen, und ü[X.] den Inhalt des zu gewährenden S[X.]hutzes ([X.] vom 30. Septem[X.] 2004 S. 12; [X.]. [X.] 204 vom 5. August 2005 S. 24). Da es um die Auslegung von Unionsre[X.]ht geht, ist der Geri[X.]htshof zuständig. Es wird darauf hingewiesen, dass die Fragen Gegenstand eines weiteren - glei[X.]hlautenden - Vorabents[X.]heidungsersu[X.]hens sind (vgl. Bes[X.]hluss vom 9. Dezem[X.] 2010 - BVerwG 10 C 21.09).

1. Für die re[X.]htli[X.]he Beurteilung des Verpfli[X.]htungsbegehrens auf Zuerkennung der Flü[X.]htlingseigens[X.]haft ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) auf die Sa[X.]h- und Re[X.]htslage im Zeitpunkt der letzten mündli[X.]hen Verhandlung vor dem O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht am 13. Novem[X.] 2008 abzustellen. Dana[X.]h bilden folgende nationale Vors[X.]hriften, die - soweit hier eins[X.]hlägig - au[X.]h derzeit no[X.]h unverändert gelten, den re[X.]htli[X.]hen Rahmen dieses Re[X.]htsstreits:

§ 3 Abs. 1 und Abs. 4 des [X.] (AsylVfG) vom 27. Juli 1993 ([X.] 1361) in der Fassung der Bekanntma[X.]hung vom 2. Septem[X.] 2008 ([X.] 1798):

§ 3 Zuerkennung der Flü[X.]htlingseigens[X.]haft

(1) Ein Ausländer ist Flü[X.]htling im Sinne des Abkommens ü[X.] die Re[X.]htsstellung der Flü[X.]htlinge, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnli[X.]hen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen na[X.]h § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist.

(2) und (3) ...

(4) Einem Ausländer, der Flü[X.]htling na[X.]h Absatz 1 ist, wird die Flü[X.]htlingseigens[X.]haft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes.

§ 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes ([X.]) vom 30. Juli 2004 ([X.] 1950) in der Fassung der Bekanntma[X.]hung vom 25. Februar 2008 ([X.] 162):

§ 60 Verbot der Abs[X.]hiebung

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 ü[X.] die Re[X.]htsstellung der Flü[X.]htlinge ([X.]) darf ein Ausländer ni[X.]ht in einen Staat abges[X.]hoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten [X.] Gruppe oder wegen seiner politis[X.]hen Ü[X.]zeugung bedroht ist. Dies gilt au[X.]h für Asyl[X.]e[X.]htigte und Ausländer, denen die Flü[X.]htlingseigens[X.]haft unanfe[X.]htbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im [X.] die Re[X.]htsstellung ausländis[X.]her Flü[X.]htlinge genießen oder die außerhalb des [X.]s als ausländis[X.]he Flü[X.]htlinge na[X.]h dem Abkommen ü[X.] die Re[X.]htsstellung der Flü[X.]htlinge anerkannt wurden. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten [X.] Gruppe kann au[X.]h dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperli[X.]hen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Ges[X.]hle[X.]ht anknüpft. Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von

a)

dem Staat,

b)

Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentli[X.]he Teile des Staatsgebiets beherrs[X.]hen oder

[X.])

ni[X.]htstaatli[X.]hen Akteuren, sofern die unter den Bu[X.]hstaben a und b genannten Akteure eins[X.]hließli[X.]h internationaler Organisationen erwiesenermaßen ni[X.]ht in der Lage oder ni[X.]ht willens sind, S[X.]hutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatli[X.]he Herrs[X.]haftsma[X.]ht vorhanden ist oder ni[X.]ht,

es sei denn, es besteht eine innerstaatli[X.]he Flu[X.]htalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung na[X.]h Satz 1 vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] des Rates vom 29. April 2004 ü[X.] [X.] für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flü[X.]htlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen S[X.]hutz benötigen, und ü[X.] den Inhalt des zu gewährenden S[X.]hutzes ([X.] S. 12) ergänzend anzuwenden. Wenn der Ausländer si[X.]h auf das Abs[X.]hiebungsverbot na[X.]h diesem Absatz [X.]uft, stellt das [X.] außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flü[X.]htlingseigens[X.]haft zuzuerkennen ist. Die Ents[X.]heidung des [X.]es kann nur na[X.]h den Vors[X.]hriften des [X.] angefo[X.]hten werden.

2. Die Vorlagefragen sind ents[X.]heidungserhebli[X.]h und bedürfen einer Klärung dur[X.]h den Geri[X.]htshof.

Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flü[X.]htlingseigens[X.]haft na[X.]h § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 [X.]. Dana[X.]h ist einem Ausländer die Flü[X.]htlingseigens[X.]haft zuzuerkennen, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, Bedrohungen seines Lebens und seiner Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten [X.] Gruppe oder wegen seiner politis[X.]hen Ü[X.]zeugung ausgesetzt ist. Na[X.]h § 60 Abs. 1 Satz 5 [X.] sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung na[X.]h Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] ergänzend anzuwenden. Na[X.]h Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie gelten als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 A der Genfer Flü[X.]htlingskonvention sol[X.]he Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine s[X.]hwerwiegende Verletzung der grundlegenden Mens[X.]henre[X.]hte darstellen, insbesondere der Re[X.]hte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Europäis[X.]hen Konvention zum S[X.]hutze der Mens[X.]henre[X.]hte und Grundfreiheiten ([X.]) keine Abwei[X.]hung zulässig ist. Na[X.]h Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. b der Ri[X.]htlinie kann eine Verfolgungshandlung au[X.]h in einer Kumulierung unters[X.]hiedli[X.]her Maßnahmen, eins[X.]hließli[X.]h einer Verletzung der Mens[X.]henre[X.]hte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnli[X.]her wie der unter Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie bes[X.]hriebenen Weise betroffen ist. Die Gewährung von Flü[X.]htlingss[X.]hutz setzt daher eine Verfolgungshandlung voraus, die - anknüpfend an die in Art. 10 der Ri[X.]htlinie genannten Verfolgungsgründe (Art. 9 Abs. 3 der Ri[X.]htlinie) - ein Mens[X.]henre[X.]ht in s[X.]hwerwiegender Weise verletzt.

Da eine Vorverfolgung des [X.] im Sinne des Art. 4 Abs. 4 der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] ni[X.]ht festgestellt worden ist, kommt es darauf an, ob ihm in seinem Herkunftsstaat künftig mit bea[X.]htli[X.]her Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit (real risk) Verfolgung droht. Dabei geht es um die Frage, unter wel[X.]hen Voraussetzungen an den [X.] anknüpfende Handlungen als so s[X.]hwerwiegend anzusehen sind, dass sie die Qualität einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] besitzen. Die Frage stellt si[X.]h ents[X.]heidungserhebli[X.]h zum einen dann, wenn ein Ausländer unter dem Dru[X.]k der ihm drohenden Gefahr für Leib, Leben oder physis[X.]he Freiheit von einer religiösen Betätigung absieht (im Folgenden: Fragen 1 und 2). Sie stellt si[X.]h a[X.] au[X.]h dann, wenn feststeht, dass ein Ausländer seine Religion im Heimatland trotz der ihm drohenden Sanktionen praktizieren wird und ihm dadur[X.]h Gefahr für Leib, Leben oder physis[X.]he Freiheit droht (im Folgenden: Frage 3). Das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht geht davon aus, dass der Kläger sowohl im Fall des Verzi[X.]hts wie im Fall der Ausübung der Religion von einer flü[X.]htlingsre[X.]htli[X.]h erhebli[X.]hen Verfolgung betroffen ist, ohne si[X.]h festzulegen, wie der Kläger si[X.]h tatsä[X.]hli[X.]h verhalten würde. Es kommt also ents[X.]heidungserhebli[X.]h auf beide Handlungsalternativen an.

Im Einzelnen stellen si[X.]h in diesem Zusammenhang die folgenden Vorlagefragen 1 bis 3. Sie bedürfen einer Klärung dur[X.]h den Geri[X.]htshof der [X.], da er zur Ents[X.]heidung auslegungsbedürftiger Fragen betreffend die hier maßgebli[X.]he Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] [X.]ufen ist.

1. Vorlagefrage:

Geht es im vorliegenden Fall um die Frage, wel[X.]he konkreten Eingriffe in die Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 [X.] zu einer Anerkennung des [X.] als Flü[X.]htling führen können, ist zunä[X.]hst zu klären, ob jeder Eingriff in die Religionsfreiheit, der gegen Art. 9 [X.] verstößt, eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] darstellt oder ob es hierfür eines qualifizierten Eingriffs bedarf, dur[X.]h den der Kern[X.]ei[X.]h der Religionsfreiheit verletzt wird.

Das vorlegende Geri[X.]ht ist der Auffassung, dass Eingriffe in die Religionsfreiheit eine s[X.]hwerwiegende Mens[X.]henre[X.]htsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] darstellen können. Zwar soll dur[X.]h diese Vors[X.]hrift insbesondere die Verletzung sol[X.]her Mens[X.]henre[X.]hte erfasst werden, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 [X.] keine Abwei[X.]hung zulässig ist. Hierzu zählt die Religionsfreiheit ni[X.]ht. Allerdings ist der Verweis in Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] auf die in Art. 15 Abs. 2 [X.] aufgeführten Re[X.]hte ni[X.]ht abs[X.]hließend, wie si[X.]h aus der Formulierung "insbesondere" ergibt. Der Europäis[X.]he Geri[X.]htshof für Mens[X.]henre[X.]hte ([X.]MR) hat in seiner Re[X.]htspre[X.]hung wiederholt die grundlegende Bedeutung der Religionsfreiheit für die demokratis[X.]he Gesells[X.]haft betont (vgl. etwa Urteil vom 5. April 2007 - Nr. 18147/02, S[X.]ientology/[X.] - Rn. 71, [X.], 495 f.). Dass der Religionsfreiheit eine zentrale Bedeutung bei den Mens[X.]henre[X.]hten zukommt, wird au[X.]h an dem vielfältigen S[X.]hutz dieses Re[X.]hts auf [X.] deutli[X.]h. So garantieren ni[X.]ht nur zahlrei[X.]he nationale Verfassungen die Religionsfreiheit als Mens[X.]henre[X.]ht (vgl. in [X.] Art. 4 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes), sondern au[X.]h Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundre[X.]hte der [X.] ([X.]), Art. 18 der Allgemeinen Erklärung der Mens[X.]henre[X.]hte der [X.] von 1948 und Art. 18 des [X.] ü[X.] bürgerli[X.]he und politis[X.]he Re[X.]hte von 1966. Das vorlegende Geri[X.]ht ist deshalb s[X.]hon vor Geltung der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] in ständiger Re[X.]htspre[X.]hung davon ausgegangen, dass Verletzungen der Religionsfreiheit - jedenfalls wenn sie einen für die religiöse Identität des Einzelnen wesentli[X.]hen Kern[X.]ei[X.]h betreffen - die Annahme einer asylerhebli[X.]hen Verfolgung re[X.]htfertigen (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 C 9.03 - BVerwGE 120, 16 <24> m.w.N.). Es hat dies au[X.]h zu Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie so ents[X.]hieden (Urteil vom 5. März 2009 - BVerwG 10 C 51.07 - BVerwGE 133, 221 Rn. 13 f.). Das vorlegende Geri[X.]ht geht im Übrigen au[X.]h in seiner Re[X.]htspre[X.]hung zum Abs[X.]hiebungss[X.]hutz im Fall einer Verletzung der [X.] (jetzt: § 60 Abs. 5 [X.]) davon aus, dass eine s[X.]hwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit ein Abs[X.]hiebungsverbot na[X.]h Art. 9 [X.] begründen kann (vgl. Urteil vom 24. Mai 2000 - BVerwG 9 C 34.99 - BVerwGE 111, 223 <229 f.>).

Na[X.]h Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] können nur sol[X.]he Handlungen eine flü[X.]htlingsre[X.]htli[X.]h erhebli[X.]he Verfolgung begründen, die eine s[X.]hwerwiegende Verletzung der grundlegenden Mens[X.]henre[X.]hte darstellen. Das bedeutet, dass ni[X.]ht jede Bes[X.]hränkung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 [X.] ausrei[X.]ht, sondern eine s[X.]hwerwiegende Verletzung dieses Re[X.]hts erforderli[X.]h ist. Eine sol[X.]he s[X.]hwerwiegende Verletzung dürfte dann vorliegen, wenn die Religionsfreiheit in ihrem Kern[X.]ei[X.]h betroffen ist.

Zunä[X.]hst s[X.]heiden sol[X.]he Handlungen von vornherein aus, die zwar einen Eingriff in die Religionsfreiheit na[X.]h Art. 9 Abs. 1 [X.] darstellen, a[X.] keine Verletzung dieses Re[X.]hts, weil sie na[X.]h Art. 9 Abs. 2 [X.] gere[X.]htfertigt sind. So hat der [X.]MR im Verbot des Tragens eines Kopftu[X.]hs in der [X.] zwar eine Eins[X.]hränkung der Religionsfreiheit der betroffenen Studentin gesehen, eine Verletzung von Art. 9 [X.] a[X.] verneint, weil der Eingriff zur Wahrung der religiösen Neutralität des Staates und des religiösen Friedens an der [X.] gere[X.]htfertigt war (Urteil vom 10. Novem[X.] 2005 - [X.] - Nr. 44774/98, [X.]/[X.] - Rn. 106 bis 116, NVwZ 2006, 1389). In der Bestrafung von [X.] wegen Missionierung hat der [X.]MR ebenfalls einen Eingriff in die Religionsfreiheit gesehen, diesen a[X.] für gere[X.]htfertigt era[X.]htet, wenn er dem S[X.]hutz des Glaubens und der Würde anderer vor einer Beeinflussung mit verwerfli[X.]hen Mitteln dient (Urteil vom 25. Mai 1993 - Nr. 14307/88, [X.]/Grie[X.]henland - Rn. 48, Slg. 1996-IV S. 1364).

Keinen Eingriff in den Kern[X.]ei[X.]h der Religionsfreiheit stellen ferner Handlungen dar, die zwar gegen Art. 9 [X.] verstoßen, in ihrer S[X.]hwere a[X.] ni[X.]ht der Verletzung sol[X.]her Mens[X.]henre[X.]hte entspre[X.]hen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 [X.] keine Abwei[X.]hung zulässig ist. Der [X.]MR hat in einem Urteil vom 7. Dezem[X.] 2010 die Religionsfreiheit in einem Fall als verletzt angesehen, in dem einem Mahayana Buddhisten, der in [X.] eine a[X.]htjährige Haftstrafe wegen Vergewaltigung verbüßt, die Verabrei[X.]hung einer von seiner Glaubenslehre vorges[X.]hriebenen fleis[X.]hlosen Kost verweigert wurde (Nr. 18429/06, [X.]/[X.] - Rn. 54 f.). Eine Verletzung der Religionsfreiheit hat er au[X.]h darin gesehen, dass die Staatsangehörigen der [X.] in ihrem staatli[X.]hen Ausweis die Religionszugehörigkeit anzugeben hatten, weil das mit der Freiheit unvereinbar sei, seinen Glauben ni[X.]ht preisgeben zu müssen, selbst wenn dem Ausweisinha[X.] die Mögli[X.]hkeit eröffnet wird, von jegli[X.]her Eintragung in die Rubrik "Religion" abzusehen (Urteil vom 2. Februar 2010 - Nr. 21924/05, [X.]/[X.]). Im Übrigen wird die [X.] des [X.]MR demnä[X.]hst zu ents[X.]heiden haben, ob eine Verletzung der staatli[X.]hen Neutralitätspfli[X.]ht und des Re[X.]hts der S[X.]hulkinder, einen Glauben zu haben oder ni[X.]ht zu haben, s[X.]hon allein deshalb zu bejahen ist, weil Kinder in [X.] in Klassenzimmern unterri[X.]htet wurden, in denen ein Kreuz aufgehängt war (vgl. Urteil der Kammer vom 3. Novem[X.] 2009 - Nr. 30814/06, [X.]/[X.]). Die vorgenannten Verletzungshandlungen sind na[X.]h Auffassung des vorlegenden Geri[X.]hts ni[X.]ht von einem sol[X.]hen Gewi[X.]ht, dass im Fall der Flu[X.]ht der Betroffenen ins Ausland die Anerkennung als Flü[X.]htling im Sinne der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] gere[X.]htfertigt wäre. Sie stellen keinen Eingriff in den Kern[X.]ei[X.]h der Religionsfreiheit dar. Der [X.]MR hat in seiner bisherigen Re[X.]htspre[X.]hung - soweit ersi[X.]htli[X.]h - no[X.]h in keinem Fall eine Verletzung der Religionsfreiheit als so s[X.]hwerwiegend angesehen, dass er einem Ausländer allein deshalb S[X.]hutz vor Abs[X.]hiebung gewährt hat. Er hat Ausländern Abs[X.]hiebungss[X.]hutz vielmehr nur in Fällen einer im Heimatstaat drohenden Verletzung anderer Mens[X.]henre[X.]hte - insbesondere von Art. 3 [X.] - zugebilligt.

Etwas anderes kann au[X.]h ni[X.]ht aus der weiten Definition der Religion als [X.] in Art. 10 Abs. 1 Bu[X.]hst. b der Ri[X.]htlinie hergeleitet werden. Diese bezieht si[X.]h auf den [X.], an den eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Ri[X.]htlinie anknüpfen muss. Eine Verfolgungshandlung na[X.]h Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie setzt a[X.] ni[X.]ht nur einen Eingriff in den weiten S[X.]hutz[X.]ei[X.]h des Art. 9 Abs. 1 [X.] voraus, sondern au[X.]h die fehlende Re[X.]htfertigung des Eingriffs (vgl. Art. 9 Abs. 2 [X.]) sowie eine Verletzung, die s[X.]hwerwiegend ist.

2. Vorlagefrage:

Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist, stellt si[X.]h die Frage na[X.]h der inhaltli[X.]hen Bestimmung des Kern[X.]ei[X.]hs der Religionsfreiheit, dessen Verletzung na[X.]h Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] als Verfolgungshandlung zu qualifizieren ist.

Aus Art. 9 [X.] und aus der Re[X.]htspre[X.]hung des [X.]MR lassen si[X.]h hierzu erste Anhaltspunkte entnehmen. Art. 9 Abs. 1 [X.] s[X.]hützt zunä[X.]hst die innere Religionsfreiheit ([X.]MR, Urteile vom 25. Mai 1993 - Nr. 14307/88, [X.]/Grie[X.]henland - Rn. 31 und vom 10. Novem[X.] 2005 - [X.] - Nr. 44774/98, [X.]/[X.] - Rn. 105). Die innere Seite der Religionsfreiheit umfasst, einen Glauben zu haben und zu bilden, diesen au[X.]h neu zu wählen und zu we[X.]hseln. Ges[X.]hützt ist au[X.]h, keinen Glauben zu haben. Der S[X.]hutz des Art. 9 Abs. 1 [X.] erstre[X.]kt si[X.]h a[X.] au[X.]h auf die Freiheit, seine Religion einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentli[X.]h und im Kreis derer zu bekennen, die demselben Glauben anhängen ([X.]MR, Urteil vom 10. Novem[X.] 2005 a.a.[X.]). Die Freiheit zum Bekenntnis und zur Ausübung der Religion in der Öffentli[X.]hkeit unterliegt - anders als die innere Religionsfreiheit - den Eins[X.]hränkungen na[X.]h Art. 9 Abs. 2 [X.]. Bereits hieraus ergibt si[X.]h, dass ni[X.]ht jede Bes[X.]hränkung der Ausübung der Religion in der Öffentli[X.]hkeit als s[X.]hwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit angesehen werden kann, wie dies Voraussetzung für die Annahme einer Verfolgungshandlung na[X.]h Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] ist. Die Vorlagefragen 2a und 2b zielen auf eine konkretere Bestimmung des ges[X.]hützten Kern[X.]ei[X.]hs, wie er für den vorliegenden Fall ents[X.]heidungserhebli[X.]h ist.

Vorlagefrage 2a:

a) Dem Kläger drohen na[X.]h den Feststellungen des O[X.]verwaltungsgeri[X.]hts Bes[X.]hränkungen bei der öffentli[X.]hen Praktizierung seiner Religion. Zwar wird es den [X.]s dana[X.]h ni[X.]ht generell unmögli[X.]h gema[X.]ht, si[X.]h in ihren Gebetshäusern zu versammeln, selbst wenn dies dur[X.]h die Öffentli[X.]hkeit wahrgenommen werden kann und wird. Allerdings wird die gemeinsame Ausübung des Glaubens immer wieder dadur[X.]h behindert, dass Gebetshäuser aus willkürli[X.]hen Gründen ges[X.]hlossen werden oder deren Erri[X.]htung verhindert wird. Dem Kläger war es allerdings mögli[X.]h, seinen Glauben in seiner Heimatregion zu praktizieren, wiederholt am Tag in die Mos[X.]hee zu gehen, zu beten und an religiösen Festen teilzunehmen. Das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht hat ni[X.]ht festgestellt, dass dur[X.]h die strafre[X.]htli[X.]hen Sanktionen und die religiös motivierten Ü[X.]griffe auf [X.]s dur[X.]h Extremisten au[X.]h in deren Re[X.]ht eingegriffen wird, si[X.]h zu dem eigenen Glauben zu bekennen und ihn für si[X.]h und in Gemeins[X.]haft mit anderen abseits der Öffentli[X.]hkeit zu praktizieren. Ein Eingriff erfolgt na[X.]h den geri[X.]htli[X.]hen Feststellungen a[X.] im Berei[X.]h der öffentli[X.]hen Religionsausübung eins[X.]hließli[X.]h der Missionierung Andersgläubiger. Der Kläger darf als Angehöriger der [X.]s für seine Religion ni[X.]ht öffentli[X.]h eintreten und andere auffordern, diesen Glauben anzunehmen. Handelt er dem zuwider, begeht er eine Straftat. Das Missionieren anderer wird regelmäßig strafre[X.]htli[X.]h verfolgt. Den [X.]s ist es untersagt, öffentli[X.]he Versammlungen abzuhalten, namentli[X.]h sol[X.]he, auf denen gebetet wird. Das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Kläger eine Fortführung seiner öffentli[X.]hkeitswirksamen religiösen Betätigung bei einer Rü[X.]kkehr na[X.]h [X.] ni[X.]ht ohne konkrete Gefahr für Leib und Leben mögli[X.]h ist. Angesi[X.]hts der angedrohten erhebli[X.]hen Strafen sowie der zahlrei[X.]hen ungehinderten Ü[X.]griffe extremistis[X.]her Gruppen legt es na[X.]h den Feststellungen des O[X.]verwaltungsgeri[X.]hts der gesunde Mens[X.]henverstand für einen [X.] nahe, alle öffentli[X.]hkeitswirksamen [X.] zu unterlassen oder weitgehend zu bes[X.]hränken, insbesondere jedes öffentli[X.]he werbende Verbreiten des eigenen Glaubens.

Der Eingriff in die Religionsfreiheit, der den Verzi[X.]ht auf die Glaubensausübung in der Öffentli[X.]hkeit nahelegt, ist au[X.]h ni[X.]ht na[X.]h Art. 9 Abs. 2 [X.] gere[X.]htfertigt. Vielmehr kommt das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht zu dem Ergebnis, dass die staatli[X.]hen Maßnahmen, die gegen [X.]s ergriffen werden, ni[X.]ht der Dur[X.]hsetzung des öffentli[X.]hen Friedens dienen. Denn der pakistanis[X.]he Staat verhält si[X.]h ni[X.]ht neutral, sondern beeinträ[X.]htigt einseitig die Angehörigen der [X.]yya-Glaubensgemeins[X.]haft in ihrer religiösen Selbstbestimmung.

Es ist also ents[X.]heidungserhebli[X.]h, ob die ni[X.]ht na[X.]h Art. 9 Abs. 2 [X.] gere[X.]htfertigte Beeinträ[X.]htigung des Re[X.]hts auf öffentli[X.]he Religionsausübung eine s[X.]hwerwiegende Verletzungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] darstellen kann - und zwar au[X.]h dann, wenn der Gläubige unter dem Dru[X.]k der ihm drohenden Gefahr für Leib, Leben und physis[X.]he Freiheit auf die Glaubensausübung in der Öffentli[X.]hkeit verzi[X.]htet.

b) Das vorlegende Geri[X.]ht ist in seiner Re[X.]htspre[X.]hung vor Inkrafttreten der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] davon ausgegangen, dass eine asylre[X.]htli[X.]h bea[X.]htli[X.]he Verfolgung nur von Handlungen ausgeht, die in das religiöse Existenzminimum eines Mens[X.]hen eingreifen (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 C 9.03 - BVerwGE 120, 16 <19 ff.>). Diese Re[X.]htspre[X.]hung entspri[X.]ht der des Bundesverfassungsgeri[X.]hts zum verfassungsre[X.]htli[X.]hen Asylanspru[X.]h (vgl. etwa [X.], Bes[X.]hluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478, 962/86 - [X.]E 76, 143 <158 ff.>). Der au[X.]h als "[X.]" bezei[X.]hnete unverzi[X.]htbare und unentziehbare Kern der Privatsphäre des glaubenden Mens[X.]hen umfasst na[X.]h dieser Re[X.]htspre[X.]hung die religiöse Ü[X.]zeugung als sol[X.]he und die Religionsausübung abseits der Öffentli[X.]hkeit und in persönli[X.]her Gemeins[X.]haft mit anderen Gläubigen dort, wo man si[X.]h na[X.]h [X.] und Glauben unter si[X.]h wissen darf. Eine asylre[X.]htli[X.]h bea[X.]htli[X.]he Verfolgungshandlung dur[X.]h Eingriffe in die Religionsfreiheit ist dana[X.]h etwa dann gegeben, wenn den Angehörigen einer religiösen Gruppe unter Androhung von Strafen an Leib, Leben oder physis[X.]her Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe ihres Glaubens zugemutet wird oder sie daran gehindert werden, ihren eigenen Glauben, so wie sie ihn verstehen, im privaten Berei[X.]h und unter si[X.]h zu bekennen. [X.] in der Öffentli[X.]hkeit eins[X.]hließli[X.]h der Missionierung ("[X.]") gehören na[X.]h dieser Auffassung ni[X.]ht zum religiösen Existenzminimum. Allgemein wurde verlangt, dass die Eingriffe in die Religionsfreiheit den Gläubigen in ähnli[X.]h s[X.]hwerer Weise treffen wie Eingriffe in die körperli[X.]he Unversehrtheit oder physis[X.]he Freiheit (Urteil vom 25. Okto[X.] 1988 - BVerwG 9 C 37.88 - BVerwGE 80, 321 <324>).

Demgegenü[X.] gehen das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht im vorliegenden Fall und weitere Verwaltungs- und O[X.]verwaltungsgeri[X.]hte in [X.] seit Inkrafttreten der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] davon aus, dass ü[X.] das na[X.]h der früheren Re[X.]htspre[X.]hung ges[X.]hützte "[X.]" hinaus au[X.]h Beeinträ[X.]htigungen des "[X.]" eine s[X.]hwerwiegende Verletzungshandlung im Sinne von Art. 9 der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] darstellen können. Das wird unter anderem mit der weiten Definition der Religionsfreiheit in Art. 10 Abs. 1 Bu[X.]hst. b der Ri[X.]htlinie begründet, die au[X.]h die Praktizierung der Religion in der Öffentli[X.]hkeit umfasse (vgl. [X.], Urteile vom 20. Mai 2008 - [X.] S 72/08 - AuAS 2008, 213 Rn. 121 und vom 27. Septem[X.] 2010 - [X.] S 689/08 - juris Rn. 33 ff.; VGH Mün[X.]hen, Urteil vom 23. Okto[X.] 2007 - 14 B 06.30315 - [X.] 2008, 101 <102>). Unter Geltung der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] sei es einem Gläubigen ni[X.]ht mehr zuzumuten, öffentli[X.]h praktizierten Riten seiner Glaubensgemeins[X.]haft - etwa Gottesdiensten oder Prozessionen - fernzubleiben, um staatli[X.]he Sanktionen zu vermeiden. Der [X.] sei nämli[X.]h au[X.]h verfolgt, wenn er zu unzumutbaren Auswei[X.]hhandlungen genötigt werde, um der staatli[X.]hen Repression zu entkommen (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 30. Juli 2009 - 5 A 982/07.A - juris Rn. 34; [X.], Urteil vom 12. Juli 2007 - 8 UE 3339/04.A - juris Rn. 83).

Die Re[X.]htspre[X.]hung in [X.] bes[X.]hränkt den Flü[X.]htlingss[X.]hutz bei Eingriffen in die Religionsfreiheit ebenfalls ni[X.]ht auf das "[X.]". Vielmehr wird geprüft, ob dem Asylbewer[X.] bei Rü[X.]kkehr in sein Heimatland Verfolgung au[X.]h für den Fall der öffentli[X.]hen Religionsbetätigung droht, etwa wenn ein [X.] entspre[X.]hend seiner Glaubenslehre missionieren würde (vgl. [X.], Urteil vom 5. Novem[X.] 1999 - Iftikhar Ahmed v. [X.]retary of State for the Home Department <1999> [X.] Civ 3003). Na[X.]h einem neueren Urteil des Supreme Court of the [X.] betreffend die Verfolgung wegen Homosexualität kann au[X.]h ein erzwungener Verzi[X.]ht auf die öffentli[X.]he Praktizierung der Sexualität zur Flü[X.]htlingsanerkennung führen (Urteil vom 7. Juli 2010, [X.] ([X.]) (FC) v. [X.]retary of State for the Home Department <2010> [X.] 31 Rn. 82). Komme ein Geri[X.]ht zu dem Ergebnis, dass ein maßgebli[X.]her Grund für das diskrete Leben des Asylbewer[X.]s na[X.]h Rü[X.]kkehr die Fur[X.]ht vor Verfolgung ist, die si[X.]h aus einer offenen Praktizierung seiner Sexualität ergäbe, sei seine Fur[X.]ht vor Verfolgung begründet. Ü[X.]trägt man die vorgenannte Re[X.]htspre[X.]hung auf Bes[X.]hränkungen der öffentli[X.]hen Betätigung der Religionsfreiheit, könnten sie als Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] zu werten sein, wenn es si[X.]h um s[X.]hwerwiegende Eingriffe handelte und der Ausländer deshalb auf die Ausübung seines Glaubens in der Öffentli[X.]hkeit verzi[X.]hten würde.

Demgegenü[X.] ist die Re[X.]htspre[X.]hung in [X.] bei der Gewährung von Abs[X.]hiebungss[X.]hutz na[X.]h der [X.] restriktiver. Der [X.] hat in seinem Urteil vom 16. Dezem[X.] 2002 in der Sa[X.]he [X.] (<2002> [X.] Civ 1856 Rn. 64) die Auffassung vertreten, dass Abs[X.]hiebungss[X.]hutz in Bezug auf ein Herkunftsland, in dem die Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 [X.] ni[X.]ht respektiert wird, nur dann zu gewähren ist, wenn die Bes[X.]hränkung der Religionsfreiheit einen S[X.]hweregrad aufweist, der zuglei[X.]h eine Verletzung von Art. 3 [X.] darstellt. Im ents[X.]hiedenen Fall - einen [X.] aus [X.] betreffend - hat er die Klage auf Gewährung von Abs[X.]hiebungss[X.]hutz abgewiesen. Das [X.] hat diese Ents[X.]heidung im Urteil vom 16. Juni 2004 (<2004> UKHL 26) im Ergebnis bestätigt. Allerdings hat es einen hinrei[X.]hend s[X.]hweren Eingriff deshalb abgelehnt, weil das Re[X.]ht aus Art. 9 [X.] ni[X.]ht vollständig verweigert wurde, was eine mindestens glei[X.]h hohe Hürde darstellt ("only in su[X.]h a [X.]ase - where the right will be [X.]ompletely denied or nullified in the destination [X.]ountry" - Rn. 24 des Urteils vom 16. Juni 2004).

Ob der S[X.]hutz[X.]ei[X.]h des Art. 9 Abs. 1 der Ri[X.]htlinie im Fall der Religionsfreiheit auf das Glaubensbekenntnis und auf [X.] im häusli[X.]hen und na[X.]hbars[X.]haftli[X.]hen Berei[X.]h bes[X.]hränkt ist oder si[X.]h au[X.]h auf die Glaubensausübung in der Öffentli[X.]hkeit erstre[X.]kt, ist eine Zweifelsfrage, deren Beantwortung dem Geri[X.]htshof der [X.] obliegt.

Vorlagefrage 2b:

Falls der Kern[X.]ei[X.]h der Religionsfreiheit au[X.]h bestimmte [X.] in der Öffentli[X.]hkeit umfasst, ist weiter zu klären, unter wel[X.]hen Voraussetzungen der erzwungene Verzi[X.]ht darauf eine s[X.]hwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] darstellt. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Antragsteller oder die Religionsgemeins[X.]haft, der er angehört, die konkrete Betätigung des Glaubens, die dem Antragsteller verboten wird, als unverzi[X.]htbar empfindet.

a) Der Kläger hat na[X.]h den Feststellungen des O[X.]verwaltungsgeri[X.]hts in [X.] ein religiös geprägtes Leben als Angehöriger der [X.]yya-Glaubensgemeins[X.]haft geführt, in dem er wiederholt am Tag in die Mos[X.]hee gegangen ist, gebetet und an religiösen Festen teilgenommen hat. Er hat si[X.]h zu seinem Glauben au[X.]h in der Öffentli[X.]hkeit bekannt und ihn in öffentli[X.]hen Auseinandersetzungen mit radikalen moslemis[X.]hen Bewohnern seines Heimatdorfes aktiv als Wortführer vertreten. Das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht hat damit der Sa[X.]he na[X.]h festgestellt, dass der Kläger die von ihm bisher praktizierte öffentli[X.]he Betätigung seines Glaubens für si[X.]h selbst als verpfli[X.]htend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Es hat a[X.] ni[X.]ht hinrei[X.]hend na[X.]hvollziehbar festgestellt, dass eine sol[X.]he aktive öffentli[X.]he Glaubensbetätigung au[X.]h von der [X.]yya-Glaubensgemeins[X.]haft als zentraler Bestandteil ihrer Glaubenslehre angesehen wird.

b) Die Frage, unter wel[X.]hen Voraussetzungen der erzwungene Verzi[X.]ht auf die Glaubensausübung in der Öffentli[X.]hkeit eine s[X.]hwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bu[X.]hst. a der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] darstellt, kann na[X.]h Auffassung des vorlegenden Geri[X.]hts dana[X.]h bestimmt werden, wel[X.]he Bedeutung die in Rede stehende Handlung einerseits für die Religionsgemeins[X.]haft des Antragstellers und andererseits au[X.]h für diesen persönli[X.]h hat. Eine Mindestvoraussetzung dürfte sein, dass die in Rede stehende Glaubensbetätigung der Religion des Antragstellers entspri[X.]ht und der Antragsteller diese au[X.]h ausüben will, weil er sie für si[X.]h selbst zur Wahrung seiner religiösen Identität als unverzi[X.]htbar empfindet. Wenn dies ni[X.]ht feststeht, ist s[X.]hon eine Verletzung von Art. 9 [X.] und damit au[X.]h eine Mens[X.]henre[X.]htsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] ni[X.]ht gegeben.

Der Hohe Flü[X.]htlingskommissar der [X.] ([X.]) spri[X.]ht si[X.]h in seinen Ri[X.]htlinien zum Internationalen S[X.]hutz (betreffend Anträge auf Anerkennung der Flü[X.]htlingseigens[X.]haft aufgrund religiöser Verfolgung im Sinne des Artikels 1A(2) des [X.] und/oder des Protokolls von 1967 ü[X.] die Re[X.]htsstellung der Flü[X.]htlinge, [X.]/[X.], Kapitel 16 - Stand: 28. April 2004) dafür aus, bei der S[X.]hwere des Eingriffs in die Religionsfreiheit dur[X.]h erzwungenen Verzi[X.]ht auf eine bestimmte Glaubensbetätigung mit zu [X.]ü[X.]ksi[X.]htigen, wel[X.]he "Bedeutung oder zentrale Stellung" die unterdrü[X.]kte Glaubensbetätigung für die Glaubensgemeins[X.]haft und für den betroffenen Gläubigen hat. Soweit der einges[X.]hränkte Brau[X.]h ledigli[X.]h für die Religion, ni[X.]ht jedo[X.]h für die betroffene Person von Bedeutung sei, sei die Annahme einer Verfolgung unwahrs[X.]heinli[X.]h, es sei denn, es träten zusätzli[X.]he Faktoren hinzu. Sei der einges[X.]hränkte religiöse Brau[X.]h dagegen für die Glaubensgemeins[X.]haft weniger bedeutend, jedo[X.]h für die betroffene Person von besonderer Bedeutung, so könne dies denno[X.]h eine Verfolgung aus Glaubens- oder Gewissensgründen darstellen.

Der [X.] stellt darauf ab, ob die Glaubenslehre eine bestimmte Glaubensbetätigung in der Öffentli[X.]hkeit gebietet und dies au[X.]h der einzelne Gläubige für si[X.]h selbst als verpfli[X.]htend ansieht (für das Missionieren dur[X.]h [X.]s in [X.] vgl. [X.], Urteil vom 5. Novem[X.] 1999 - Iftikhar Ahmed v. [X.]retary of State for the Home Department <1999> [X.] Civ 3003).

Das [X.] hat zur Re[X.]htslage vor Inkrafttreten der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] die Auffassung vertreten, die unterdrü[X.]kte Glaubensbetätigung müsse für die Religionsgemeins[X.]haft na[X.]h deren Selbstverständnis wie für den einzelnen [X.]n selbst unverzi[X.]htbar sein (vgl. Urteil vom 20. Januar 2004 a.a.[X.] <25>). Unter Geltung der Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.] neigt das vorlegende Geri[X.]ht allerdings zu der Auffassung, dass es ausrei[X.]hend sein dürfte, dass der Asylbewer[X.] die unterdrü[X.]kte religiöse Betätigung seines Glaubens für si[X.]h selbst als verpfli[X.]htend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Dies müsste vom Antragsteller allerdings jeweils zur vollen Ü[X.]zeugung des Geri[X.]hts na[X.]hgewiesen werden. Dabei dürfte dem Umstand, dass die Glaubensbetätigung na[X.]h dem Selbstverständnis der Glaubensgemeins[X.]haft, der der S[X.]hutzsu[X.]hende angehört, zu einem tragenden Glaubensprinzip gehört, eine indizielle, a[X.] keine zwingende Wirkung zukommen. Maßgebli[X.]h dürfte vielmehr sein, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und wel[X.]he [X.] für ihn persönli[X.]h na[X.]h seinem Glaubensverständnis unverzi[X.]htbar sind. Ni[X.]ht ausrei[X.]hend dürfte hingegen sein, dass zwar die Religionsgemeins[X.]haft die konkrete Glaubensbetätigung als zentralen Bestandteil ihrer Glaubenslehre ansieht (z.B. Missionierung), der einzelne Asylbewer[X.] a[X.] keine innere Verpfli[X.]htung verspürt, diesen Teil seiner Glaubenslehre zu praktizieren, um seine Identität zu wahren.

Na[X.]h Auffassung des vorlegenden Geri[X.]hts können si[X.]h a[X.] aus sonstigen Umständen, etwa den allgemeinen Verhältnissen im Herkunftsland, weitere Eins[X.]hränkungen ergeben. So kann es die S[X.]hwelle für eine s[X.]hwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit erhöhen, wenn die Bevölkerung im Herkunftsland allgemein bestimmte Eins[X.]hränkungen der öffentli[X.]hen Religionsausübung mit Rü[X.]ksi[X.]ht auf eine in der [X.] verankerte Staatsreligion oder religiös motivierte Spannungen zwis[X.]hen vers[X.]hiedenen Bevölkerungsgruppen hinzunehmen hat.

Vorlagefrage 3:

Vorlagefrage 3 soll der Klärung dienen, ob die Verfolgungsfur[X.]ht des Antragstellers au[X.]h dann begründet ist, wenn feststeht, dass er bestimmte - außerhalb des Kern[X.]ei[X.]hs liegende - religiöse Betätigungen na[X.]h Rü[X.]kkehr in das Herkunftsland vornehmen wird, obwohl sie zu einer Gefahr für Leib, Leben oder physis[X.]he Freiheit führen werden oder ob in diesem Fall dem Antragsteller zuzumuten ist, auf sol[X.]he künftigen Betätigungen zu verzi[X.]hten.

a) Das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht hat ni[X.]ht festgestellt, ob der Kläger im Fall der Rü[X.]kkehr na[X.]h [X.] auf bestimmte Formen der Religionsausübung in der Öffentli[X.]hkeit verzi[X.]hten wird. Es hat ledigli[X.]h allgemein bezogen auf Anhänger der [X.]yya-Glaubensgemeins[X.]haft festgestellt, dass es angesi[X.]hts der drohenden Gefahren für Leib, Leben und Freiheit der gesunde Mens[X.]henverstand nahelege, alle öffentli[X.]hkeitswirksamen [X.] zu unterlassen oder äußerst zu bes[X.]hränken, insbesondere jedes öffentli[X.]he werbende Verbreiten des eigenen Glaubens. Wenn es für die Anerkennung als Flü[X.]htling darauf ankommt, ob der Kläger angesi[X.]hts der ihm drohenden Gefahren auf die Glaubensbetätigung verzi[X.]htet oder bestimmte [X.] trotzdem praktizieren würde, wird das O[X.]verwaltungsgeri[X.]ht diesen Umstand unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der Antworten des Geri[X.]htshofs weiter aufzuklären haben.

b) Na[X.]h der deuts[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung ist die Fur[X.]ht vor Verfolgung au[X.]h wegen einer ü[X.] den Kern[X.]ei[X.]h hinausgehenden religiösen Betätigung begründet, wenn deshalb ein Eingriff in Leib, Leben oder physis[X.]he Freiheit [X.]eits unmittelbar droht.

Die Verfolgungshandlung (vgl. Art. 9 Ri[X.]htlinie 2004/83/[X.]) greift hier ni[X.]ht nur in die Religionsfreiheit ein, sondern au[X.]h und vor allem in Leib, Leben oder physis[X.]he Freiheit des Antragstellers. Errei[X.]ht dieser Eingriff die erforderli[X.]he S[X.]hwere, kommt es ni[X.]ht darauf an, ob die Religionsfreiheit in ihrem Kern[X.]ei[X.]h betroffen ist oder nur in Rand[X.]ei[X.]hen. Das [X.] hat eine asylerhebli[X.]he Verfolgung daher im Fall eines [X.]s aus [X.] bejaht, gegen den wegen Benutzung des moslemis[X.]hen Gebetsrufs und Tragens der Kalima eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt worden war (Urteil vom 13. Mai 1993 - BVerwG 9 C 49.92 - BVerwGE 92, 278 <279 f.>).

Allerdings wird die öffentli[X.]he Ausübung der Religion ü[X.] den Kern[X.]ei[X.]h der Religionsfreiheit hinaus na[X.]h der bisherigen deuts[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung nur dann ges[X.]hützt, wenn die zur Gefährdung führende Glaubensbetätigung [X.]eits erfolgt ist, der Ausländer also beispielsweise [X.]eits missioniert hat. Beruft si[X.]h ein Asylbewer[X.] dagegen allein darauf, dass zu erwartende zukünftige Betätigungen na[X.]h Rü[X.]kkehr in das Heimatland zu einer Verfolgung führen, fehlt es an der erforderli[X.]hen Unmittelbarkeit der Gefährdung von Leib, Leben oder physis[X.]her Freiheit. Denn die Realisierung der Gefahr hängt no[X.]h von einer willensgesteuerten Handlung des Asylbewer[X.]s ab, die si[X.]h ni[X.]ht si[X.]her prognostizieren lässt. Dem Ausländer wird dana[X.]h zugemutet, die Gefahr zu vermeiden, soweit dadur[X.]h ni[X.]ht der Kern[X.]ei[X.]h seiner Religionsfreiheit verletzt wird. Wird dieser Kern[X.]ei[X.]h dagegen verletzt, kommt es auf die ohnehin nur s[X.]hwer zu treffende Prognose, wie si[X.]h der Betroffene na[X.]h Rü[X.]kkehr in sein Heimatland verhalten würde, ni[X.]ht mehr an.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger na[X.]h den Feststellungen des O[X.]verwaltungsgeri[X.]hts seinen Glauben bisher nur in einer Weise praktiziert, die keine individuelle Verfolgung na[X.]h si[X.]h zog. Das Geri[X.]ht erwartet eine sol[X.]he Verfolgung a[X.] im Fall der Rü[X.]kkehr des [X.]. In diesem Zusammenhang stellt si[X.]h die Frage, ob ihm zugemutet werden kann, auf eine Ausübung seiner Religion außerhalb des Kern[X.]ei[X.]hs zu verzi[X.]hten.

Die britis[X.]he Re[X.]htspre[X.]hung verfolgt ein anderes Konzept zur Erhebli[X.]hkeit eines mögli[X.]hen Vermeidungsverhaltens als die deuts[X.]he. Dana[X.]h kommt es allein darauf an, wie der Antragsteller si[X.]h na[X.]h einer Rü[X.]kkehr in das Herkunftsland tatsä[X.]hli[X.]h verhalten würde. Ist die Prognose gere[X.]htfertigt, dass er si[X.]h tatsä[X.]hli[X.]h so verhalten wird, wie er behauptet, und würde das zu Verfolgungsmaßnahmen führen, ist er als Flü[X.]htling anzuerkennen. Dem steht ni[X.]ht entgegen, dass sein Verhalten unvernünftig ers[X.]heinen mag. Die Tatsa[X.]he, dass er Verfolgung vermeiden könnte, indem er das Gefahr bringende Verhalten unterlässt, steht seinem Anspru[X.]h auf Flü[X.]htlingss[X.]hutz ni[X.]ht entgegen, sofern er dieses Verhalten - trotz der damit verbundenen Gefahren - tatsä[X.]hli[X.]h ausführen würde. Das hat der [X.] in seinem Urteil vom 5. Novem[X.] 1999 - Iftikhar Ahmed v. [X.]retary of State for the Home Department (<1999> [X.] Civ 3003) so ents[X.]hieden, in dem es um das beabsi[X.]htigte Missionieren eines [X.] in [X.] ging.

Die Unerhebli[X.]hkeit eines mögli[X.]hen Vermeidungsverhaltens ergibt si[X.]h für die britis[X.]he Re[X.]htspre[X.]hung au[X.]h aus dem Urteil des Supreme Court des [X.] vom 7. Juli 2010 ([X.] ([X.]) (FC) v. [X.]retary of State for the Home Department <2010> [X.] 31 Rn. 82), betreffend einen Fall von Homosexualität. Dana[X.]h ist die Verfolgungsfur[X.]ht eines Asylbewer[X.]s begründet, wenn er seine Homosexualität im Heimatstaat öffentli[X.]h leben würde und daher der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt wäre, selbst wenn er die Gefahr dur[X.]h diskrete Praktizierung seiner sexuellen Orientierung vermeiden könnte.

Meta

10 C 19/09

09.12.2010

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: C

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 13. November 2008, Az: A 1 B 559/07, Urteil

§ 3 Abs 1 AsylVfG 1992, § 3 Abs 4 AsylVfG 1992, § 60 Abs 1 AufenthG 2004, § 51 Abs 1 AuslG 1990, § 53 AuslG 1990, Art 3 MRK, Art 9 Abs 1 MRK, Art 9 Abs 2 MRK, Art 15 Abs 2 MRK, Art 1A FlüAbk, Art 10 Abs 1 EUGrdRCh, Art 4 GG, Art 16a GG, Art 267 AEUV, Art 18 MRErkl, Art 18 BürgPoRPakt, Art 2 Buchst c EGRL 83/2004, Art 9 Abs 1 Buchst a EGRL 83/2004, Art 10 Abs 1 Buchst b EGRL 83/2004

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 09.12.2010, Az. 10 C 19/09 (REWIS RS 2010, 545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 545

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