Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2016, Az. 2 StR 512/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16390

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:110216B2STR512.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]/15
vom
11. Februar 2016
in der Strafsache
gegen

wegen schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts
und
des Beschwerdeführers
am 11.
Februar
2016 gemäß §
349 Abs.
4
StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18.
Juni 2015, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen [X.], an eine andere Strafkammer des [X.].

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen we-gen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und we-gen Verstoßes gegen Weisungen während der Führungsaufsicht in 91 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils (§
349 Abs. 4 StPO).
1. [X.] in Tateinheit mit [X.] Körperverletzung

Fall
1 der Urteilsgründe

hat keinen Bestand. Das 1
2
-
3
-
[X.] hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte zur
Tatzeit voll schuldfähig gewesen ist, nicht tragfähig begründet.
a) Nach den Feststellungen begab sich der zur Tatzeit 26 Jahre alte, un-ter Führungsaufsicht und unter Betreuung stehende Angeklagte am Abend des 11.
November 2014 zu seiner Nachbarin, der 67 Jahre alten Nebenklägerin
A.

.
Er hatte spontan den Entschluss gefasst, sie auszurauben, weil er
wusste, dass die Nebenklägerin, mit der er
eine kurze intime Beziehung geführt hatte, stets erhebliche Bargeldbeträge
in ihrer Wohnung aufbewahrte.
Er führte eine Plastiktüte mit sich, um sie der Nebenklägerin über den Kopf zu stülpen,
damit sie ihn nicht als Täter identifiziere; außerdem hatte er
Schnürsenkel als Fesselwerkzeug bei sich. In Ausführung seines Tatentschlusses klingelte er an der Tür seiner Nachbarin, stülpte der ihm die Haustüre öffnenden und ihn er-kennenden Nebenklägerin die Plastiktüte über den Kopf und brachte sie zu [X.]. Er
würgte
die sich wehrende Nebenklägerin mehrfach fast bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit
und nahm dabei eine mögliche Verletzung des [X.] billigend in Kauf. Er
fesselte sie mit Hilfe der Schnürsenkel, trug sie in das Schlafzimmer und legte sie auf das
Bett. Anschließend nahm er aus ihrer Brief-tasche einen Bargeldbetrag in Höhe von 1.200

an sich und verließ die [X.] unter
Mitnahme weiterer Wertgegenstände. Die Nebenklägerin erlitt meh-rere Prellungen.
Der Angeklagte begab sich zu Bekannten, mit denen er zuvor den Abend verbracht hatte und denen er die Tat gestand. Nachdem diese ihn deshalb der Wohnung verwiesen hatten, begab er sich zu einem Freund, be-suchte mit diesem eine Spielothek und
schließlich ein Bordell.
Am Folgetag wurde der Angeklagte festgenommen, als er seiner täglichen Meldepflicht auf einem Polizeirevier
nachkam.

3
-
4
-
b) Die Ausführungen, mit denen das sachverständig beratene [X.] die Annahme voller
Schuldfähigkeit begründet hat, halten [X.] Überprüfung nicht stand.
aa) Die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Tatbege-hung aufgrund einer festgestellten Störung im Sinne des §
21 StGB erheblich vermindert oder im Sinne des §
20 StGB aufgehoben war, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter unter Darlegung der fachwissenschaftlichen Beurteilung durch den Sachverständigen, letztlich aber ohne Bindung an dessen Ausführungen, in eigener Verantwortung zu entscheiden hat ([X.], Beschluss vom 19.
November 2014

4 StR 497/14). Schließt er sich dabei der Beurteilung des [X.] an, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen in den Urteilsgründen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.;
vgl. nur [X.],
Beschluss vom 19.
November 2014

4
StR 497/14; Beschluss vom 2.
Oktober 2007

3
StR 412/07, [X.], 39).
[X.])
Hieran
fehlt es.
Die Urteilsausführungen sind auf die Mitteilung be-schränkt, dass der Sachverständige bei dem
zur Tatzeit
26
Jahre alten Ange-klagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und dissozialen Persönlichkeitsmerkmalen sowie

bei einem Intelligenzquotienten von 59

eine leichte Intelligenzminderung ohne Verhaltensstörung diagnosti-ziert und ausgeführt Einschränkung seiner Schuldfähigkeit

ergebe. Nähere Ausführungen des Sachverständigen zu Art und Ausmaß des beim Angeklagten
vorliegenden Stö-rungsbilds sowie zu seinem Einfluss auf die Tatbegehung enthält das Urteil nicht. Zwar ist im Rahmen der Prüfung des Hangs im Sinne des §
66 StGB ausgeführt, dass der Angeklagte sämtliche Kriterien einer dissozialen Persön-lichkeitsstörung erfülle; darüber hinaus findet sich im Rahmen der Gefährlich-4
5
6
-
5
-
keitsprognose der Hinweis des Sachverständigen, dass die beim Angeklagten Risikofaktor für künftige Delinquenz anzusehen sei. Dies und der Hinweis auf wie die ebenfalls sachverständig be-des Angeklagten wecken Zweifel an der Einschätzung der Sachverständigen, der Angeklagte habe zum Tatzeitpunkt nicht nur das Unrecht seines Tuns in
vollem Umfang einsehen, sondern auch nach dieser Einsicht handeln können. Angesichts der Auffälligkeiten in der Persönlichkeit des Angeklagten, der sich bereits als Jugendlicher und zuletzt im Frühsommer 2014 in psychiatrischer Behandlung befunden hat, kann der Schuldspruch wegen Raubes keinen [X.] haben. Die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten bedarf neuer [X.] und Entscheidung.
2.
Auch die Verurteilung wegen Weisungsverstoßes in der [X.] in 91 Fällen kann keinen Bestand
haben. Insoweit fehlt es
bereits an den erforderlichen Feststellungen.
a) §
145a StGB gleicht
einer
Blankettvorschrift, deren Tatbestand erst durch genaue Bestimmung der Führungsaufsichtsweisung ausgefüllt wird; erst hierdurch wird die Vereinbarkeit der Norm mit Art.
103 Abs.
2 GG gewährleistet. Voraussetzung für eine Bestrafung nach §
145a StGB ist deshalb, dass die Weisung rechtsfehlerfrei ist (vgl. [X.], Urteil vom 7. Februar 2013

3
StR 486/12, [X.]St 58, 136, 138; Beschluss vom 19.
August 2015

5
[X.], StraFo 2015, 471, 472).
Verstöße gegen unbestimmte, unzulässige oder unzu-mutbare Weisungen können die Strafbarkeit nach §
145a StGB nicht begrün-den. Dabei handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, des-sen Vorliegen der Tatrichter in den Urteilsgründen darzutun hat ([X.], aaO).
7
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-
6
-
In Anbetracht des Bestimmtheitsgebots des Art.
103 Abs.
2 GG und der Tatsache, dass §
68b Abs.
2 StGB auch nicht strafbewehrte Weisungen ermög-licht, muss auch der Beschluss über die Führungsaufsicht jedenfalls auszugs-weise wiedergegeben werden, damit geprüft werden kann, ob im [X.]sbeschluss unmissverständlich klargestellt ist, dass es sich bei den in [X.] stehenden Weisungen um gemäß §
68b Abs.
1 StGB strafbewehrte Wei-sungen handelt ([X.], Beschluss vom 19.
August 2015 -
5 [X.], StraFo 2015, 471, 472; vgl. [X.], [X.], 30).
b) Hieran fehlt es. Das angegriffene Urteil gibt weder die [X.]sbeschlüsse noch die darin enthaltenen Weisungen im Einzelnen wieder. Ausführungen zu Bestimmtheit, Zulässigkeit und Zumutbarkeit der Weisungen enthält das angegriffene Urteil nicht. Bei dieser Sachlage können die Schuldsprüche keinen Bestand haben. Die Sache bedarf daher auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Für das neue Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass das vom Angeklagten pauschal abgelegte Geständnis, er habe regelmäßig Canna-bis konsumiert, einer sorgfältigen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen sein wird. Hierbei wird insbesondere zu würdigen
sein, dass der den Angeklagten im Rahmen des Programms zur Betreuung besonders rückfallgefährdeter Sexual-
straftäter betreuende Polizeibeamte
H.

bekundet hat, dass die wö-
chentlich oder zweiwöchentlich durchgeführten Urinkontrollen sämtlich unauffäl-lig waren und er den Angeklagten nie unter dem Einfluss von Betäubungsmit-teln
stehend
angetroffen hat. Dies und der Umstand, dass der an einer Intelli-genzminderung leidende Angeklagte sich

soweit ersichtlich grundlos

selbst
e-sem und in allen anderen Fällen einer besonders sorgfältigen und kritischen Prüfung zu unterziehen.
9
10
11
-
7
-
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Maßre-gelausspruchs nach sich.

Fischer Appl Ott

Zeng Bartel

12

Meta

2 StR 512/15

11.02.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2016, Az. 2 StR 512/15 (REWIS RS 2016, 16390)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16390

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 512/15

4 StR 497/14

5 StR 275/15

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