Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, Az. 5 AZR 248/11

5. Senat | REWIS RS 2012, 7179

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Gegenstand

Darlegungs- und Beweislast im Vergütungsprozess


Leitsatz

Klagt ein Arbeitnehmer Arbeitsvergütung ein, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. November 2010 - 14 [X.] 945/10 - aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 449,50 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für August und September 2009) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 181,25 Euro brutto seit dem 16. September 2009 und aus weiteren 268,25 Euro brutto seit dem 16. Oktober 2009 zu zahlen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die [X.]che zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger war beim [X.]n, der ein Bauunternehmen betreibt, bis zum 11. September 2009 als Maurer beschäftigt.

3

Der Arbeitsvertrag vom 16. März 2009 regelt [X.].:

        

„§ 3   

Arbeitszeit

        
        

1.    

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte beträgt 40 Stunden, sofern der [X.] - [X.] keine anderen Regelungen vorsieht.

        

…       

        
        

§ 6     

Arbeitsentgelt

        

1.    

Für die bei Einstellung vorgesehene Tätigkeit erhält der [X.] einen Stundenlohn von 14,50 Euro, der jeweils am 15. des Folgemonats bargeldlos zahlbar ist.

        

2.    

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über seine tägliche Arbeitszeit nachvollziehbare Aufzeichnungen zu führen und diese spätestens bis zum 3. Werktag des Folgemonats bei dem Arbeitgeber einzureichen. Eine Vergütung erfolgt nur für nachgewiesene Stunden. Erfolgt keine Meldung, ist der Arbeitgeber zur Schätzung berechtigt. Eine spätere Korrektur ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich.“

4

In § 3 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe ([X.]) vom 4. Juli 2002 idF des [X.] vom 20. August 2007 ist bestimmt:

        

„1.     

Allgemeine Regelung

        

1.1     

Durchschnittliche [X.]

                 

Die durchschnittliche regelmäßige [X.] im Kalenderjahr beträgt 40 Stunden.

        

1.2     

Tarifliche Arbeitszeit

                 

In den Monaten Jan[X.]r bis März und Dezember beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen montags bis donnerstags 8 Stunden und freitags 6 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden (Winterarbeitszeit). In den Monaten April bis November beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen montags bis donnerstags 8,5 Stunden und freitags 7 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 41 Stunden (Sommerarbeitszeit).

        

1.3     

Arbeitszeitausgleich innerhalb von zwei Wochen

                 

Die nach betrieblicher Regelung an einzelnen Werktagen ausfallende Arbeitszeit kann durch Verlängerung der Arbeitszeit ohne Mehrarbeitszuschlag an anderen Werktagen innerhalb von zwei Kalenderwochen ausgeglichen werden (zweiwöchiger Arbeitszeitausgleich). Die [X.] kann somit nach den betrieblichen Erfordernissen und den jahreszeitlichen Lichtverhältnissen im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer auf die Werktage verteilt werden.

        

1.4     

Betriebliche Arbeitszeitverteilung in einem zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum

        

1.41   

Durchführung

                 

Durch Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung kann für einen Zeitraum von zwölf zusammenhängenden Lohnabrechnungszeiträumen (zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum) eine von der tariflichen Arbeitszeitverteilung abweichende Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage ohne Mehrarbeitszuschlag vereinbart werden, wenn gleichzeitig ein Monatslohn nach Nr. 1.42 gezahlt wird. Aus dieser Betriebsvereinbarung bzw. der einzelvertraglichen Vereinbarung muss sich ergeben, in welcher Form und mit welcher Ankündigungsfrist die jeweilige werktägliche Arbeitszeit festgelegt wird.

                 

…       

        

1.42   

Monatslohn

                 

Bei betrieblicher Arbeitszeitverteilung wird während des gesamten [X.] unabhängig von der jeweiligen monatlichen Arbeitszeit in den Monaten April bis November ein Monatslohn in Höhe von 178 Gesamttarifstundenlöhnen und in den Monaten Dezember bis März ein Monatslohn in Höhe von 164 Gesamttarifstundenlöhnen gezahlt.

                 

…“    

5

Für August 2009 rechnete der [X.] 153,5 Stunden und ein Guthaben aus einem Arbeitszeitkonto ab. Für September 2009 erteilte er keine Abrechnung.

6

Der Kläger hat für August und September 2009 von ihm auf Vordrucken des [X.]n erstellte Arbeitszeiterfassungen mit Angabe des täglichen Arbeitsbeginns, des [X.], der [X.], der täglich und monatlich geleisteten Arbeitsstunden sowie der jeweiligen Baustellen vorgelegt und behauptet, er habe in diesen beiden Monaten weitere 31 Stunden gearbeitet.

7

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt,

        

den [X.]n zu verurteilen, an ihn 449,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 181,50 Euro brutto seit dem 16. September 2009 und aus weiteren 268,25 Euro brutto seit dem 16. Oktober 2009 zu zahlen.

8

Der [X.] hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, im August habe sich der Kläger an einzelnen Tagen krankgemeldet. Am 1. September 2009 habe der Kläger eine halbe Stunde weniger als behauptet und am 2. und 7. September 2009 gar nicht gearbeitet.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung des [X.]n zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der [X.] die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.]n ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil das [X.] hinsichtlich der streitigen 31 Stunden noch nicht die notwendigen Feststellungen getroffen hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).

I. Der Kläger kann die Vergütung für die streitigen Stunden nicht gemäß § 3.1.42 [X.] beanspruchen. Hiernach hat der Arbeitnehmer in den Monaten April bis November Anspruch auf einen Monatslohn iHv. 178 Gesamttarifstundenlöhnen, wenn durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich ein zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum für eine von der tariflichen Arbeitszeitverteilung abweichende Verteilung der Arbeitszeit unter gleichzeitiger Zahlung eines verstetigten [X.] vereinbart worden ist. Die Voraussetzungen dieser Tarifnorm liegen nicht vor, ein zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum galt im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Im Streitfall ist vielmehr davon auszugehen, dass für den Kläger auf der Grundlage des § 3.1.3 Satz 1 [X.] die nach betrieblicher Regelung an einzelnen Werktagen ausfallende Arbeitszeit durch Verlängerung der Arbeitszeit an anderen Werktagen innerhalb von zwei Kalenderwochen ausgeglichen werden konnte.

II. Der Kläger hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Stundenlohns für die im Klagezeitraum tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Für welche Arbeitsstunden dem Kläger noch Vergütungsansprüche zustehen, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden.

1. Der Arbeitnehmer trägt für die Behauptung, er habe die geschuldete Arbeit verrichtet, die Darlegungs- und Beweislast.

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts iVm. § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ ( [X.] 17. Dezember 1959 - [X.] 2/59 - zu [X.] der Gründe, [X.] 8, 285; vgl. auch [X.] 13. Februar 2002 - 5 [X.] I 2 a der Gründe, [X.] 100, 256; 7. Juni 1988 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.] 58, 332). Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (zB § 1 [X.], §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 [X.], § 37 Abs. 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit idR vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 [X.]), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden.

b) Gelingt dem Arbeitnehmer die Darlegung und im Fall substantiierten Bestreitens der Beweis nicht, muss er das Risiko des [X.] tragen, wenn sich die sein Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen. Denn die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, wer den Anspruch erhebt ([X.] 24. Oktober 2001 - 5 [X.] I 1 der Gründe, [X.] [X.] § 2 Nr. 8 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 3; [X.] 18. Mai 1999 - [X.] - NJW 1999, 2887; Stein-Jonas/[X.] ZPO 22. Aufl. § 286 Rn. 61, 62; [X.] Die Beweislast 5. Aufl. [X.]). Ausgehend von den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Motive I, 383) wird im [X.] an die Rechtsprechung des [X.] ([X.] 28. Februar 1898 - VI 352/97 - [X.]Z 41, 220; 6. November 1898 - VI 241/99 - [X.]Z 45, 356; 20. September 1910 - II 592/09 - JW 1910, 937 Nr. 10; 20. November 1928 - [X.] 51/28 - HRR 1929 Nr. 373) dem Schuldner die Beweislast für die Erfüllung einer ihm obliegenden Verpflichtung auch dann zugewiesen, wenn der Gläubiger aus der Nichterfüllung Rechte herleitet bzw. wenn sich an die Nichterfüllung einer positiven vertraglichen Vereinbarung oder die nicht rechtzeitige Erfüllung ungünstige Rechtsfolgen knüpfen, die der Gläubiger geltend macht ([X.] 29. Januar 1969 - IV ZR 545/68 - NJW 1969, 875; 17. Januar 2007 - V[X.] ZR 135/04 - [X.] 2007, 703; vgl. auch [X.] 15. November 2006 - [X.]/04 - NJW 2007, 2394; Stein-Jonas/[X.] ZPO 22. Aufl. § 286 Rn. 87, 88; [X.] Die Beweislast 5. Aufl. S. 346).

2. Im Streitfall kommen vertragliche Besonderheiten hinzu.

a) Nach § 6 Ziff. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags hat der Kläger nachvollziehbare Tätigkeitsnachweise zu erstellen, die sich auch auf die Art der Tätigkeit erstrecken. Diese vertragliche Abrede ist wirksam. § 6 Ziff. 2 Satz 1 des [X.] (§ 310 Abs. 3 BGB) verstößt weder gegen eines der in §§ 308, 309 BGB bestimmten Klauselverbote, noch benachteiligt die Vereinbarung den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB. Gerade weil der Kläger auf auswärtigen Baustellen in Abwesenheit von Vorgesetzten zu arbeiten hatte, konnte ihm vertraglich auferlegt werden, Tätigkeitsnachweise zu führen und dem Arbeitgeber vorzulegen.

b) Die vom Kläger für August und September 2009 vorgelegten Tätigkeitsnachweise sind zwar auf dem vom [X.]n hierfür vorgehaltenen Vordruck erstellt worden, enthalten aber nicht die in der rechten Spalte vorgesehenen Angaben zur „Art der Tätigkeit“ und „etwaigen Gründen von Arbeitsausfällen“. Ergänzenden Vortrag zu diesen Punkten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und hat der Kläger auch nicht geltend gemacht. Die Vorinstanzen hätten der Klage deshalb nicht stattgeben dürfen. Da sie unzutreffend von der Darlegungs- und Beweislast des [X.]n ausgegangen sind, konnten sie dem Kläger keine sachdienlichen Hinweise erteilen. Dies ist nachzuholen. Dem Kläger muss Gelegenheit gegeben werden, die in den [X.] fehlenden Angaben schriftsätzlich vorzutragen. Sodann wird der [X.] im Sinne der gestuften Darlegungslast im Einzelnen zu erwidern haben. Sollte substantiierter Vortrag streitig bleiben, wird das [X.] die angetretenen Beweise zu erheben haben.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    [X.]    

        

        

        

    Zorn    

        

    [X.]    

                 

Meta

5 AZR 248/11

18.04.2012

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bocholt, 4. Mai 2010, Az: 3 Ca 2644/09, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 138 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, Az. 5 AZR 248/11 (REWIS RS 2012, 7179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7179

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