Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2021, Az. VIII ZR 32/20

8. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 503

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Gegenstand

Wohnraummietvertrag: Erheblichkeit des zur außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs berechtigenden Mietrückstands


Leitsatz

Die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs berechtigenden Mietrückstands ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen. Danach ist der Rückstand jedenfalls dann nicht mehr unerheblich, wenn er die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt. Für eine darüberhinausgehende gesonderte Bewertung der Höhe der einzelnen monatlichen Rückstände im Verhältnis zu jeweils einer Monatsmiete und damit für eine richterliche Anhebung der Anforderungen an eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs lässt das Gesetz keinen Raum (Bestätigung des Senatsurteils vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, NJW-RR 1987, 903 unter II 1 d [zu § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB aF]).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] - Zivilkammer 66 - vom 8. Januar 2020 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. August 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30. Juni 2022 unter der Voraussetzung bewilligt, dass sie eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 704 € bis zu jedem dritten Werktag des Monats an die Klägerin entrichtet, beginnend mit Januar 2022.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die [X.] ist seit 2005 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in [X.]. Von der Bruttomiete in Höhe von monatlich 704 € blieb die [X.] für den Monat Januar 2018 135,41 € schuldig; für Februar 2018 entrichtete sie keine Miete. Wegen dieser Rückstände erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 9. Februar 2018 die fristlose, hilfsweise die fristgerechte Kündigung des Mietvertrags. Später glich die [X.], die die Schonfristregelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB bereits weniger als zwei Jahre zuvor in Anspruch genommen hatte, den Zahlungsrückstand aus.

2

Das Amtsgericht hat der von der Klägerin erhobenen [X.] und Herausgabeklage stattgegeben. Dabei hat es der [X.]n - unter der Voraussetzung der Entrichtung einer Nutzungsentschädigung - eine Räumungsfrist bis 31. Januar 2019 gewährt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Klägerin habe das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB wirksam fristlos gekündigt, weil die [X.] im Zeitpunkt der Kündigung für zwei aufeinander folgende Monate mit der Entrichtung eines die geschuldete Miete für einen Monat übersteigenden - und damit nicht unerheblichen - Teils der Miete in Verzug gewesen sei. Auf die Berufung der [X.]n hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

3

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht ([X.], Urteil vom 8. Januar 2020 - 66 S 181/18, [X.], 73) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

6

Der Klägerin stehe der geltend gemachte [X.] und Herausgabeanspruch (§ 546 Abs. 1, § 985 [X.]) nicht zu. Das Mietverhältnis der Parteien sei weder durch die fristlose noch durch die fristgemäße Kündigung vom 9. Februar 2018 beendet worden.

7

Der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] sei nicht gegeben. Zwar übersteige der Gesamtbetrag des [X.] von 839,41 € eine Monatsmiete (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.]). Jedoch sei für den ersten der beiden Monate (Januar 2018) kein "nicht unerheblicher Teil der Miete" offengeblieben. Der Rückstand für diesen Monat (135,41 €) betrage nur 19 % der Monatsmiete von 704 €. Als nicht unerheblicher Rückstand im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] könne hingegen nur ein Mietanteil "etwa" in Höhe einer hälftigen Monatsmiete angesehen werden.

8

Zwar habe der [X.] zur Vorgängerbestimmung des § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 [X.] aF entschieden, dass die Erheblichkeit des [X.] nicht zusätzlich nach der Höhe des einzelnen Rückstands im Verhältnis zu der jeweiligen Monatsmiete zu beurteilen sei, sondern nur nach der Gesamthöhe des Rückstands, bezogen auf die Summe der für die beiden aufeinander folgenden Termine geschuldeten Miete (Urteil vom 15. April 1987 - [X.], [X.] 1987, 903 unter [X.] [für ein gewerbliches Mietverhältnis]). Jedoch sei für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] über das Erfordernis des § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] hinaus, wonach der rückständige Teil die Miete für einen Monat übersteigen müsse, zusätzlich notwendig, dass für jeden der beiden aufeinander folgenden Monate "ein nicht unerheblicher Teil der Miete" offengeblieben sei.

9

Der Wortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a [X.] stehe dem nicht entgegen. Vielmehr lege die Formulierung "für zwei aufeinander folgende Termine" ein solches Verständnis mindestens nahe. Denn sobald sich "für" einen der beiden Termine ein erheblicher Rückstand nicht feststellen lasse, rechtfertige dies die Annahme, dass erhebliche Rückstände "für" zwei aufeinander folgende Termine nicht vorlägen.

Die historische Entwicklung des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] spreche ebenfalls für das Erfordernis, nicht nur die Erheblichkeit des [X.] für maßgeblich zu erachten, sondern auch die Erheblichkeit jedes der beiden einzelnen Rückstände. Bereits das [X.] habe auf das Verhältnis des rückständigen [X.] zu der jeweils geschuldeten Rate abgestellt, nicht aber auf den Gesamtbetrag der Rückstände aus beiden Raten ([X.], 334, 335). Die Auffassung des [X.]s habe Eingang in die Gesetzesmaterialien des durch das [X.] zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 29. Juli 1963 ([X.]) neugefassten § 554 [X.] aF gefunden ([X.]. IV/806, [X.]), denn dort sei im Plural von "nur unerheblichen Rückständen" die Rede. Das in § 554 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aF (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.]) vorgesehene Erfordernis einer Mindesthöhe des [X.] sei als zusätzliches Element eingeführt worden.

Die Gesetzessystematik spreche ebenfalls dafür, als Voraussetzung einer fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] zusätzlich zwei jeweils erhebliche [X.] zu verlangen. So setze eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b [X.] voraus, dass der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckte, mit der Entrichtung von Raten in Höhe des Betrags in Verzug sei, der die Miete für zwei Monate erreiche. Danach sei beispielsweise bei einer Miethöhe von monatlich 1.000 € eine am 10. März des Jahres ausgesprochene fristlose Kündigung trotz eines [X.] von 1.999,99 € unwirksam, wenn der Mieter bezogen auf die Januarmiete lediglich einen Cent gezahlt, hingegen die volle Februarmiete entrichtet und für März keine Miete gezahlt habe. Im Gegensatz hierzu sei eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] schon bei einem [X.] von 1.000,01 € begründet, wenn der Mieter bezüglich der Februarmiete mit nur einem Cent in Verzug geraten sei und für März keine Miete entrichtet habe. Dies lasse einen inneren Grund nicht erkennen. Der Unterschied zwischen der [X.] des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a [X.] und der Nr. 3 Buchst. b dieser Vorschrift bestehe allein darin, wie der Rückstand aufgelaufen sei. Im Fall der Nr. 3 Buchst. a entstehe über zwei aufeinander folgende Zahlungstermine die Gefahr "extremer" Rückstände. Daraus ergebe sich, dass lediglich geringfügige Rückstände aus einem Monat verbunden mit dem erstmaligen Ausbleiben eines nicht unerheblichen Betrags im Folgemonat eine Kündigung nicht rechtfertigten.

Die Kündigung vom 9. Februar 2018 sei im gegebenen Fall auch nicht als ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wirksam. Aufgrund der im Zeitpunkt der Kündigungserklärung geringen Verzugsdauer sei die Grenze zu einer "nicht unerheblichen Pflichtverletzung" im Sinne dieser Bestimmung nicht überschritten.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der von der [X.] gemieteten Wohnung (§ 546 Abs. 1, § 985 [X.]) rechtsfehlerhaft als nicht bestehend erachtet.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das Mietverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin vom 9. Februar 2018 beendet worden, weil zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] vorgelegen hat. Nach dieser Vorschrift ist ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gegeben, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Für Mietverhältnisse über Wohnraum, der - wie hier - nicht nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 [X.]), bestimmt § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.], dass der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Dies ist hier der Fall, wie das Amtsgericht, auf dessen Feststellungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat, zu Recht entschieden hat. Die Beklagte befand sich zur [X.] mit Mietzahlungen für die Monate Januar 2018 (135,41 €) und Februar 2018 (704 €) in Höhe von insgesamt 839,41 € in Verzug. Dieser Betrag übersteigt die geschuldete Monatsmiete von 704 €.

2. An[X.] als das Berufungsgericht, dessen Sichtweise auch im Schrifttum auf Ablehnung gestoßen ist (vgl. etwa NK-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 569 Rn. 62 ff.; [X.]/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 543 [X.] Rn. 150a; [X.]/[X.], [X.], [X.]. 2021, § 543 Rn. 74; [X.]/[X.], Mietrecht, 3. Aufl., § 543 [X.] Rn. 243; [X.]/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 543 [X.] Rn. 171), angenommen hat, steht der Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 9. Februar 2018 nicht entgegen, dass der in den Monaten Januar und Februar 2018 rückständige Teil zwar insgesamt die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.]), der für den Monat Januar 2018 entstandene Rückstand in Höhe von 135,41 € gemessen an einer Monatsmiete von 704 € jedoch für sich allein gesehen - wie das Berufungsgericht gemeint hat - als unerheblich zu werten sei.

Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] ist die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs bei [X.] berechtigenden [X.] allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen. Der [X.] ist - wie hier - jedenfalls dann nicht mehr unerheblich, wenn er die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt. Eine darüberhinausgehende gesonderte Bewertung der Höhe der einzelnen monatlichen Rückstände im Verhältnis zu einer Monatsmiete sieht das Gesetz nicht vor. Dies hat der [X.], wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat, bereits hinsichtlich der Vorgängerbestimmung zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] entschieden ([X.]surteil vom 15. April 1987 - [X.], NJW-RR 1987, 903 unter [X.] [zu § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 [X.] aF]; zur Maßgeblichkeit des [X.] siehe auch [X.], Urteil vom 23. Juli 2008 - [X.], [X.], 3210 Rn. 34 mwN). Daran ist festzuhalten.

a) Die davon abweichende Ansicht des Berufungsgerichts findet bereits im Wortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a [X.] keine hinreichende Stütze. Das Berufungsgericht hat insoweit gemeint, die Wortwahl "für zwei aufeinander folgende Termine" anstelle von "nach zwei aufeinander folgenden Terminen", lege es nahe, dass nicht nur der in beiden Monaten entstandene [X.] nicht unerheblich sein müsse, sondern auch jeder einzelne Teilbetrag.

Der Gesetzeswortlaut "für zwei aufeinander folgende Termine" bezieht sich jedoch nur darauf, dass der Mieter "für" beide Termine mit der Verpflichtung zur Zahlung der Miete in Verzug sein muss. Hätte der Gesetzgeber zusätzlich verlangen wollen, dass auch die beiden aufeinander folgenden [X.] jeweils für sich gesehen als "nicht unerheblich" zu gelten hätten, hätte es nahegelegen, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] dahin zu fassen, dass der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung "jeweils" eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug sein muss. In dieser Weise ist der Gesetzgeber jedoch nicht verfahren.

b) Außerdem verkennt das Berufungsgericht, dass § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] für Mietverhältnisse über Wohnraum ausdrücklich und abschließend bestimmt, welche Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal eines nicht unerheblichen Rückstands im Sinne der Vorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] zu stellen sind (so bereits [X.]surteil vom 15. April 1987 - [X.], aaO [zu § 554 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aF]) und damit kein Raum für eine richterliche Anhebung der Anforderungen an eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs bleibt.

aa) Die für alle Mietverhältnisse geltende Vorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] lässt offen, wann von einem "nicht unerheblichen Teil der Miete" auszugehen ist. Das galt bereits für die durch das [X.] zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 29. Juli 1963 ([X.], im Folgenden: [X.]) neugefasste Vorgängerbestimmung des § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 [X.] aF. Diese Regelung sah ebenfalls vor, dass der Vermieter das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen kann, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Errichtung "eines nicht unerheblichen Teils des Mietzinses" in Verzug ist.

Mit dem Erfordernis, wonach nur ein Verzug mit einem "nicht unerheblichen Teil" der Miete kündigungsrelevant ist, hat der Gesetzgeber des [X.] klarstellend dem vom [X.] unter dem Gesichtspunkt von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) entwickelten Grundsatz Rechnung tragen wollen, dass wegen nur unerheblicher Rückstände nicht gekündigt werden dürfe. Dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien ([X.]. IV/806, [X.]):

"[…] In dem neugefassten § 554 Abs. 1 kommt für alle Mietverhältnisse der in der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt von [X.] und Glauben entwickelte Grundsatz zum Ausdruck, dass wegen nur unerheblicher Rückstände nicht fristlos gekündigt werden kann ([X.], 334). Für Mietverhältnisse über Wohnraum, der nicht zu nur vorübergehendem Gebrauch vermietet ist, wird beson[X.] bestimmt, dass der Rückstand mindestens einer Monatsmiete gleichkommen muss […]".

In seiner Ursprungsfassung sah § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 [X.] aF das Erfordernis des Verzugs mit einem "nicht unerheblichen Teil" der Miete nicht ausdrücklich vor, sondern bestimmte lediglich, dass der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Errichtung "eines Theiles des [X.]" in Verzug sein müsse ([X.] I 1896, [X.] f.). Nach der Rechtsprechung des [X.]s durfte die Vorschrift des § 554 [X.] aF allerdings nicht dazu führen, den Mieter auch dann einer fristlosen Kündigung auszusetzen, wenn es sich nur um unerhebliche Teile einer Mietzinsrate handelt; es verstieße gegen [X.] und Glauben, wenn der Vermieter sich auf einen geringfügigen Rückstand berufen dürfte (so [X.], 334, 335). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber des [X.]es umgesetzt und § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 [X.] aF dahingehend klargestellt, dass nur ein Zahlungsverzug mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete kündigungsrelevant ist.

bb) Die in den Gesetzesmaterialien gewählte Pluralform, "wegen nur unerheblicher Rückstände" dürfe nicht fristlos gekündigt werden, eröffnet allerdings - was das Berufungsgericht verkennt - keinen Raum für die Annahme eines zweiten Erheblichkeitserfordernisses. Denn wann von einem nicht unerheblichen Teil der Miete im Sinn dieser Bestimmung auszugehen ist, hat bereits der Gesetzgeber des [X.]es für Mietverhältnisse über Wohnraum nicht offen lassen wollen, sondern - ersichtlich aus Gründen der Rechtssicherheit - "beson[X.] bestimmt" (so ausdrücklich [X.]. IV/806, [X.]).

Die neu eingeführte Regelung des § 554 Abs. 2 Nr. 1 [X.] aF sah nunmehr vor, dass im Fall einer Kündigung nach § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Diese besondere Schutzvorschrift zugunsten des Wohnraummieters (vgl. [X.]surteil vom 15. April 1987 - [X.], aaO unter [X.], siehe auch [X.], Urteil vom 13. Mai 2015 - [X.], [X.]Z 205, 300 Rn. 50, 55) hat der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes (Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts vom 19. Juni 2000, [X.]l. I S. 1149) in § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] - mit Ausnahme der im Streitfall nicht relevanten Verlängerung der Schonfrist - ohne inhaltliche Änderungen übernommen (vgl. [X.]. 14/4553, [X.], 64). Die Gesetzesmaterialien ([X.]. 14/4553, [X.]) heben insoweit ausdrücklich hervor, dass "Absatz 3 [des § 569 [X.]] die Sonderregelung für die fristlose Kündigung von Wohnraum wegen Zahlungsverzuges aus § 554 Abs. 2 [X.] auf[nimmt]".

(1) Soweit die Gesetzesmaterialien zum [X.] auf die Rechtsprechung des [X.]s Bezug nehmen, betrifft dies ausschließlich den allgemeinen Grundsatz von [X.] und Glauben, "dass wegen nur unerheblicher Rückstände nicht fristlos gekündigt werden kann" (vgl. [X.]. IV/806, [X.], unter Hinweis auf [X.], 334). Hingegen hat der Gesetzgeber des [X.]es das vom [X.] aufgestellte Erfordernis, es komme auf das "Verhältnis des rückständigen [X.] zu der betreffenden Rate" an (vgl. [X.], 334, 335), gerade nicht umgesetzt, sondern mit der neu geschaffenen Bestimmung des § 554 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 [X.] aF (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.]) allein "den rückständigen Teil der Miete" als kündigungsrelevant bestimmt. Nichts spricht dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Erheblichkeitsschwelle mit der in § 554 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 [X.] aF vorgesehenen und in § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] übernommenen Anbindung an den [X.] einerseits "beson[X.] bestimmt", andererseits aber - wie das Berufungsgericht gemeint hat - zugleich ein zu beträchtlicher Rechtsunsicherheit führendes, unbestimmtes Zusatzerfordernis in Gestalt der Erheblichkeit der Rückstände auch zu den beiden jeweiligen Einzelterminen aufgestellt werden sollte.

(2) An[X.] als die Revisionserwiderung meint, ist dem Wortlaut der Bestimmung des § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.], der vorsieht, dass der rückständige Teil der Miete "nur dann" als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt, nicht zu entnehmen, dass dies keine abschließende Definition darstelle. Hierbei handelt es sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht um eine bloße Mindestvoraussetzung, die Raum für höhere Anforderungen an die Erheblichkeitsgrenze ließe. Mit der verwendeten Formulierung hat der Gesetzgeber, was auch in den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu § 554 [X.] aF ([X.]. IV/806, [X.]) zum Ausdruck kommt, vielmehr klargestellt, dass der Rückstand im Bereich der Wohnraummiete zum Schutz des Wohnraummieters nicht darunterliegen darf.

(3) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung (unter Berufung auf [X.], [X.], 699, 701 f.) gebietet es auch der Schutzzweck des § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] nicht, die Erheblichkeitsschwelle über den [X.] hinaus zusätzlich auch an dem Verhältnis der [X.] zu der jeweils geschuldeten Monatsmiete zu messen. Der Gesetzgeber hat in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] die Wertung getroffen, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter jedenfalls dann unzumutbar ist, wenn sich der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit einem Teil der Miete in Verzug befindet, der die Miete für einen Monat übersteigt ([X.]surteil vom 27. September 2017 - [X.], NJW 2018, 939 Rn. 32). Die Schutzwirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] besteht daher darin, für die Wohnraummiete die kündigungsbewehrte Schwelle der Erheblichkeit des [X.] unter Beachtung der bei[X.]eitigen Interessen ausgewogen zu bestimmen. Die davon abweichende Sichtweise des Berufungsgerichts, die zusätzlich Anforderungen an das Verhältnis der [X.] aus den beiden aufeinander folgenden Terminen zu der jeweils geschuldeten Monatsmiete stellen will, führte hingegen zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Anhebung des Schutzniveaus des säumigen Mieters.

c) Das Berufungsgericht möchte seine Bewertung schließlich auf den Grenzfall stützen, dass die Regelung der § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.] eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs auch dann eröffne, wenn der Mieter mit der Zahlung einer Monatsmiete und im Vor- oder Folgemonat mit einem Minimalbetrag in Verzug sei (vgl. auch [X.], aaO; [X.]., PiG 90 [2011], 175, 176).

Dieser - hier ohnehin nicht gegebene - Sonderfall ist nicht geeignet, ein im Gesetz nicht vorgesehenes zusätzliches Tatbestandserfordernis, wie die gesonderte Erheblichkeit der beiden [X.] im Verhältnis zu einer Monatsmiete, zu begründen, zumal eine solche Fallgestaltung auch dann eintreten kann, wenn es - wie das Berufungsgericht gemeint hat - auf eine Einzelbetrachtung der Erheblichkeit des Rückstands für jeden der beiden Fälligkeitstermine ankäme. Auch bei den [X.]n könnte die Erheblichkeitsgrenze - wo immer sie nach der Einschätzung des Berufungsgerichts auch anzusetzen wäre - um nur einen Cent überschritten sein.

In Anbetracht dessen kann auf sich beruhen, ob einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] unter besonderen Umständen des Einzelfalls der Gesichtspunkt von [X.] und Glauben (§ 241 Abs. 2, § 242 [X.]) entgegenstehen kann, wenn der Rückstand eine Monatsmiete zwar übersteigt (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 [X.]), jedoch nur um einen Cent (vgl. MünchKomm[X.]/Häublein, 8. Aufl., § 569 Rn. 42; BeckOGK-[X.]/[X.], Stand: 1. Oktober 2021, § 569 Rn. 59), oder ob aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit auch ein solch geringfügiger Betrag als für den Kündigungstatbestand des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]. 2 [X.] ausreichend anzusehen ist, ohne dass es noch einer Abwägung zwischen den Mieter- und den [X.] bedürfte (vgl. [X.]/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 543 [X.] Rn. 171; [X.]/[X.], Mietrecht, 3. Aufl., § 569 [X.] Rn. 97; jurisPK-[X.]/[X.], Stand: 25. Mai 2021, § 569 Rn. 149 mwN).

d) Die außerordentliche, fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vom 9. Februar 2018 ist, worüber vorliegend kein Streit besteht, nicht nachträglich unwirksam geworden. Das Berufungsgericht hat auf die erstinstanzlichen Feststellungen Bezug genommen, wonach Tatbestände, nach denen eine aufgrund von Zahlungsverzug wirksam erklärte außerordentliche fristlose Kündigung des Mieters nachträglich unwirksam wird (vgl. [X.]surteil vom 19. September 2018 - [X.], [X.]Z 220, 1 Rn. 20), unstreitig nicht gegeben sind.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der [X.] und zur Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts.

Die Entscheidung über die Räumungsfrist, die auch im Revisionsurteil noch ausgesprochen werden kann ([X.], Beschlüsse vom 27. April 2010 - [X.], juris Rn. 4; vom 24. April 2014 - [X.], juris Rn. 7; siehe auch Urteil vom 23. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 3571 Rn. 21 sowie bereits Urteil vom 13. März 1963 - [X.], NJW 1963, 1307), beruht auf § 721 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO.

[X.]     

      

Dr. Bünger     

      

Kosziol

      

Wiegand     

      

Dr. Reichelt     

      

Meta

VIII ZR 32/20

08.12.2021

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 8. Januar 2020, Az: 66 S 181/18, Urteil

§ 543 Abs 2 S 1 Nr 3 Buchst a Alt 2 BGB, § 569 Abs 3 Nr 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2021, Az. VIII ZR 32/20 (REWIS RS 2021, 503)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 227-229 NJW 2022, 1014 REWIS RS 2021, 503

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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