Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.01.2022, Az. 23 W (pat) 18/20

23. Senat | REWIS RS 2022, 1790

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Leistungshalbleitermodul mit zweiteiligem Gehäuse“ – zur Patentfähigkeit - zur Zulässigkeit einer Auswahl von Anspruchsmerkmalen aus Ausführungsbeispielen aus Sicht des Fachmanns und dessen Verständnisses der ursprünglichen Offenbarung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2015 115 122.7

hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dr. Strößner sowie [X.] [X.], [X.] und [X.] beschlossen:

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse [X.] des [X.] vom 25. März 2020 wird aufgehoben.

2. Es wird ein Patent erteilt mit der Bezeichnung „[X.] mit zweiteiligem Gehäuse“, dem Anmeldetag 9. September 2015 auf der Grundlage folgender Unterlagen:

- Patentansprüche 1 bis 10, als Hilfsantrag eingegangen am 25. Juni 2020;

- Beschreibungsseiten 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2022;

- 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 4, eingegangen im [X.] am Anmeldetag.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2015 115 122.7 und der Bezeichnung „[X.] mit zweiteiligem Gehäuse“ wurde am 9. September 2015 von der [X.] im [X.] angemeldet. Gleichzeitig mit der Anmeldung wurde [X.] gestellt. Die Anmeldung wurde am 9. März 2017 mit der [X.] 2015 115 122 A1 offengelegt.

2

Die Prüfungsstelle für Klasse [X.] hat im Prüfungsverfahren auf den Stand der Technik gemäß den folgenden Druckschriften verwiesen:

3

[X.] [X.]1 49 886 A1 und

4

[X.] [X.]3 26 176 A1.

5

Sie hat in zwei Prüfungsbescheiden vom 9. Mai 2016 und 15. September 2016 sowie in einem Ladungszusatz vom 6. Dezember 2019 ausgeführt, dass die jeweils mit den selbständigen Ansprüchen der einzelnen Anträge beanspruchten Gegenstände mangels Neuheit (§ 3 [X.]) oder erfinderischer Tätigkeit (§ 4 [X.]) nicht patentfähig seien (§ 1 Abs. 1 [X.]).

6

Die Anmelderin hat in ihren Erwiderungen vom 9. September 2016, 20. März 2017 und 15. Januar 2020 den Ausführungen der Prüfungsstelle in einigen Punkten widersprochen und jeweils neue, eingeschränkte Anspruchssätze eingereicht. Zuletzt hat sie mit der Erwiderung vom 15. Januar 2020 zur Vorbereitung der Anhörung am 30. Januar 2020 vier Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 bis 4 eingereicht.

7

In der Anhörung am 30. Januar 2020 hat die Prüfungsstelle dann die mit dem Hauptantrag und den [X.] beanspruchten Gegenstände mit der Anmelderin diskutiert und darauf hingewiesen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag nicht patentfähig sei und die Gegenstände gemäß den [X.] 1 den [X.] 1 bis 3 ursprünglich nicht offenbart seien. Dem widersprach die Anmelderin. Die Prüfungsstelle und die Anmelderin teilten die Ansicht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des [X.] patentfähig sei, weshalb eine redaktionelle Überarbeitung des [X.] erfolgte.

8

Mit Schriftsatz vom 18. März 2020 hat die Anmelderin eine Reinschrift des während der Anhörung abgestimmten geänderten Anspruchssatzes des [X.], sowie eine angepasste Beschreibung eingereicht. In diesem Schriftsatz erhält sie ihre Anträge, also einen Hauptantrag und vier Hilfsanträge aufrecht.

9

In der Folge hat die Prüfungsstelle für Klasse [X.] mit Beschluss vom 25. März 2020 den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 3 zurückgewiesen und ein Patent mit den Unterlagen des [X.] erteilt. In ihrer Begründung gibt die Prüfungsstelle an, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag mangels Neuheit nicht patentfähig (§ 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 [X.]) sei, während die mit den Ansprüchen 1 nach den [X.] 1 bis 3 beanspruchten Gegenstände nicht in der beanspruchten Allgemeinheit ursprünglich offenbart seien (§ 38 [X.]), so dass die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 unzulässig seien. Der begründete Beschluss wurde der Anmelderin am 30. März 2020 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 24. April 2020, am selben Tag elektronisch im [X.] eingegangen, Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 24. Juni 2020 begründet hat. Mit ihm hat sie zwei Anspruchssätze, bezeichnet als Hauptantrag und Hilfsantrag eingereicht, wobei der mit Hilfsantrag bezeichnete Anspruchssatz dem Anspruchssatz des dritten [X.] im Patenterteilungsverfahren entspricht.

In der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2022 hat die Anmelderin nach einer Diskussion der beiden mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssätze den mit Hilfsantrag bezeichneten Anspruchssatz zu ihrem Hauptantrag gemacht, zu diesem eine überarbeitete Beschreibung überreicht und beantragt:

1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse [X.] des [X.]s vom 25. März 2020 aufzuheben.

2. Ein Patent zu erteilen mit der Bezeichnung „[X.] mit zweiteiligem Gehäuse“, dem Anmeldetag 9. September 2015 auf der Grundlage folgender Unterlagen:

- Patentansprüche 1 bis 10, als Hilfsantrag eingegangen am 25. Juni 2020;

- Beschreibungsseiten 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2022;

- 2 Blatt Zeichnungen mit [X.]uren 1 bis 4, eingegangen im [X.] am Anmeldetag.

Der geltende Anspruch 1 des mit Schriftsatz vom 24. Juni 2020 als Hilfsantrag bezeichneten Anspruchssatzes lautet mit bei unverändertem Wortlaut eingefügter Gliederung:

„[X.] [X.] (1) zur Anordnung auf einem Kühlkörper (20), wobei das [X.] (1) Folgendes aufweist:

M2 mindestens ein Substrat (4), welches eine erste, für eine dem Kühlkörper (20) zugewandte Anordnung und zur thermischen leitfähigen Verbindung mit diesem bestimmte Seite aufweist;

M3 wenigstens ein auf einer der ersten gegenüberliegenden, zweiten Seite des Substrats (4) angeordnetes [X.] (14);

M4 und ein elektrisch isolierendes Gehäuse (2, 3), welches einen Hohlraum definiert, in dem das Substrat (4) und das wenigstens eine [X.] (14) aufgenommen sind;

M5 wobei das Gehäuse (2, 3) einen Rahmen (3), welcher das wenigstens eine Substrat (4) rahmenartig umgibt, und

M6 eine am Kühlkörper (20) mit Befestigungsmitteln (11) zu befestigende Haube (2) aufweist,

M7 und wobei die Haube (2) wenigstens einen zur Anlage an das Substrat (4) vorgesehenen [X.] (7) aufweist, um wenigstens bei Befestigung des [X.]s (1) auf dem Kühlkörper (20) über die Haube (2) und über den wenigstens einen [X.] (7) das Substrat (4) elastisch gegen den Kühlkörper (20) vorzuspannen;

M8 wobei der Rahmen (3) das Substrat (4) formschlüssig aufnimmt und/oder daran befestigt ist;

[X.] wobei die Haube (2) den Rahmen (3) übergreift und an ihrer dem Rahmen (3) zugewandten Innenseite in seitlicher Richtung mit dem Rahmen (3) reibschlüssig verbunden ist.“

Hinsichtlich der weiteren Unterlagen und Einzelheiten, sowie des Wortlauts der weiteren Ansprüche 2 bis 10 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und erweist sich hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 24. Juni 2020 eingereichten, als Hilfsantrag bezeichneten Anspruchssatzes auch als begründet, so dass der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse [X.] aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage dieses Anspruchssatzes zu erteilen ist, denn der Anspruch 1 dieses Anspruchssatzes ist zulässig (§ 38 [X.]), und das mit ihm beanspruchte [X.] ist auch patentfähig (§ 1 Abs. 1 [X.]), da das beanspruchte, gewerblich anwendbare (§ 5 [X.]) [X.] gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (§ 3 [X.]) ist und diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns (§ 4 [X.]) beruht.

1. Die Anmeldung betrifft gemäß ihrer Beschreibung ein [X.] mit aktiven und/oder passiven Bauelementen, insbesondere ein Stromrichtermodul. Derartige [X.]e sind mehrfach aus der Literatur bekannt. Bei der Erhöhung der Leistungsfähigkeit, der Zuverlässigkeit sowie der Lebensdauer bei gleichzeitig verringerten Herstellungskosten sind veränderte Methoden der [X.] für die einzelnen Bestandteile eine zwingende Voraussetzung.

Gemäß der Beschreibungseinleitung der vorliegenden Anmeldung sind moderne [X.]e grundplattenlose Module. Diese weisen gattungsgemäß ein Gehäuse, ein keramisches Substrat mit darauf angeordneten schaltungsgerecht ausgeführten metallischen Kaschierungen, wie sie z.B. nach dem [X.]) Verfahren hergestellt werden, auf diesem Substrat mittels Löttechnik stoffschlüssig aufgebrachte Bauelemente, wie beispielhaft Dioden, Transistoren, Widerstände oder Sensoren sowie Bondverbindungen zur Verbindung der strukturierten Seite der chipförmigen, ungehäusten [X.]e mit weiteren Bauelementen und/oder dem Substrat und/oder nach außen führenden [X.]elementen auf.

Vorzugsweise ist ferner eine aus Silikonkautschuk bestehenden Vergussmasse zur Isolation der einzelnen Bauelemente zueinander vorgesehen.

Der Wärmeübergang zwischen dem Substrat und dem Kühlkörper ist für [X.]e eine entscheidende Größe, die direkt deren Leistungsfähigkeit bestimmt. Die in den [X.] während des Betriebs entstehende Wärme muss nämlich möglichst effizient abgeführt werden.

Es hat sich gezeigt, dass sich insbesondere großflächige Lötverbindungen zu einem Kühlkörper nur sehr schwer qualitätsgerecht beherrschen lassen, worunter die Zuverlässigkeit sowie die Lebensdauer der [X.]e leiden. Sehr vorteilhaft hat sich daher für derartige [X.]e die Aufbautechnologie mit [X.] zur thermisch leitenden Verbindung des Moduls mit einem Kühlkörper erwiesen.

Im Stand der Technik ist ein [X.] bekannt, dessen Deckel einerseits der Druckeinleitung sowie auch der Druckausübung auf die Bondfüße der Drahtbondverbindungen der [X.]e dient. Es ist ferner ein Stand der Technik beschrieben und gezeigt, bei dem der Gehäusedeckel Stempel ausbildet, mit denen das Substrat gegen den Kühlkörper gedrückt wird. Die Druckeinleitung ist dabei sehr schwer einzustellen und es kann zu Beschädigungen des Substrats kommen oder die Kontaktierung wird nicht zuverlässig hergestellt (vgl. Seite 1, 1. Abs. bis Seite 2, 1. Abs. der geltenden Beschreibung).

Hiervon ausgehend, liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, ein grundplattenloses Modul bereitzustellen, das weitgehend vormontiert ausgeliefert werden kann und möglichst lediglich der Anbringung auf einem Kühlkörper ohne sonstige Vormontageschritte am bestimmungsgemäßen Anbringungsort bedarf. Es soll bei einfacher Montage gleichzeitig einen effizienten Wärmeübergang von dem [X.] zum Kühlkörper ermöglichen (vgl. Seite 2, 2. und 3. Abs. der geltenden Beschreibung).

Diese Aufgabe wird durch das [X.] des geltenden Anspruchs 1 gelöst.

In der Beschreibung wird der beanspruchte Gegenstand u.a. durch die in der hier wiedergegebenen [X.]. 1 gezeigte Ausführungsform näher erläutert. [X.]. 1 zeigt das bereits auf einen Kühlkörper (20) montierte [X.] (1). Es besteht aus einem nichtleitenden Substrat (4), das auf beiden Seiten mit metallischen Schichten oder auch Leitungen (5, 6) bedeckt ist, den [X.] (14), einem Gehäuse (2, 3) und elektrischen Zuleitungen (12). Das Gehäuse besteht aus einem Rahmen (3) und einer Haube (2) und ist nach unten zum Kühlkörper (20) hin offen, so dass die untere Metallschicht (5) auf dem Substrat (4) mit dem Kühlkörper (20) in [X.], möglicherweise auch in elektrischen Kontakt treten kann.

Abbildung

Der Rahmen (3) des Gehäuses sitzt auf dem Substrat (4) auf und kann an diesem beispielsweise durch Verkleben befestigt sein, so dass er mit dem Substrat und den darauf befindlichen [X.] (14) eine fest miteinander verbundene Einheit bildet. Nicht gezeigt wird in [X.]ur 1 die Befestigung des [X.]s (1) auf dem Kühlkörper (20). Diese erfolgt an einer im Schnitt der [X.]. 1 nicht gezeigten Stelle durch beispielsweise Schrauben in der Haube (2). Dies bedeutet, dass das gesamte Modul (1) durch die Haube (2) auf dem Kühlkörper (20) gehalten und auch seine genaue Position durch die Haube (2) festgelegt wird. Hierzu bedarf es eines formschlüssigen Kontakts der Haube (2) mit entweder dem Rahmen (3) oder dem Substrat (4).

Dieser Kontakt wird durch zwei Mittel hergestellt. Das erste Mittel sind Stempel (7), die von oben auf das Substrat bzw. die Metallschicht (6) drücken und damit das Modul (1) an den Kühlkörper (20) andrücken, um so den Wärmeübergang vom Substrat (4) zum Kühlkörper (20) zu verbessern. Um Beschädigungen zu vermeiden und die Andruckkraft in einem bestimmten Umfang festzulegen, sind die Stempel (7) elastisch in der Haube gelagert.

Das zweite Mittel legt die seitliche Ausrichtung des Rahmens auf dem [X.] (20) fest und besteht in einem Kontakt der Innenseite der Haube (2) mit der Außenseite des Rahmens (3), den die Haube (2) übergreift. In [X.]. 1 wird dieser Kontakt durch Rippen (13) hergestellt. Diese Rippen haben noch eine weitere Aufgabe, die sie auf Grund der auftretenden Reibung zwischen ihnen und dem Rahmen (3) erfüllen können, also durch eine „reibschlüssige“ Verbindung. Diese besteht darin, dass durch die auftretenden Haftreibungskräfte verhindert wird, dass die Haube (2) beim Transport oder der Montage auf den Kühlkörper (20) vom Rahmen (3) und damit vom Rest des Moduls (1) getrennt wird. Sie verhindern also, dass das nach unten offene Modul auseinanderfällt. Dabei darf aber keine feste, unlösbare Verbindung zwischen der Haube und dem Rahmen bestehen, denn dies würde verhindern, dass sich die Haube (2) gegenüber dem Rahmen (3) bewegen kann, was aber notwendig ist, damit die Stempel (7) ihre Aufgabe, das Substrat (4) an den Kühlkörper (20) anzudrücken, erfüllen können.

2. Die mit den geltenden Ansprüchen beanspruchten Gegenstände sind ursprünglich offenbart (§ 38 [X.]), so dass die Ansprüche zulässig sind.

So geht der geltende Anspruch 1 aus dem ursprünglichen Anspruch 1 hervor, indem in den ursprünglichen Anspruch 1 zusätzlich das Merkmal [X.] aufgenommen wurde. Dieses Merkmal ist nicht wörtlich dem ursprünglichen Anspruchssatz entnommen, sondern stamme nach Angaben der Anmelderin aus den [X.]uren sowie der Beschreibung auf Seite 6, Zeilen 1 bis 3 und Seite 7, Zeilen 16 bis 19. Die Prüfungsstelle hat diese Merkmale in der beanspruchten Allgemeinheit nicht in den ursprünglichen Unterlagen offenbart angesehen. Deshalb hat sie auch nur auf die engeren, ihrer Ansicht nach zweifelsfrei an den angegebenen Stellen offenbarten Ausführungsformen ein Patent erteilt.

Die Anmelderin sieht darin eine zu enge Auslegung der ursprünglichen [X.] und verweist auf eine Reihe von Urteilen des [X.], wo dieser die Aufnahme einer Auswahl von Merkmalen aus Ausführungsbeispielen zulässt, ohne dass alle Merkmale in den Anspruch aufgenommen werden müssten. Dabei erwähnt sie aber nicht, dass der Fachmann und dessen Verständnis der ursprünglichen [X.] zum Maßstab gemacht werden (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 25. November 2014 – [X.] –„[X.]“, Tenor a) und Rn. 19, [X.], 249 und juris). In diesem Umfang steht es dem Anmelder dann frei, welche Merkmale er in den Anspruch aufnehmen will, d.h. in welcher Breite er sein Erfindung beanspruchen will (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Januar 1990 – [X.] – „[X.]“, Tenor b) und Abschnitt 3b und [X.], Urteil vom 11. Februar 2014 – [X.] – „Kommunikationskanal“, Rn. 21 bis 24 GRUR 2014, 542 und juris).

Um festzustellen, welche Merkmale in einen Anspruch aufgenommen werden können, muss in einem ersten Schritt somit festgestellt werden, welche Merkmale in der ursprünglichen [X.] aus der Sicht des Fachmanns überhaupt offenbart sind. In Bezug auf die Verbindung zwischen der Haube (2) und dem Rahmen (3) ist zweifellos und für den Fachmann ersichtlich offenbart, dass die Haube (2) den Rahmen (3) übergreift. Dies ist aus allen [X.]uren zweifelsfrei ersichtlich und beispielsweise auf Seite 4 im zweiten Abs. der ursprünglichen Beschreibung, sowie auch auf Seite 6 im vorletzten Absatz, auf Seite 7 im zweiten Absatz und auf Seite 8, 4. und 5. Zeile der ursprünglichen Beschreibung beschrieben. Dieses Merkmal, das sich zum Teil bereits daraus ergibt, dass ein Teil des Gehäuses eine Haube ist, kann demnach auch für sich allein in den Anspruch aufgenommen werden.

Für die Verbindung zwischen der Haube und dem Rahmen ist ebenso deutlich offenbart, dass diese zwischen der Innenseite der Haube (2) in seitlicher Richtung mit dem Rahmen (3) erfolgt. Auf Grund des Übergreifens der Haube (2) wäre eine Verbindung ohnehin nur zwischen der Innenseite der Haube (2) und entweder der Außenseite des Rahmens (3) oder dessen Oberseite möglich. Alle [X.]uren zeigen wiederum eine Verbindung der Innenseite der Haube (2) mit der Außenseite des Rahmens (3), einige auch mit der Oberseite. Bei dieser Verbindung kann es sich auf Grund der beschriebenen Funktionsweise des Gehäuses des Moduls jedoch um keine beliebige Verbindung handeln, denn eine starre feste Verbindung zwischen den beiden würde die beschriebene Funktionsweise verhindern. Deshalb beschreibt die Anmeldung verschiedene Verbindungen.

Als erstes beschreibt sie im allgemeinen Teil eine lösbare Verbindung (vgl. S. 5, letzter Abs.), dann eine kraftschlüssige, sowie als Spezialform hiervon eine reibschlüssige Verbindung (vgl. S. 6, 1. Abs.). Diese Verbindung ist auch im ursprünglichen Anspruch 9 enthalten. Beispielhaft wird dabei der Reibschluss durch von dem Material der Haube und/oder dem des Rahmens ausgebildete [X.] ausgebildet. Ein weiteres Beispiel für eine reibschlüssige Verbindung wird dann in Zusammenhang mit [X.]. 1 beschrieben. Dort gibt es keine [X.], sondern eine oder mehrere Rippen auf der Innenseite der Haube (2). Nicht offenbart sind an dieser Stelle Rippen an der Außenseite des Rahmens (3), wie dies der von der Prüfungsstelle erteilte Anspruch 1 mitbeansprucht.

Damit ergibt sich für den Anspruch 1, der eine reibschlüssige Verbindung beansprucht, dass sein Gegenstand in dieser Allgemeinheit in der ursprünglichen Beschreibung offenbart ist. Er ist damit zulässig (§ 38 [X.]).

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 10 des geltenden Anspruchssatzes gehen aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 8 sowie 10 und 11 hervor, wobei die Ansprüche 6 und 8 gegenüber den ursprünglichen Ansprüchen klargestellt sind. Auch sie sind demnach zulässig.

3. Der gewerblich anwendbare (§ 5 [X.]) Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu (§ 3 [X.]) und beruht gegenüber den Lehren der als Stand der Technik ermittelten Druckschriften auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 [X.]) des Fachmanns.

Abbildung

Als zuständiger Fachmann zur Beurteilung der Erfindung ist hier ein berufserfahrener Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Hochschulabschluss zu definieren, der mit der Entwicklung und Verbesserung von Gehäusen für Leistungshalbleiter, insbesondere in Bezug auf deren Kühlung betraut ist.

Druckschrift [X.] offenbart in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 (siehe die hier wiedergegebenen [X.]. 1 und 2) ein

[X.] [X.] (vgl. Abs. [0024]: „Das in [X.]. 1 gezeigte [X.] 1…“) zur Anordnung auf einem Kühlkörper (30, vgl. Abs. [0026]: „lm montierten Zustand wird das Modulgehäuse mittels nicht dargestellter, durch Bohrungen 29 hindurchgreifender Befestigungsschrauben mit einem nur andeutungsweise dargestellten Kühlkörper 30 verschraubt.“), wobei das [X.] Folgendes aufweist:

Abbildung

M2 mindestens ein Substrat (2), welches eine erste, für eine dem Kühlkörper (30) zugewandte Anordnung und zur thermischen leitfähigen Verbindung mit diesem bestimmte Seite aufweist (Unterseite, siehe [X.]. 2);

M3 wenigstens ein auf einer der ersten gegenüberliegenden, zweiten Seite des Substrats (2) angeordnetes [X.] (6, 7, 8, vgl. Abs. [0024]: „Das in [X.]. 1 gezeigte [X.] 1 umfasst in separater Darstellung ein [X.] (Trägerelement) 2, auf dem mehrere Halbleiterbauelemente 6, 7 und 8 angeordnet und elektrisch kontaktiert sind. Die Halbleiterbauelemente sind über angedeutete Bonddrähte mit nicht näher dargestellten Leiterbahnen verbunden, die auf der Oberfläche des Substrats 2 ausgebildet sind. Die Leiterbahnen führen z. B. zu Kontaktstiften ([X.]pins) zum externen [X.] des [X.]s. Die Halbleiterbauelemente 6, 7 und 8 können Leistungshalbleiter sein, die hohe in Wärme umgesetzte Verlustleistungen entwickeln und deshalb eine effektive Wärmeableitung erfordern.“);

M4 und ein elektrisch isolierendes Gehäuse (10), welches einen Hohlraum definiert, in dem das Substrat (2) und das wenigstens eine [X.] (6, 7, 8) aufgenommen sind;

M5 wobei das Gehäuse (10) einen Rahmen (Kragen 14 bzw. 15), welcher das wenigstens eine Substrat (2) rahmenartig umgibt, und

M6 eine am Kühlkörper (30) mit Befestigungsmitteln zu befestigende Haube (12) aufweist (vgl. Abs. [0025]: „Das Halbleitermodul umfasst ferner ein [X.], das im Ausführungsbeispiel aus zwei Teilgehäusen 12 und 14 zusammengesetzt ist. Das [X.] ist im [X.] hergestellt. Das [X.] übergreift im montierten Zustand (vgl. [X.]. 2) das [X.], das mit einem umlaufenden Kragen 15 versehen ist.“),

M7 und wobei die Haube (12) wenigstens einen zur Anlage an das Substrat (2) vorgesehenen [X.] (25) aufweist, um wenigstens bei Befestigung des [X.]s auf dem Kühlkörper (30) über die Haube (12) und über den wenigstens einen [X.] (25) das Substrat (2) elastisch gegen den Kühlkörper (30) vorzuspannen (vgl. Abs. [0025] bis [0028]: „Das [X.] weist mehrere federelastische Bereiche 16, 17, 18, 19 auf, die integral aus dem [X.] geformt sind. Die federelastischen Eigenschaften können dadurch erzeugt werden, dass im Bereich der federelastischen Bereiche [X.] vorgesehen sind. Es kann aber auch (z. B. an den Bereichen 17 und 18) eine lokale Materialverdünnung vorgesehen sein, die federnde elastische Bänder (z. B. 20, 21) bildet. Diese Bänder bilden den Angelpunkt oder [X.]punkt für einen Stempel 25, der stegförmig ausgebildet ist. Wie die Ansicht des [X.]s im montierten Zustand (der [X.] ist in [X.]. 1 durch Pfeile angedeutet) gemäß [X.]. 2 verdeutlicht, wirkt der Stempel mit seinem freien Ende (Fußpunkt) 26 auf die Oberseite des Substrats 2 ein. Die federelastischen Bereiche 16 und 19 wirken mittelbar über den Kragen 15 umlaufend auf den Randbereich 28 des Substrats 2 ein. lm montierten Zustand wird das Modulgehäuse mittels nicht dargestellter, durch Bohrungen 29 hindurchgreifender Befestigungsschrauben mit einem nur andeutungsweise dargestellten Kühlkörper 30 verschraubt. In [X.]. 3 sind die dadurch entstehenden Anschraubkräfte mit [X.] bezeichnet. Durch diese Verschraubung werden die federelastischen Bereiche 16, 17, 18, 19 entgegen ihrer Federkraft ausgelenkt und erzeugen aufgrund ihres elastischen Verhaltens und ihres Bestrebens, in die Ausgangslage zurückzufedern, entsprechende Federkräfte [X.] und [X.] 15 (Kräfte [X.]) bzw. die Stempel 25 (Kräfte [X.]) werden die Federkräfte auf das Substrat übertragen und sorgen für einen gleichmäßigen, substratschonenden Andruck des Substrats auf den Kühlkörper 30. Das Modulgehäuse fungiert damit in Doppelfunktion nicht nur als Gehäuse zur Aufnahme und zum Schutz bzw. Abschluss der Halbleiterbauelemente 6, 7, 8, sondern mit seinen federelastischen Bereichen 16, 17, 18, 19 auch als eine Anpressvorrichtung 40.“);

M8 wobei der Rahmen (15) das Substrat (2) formschlüssig aufnimmt und/oder daran befestigt ist ([X.]. 2 zeigt, dass das Substrat (2) zumindest nach oben zu formschlüssig zum Rahmen (15) ist. Seitlich besteht ein Spalt, der eine lockere Aufnahme des Substrats (2) ermöglicht.);

[X.]‘ wobei die Haube (12) den Rahmen (15) übergreift.

Druckschrift [X.] zeigt nicht, dass die Haube (12) an ihrer dem Rahmen (15) zugewandten Innenseite in seitlicher Richtung mit dem Rahmen (15) reibschlüssig verbunden ist, denn dort zeigen die [X.]uren einen dünnen Spalt zwischen der Haube (12) und dem Rahmen (15). Jedoch ist der Rahmen (15) bis zum Zeitpunkt der Befestigung auf dem Kühlkörper (30) gegenüber der Haube (12) seitlich nicht fixiert, so dass der Rahmen (15) gegenüber der Haube (12) im Umfang der durch die Seitenwände der Haube (12) und der Vorsprünge im Deckel der Haube (12) gesetzten Toleranzen seitlich beweglich ist. Es ist somit davon auszugehen, dass nach der Montage die relative Verschiebung zwischen dem Rahmen und der Haube so ist, dass zumindest auf einer Seite ein Kontakt zwischen der Innenseite der Haube (12) und der Außenseite des Rahmens (15) besteht.

Der Fachmann wird jedoch keinen Reibschluss in seitlicher Richtung zwischen der dem Rahmen (15) zugewandten Innenseite der Haube (12) und dem Rahmen (15) ausbilden, auch wenn ihm solche Reibschlüsse zwischen einem Unterteil und einer Haube aus seiner Alltagserfahrung, beispielsweise mit einfachen Cremedosen aus Metall, wo auf diese Weise verhindert wird, dass sich der Deckel von der Cremedose löst, bekannt sind. Denn Druckschrift [X.] gibt an, dass ein wesentlicher Aspekt der in ihr offenbarten Erfindung darin bestehe, dass relativ große Maßtoleranzen bestehen (vgl. Abs. [0011]: „Ein weiterer wesentlicher Aspekt der vorliegenden Erfindung besteht darin, dass durch die federnden Elemente oder Bereiche des Gehäuses Maßtoleranzen insbesondere des Gehäuses ausgeglichen werden.“). Diese Maßtoleranzen müssten für den Fall eines Reibschlusses nach dem Vorbild einer Cremedose verringert werden, denn die Maße der Haube (12) und des Rahmens (15) würden auch die Reibungskraft einstellen, die bei der Montage von der Haube auf den Rahmen und von diesem wiederum auf das Substrat (2) übertragen werden. Ist [X.] zu groß d.h. die Haube (12) im Vergleich zum Rahmen (15) relativ klein, so kommt es zu einer Beschädigung des Substrats (2) bei der Montage. Ist sie zu klein, d.h. die Haube (12) im Vergleich zum Rahmen (15) relativ groß, so wird die gewünschte Wirkung, die Haube (12) und den Rahmen (15) zusammenzuhalten, nicht erzielt. Die notwendigen geringen Maßtoleranzen würden zu einer Verteuerung der Herstellung von Haube (12) und Rahmen (15) führen, weshalb der Fachmann seine Alltagserfahrung ohne weitere Anregung nicht auf das [X.] aus Druckschrift [X.] übertragen wird.

Abbildung

Dies gilt umso mehr für das [X.] aus Druckschrift [X.], das in Bezug auf die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 die gleichen Merkmale [X.] bis [X.]‘ wie Druckschrift [X.] lehrt. Denn anders als das [X.] aus Druckschrift [X.] weist das [X.] aus Druckschrift [X.] am Rahmen (22) seitliche Flansche (22a, 22b) auf, mit deren Hilfe der Rahmen (22) und die Haube (21) relativ zueinander fixiert werden können (siehe die hier wiedergegebene [X.]. 1). Der Fachmann wird diese Flansche auch nutzen, um bereits vor der Montage den Rahmen (22) und die Haube (21) zusammenzuhalten. Die Nachteile, die eine reibschlüssige Verbindung in seitlicher Richtung zwischen der dem Rahmen (22) zugewandten Innenseite der Haube (21) und dem Rahmen (22) mit sich bringen würde, wird der Fachmann nicht in Kauf nehmen, da hierfür keine Notwendigkeit besteht.

Der ermittelte Stand der Technik nimmt somit den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 weder neuheitsschädlich vorweg (§ 3 [X.]) noch legt er ihn dem Fachmann nahe, so dass er als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt (§ 4 [X.]). Er ist somit patentfähig (§ 1 Abs. 1 [X.]).

4. Die Patentfähigkeit der mit dem formal nebengeordneten Anspruch 10 beanspruchten Anordnung ergibt sich bereits aus der Patentfähigkeit des [X.]s nach Anspruch 1, auf den Anspruch 10 rückbezogen ist.

5. An den Patentanspruch 1 können sich die Unteransprüche 2 bis 8 anschließen, da sie vorteilhafte Weiterbildungen des beanspruchten [X.]s angeben, die nicht platt selbstverständlich sind.

6. In der in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2022 angepassten Beschreibung ist der Stand der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, angegeben und die Erfindung anhand der am Anmeldetag im [X.] eingegangenen Zeichnung ausreichend erläutert.

7. Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse [X.] des [X.]s vom 25. März 2020 aufzuheben und das Patent wie beantragt zu erteilen.

Meta

23 W (pat) 18/20

25.01.2022

Bundespatentgericht 23. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 38 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.01.2022, Az. 23 W (pat) 18/20 (REWIS RS 2022, 1790)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1790

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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