Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. III B 123/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 7548

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Gegenstand

Zuständigkeit zum Erlass einer Prüfungsanordnung vor Wohnsitzwegverlegung vom Betriebssitz


Leitsatz

1. NV: Für die Zuständigkeit zum Erlass einer Prüfungsanordnung sind grundsätzlich die Umstände zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung maßgeblich.

2. NV: Für die Frage, ob eine gesonderte Feststellung wegen eines Auseinanderfallens von Wohnsitzfinanzamt und Betriebs-, Lage- oder Tätigkeitsfinanzamt durchzuführen ist, kommt es nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO auf die Verhältnisse zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums an. Nachträglich eintretende Veränderungen sind ohne Bedeutung. Ist danach keine gesonderte Feststellung durchzuführen, kann über § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO auch keine örtliche Zuständigkeit des Betriebsfinanzamts begründet werden.

3. NV: Die Frage, ob in dem Fall, dass ein Steuerpflichtiger nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums seinen Wohnsitz vom bisherigen Betriebssitz wegverlagert, das bisherige Wohnsitzfinanzamt vor der Wohnsitzverlagerung auch zuständig für den Erlass der Prüfungsanordnung hinsichtlich der betrieblichen Einkünfte bleibt, ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich nach § 19 Abs. 1 Satz 1, § 26 Satz 1 AO eindeutig bejahen lässt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und [X.]eschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren 2003 bis 2007 als Einzelunternehmer im [X.]ereich des An- und Verkaufs von Immobilien gewerblich tätig. Der [X.]etrieb des [X.] war vom [X.]eklagten und [X.]eschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) in diesem Zeitraum als [X.]roßbetrieb i.S. des § 3 der [X.]etriebsprüfungsordnung eingestuft. Der Kläger hatte zunächst sowohl seinen Wohn- als auch seinen [X.]etriebssitz in [X.] Am 1. Dezember 2009 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz nach [X.] Ob der Kläger --wie von ihm vorgetragen-- im Oktober 2009 seinen [X.]etriebssitz nach [X.] verlegt hat, ist zwischen den [X.]eteiligten streitig.

2

Mit Prüfungsanordnung vom 9. November 2009 ordnete das [X.] die Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger u.a. hinsichtlich der Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen 2003 bis 2007 und der gesonderten Feststellung des verbleibenden [X.] zum 31. Dezember 2006 und zum 31. Dezember 2007 an. Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 25. November 2009 wurde die Prüfungsanordnung dem Kläger an diesem Tag durch Einwurf in den zu seiner Wohnung in [X.] gehörenden [X.]riefkasten bekannt gegeben.

3

Nachdem das [X.] über den hiergegen gerichteten Einspruch nicht entschieden hatte, erhob der Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 2011 Untätigkeitsklage. Diese wies das Finanzgericht (F[X.]) als unbegründet ab. Zur [X.]egründung verwies es u.a. darauf, dass das [X.] gemäß § 19 der Abgabenordnung ([X.]) für den Erlass der Prüfungsanordnung zuständig gewesen sei, da der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Verwaltungshandelns noch seinen Wohnsitz in dessen Zuständigkeitsbereich --in [X.]-- gehabt habe.

4

Mit seiner [X.]eschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --F[X.]O--).

Entscheidungsgründe

5

II. 1. Die Beschwerde ist --bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 [X.]O). Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

6

a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den [X.] ([X.]) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss. Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den [X.] erforderlich machen. [X.] ist eine Rechtsfrage aber nicht schon dann, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist; vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (z.B. [X.]-Beschluss vom 1. September 2010 IV B 132/09, [X.]/NV 2011, 27, m.w.N.).

7

b) Die von dem Kläger als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage, ob die unterjährige Verlegung des Betriebssitzes und das damit verbundene, erstmalige Auseinanderfallen von Wohnsitz und Betriebsstätte einen Wechsel der Zuständigkeit gemäß § 26 Satz 1 [X.] i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 [X.] für die Anordnung einer Außenprüfung nach sich zieht, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O. Denn die Rechtsfrage lässt sich --soweit sie sich auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation bezieht-- unmittelbar aus dem Gesetz beantworten.

8

aa) Nach § 196 [X.] bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung.

9

Da die Außenprüfung ein Vorgang des Besteuerungsverfahrens ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit, soweit keine Sonderregeln bestehen, nach den §§ 18 ff. [X.] (§ 17 [X.]). Die Bestimmung des § 195 Satz 1 [X.], wonach die Außenprüfung von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt wird, dient daher nur der Klarstellung ([X.]-Urteil vom 25. Januar 1989 [X.], [X.]E 156, 18, [X.] 1989, 483, m.w.N.). Zwar bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit für die Veranlagung grundsätzlich nach den Verhältnissen zur [X.] (Senatsurteile vom 22. September 1989 III R 227/84, [X.]/NV 1990, 568, und vom 11. Dezember 1987 III R 228/84, [X.]E 152, 27, [X.] 1988, 230). Entsprechend sind auch für die Zuständigkeit zum Erlass einer Prüfungsanordnung grundsätzlich die Umstände zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung maßgeblich ([X.]-Urteile in [X.]E 156, 18, [X.] 1989, 483, und vom 26. Juli 2007 VI R 68/04, [X.]E 218, 35, [X.] 2009, 338). Von dieser allgemeinen Regel enthält jedoch § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] für gesonderte Feststellungen insoweit eine Ausnahme, als für die Frage, ob eine gesonderte Feststellung wegen eines Auseinanderfallens von Wohnsitzfinanzamt und Betriebs-, Lage- oder Tätigkeitsfinanzamt durchzuführen ist, auf die Verhältnisse zum Schluss des [X.] abzustellen ist. Diese Regelung geht auf eine durch das [X.] vom 21. Dezember 1993 ([X.] 1993, 2310, 2346) mit Wirkung ab 30. Dezember 1993 erfolgte Gesetzesänderung zurück. Insoweit hat der [X.] bereits entschieden, dass die zu der früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung, wonach auch bei § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] auf die Zuständigkeit im Zeitpunkt der Veranlagung abzustellen sei, keine Anwendung mehr findet (Urteil vom 17. Mai 1995 [X.], [X.]E 177, 478, [X.] 1995, 640).

bb) Tritt ein Auseinanderfallen von Wohnsitzfinanzamt und Betriebsfinanzamt erst nach Ablauf des [X.] ein, findet nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] keine gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb statt. Der Schluss des [X.] entscheidet endgültig über die Feststellungsnotwendigkeit, nachträglich eintretende Veränderungen sind ohne Bedeutung (vgl. etwa Schmieszek in [X.], [X.] § 18 Rz 19 f., insbesondere Beispielsfall 2).

Da nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den [X.] in einem sich anschließenden Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Tatsachenfeststellungen des [X.] ein Auseinanderfallen von [X.] und Betriebsfinanzamt erst nach Ablauf der für die Streitjahre maßgeblichen Gewinnermittlungszeiträume in Betracht kommt, scheidet eine gesonderte Feststellung der gewerblichen Einkünfte des Klägers für die Streitjahre aus. Ist keine gesonderte Feststellung durchzuführen, kann über § 18 [X.] auch keine örtliche Zuständigkeit des [X.] begründet werden.

cc) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Wohnsitzfinanzamt). Geht die örtliche Zuständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände von einer Finanzbehörde auf eine andere Finanzbehörde über, so tritt gemäß § 26 Satz 1 [X.] der Wechsel der Zuständigkeit in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden Finanzbehörden hiervon erfährt. Tritt --wie im [X.] der Wohnsitzwechsel erst nach dem maßgeblichen Verwaltungshandeln (hier dem Erlass der Prüfungsanordnung) ein, verbleibt es bei der durch § 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] begründeten Zuständigkeit des bisherigen Wohnsitzfinanzamts, da sich die Umstände, welche die Zuständigkeit begründen, im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns noch nicht i.S. des § 26 Satz 1 [X.] verändert haben.

c) Soweit sich die vom Kläger sehr weit formulierte Fragestellung auf hier nicht vorliegende Sachverhaltskonstellationen beziehen sollte, wäre die Frage nicht klärungsfähig, da der [X.] in einem sich anschließenden Revisionsverfahren an die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] gebunden wäre.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

Meta

III B 123/13

26.02.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 23. Juli 2013, Az: 4 K 2707/13, Urteil

§ 18 Abs 1 Nr 2 AO, § 19 Abs 1 S 1 AO, § 26 S 1 AO, § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst b AO, § 195 S 1 AO, § 196 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. III B 123/13 (REWIS RS 2014, 7548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7548

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