Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2016, Az. VIII K 1/16

8. Senat | REWIS RS 2016, 8277

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Grenzen der Pflicht zur Vorlage von Rechtsfragen an den Europäischen Gerichtshof - Besteuerung von Erträgen aus sog. "schwarzen" Fonds mit Sitz im Drittland - Vereinbarkeit von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG mit dem Unionsrecht)


Leitsatz

1. Ein Senat des BFH kann ungeachtet früherer abweichender Entscheidung eines anderen Senats zu einer bestimmten Rechtsfrage ohne Anfrage bei diesem Senat oder Anrufung des Großen Senats des BFH nach § 11 Abs. 2 und 3 FGO und damit ohne Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters in der Sache abweichend entscheiden, wenn dieselbe Rechtsfrage zwischenzeitlich durch den EuGH entschieden worden ist und sich der später erkennende Senat dieser Rechtsansicht anschließt .

2. Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den EuGH abgelehnt wird, verstößt nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Anschluss an BVerfG-Beschlüsse vom 25. Februar 2010  1 BvR 230/09, BVerfGK 17, 108; vom 15. Dezember 2011  2 BvR 148/11, BVerfGK 19, 265; BFH-Beschlüsse vom 4. September 2009 IV K 1/09, BFH/NV 2010, 218; vom 14. Januar 2014 III B 89/13, BFH/NV 2014, 521) .

3. Eine solche Verletzung des Gebots des gesetzlichen Richters kann mit der Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO i.V.m. § 134 FGO gegen ein Urteil des BFH nicht geltend gemacht werden, das sich ausdrücklich einer Entscheidung des EuGH zu einer in einem anderen Verfahren vorgelegten Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV angeschlossen hat und auf der vertretbaren Überzeugung beruht, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch die Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé") .

4. Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 AEUV in diesen Fällen nur dann, wenn das Fachgericht ohne sachlich einleuchtende Begründung eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage bejaht (Anschluss an BVerfG-Beschlüsse vom 8. April 2015  2 BvR 35/12, juris; vom 7. Oktober 2015  2 BvR 413/15, NVwZ 2016, 56; BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 2007 V S 6/07, BFHE 217, 230, BStBl II 2007, 653, und vom 2. April 2008 I S 5/08, ZSteu 2008, R 747; vom 14. November 2008 II S 9/08, BFH/NV 2009, 211). Daran fehlt es schon dann, wenn sich das Urteil mit der Judikatur des EuGH und den einschlägigen unionsrechtlichen Fragen, soweit der Senat sie für entscheidungserheblich gehalten hat, auseinandersetzt und der Rechtsprechung des EuGH auch unter Berücksichtigung des Umstands folgt, dass die der EuGH-Rechtsprechung vorangegangenen Vorlagebeschlüsse rechtliche Ausführungen enthalten, zu denen der EuGH nicht ausdrücklich Stellung genommen hat .

Tenor

Die Nichtigkeitsklage gegen das Urteil des [X.] vom 28. Juli 2015 [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) unterhielten im Streitjahr (2002) ein Depot bei der X-Bank, in welchem sich u.a. Anteile an sog. "schwarzen" Investmentfonds mit Sitz in den [X.] befanden.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte im Einkommensteuerbescheid des [X.] für diese Fonds Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen nach § 18 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge in der im Streitjahr geltenden Fassung (AuslInvestmG) in Höhe von 10 % des Marktpreises der zum 31. Dezember 2002 im Depot befindlichen Fondsanteile (40.009,42 €) und [X.] nach § 18 Abs. 3 Satz 4 AuslInvestmG in Höhe von 20 % des Veräußerungspreises der im Streitjahr veräußerten Fondsanteile (140.320,42 €) an.

3

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

4

Das dagegen beim [X.] ([X.]) unter dem Aktenzeichen [X.] R 2/09 geführte Revisionsverfahren der Kläger ist mit Einverständnis der Beteiligten durch Beschluss des erkennenden Senats vom 27. August 2014 im Hinblick auf das in einem Parallelverfahren des erkennenden Senats (Beschluss vom 6. August 2013 [X.] R 39/12, [X.]E 242, 324) erfolgte Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] --[X.]-- (Verfahren [X.] vom 21. Mai 2015 [X.]) ausgesetzt worden.

5

In diesem Verfahren sind dem [X.] folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt worden:

      

"1. Steht die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 73b [X.]V (ab 1. Mai 1999 Art. 56 [X.]) einer nationalen Regelung (hier: § 18 Abs. 3 AuslInvestmG), wonach für inländische Beteiligte an ausländischen Investmentfonds unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zu den Ausschüttungen fiktive Einnahmen in Höhe von 90 v.H. der Differenz zwischen dem ersten und dem letzten Rücknahmepreis des Jahres, mindestens aber 10 v.H. des letzten Rücknahmepreises (oder des Börsen- oder Marktwerts) anzusetzen sind, bei Beteiligungen an [X.] deshalb nicht entgegen, weil die seit dem 31. Dezember 1993 im Wesentlichen unveränderte Regelung im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne der Bestandsschutzregelung des Art. 73c Abs. 1 [X.]V (ab 1. Mai 1999 Art. 57 Abs. 1 [X.]) steht?
Sofern die Frage 1 nicht bejaht wird:

        
      

2. Stellt die Beteiligung an einem solchen Investmentfonds mit Sitz in einem Drittland stets eine Direktinvestition i.S. des Art. 73c Abs. 1 [X.]V (ab 1. Mai 1999 Art. 57 Abs. 1 [X.]) dar oder ist die Antwort hierauf davon abhängig, ob die Beteiligung dem Anleger aufgrund von nationalen Vorschriften des [X.] oder aus anderen Gründen die Möglichkeit gibt, sich effektiv an der Verwaltung oder der Kontrolle des Investmentfonds zu beteiligen?"

        

6

Die Revision der Kläger ist nach Wiederaufnahme des Verfahrens --wegen Verzichts der [X.] ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 28. Juli 2015 unter dem Aktenzeichen [X.] R 2/09 ([X.]E 251, 162, [X.], 447) vom Senat als unbegründet zurückgewiesen worden; die streitentscheidende Norm des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG sei nach dem [X.]-Urteil [X.] vom 21. Mai 2015 [X.] ([X.]:[X.]) wegen der [X.] des Art. 64 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V) im Verhältnis zu Drittländern nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen und sei auch mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar.

7

Hiergegen richtet sich die Nichtigkeitsklage der Kläger vom 5. Januar 2016.

8

Sie rügen die Verletzung ihres Anspruchs auf [X.] nach §§ 578, 579 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

9

Der erkennende [X.]. Senat hätte vor Erlass seiner Entscheidung beim [X.] anfragen müssen, ob dieser an seiner im Urteil vom 25. August 2009 I R 88, 89/07 ([X.]E 226, 296, [X.], 438) vertretenen Auffassung festhalte und ggf. die Frage dem Großen Senat des [X.] vorlegen müssen. Denn der [X.] habe § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht nur wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit für nicht anwendbar gehalten, sondern auch wegen eines Verstoßes gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Zudem hätte der erkennende Senat das Verfahren aussetzen und dem [X.] folgende Fragen zur Entscheidung vorlegen müssen:

      

"1. Ist der allgemein anerkannte europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung des europarechtlichen Rechtsstaatsprinzips, wonach eine Maßnahme geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein muss, nur anzuwenden, wenn eine Norm (hier: § 18 Abs. 3 AuslInvestmG) gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und nicht durch die [X.] des Art. 64 A[X.]V gerechtfertigt ist (als Rechtfertigungsgrundsatz in Art. 65 Abs. 3 A[X.]V) oder kommt der europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch auf Steuervorschriften -wie hier § 18 Abs. 3 AuslInvestmG- zur Anwendung, die vor dem 1. Januar 1994 als nationales Gesetz mit erheblichen Verstößen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verabschiedet worden sind (insbesondere als eigenständiger Rechtsgrundsatz z.B. im Sinne einer speziellen Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots und/oder des Willkürverbots als Ausprägung des europarechtlichen Rechtsstaatsprinzips)?

      

2.a) Für den Fall, dass Frage 1. im Sinne der 2. Alternative bejaht wird: Gibt es aufgrund der europarechtlichen Grundrechte der Gleichbehandlung und des Eigentumschutzes zwingende Vorgaben, wie die Verstöße gegen den europarechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Vergangenheit zu heilen sind (z.B. in Anlehnung an inländische weiße Investmentfonds) oder ist insoweit der Gesetzgeber oder die Finanzverwaltung innerhalb der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen (insbesondere Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Willkürverbot und Eigentumsgarantie in der Fassung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit) in seiner Umsetzung frei?

     

2.b) Für den Fall, dass Frage 1. im Sinne der 1. Alternative entschieden wird: Sind die europarechtlichen Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, insbesondere des Willkürverbots und der Eigentumsgarantie in der Fassung der Ausprägung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit vorrangig oder nachrangig nach den vergleichbaren nationalstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen (hier: Art. 3 GG und Art. 14 GG) anzuwenden?

     

3. Steht der europäische Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einer nationalen Regelung (hier: § 18 Abs. 3 AuslInvestmG) entgegen, wonach für inländische Beteiligte an ausländischen Investmentfonds in Drittstaaten unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zu den Ausschüttungen fiktive Einnahmen in Höhe von 90 v.H. der Differenz zwischen dem ersten und dem letzten Rücknahmepreis des Jahres, mindestens aber 10 v.H. des letzten Rücknahmepreises (oder des Börsen- oder Marktwerts) anzusetzen sind, ohne dass ein konkreter Nachweis der tatsächlich erzielten Erträge oder eine individuelle Schätzung der Erträge konkret vorgenommen werden kann?"

Die Kläger beantragen,
das Senatsurteil in [X.]E 251, 162, [X.], 447 für nichtig zu erklären,
das Revisionsverfahren gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) [X.] vom 16. Dezember 2008  10 K 4614/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 554) fortzuführen,
eine Vorabentscheidung des [X.] zu den aufgeworfenen oder sinngemäß formulierten Fragen einzuholen sowie
nach Vorlage der Vorabentscheidung des [X.] erneut über die Revision gegen das [X.] in [X.], 554 auf Basis der bisherigen Anträge zu entscheiden.

Das [X.] beantragt,
die Nichtigkeitsklage als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I[X.] [X.] (§ 134 FGO i.V.m. §§ 578 ff. [X.]O) ist als unbegründet zurückzuweisen, weil das Senatsurteil in [X.], 162, [X.], 447 nicht gegen das Gebot der Entscheidung durch [X.] i.S. des § 579 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O verstößt.

Der Senat war entgegen der Auffassung der Kläger weder verpflichtet, den [X.] des [X.] nach § 11 Abs. 2 und 3 FGO anzurufen, noch bestand eine Verpflichtung nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V, hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG mit dem Unionsrecht (erneut) den [X.] im Wege eines [X.] anzurufen.

1. Nach § 134 FGO i.V.m. §§ 578, 579 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O wird ein Verfahren auf Nichtigkeitsklage wieder aufgenommen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war.

Die Regelung des § 579 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O stimmt mit dem absoluten Revisionsgrund des § 119 Nr. 1 FGO überein. Verletzt ein Gericht willkürlich seine Vorlagepflicht an ein anderes Gericht, so war das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt und es liegt ein Verstoß gegen [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor ([X.]-Beschluss vom 4. September 2009 IV K 1/09, [X.]/NV 2010, 218, m.w.N.).

2. Die Voraussetzungen für eine Anfrage beim [X.] des [X.] und für eine anschließende Anrufung des [X.]s des [X.] waren im Streitfall nicht gegeben.

a) Wird der Entzug des gesetzlichen Richters gerügt, weil ein Senat des [X.] entschieden habe, ohne zuvor den [X.] des [X.] angerufen zu haben, liegt ein Wiederaufnahmegrund nach ständiger [X.]-Rechtsprechung dann vor, wenn nicht nur die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 oder 3 FGO erfüllt sind, sondern in der Nichtanrufung oder Nichtvorlage ein willkürliches Verhalten des Gerichts liegt ([X.]-Urteil vom 12. Januar 2011 I K 1/10, [X.]/NV 2011, 1159; vgl. auch [X.]-Beschluss vom 29. Januar 1992 [X.] K 4/91, [X.]E 165, 569, [X.] 1992, 252; [X.]-Urteil vom 5. November 1993 VI K 2/92, [X.]/NV 1994, 395).

b) Entgegen der Behauptungen der Kläger waren schon die Voraussetzungen nach § 11 Abs. 2 und 3 FGO nicht erfüllt.

aa) Danach entscheidet der [X.] des [X.], wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will (§ 11 Abs. 2 FGO) und der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält (§ 11 Abs. 3 Satz 1 FGO).

bb) Eine solche Abweichung der Entscheidung des erkennenden Senats vom Urteil des [X.]s des [X.] in [X.]E 226, 296, [X.], 438 ist nicht gegeben.

Wie der erkennende Senat bereits im angegriffenen Urteil ausgeführt hat, bedarf es einer solchen Anfrage bei dem anderen Senat und damit auch einer Entscheidung des [X.]s des [X.] nicht, wenn dieselbe Rechtsfrage zwischenzeitlich durch den [X.] entschieden worden ist und sich der später erkennende Senat --wie im Streitfall der erkennende VII[X.]-- dieser Rechtsansicht anschließen will (vgl. Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 11 Rz 18, m.w.N.).

cc) Entgegen der Behauptung der Kläger hat der [X.] des [X.] die [X.] von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht auf zwei selbständige rechtliche Grundlagen gestützt, von denen nur eine --der Verstoß gegen die [X.] durch die Entscheidung des [X.] überholt ist.
Der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war kein daneben tretender Grund der [X.], sondern vielmehr --wie es der ständigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] entspricht-- ein Prüfungspunkt im Rahmen einer möglichen Rechtfertigung einer zuvor festgestellten Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit.

Diese Rechtfertigung hatte der [X.] des [X.] verneint, da die Regelung des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG unverhältnismäßig sei. Dies folgt unmittelbar und eindeutig aus dem Wortlaut und der Urteilsgliederung der Entscheidung des [X.]s des [X.] in [X.]E 226, 296, [X.], 438.

Da der [X.] jedoch entschieden hat, dass § 18 Abs. 3 AuslInvestmG im Verhältnis zu Drittstaaten nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist, ist auch eine Rechtfertigung für einen Verstoß gegen dieselbe nicht erforderlich, so dass die Begründung des [X.]s des [X.] in [X.]E 226, 296, [X.], 438 insgesamt durch die Entscheidung des [X.] überholt ist.

3. Es liegt auch keine willkürliche Nichtvorlage an den [X.] zwecks Klärung der von den Klägern für bedeutsam erachteten Rechtsfragen vor.

a) Der [X.] ist allerdings [X.] i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

Unter den Voraussetzungen des Art. 267 A[X.]V sind die nationalen Gerichte daher von Amts wegen gehalten, den [X.] anzurufen. Kommt ein letztinstanzliches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des [X.] im Wege des [X.] nicht nach, kann dem [X.] des Ausgangsrechtsstreits [X.] entzogen sein.

Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den [X.] abgelehnt wird, verstößt allerdings nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.]/NV 2010, 218; vom 14. Januar 2014 III B 89/13, [X.]/NV 2014, 521; Beschlüsse des [X.] vom 25. Februar 2010  1 BvR 230/09, [X.], 108; vom 15. Dezember 2011  2 BvR 148/11, [X.], 265).

b) Dies kommt in Betracht, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht trotz --seiner Auffassung nach-- bestehender Entscheidungserheblichkeit einer gemeinschaftsrechtlichen Frage eine Vorlage überhaupt nicht in Erwägung zieht (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht), bewusst von der [X.]-Rechtsprechung abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft) und schließlich den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum in Fällen überschritten hat, in denen eine einschlägige [X.]-Rechtsprechung noch nicht oder noch nicht erschöpfend vorliegt oder ihre Fortentwicklung nicht ganz fernliegend ist (Unvollständigkeit der Rechtsprechung).

Der Beurteilungsspielraum ist dabei überschritten, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte [X.]" willkürlich bejahen.

Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des [X.] muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren. Auf dieser Grundlage muss sich das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch die Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte [X.]").

Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 A[X.]V im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht ohne sachlich einleuchtende Begründung eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage bejaht, etwa wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht zugrunde gelegten Meinung eindeutig vorzuziehen sind ([X.] vom 8. April 2015  2 BvR 35/12, juris; vom 7. Oktober 2015  2 BvR 413/15, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2016, 56; [X.]-Beschlüsse vom 11. Mai 2007 V S 6/07, [X.]E 217, 230, [X.] 2007, 653, und vom 2. April 2008 I S 5/08, Zeitschrift für Steuern und Recht --ZSteu-- 2008, R 747; vom 14. November 2008 II S 9/08, [X.]/NV 2009, 211).

c) Nach diesen Maßstäben war eine Vorlage an den [X.] nicht geboten.

aa) Eine grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht sowie ein bewusstes Abweichen von der Rechtsprechung des [X.] liegen bereits deswegen nicht vor, weil sich das Urteil mit der Judikatur des [X.] und den einschlägigen unionsrechtlichen Fragen, soweit der Senat sie für entscheidungserheblich gehalten hat, auseinandergesetzt und der Rechtsprechung des [X.] --insbesondere den Urteilen [X.] ([X.]:[X.]) und [X.] und [X.] vom 9. Oktober 2014 [X.]/12 ([X.]:[X.] gefolgt ist.

So wurde das Revisionsverfahren mit Einverständnis der Beteiligten aufgrund des Vorlagebeschlusses des Senats in [X.]E 242, 324 an den [X.] im Verfahren [X.] R 39/12 ausgesetzt und nach Ergehen der Entscheidung des [X.] unter Berücksichtigung des dort ergangenen Urteils [X.] ([X.]:[X.]) fortgesetzt. In den Urteilsgründen wird eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 A[X.]V) und deren Unbeachtlichkeit wegen Eingreifens der [X.] (Art. 64 A[X.]V) unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des [X.] dargelegt.

bb) Der Senat hat auch nicht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum dadurch überschritten, dass er das Revisionsverfahren nicht erneut ausgesetzt und die von den Klägern erstmals mit der Nichtigkeitsklage vorgetragenen unionsrechtlichen Fragestellungen nach einer isolierten Geltung und Reichweite des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Bezug auf eine nationale Steuerrechtsnorm in einem nicht durch Richtlinien oder [X.]-Verordnungen harmonisierten Bereich des Ertragsteuerrechts, die zudem noch einen Drittstaatensachverhalt betrifft, auf den die --allein in Betracht [X.] nicht anwendbar ist, dem [X.] zur Entscheidung vorgelegt hat.

Der Senat durfte vielmehr davon ausgehen, dass mit dem Urteil [X.] ([X.]:[X.]) die Rechtslage in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte [X.]").

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Gegenstand des [X.] zwar nur die sinngemäße Frage war, ob die Regelung des Art. 18 Abs. 3 AuslInvestmG in den sachlichen Anwendungsbereich der [X.] des Art. 64 A[X.]V fällt und damit im Verhältnis zu Drittstaaten nicht an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist. Der vorlegende Senat hat jedoch in seinem Vorlagebeschluss in [X.]E 242, 324 nicht nur die Art und Weise und die Höhe der Besteuerung von "schwarzen" Fonds dargestellt. Er hat sogar explizit ausgeführt, dass er von einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 18 Abs. 3 AuslInvestmG ausgeht (Rz 98 bis 101), die nicht durch Art. 65 A[X.]V gerechtfertigt werden kann (Rz 103 bis 107) und die auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist (Rz 108 bis 112), weil sie unverhältnismäßig ist (Rz 113).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] hindert der Umstand, dass das vorlegende Gericht eine Vorlagefrage unter Bezugnahme nur auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den [X.] nicht daran, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können. Der [X.] hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen ([X.]-Urteil [X.] und [X.] vom 22. Oktober 2015 [X.]/14, [X.]:C:2015:721, Rz 20, m.w.N.).

Hiervon hat der [X.] keinen Gebrauch gemacht, obwohl auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 18. Dezember 2014 [X.] ([X.]:[X.], Rz 19 ff.) auf diese grundsätzlich bestehende Möglichkeit hingewiesen, sie jedoch im Streitfall nicht befürwortet hat, weil er die Einschätzung des vorlegenden Gerichts, dass die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit --insbesondere nach Ergehen des Urteils in der Sache [X.] und [X.] ([X.]:[X.] einen "acte claire" darstellt, geteilt (Rz 33 ff.) und sich daher für eine Beschränkung auf die vorgelegte Frage ausgesprochen hat.

Auch die von den Klägern zitierten Literaturmeinungen ([X.], Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht 2015, 349; [X.]/Nagler, Internationales Steuerrecht 2015, 511) enthalten keinen Hinweis darauf, dass nach Ergehen des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:[X.]) nunmehr § 18 Abs. 3 AuslInvestmG wegen eines Verstoßes gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht anzuwenden sei. Die zitierten Aufsätze gehen vielmehr vom Gegenteil aus - nämlich, dass nunmehr geklärt sei, dass § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht gegen Unionsrecht verstößt.

cc) Soweit sich die Willkür nach Auffassung der Kläger daraus ergibt, dass der [X.] --auch der erkennende Senat-- in früherer "acte claire" Rechtsprechung § 18 Abs. 3 AuslInvestmG ohne Vorlage an den [X.] selbst als unverhältnismäßig angesehen und daher wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht nicht angewandt habe ([X.]-Urteile vom 21. April 2009 VII R 24/07, [X.]E 225, 464; in [X.]E 226, 296, [X.], 438, und der Vorlagebeschluss des Senats in [X.]E 242, 324), beruhte dies lediglich auf der früheren Annahme des [X.], die Vorschrift verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit; diese Rechtsprechung ist indessen, wie bereits ausgeführt, durch das [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]) überholt, weil der Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten wegen der [X.] unbeachtlich ist. Denn die Notwendigkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung stellt sich nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] bei der Prüfung von Verletzungen unionsrechtlicher [X.]en --entgegen der Auffassung der Kläger in der mündlichen [X.] als unselbständiger Prüfungsgegenstand nur dann, wenn eine der [X.]en durch eine nationale Regelung betroffen ist und (nur) deshalb Rechtfertigungsgründe für eine Verletzung der [X.] festzustellen sind (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 28. Januar 1986  270/83, [X.]:[X.], [X.], 569).

4. Die Kläger haben des Weiteren nicht überzeugend dargelegt, inwieweit der von ihnen ebenfalls gerügte Verstoß von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG gegen Art. 6, Art. 1 [X.] 1 und Art. 14 der [X.] zum Schutz der Menschenrechte und [X.]en einen [X.] i.S. des § 579 Abs. 1 [X.]O darstellen könnte.

Ein Entzug des gesetzlichen Richters i.S. von § 579 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O wird damit jedenfalls nicht dargelegt. Eine Art. 267 A[X.]V entsprechende Vorlagepflicht oder Vorlagemöglichkeit eines nationalen Gerichts enthält das Verfahrensrecht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Meta

VIII K 1/16

13.07.2016

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend BFH, 28. Juli 2015, Az: VIII R 2/09, Urteil

§ 18 Abs 3 S 4 AuslInvestmG, Art 63 AEUV, Art 64 AEUV, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 GG, § 11 Abs 2 FGO, § 11 Abs 3 FGO, § 134 FGO, § 578 ZPO, § 579 Abs 1 Nr 1 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 155 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2016, Az. VIII K 1/16 (REWIS RS 2016, 8277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8277


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VIII K 1/16

Bundesfinanzhof, VIII K 1/16, 13.07.2016.


Az. VIII R 2/09

Bundesfinanzhof, VIII R 2/09, 28.07.2015.

Bundesfinanzhof, VIII R 2/09, 07.02.2013.


Az. GrS 2/13

Bundesfinanzhof, GrS 2/13, 06.05.2014.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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