Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.05.2015, Az. III R 8/14

3. Senat | REWIS RS 2015, 11139

BEHÖRDEN STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) PROZESSKOSTEN KINDERGELD

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Gegenstand

(Kindergeld - Kein Einspruch gegen die in der Einspruchsentscheidung enthaltene Kostenentscheidung - Unrichtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung i.S. des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO - Kostenquote)


Leitsatz

Wendet sich der Einspruchsführer isoliert gegen die im Rahmen einer Einspruchsentscheidung ergangene Kostenentscheidung nach § 77 Abs. 1 und 2 EStG, ist statthafter Rechtsbehelf hiergegen ausschließlich die Klage, nicht (auch) der Einspruch.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. September 2012  7 K 470/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.&

Tatbestand

1

I. Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte gegenüber dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) die Festsetzung von Kindergeld für seine beiden Kinder mit Bescheid vom 25. Februar 2011 für die [X.] ab September 2008 ab. Der dagegen eingelegte [X.]inspruch des [X.], der durch Prozessbevollmächtigte vertreten war, war teilweise erfolgreich. Die Familienkasse setzte mit [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 [X.] 739/11 Kindergeld für beide Kinder für die [X.]räume September 2008 bis März 2009 sowie November 2009 bis April 2010 fest und wies den [X.]inspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zugleich entschied sie in der [X.]inspruchsentscheidung unter Bezugnahme auf § 77 des [X.]inkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung ([X.]StG), dass die dem Kläger im Rechtsbehelfsverfahren ggf. entstandenen Aufwendungen nicht übernommen würden (sog. Kostengrund- oder Kostenlastentscheidung; nachfolgend Kostenentscheidung). Die [X.]inspruchsentscheidung wurde den inländischen Prozessbevollmächtigten des [X.] am 29. Juli 2011 gegen [X.]mpfangsbekenntnis zugestellt. Sie enthielt die einheitliche Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen diese [X.]ntscheidung Klage beim Finanzgericht ([X.]) erhoben werden könne. In der Rechtsbehelfsbelehrung war u.a. über den Beginn der Klagefrist Folgendes ausgeführt: "... Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem diese [X.]ntscheidung bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung durch eingeschriebenen Brief gilt die Bekanntgabe einen Monat nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass die [X.]ntscheidung nicht oder zu einem späteren [X.]punkt zugegangen ist. Bei Zustellung durch [X.]inschreiben gegen Rückschein ist Tag der Bekanntgabe der [X.] ... ."

2

Der Prozessbevollmächtigte des [X.] legte für diesen mit Schreiben vom 16. August 2011 ausschließlich gegen die Kostenentscheidung der Familienkasse [X.]inspruch ein. [X.]r begehrte u.a., die dem Kläger entstandenen Kosten zu 1/3 der Familienkasse aufzuerlegen und die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Die Familienkasse verwarf diesen Rechtsbehelf mit [X.]inspruchsentscheidung vom 16. Januar 2012 [X.] 1727/11 als unzulässig, weil gegen die Kostenentscheidung in einem Fall wie hier allein die Klage statthaft sei.

3

Die hiergegen am 3. Februar 2012 beim [X.] eingegangene Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren weiter verfolgte, war erfolgreich. Das [X.] hob die Kostenentscheidung auf und verpflichtete die Familienkasse, dem Kläger 1/3 der im [X.]inspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen sowie 1/3 der Gebühren und Auslagen seines Bevollmächtigten zu erstatten.

4

Die Familienkasse macht mit ihrer Revision eine Verletzung des § 348 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) und des § 77 [X.]StG geltend.

5

Sie beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Der Berichterstatter des erkennenden Senats hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass bei der [X.]ntscheidung ggf. auch der Umstand von Bedeutung sein kann, dass die die Kostenentscheidung enthaltende [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 möglicherweise mit einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung wegen des darin genannten Beginns der Klagefrist versehen ist.

Entscheidungsgründe

8

I[X.] Die Revision der Familienkasse ist unbegründet und nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

9

Das [X.] hat im [X.]rgebnis zu Recht erkannt, dass die Klage zulässig ist (dazu unter 1.). [X.]benso hat es die Familienkasse zutreffend nach § 77 Abs. 1 und 2 [X.]StG verpflichtet, dem Kläger seine im [X.]inspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen sowie Gebühren und Auslagen seines Prozessbevollmächtigten anteilig zu erstatten (dazu unter 2.).

1. Das [X.] hat im [X.]rgebnis zutreffend kein Prozessurteil, sondern ein Sachurteil erlassen, weil der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 31. Januar 2012 innerhalb der im Streitfall geltenden Jahresfrist des § 55 Abs. 2 Satz 1 [X.]O rechtzeitig beim [X.] erhoben hat.

a) [X.]rgeht die Kostenentscheidung nach § 77 Abs. 1 und 2 [X.]StG --wie hier-- im Rahmen der [X.]inspruchsentscheidung, ist hiergegen --entgegen der Rechtsauffassung des [X.]-- ausschließlich die Klage, nicht (auch) der [X.]inspruch statthaft.

aa) Nach der im Fachschrifttum überwiegend vertretenen Auffassung ist der [X.]inspruch (vgl. § 347 [X.]) auch dann der statthafte Rechtsbehelf, wenn die Kostenentscheidung nach § 77 Abs. 1 und 2 [X.]StG im Rahmen der [X.]inspruchsentscheidung ergeht ([X.]/Treiber, § 77 [X.]StG Rz 28; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Kommentar, Fach A, [X.] Kommentierung, § 77 Rz 12; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 77 Rz 31; [X.] in [X.], [X.]StG, [X.] 2011, § 77 Rz 14; [X.], in: [X.][X.], [X.]StG, § 77 Rz D 7; Greite in Korn, § 77 [X.]StG Rz 6; so auch [X.] [X.]aden-Württemberg, [X.]eschluss vom 9. August 2011  2 K 1648/11, [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2012, 344, Rz 13). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass trotz äußerlicher Verbindung in einem [X.]escheid die Kostenentscheidung ein eigenständiger Verwaltungsakt i.S. des § 118 [X.] bleibe, der nicht [X.]inspruchsentscheidung i.S. des § 348 Nr. 1 [X.] sei. Nach einer Mindermeinung im Fachschrifttum (Reuß in [X.]/[X.], § 77 [X.]StG Rz 15 f.; [X.] in [X.], [X.]StG, § 77 [X.]StG Rz 8) und nach der Verwaltungsauffassung (Kapitel R 7.5 Abs. 3 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem [X.]inkommensteuergesetz --[X.]--, Stand 2014, [X.], 918) ist eine in der [X.]inspruchsentscheidung ergehende Kostenentscheidung hingegen ausschließlich mit der Klage anzugreifen. Zur [X.]egründung hierfür wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die von Amts wegen ergehende Kostenentscheidung Teil der [X.]inspruchsentscheidung sei.

bb) Der Senat schließt sich aus folgenden Gründen der zweitgenannten Auffassung an:

(1) Wird die Kostenentscheidung nach § 77 Abs. 1 und 2 [X.]StG im Rahmen der [X.]inspruchsentscheidung (z.[X.]. bei Teilstattgabe oder Zurückweisung des [X.]inspruchsbegehrens) getroffen, ist sie Teil der [X.]inspruchsentscheidung, die nach § 348 Nr. 1 [X.] nicht mit einem erneuten [X.]inspruch anfechtbar ist. Zutreffend weist zwar die herrschende Meinung darauf hin, dass die Kostenentscheidung ein Verwaltungsakt i.S. des § 118 [X.] ist. Dies bedeutet aber nicht, dass dieser Verwaltungsakt nicht Teil der [X.]inspruchsentscheidung ist. Die Familienkasse hat nach Abschluss des [X.] wegen die Kostenentscheidung zu treffen (vgl. den Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG: "... hat ..."). Hierbei ist auch darüber zu befinden, ob die Zuziehung eines [X.]evollmächtigten notwendig war (§ 77 Abs. 3 Satz 2 [X.]StG). [X.] wird in der [X.]inspruchsentscheidung tenoriert und begründet; sie ist [X.]estandteil der [X.]inspruchsentscheidung. Dem steht nicht entgegen, dass weder die [X.] noch die [X.]O eine dem § 73 Abs. 3 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entsprechende Regelung enthalten, wonach "der Widerspruchsbescheid bestimmt ..., wer die Kosten trägt". Im Kindergeldrecht hat der [X.]inspruchsführer gerade wegen § 77 [X.]StG nicht nur einen Anspruch auf [X.]ntscheidung seines [X.] in der Hauptsache, sondern auch auf [X.]ntscheidung über die [X.]rstattung seiner Kosten für das [X.]inspruchsverfahren.

Hiergegen lässt sich --entgegen der Ansicht des [X.]-- nicht einwenden, dass die zur Hauptsache ergangene [X.]inspruchsentscheidung und die Kostenentscheidung unterschiedliche Regelungsgegenstände hätten, oder dass in Fällen der Teilstattgabe kein innerer Zusammenhang zwischen der [X.]inspruchsentscheidung (erfolgloser Teil des [X.]inspruchs) und der Kostenentscheidung (erfolgreicher Teil des [X.]inspruchs) bestehe. [X.] steht allein schon deshalb in einem Zusammenhang mit dem erfolglosen Teil des [X.]inspruchs, weil die Kostenquote im Grundsatz vom Verhältnis des [X.]rfolgs zum Misserfolg des [X.]inspruchs abhängt (vgl. dazu unter 2.b).

(2) Dieser [X.]eurteilung steht nicht entgegen, dass die Kostenentscheidung ein [X.]rstbescheid ist, die den [X.]inspruchsführer erstmalig beschwert. Denn in einem derartigen Fall kann der [X.]etroffene unmittelbar Klage gegen die Kostenentscheidung erheben.

Die [X.]O enthält zwar keine dem § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 VwGO korrespondierende Vorschrift, wonach es eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nicht bedarf, "wenn ... der [X.] erstmalig eine [X.]eschwer enthält". Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) hängt aber die Zulässigkeit einer Klage in Fällen, in denen die [X.]inspruchsentscheidung eine erstmalige [X.]eschwer für den Kläger enthält, nicht von der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens ab (vgl. z.[X.]. [X.]-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 123/97, [X.][X.] 186, 540, unter I[X.]1.b, m.w.N.). [X.]benso geht der Senat in [X.] unausgesprochen davon aus, dass die Klage gegen eine den Kindergeldanspruch in der Sache versagende [X.]inspruchsentscheidung zulässigerweise auch den Zeitraum nach dem Monat der [X.]ekanntgabe des [X.] bis zum [X.]nde des Monats der [X.]ekanntgabe der [X.]inspruchsentscheidung umfasst, obwohl für diesen Zeitraum kein erfolgloses Vorverfahren durchgeführt wurde. Auch nach der Rechtsprechung des [X.]undessozialgerichts ([X.]SG) kann gegen eine im Widerspruchsbescheid enthaltene Kostenentscheidung nach § 63 des [X.] ([X.]) sofort Klage erhoben werden ([X.] vom 12. Juni 2013 [X.] 14 AS 68/12 R, Sozialrecht 4-1300 § 63 Nr. 20, Rz 11 f., m.w.N.).

(3) [X.]twas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass für die Kostenentscheidung nach § 77 Abs. 1 und 2 [X.]StG keine dem § 145 [X.]O vergleichbare Regelung besteht, wonach eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren unzulässig ist. Gerade weil die Kostenentscheidung unabhängig von der Hauptsache wie auch zusammen mit dieser angegriffen werden kann (vgl. dazu nachfolgend unter b), ist im letztgenannten Fall eine Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes --Klage gegen die [X.]inspruchsentscheidung in der Hauptsache, [X.]inspruch gegen die [X.] weder sinnvoll noch geboten (ebenso Reuß in [X.]/[X.], § 77 [X.]StG Rz 15a).

(4) Der Senat sieht es mit [X.]lick auf Sinn und Zweck des Vorverfahrens und aus Gründen der Rechtssicherheit nicht als sachgerecht an, dem [X.]etroffenen in derartigen Fällen ein Wahlrecht zwischen [X.]inspruch und Klage einzuräumen.

Das der Klageerhebung vorgeschaltete [X.]inspruchsverfahren hat drei Funktionen: [X.]rstens bedeutet es für den Rechtssuchenden zusätzlichen Rechtsschutz, zweitens für die Finanzbehörde die Möglichkeit der Selbstkontrolle und drittens für die Steuergerichte eine [X.]ntlastung von vermeidbaren Klagen ([X.]eschluss des Großen Senats des [X.] vom 21. Januar 1985 GrS 1/83, [X.][X.] 143, 112, [X.]St[X.]l II 1985, 303, unter II[X.]2.). Durch den [X.]rlass der --mit einer Kostenentscheidung versehenen-- [X.]inspruchsentscheidung ist das Verwaltungsverfahren abgeschlossen und die vorstehend genannten Funktionen des Vorverfahrens sind erfüllt.

Außerdem bestimmt § 47 Abs. 1 [X.]O, dass die Klagefrist mit [X.]ekanntgabe der [X.]ntscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf beginnt. Danach soll der [X.]etroffene keine Wahl zwischen der [X.]inlegung eines (erneuten) [X.]inspruchs oder der Klageerhebung haben. Außerdem spricht auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit für eine Auslegung, die zu klaren und eindeutigen Regelungen über den statthaften Rechtsbehelf führt.

(5) Schließlich entspricht das hier gefundene [X.]rgebnis der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ([X.]VerwG), nach der ein Widerspruch gegen eine in dem Widerspruchsbescheid enthaltene Kostenentscheidung nach § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht statthaft ist ([X.]VerwG-Urteil vom 12. August 2014  1 [X.] 2/14, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungsreport 2014, 869, unter 2.1).

b) Der Kläger war befugt, seine Klage allein gegen die Kostenentscheidung vom 26. Juli 2011 zu richten.

Der Rechtsschutzsuchende kann sein Klagebegehren auf einzelne in der [X.]inspruchsentscheidung enthaltene Verwaltungsakte beschränken (vgl. [X.] in [X.]eermann/Gosch, [X.]O § 65 Rz 74). Da es für die Kostenentscheidung nach § 77 [X.]StG im Übrigen an einer dem § 145 [X.]O vergleichbaren Regelung fehlt, steht es dem [X.]inspruchsführer frei, sich mit seiner Klage allein gegen die Kostenentscheidung zu wenden.

Sollte daher die Verwaltungsanweisung in Kapitel R 7.5 Abs. 3 Satz 1 [X.] ([X.], 918), nach der die in der [X.]inspruchsentscheidung ergangene Kostenentscheidung "nicht selbständig ..., sondern nur zusammen mit der [X.]inspruchsentscheidung mit Klage vor dem Finanzgericht (§ 348 Nr. 1 [X.]" anfechtbar ist, [X.] gegen die Kostenentscheidung nicht möglich ist, könnte sich der Senat dem aus den genannten Gründen nicht anschließen. Dass sich der Kläger im Streitfall mit seiner Klage gegen die Kostenentscheidung "in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 16.01.2012" gewendet hat, war aus seiner Sicht zutreffend.

c) Der Kläger hat die Klagefrist nicht versäumt, weil die in der [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig war. Damit lief nicht die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 [X.]O, sondern die Jahresfrist gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 [X.]O, die mit dem [X.]ingang der Klageschrift vom 31. Januar 2012 am 3. Februar 2012 beim [X.] gewahrt war.

Ob die Voraussetzungen für ein Sachurteil des [X.] vorlagen, hat der [X.] von Amts wegen zu prüfen. [X.]r kann hierzu auch eigene Feststellungen anhand der im Revisionsverfahren vorgelegten Akten treffen (Senatsurteil vom 18. Juli 2013 III R 59/11, [X.][X.] 242, 228, [X.]St[X.]l II 2014, 843, Rz 14); die Sachurteilsvoraussetzung der fristgerechten Klageerhebung ist daher vom [X.] von Amts wegen und ohne [X.]indung an die tatsächlichen Feststellungen des [X.] zu prüfen.

aa) Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 [X.]O ist die [X.]inlegung der Klage innerhalb eines Jahres (seit [X.]ekanntgabe) zulässig, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Die Unrichtigkeit kann sich zum einen daraus ergeben, dass die [X.]elehrung zu wenige Informationen enthält. Insofern ist es allerdings nicht erforderlich, dass die [X.]elehrung alle zur [X.]erechnung der Klagefrist im [X.]inzelfall erforderlichen Informationen enthält. Ausreichend ist vielmehr, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen [X.]estimmung wiedergibt und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichtet (vgl. [X.]-[X.]eschluss vom 26. Mai 2010 VIII [X.] 228/09, [X.]/NV 2010, 2080, unter 2.b bb, m.w.N.). Die Unrichtigkeit kann sich aber zum andern auch daraus ergeben, dass die [X.]elehrung Informationen enthält, die über den gesetzlich erforderlichen Mindestinhalt hinausgehen, sofern diese Informationen bei objektiver [X.]etrachtung dazu geeignet sind, die Möglichkeit der Fristwahrung zu gefährden (vgl. [X.]-[X.]eschluss in [X.]/NV 2010, 2080, unter 2.b bb, m.w.N.). [X.]ei einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung greift die Jahresfrist unabhängig davon ein, ob die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumnis ursächlich war ([X.]-Zwischenurteil vom 18. Juli 1987 VIII R 30/89, [X.][X.] 158, 107, [X.]St[X.]l II 1989, 1020, unter 2.c). Zudem ist es unerheblich, ob der Rechtsschutzsuchende den zutreffenden Rechtsbehelf und die Voraussetzungen für dessen [X.]inlegung kennt oder ob er sachkundig vertreten ist ([X.] in [X.]/[X.]/ [X.], § 55 [X.]O Rz 40).

bb) Nach diesen Maßstäben ist die in der [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung über die einzuhaltende Klagefrist unrichtig.

Sie ist auf Fälle zugeschnitten, in denen die [X.]inspruchsentscheidung im Ausland bekanntgegeben wird. So wurde insbesondere für den Fall einer Zusendung durch einfachen [X.]rief auf die für Auslandsübermittlungen geltende Vorschrift des § 122 Abs. 2 Nr. 2 [X.] hingewiesen. Weiter war für den Fall einer Zustellung durch [X.]inschreiben mit Rückschein offensichtlich auf die für Auslandszustellungen geltende Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes [X.]ezug genommen. Tatsächlich erfolgte im Streitfall jedoch eine [X.]ekanntgabe der [X.]inspruchsentscheidung im Inland durch Zustellung gegen [X.]. Damit war die Rechtsbehelfsbelehrung unter Zugrundelegung der im Streitfall konkret gewählten [X.]ekanntgabeform objektiv fehlerhaft.

Diese Unrichtigkeit ist bei objektiver [X.]etrachtung geeignet, die Fristwahrung zu gefährden. In der Rechtsbehelfsbelehrung wird --ohne darzulegen, dass die darin genannten [X.]ekanntgabezeitpunkte Auslandsübermittlungen betreffen-- ausgeführt, dass bei Zustellung durch eingeschriebenen [X.]rief die [X.]ekanntgabe einen Monat nach Aufgabe zur Post als bewirkt gilt, bei Zustellung durch [X.]inschreiben mit Rückschein der Tag der Zustellung der Tag der [X.]ekanntgabe ist. Diese [X.]rläuterungen sind irreführend, weil sie andere als die konkret gewählte [X.]ekanntgabeform (Zustellung gegen [X.]) betrafen und damit unklar blieb, was im Streitfall gelten soll. Dass der Kläger fachkundig vertreten und die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung nicht ursächlich für die Versäumung der Monatsfrist war, ist unerheblich.

2. In der Sache hat das [X.] zutreffend entschieden.

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG hat die Familienkasse dem [X.]inspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der [X.]inspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines [X.]rstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 77 Abs. 1 Satz 3 [X.]StG). Dabei sind nach § 77 Abs. 2 [X.]StG die Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dessen Zuziehung notwendig war; ob diese Zuziehung notwendig war, bestimmt die Kostenentscheidung (§ 77 Abs. 3 Satz 2 [X.]StG).

a) Dem Kläger steht ein [X.]rstattungsanspruch nach § 77 Abs. 1 und 2 [X.]StG zu.

Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 [X.]StG sind gegeben, weil der Kläger mit seinem [X.]inspruch gegen die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung teilweise erfolgreich war. Der [X.]rstattungsanspruch ist auch nicht wegen eines Verschuldens i.S. des § 77 Abs. 1 Satz 3 [X.]O ausgeschlossen. Nach den für den Senat bindenden --von der Familienkasse nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen-- Feststellungen des [X.] (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) hat der Kläger seine Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren nicht verletzt (vgl. [X.]-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R 73/00, [X.]/NV 2003, 25, unter I[X.]). [X.]benso ist die [X.]ntscheidung des [X.] nicht zu beanstanden, dass die Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten nach § 77 Abs. 2 [X.]StG notwendig war.

b) [X.]s verbleibt bei der vom [X.] ermittelten Kostenquote von 1/3.

aa) Die Kostenquote richtet sich nach dem Verhältnis des [X.]rfolgs zum Misserfolg des [X.]inspruchs, wobei sich das Maß des Unterliegens und Obsiegens nach dem Antragsbegehren und seinem endgültigen [X.]rfolg richtet ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 77 [X.]StG Rz 3; [X.], in: [X.][X.], a.a.[X.], § 77 Rz D 7; Reuß in [X.]/[X.], § 77 [X.]StG Rz 8; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Kommentar, Fach A, [X.] Kommentierung, § 77 Rz 6). Für diese Zwecke ist die Höhe des begehrten Kindergeldes ins Verhältnis zur Höhe des tatsächlich zugesprochenen Kindergeldes zu setzen.

bb) Im Streitfall begehrte der Kläger im [X.]inspruchsverfahren Kindergeld ab September 2008 (vgl. [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011). Da der Kläger sein Antragsbegehren in dem [X.]inspruchsschreiben vom 14. März 2011 nicht weiter zeitlich eingrenzte, ist davon auszugehen, dass er im Übrigen die zeitliche Konkretisierung der begehrten Kindergeldregelung der Familienkasse überließ (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 2014 III R 6/13, [X.][X.] 246, 315, [X.]St[X.]l II 2015, 149, Rz 12). Danach regelte die Familienkasse --mangels abweichender Anhaltspunkte-- mit der in der Sache ergangenen [X.]inspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 die [X.] für den Zeitraum September 2008 bis Juli 2011, dem [X.]nde des Monats der [X.]ekanntgabe dieser [X.]ntscheidung (vgl. Senatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, [X.][X.] 236, 144, [X.]St[X.]l II 2012, 681, Rz 41). Hiervon ausgehend ergibt sich für den Kläger keine niedrigere als die vom [X.] erkannte [X.]rstattungsquote.

3. Nach alledem hat die Revision der Familienkasse in der Sache keinen [X.]rfolg. [X.]ine Klageabweisung (im Übrigen) kam auch insoweit nicht in [X.]etracht, als bei isolierter [X.]etrachtung die [X.]inspruchsentscheidung vom 16. Januar 2012 [X.] 1727/11 rechtmäßig war. Der Kläger hat mit seiner Klage nicht isoliert diese [X.]inspruchsentscheidung angegriffen, sondern eine [X.]ntscheidung zur Sache (Kostenentscheidung) beantragt, die er im begehrten Umfang erhalten hat.

4. Der Tenor in Ziff. 1 des [X.]-Urteils wird nach § 107 [X.]O wegen einer offenbaren Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass anstelle des dort aufgeführten [X.]inspruchsverfahrens "... - [X.] 1727/11" das [X.]inspruchsverfahren "... – [X.] 739/11" als das die Kostenentscheidung betreffende Vorverfahren genannt wird. Der erkennende Senat ist für diese [X.]erichtigung zuständig (vgl. z.[X.]. [X.]-Urteil vom 17. Dezember 2008 IV R 11/06, [X.]/NV 2009, 937, unter I[X.]3.).

5. [X.] beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 8/14

13.05.2015

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 26. September 2012, Az: 7 K 470/12, Urteil

§ 77 Abs 1 EStG 2002, § 347 AO, § 348 Nr 1 AO, § 44 Abs 2 FGO, § 47 Abs 1 FGO, § 55 Abs 2 S 1 FGO, § 145 FGO, § 63 SGB 10, § 68 Abs 1 S 2 Nr 2 VwGO, § 73 Abs 3 S 3 VwGO, § 77 Abs 2 EStG 2002, § 77 Abs 1 EStG 2009, § 77 Abs 2 EStG 2009, EStG VZ 2008, EStG VZ 2009, EStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.05.2015, Az. III R 8/14 (REWIS RS 2015, 11139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11139

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