Bundessozialgericht, Urteil vom 18.07.2013, Az. B 3 KR 22/12 R

3. Senat | REWIS RS 2013, 3993

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Krankenversicherung - Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse - Notwendigkeit der Bezeichnung einer Auffälligkeit zur Einleitung der Prüfung einer Krankenhausabrechnung durch den MDK - Verwirkung des Erstattungsanspruchs einer Krankenkasse bereits vor Ablauf der Verjährung


Leitsatz

1. Zur Einleitung der Prüfung einer Krankenhausabrechnung durch den MDK im Einzelfall ist die Bezeichnung einer Auffälligkeit erforderlich; die Krankenkasse muss also einen konkreten Anfangsverdacht haben, dass die Abrechnung in einem oder mehreren Punkten nicht zutreffend ist (Fortführung von BSG vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 13).

2. Nach dem aus den Grundsätzen von Treu und Glauben entwickelten und daher auch schon vor Einführung des § 275 Abs 1c SGB V geltenden Beschleunigungsgebot kann der Erstattungsanspruch einer Krankenkasse unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit bereits vor Ablauf der vierjährigen Verjährung verwirkt sein (Aufgabe von BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 12/06 R = BSGE 98, 142-151 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1).

3. Zu den Voraussetzungen einer Verwirkung im Einzelfall (hier: Prüfverfahren der Krankenkasse erst dreieinhalb Jahre nach Rechnungslegung).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 18. April 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für alle Instanzen auf 6597,88 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagende Krankenkasse nimmt den beklagten Krankenhausträger im Wege der Stufenklage zunächst auf Herausgabe verschiedener Patientenunterlagen an den Medizinischen Dienst des [X.] ([X.]) zur Prüfung der angegebenen Hauptdiagnose und des [X.]es und auf der zweiten Stufe entsprechend dem Ergebnis dieser Prüfung ggf auf Erstattung überzahlter Rechnungsbeträge nebst Zinsen in Anspruch.

2

Die bei der Klägerin krankenversicherte Patientin M. wurde in der geriatrischen Fachabteilung des von der beklagten Trägergesellschaft betriebenen Krankenhauses in der [X.] vom 2. bis 18.8.2006 vollstationär behandelt. Den hierfür am [X.] in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von 6597,88 Euro beglich die Klägerin vollständig. Fast 3½ Jahre später - am 10.2.2010 - beauftragte sie den [X.] mit einer Rechnungsprüfung im Hinblick auf die Plausibilität der angegebenen Hauptdiagnose und den [X.]. Dieser bat die Beklagte mit Schreiben vom selbigen Tag um kurzfristige Überlassung des Krankenhausentlassungsberichts, der Pflegedokumentation, der Patientenkurve und der Komplexbehandlungsunterlagen. Da die Beklagte hierauf nicht reagierte, wiederholte die Klägerin die Aufforderung, die medizinischen Unterlagen an den [X.] zu übersenden, und wies ergänzend darauf hin, dass die sechswöchige Ausschlussfrist nach § 275 Abs 1c [X.] erst mit Wirkung vom [X.] an gelte und die [X.] nach § 112 Abs 2 Nr 1 [X.] keine Ausschlussfrist vorsähen; daher gelte die vierjährige Verjährungsfrist.

3

Die Beklagte lehnte die Herausgabe der medizinischen Unterlagen unter Hinweis auf das von der Rechtsprechung des [X.] aufgestellte Beschleunigungsgebot ab. Danach müsse die Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) zeitnah vorgenommen werden. Im nachfolgenden Klageverfahren entgegnete die Klägerin, sie habe im Rahmen einer nachträglichen Rechnungsprüfung [X.] festgestellt und sei innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich zur Überprüfung des Leistungsfalls berechtigt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das L[X.] die dagegen erhobene Berufung zurückgewiesen (Gerichtsbescheid des [X.] vom 10.2.2011, Urteil des L[X.] vom 18.4.2012): Ein im Wege der Stufenklage erhobener Herausgabeanspruch sei ausgeschlossen, wenn der dadurch zu sichernde Zahlungsanspruch nicht begründet sein könne. Dies sei hier der Fall, denn die Klägerin könne wegen Verletzung ihrer Pflicht zur beschleunigten Behandlung von [X.] keine Einwendungen mehr gegen die Abrechnung der Beklagten vom [X.] geltend machen. Das Beschleunigungsgebot werde aus dem Treu und Glauben entsprechenden Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme abgeleitet und gelte nicht erst seit der Einfügung des § 275 Abs 1c [X.] im April 2007.

5

Mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere von § 275 Abs 1 [X.] sowie die fehlerhafte Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB iVm dem Beschleunigungsgebot. Da es um die Überprüfung der Plausibilität einer Hauptdiagnose und des [X.]es und damit um die Frage gehe, ob die von der Beklagten festgelegte Diagnose zutreffend kodiert worden sei, könne die Prüfung auch noch geraume [X.] nach Abschluss der stationären Behandlung aufgrund vorliegender Unterlagen und Dokumentationen erfolgen. Die Gefahr einer Verschlechterung der Beweislage des Krankenhausträgers bestehe nicht, wenn es um die Prüfung der korrekten Kodierung gehe. Die Leistungserbringer könnten eine Schlussrechnung nach der Rechtsprechung des [X.] noch korrigieren, wenn die Nachforderung den Betrag der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 [X.] oder mindestens 5 % des [X.] erreiche. Dies müsse nach dem Prinzip der Waffengleichheit auch für die Krankenkassen gelten. Ob diese Werte erreicht würden, könne erst nach Prüfung durch den [X.] festgestellt werden; hiervon sei aber im Falle einer Korrektur auszugehen. Da es keine landesvertraglichen Ausschlussfristen gebe, sei kein [X.]punkt erkennbar, ab welchem die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, dass sie - die Klägerin - die Rechnung nicht mehr überprüfe. Ein solches Vertrauen könne sich nicht auf die vorbehaltlose und unverzügliche Zahlung einer Krankenhausabrechnung stützen, da die Krankenkassen hierzu verpflichtet seien. Für eine Rückwirkung der am [X.] in [X.] getretenen Regelung des § 275 Abs 1c [X.] gebe es keine Anhaltspunkte. Sie habe daher nicht gegen das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme verstoßen und sei nicht mit Einwendungen ausgeschlossen.

6

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 18. April 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 10. Februar 2011 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,

        

1.    

den Krankenhausentlassungsbericht, die Pflegedokumentation und die Patientenkurve aus dem stationären Aufenthalt der Patientin M., geboren 1920 , im [X.]raum vom 2. bis 18. August 2006 an den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens, [X.] 90a, 10243 [X.], herauszugeben
sowie

        

2.    

den sich aus dem Ergebnis der Prüfung der unter dem Antrag zu 1. näher bezeichneten Unterlagen durch den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens ergebenden Rückforderungsbetrag nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie zu zahlen.

7

Die Beklagte hält die instanzgerichtlichen Entscheidungen für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet, denn sie kann keinen Erstattungsanspruch mehr geltend machen und hat deshalb auch keinen Anspruch auf die Herausgabe von Patientenunterlagen.

9

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

a) Die Klägerin macht ihr Begehren auf Herausgabe von medizinischen Unterlagen an den [X.] sowie auf Begleichung etwaiger und sich aus der Begutachtung ergebender Rückforderungsansprüche gegen das beklagte Krankenhaus zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend ([X.], zur Anwendung des § 54 Abs 5 SGG im [X.] zwischen Krankenkasse und Krankenhaus vgl zB [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] mwN).

b) Ebenfalls zutreffend ist der gewählte Weg zur Verfolgung der Ansprüche über die auch in der Sozialgerichtsbarkeit nach § 202 SGG iVm § 254 ZPO zulässige Stufenklage (so bereits [X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], Rd[X.]2 ff; jetzt auch [X.] vom 13.11.2012 - [X.] KR 24/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] 112, 141 und [X.]-2500 § 275 [X.] vorgesehen, Rd[X.]1 f). Soweit die Klägerin noch eine Erstattungsforderung gegenüber der Beklagten geltend machen könnte, ist deren Höhe für sie erst nach Herausgabe der medizinischen Unterlagen des Behandlungsfalls und anschließender Begutachtung durch den [X.] absehbar. Der als zweite Stufe der Klage bisher unbeziffert gestellte Antrag auf Erstattung einer etwaigen Überzahlung setzt eine Entscheidung über das Herausgabeverlangen voraus und steht daher mit diesem in einem untrennbaren Zusammenhang. Abweichend von § 92 Abs 1 S 1 SGG, wonach die Klage einen bestimmten Antrag enthalten soll, darf in diesem Fall der in seiner Höhe noch nicht feststehende Rückzahlungsanspruch bis zur Entscheidung über den Herausgabeanspruch unbeziffert bleiben. Die Stufenklage ist auch dann zulässig, wenn der Anspruch - wie hier - nicht nur der Höhe, sondern bereits dem Grunde nach ungewiss ist, sofern diese Ungewissheit durch die Tatsachen geklärt werden kann, auf die der Auskunftsanspruch gerichtet ist (vgl [X.] vom 13.11.2012 aaO).

c) Die Klägerin - nicht der [X.] - ist für die Herausgabeklage zur Prozessführung befugt, weil sie insoweit ein eigenes Recht verfolgt. Ein der Tatsachenermittlung für einen Zahlungsanspruch dienender Herausgabeanspruch stellt, ebenso wie entsprechende Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche nach §§ 259 ff [X.], lediglich einen Hilfsanspruch für den zu sichernden Zahlungsanspruch dar (vgl [X.]/[X.], [X.], 72. Aufl 2013, § 259 Rd[X.] 7). Er kann daher grundsätzlich nur demjenigen zustehen, der Gläubiger des auf der zweiten Stufe erhobenen Zahlungsanspruchs ist. Dem widerspricht die Regelung des § 276 Abs 2 S 1 [X.] (hier idF durch Art 3 [X.] b Gesetz zur Änderung von Vorschriften des [X.] über den Schutz der [X.] sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom [X.], [X.]l I 1229) nicht, weil dort nur normiert ist, wie der Anspruch zu erfüllen ist, nicht aber, wem der Anspruch materiell-rechtlich zusteht und wie er prozessual geltend zu machen ist (vgl [X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], Rd[X.]4). Die Vorschrift berechtigt die Krankenkassen, von den Leistungserbringern die direkte Übermittlung von Daten an den [X.] zu verlangen, ohne diesem eine "Verfahrensherrschaft" zuzuweisen.

2. Materiell-rechtlich hat die Revision der Klägerin keinen Erfolg, weil der Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] nur zweckgebunden zur Prüfung der Abrechnung geltend gemacht werden kann (dazu a) und der von der Klägerin dem [X.] erteilte Prüfauftrag weder unter inhaltlichen Gesichtspunkten den gesetzlichen Vorgaben genügte (dazu b) noch unter zeitlichen Gesichtspunkten dem sich aus den Grundsätzen von [X.] entwickelten Beschleunigungsgrundsatz gerecht wurde (dazu c).

a) Nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] sind die Leistungserbringer auf entsprechende Anforderung des [X.] verpflichtet, [X.] unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die durch die Krankenkassen nach § 275 Abs 1 bis 3 [X.] veranlasste gutachterliche Stellungnahme oder Prüfung erforderlich ist. Aus der Wendung "soweit … erforderlich" folgt, dass die Anforderung des [X.] ausreichend begründet sein muss, damit der Leistungserbringer - hier das Krankenhaus - seine Herausgabepflichten im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht zutreffend einschätzen kann. Die "Übermittlung der [X.]" in diesem Sinne geschieht sodann in der Regel durch die vorübergehende Überlassung von Behandlungsunterlagen. Grundlage der Herausgabepflicht ist die Verpflichtung der Krankenkassen gemäß § 275 Abs 1 [X.] [X.] in der insoweit bis heute unveränderten Fassung des [X.] (Fallpauschalengesetz - [X.]) vom [X.] ([X.]l I 1412), bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des [X.] einzuholen, wenn dies nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist.

b) Voraussetzung des Herausgabeanspruchs nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] ist die Erteilung eines von den Vorgaben des § 275 Abs 1 [X.] Halbs 2 [X.] gedeckten Prüfauftrags an den [X.]; ein solcher liegt hier nicht vor.

Zu den wechselseitigen Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und [X.] hat der erkennende Senat ein dreistufiges Prüfschema entwickelt, das inzwischen Gegenstand der ständigen Rechtsprechung ist ([X.] vom [X.] KR 24/07 R - [X.]-2500 § 109 [X.]8; vgl zuletzt [X.] vom [X.] KR 28/12 R - für [X.] vorgesehen): Danach sind zwingend auf der ersten Stufe der Sachverhaltsermittlung zunächst Angaben nach § 301 Abs 1 [X.] zu machen. Hiernach ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung von Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind. Erschließen sich aufgrund dieser Angaben oder eines evtl landesvertraglich vorgesehenen Kurzberichts die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten Mitarbeitern der Krankenkasse nicht, hat diese auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 [X.] [X.] einzuleiten und beim [X.] eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, die auf der Grundlage der der Krankenkasse zur Verfügung stehenden Unterlagen - also insbesondere den Angaben nach § 301 [X.] - sowie ggf vom Versicherten überlassenen medizinischen Befunden zu erstellen ist (§ 276 Abs 1 S 2 [X.]). Lässt sich auch unter Auswertung dieser [X.] ein abschließendes Ergebnis nicht finden, bestehen also weiterhin Zweifel an Notwendigkeit/Dauer der Krankenhausbehandlung oder liegen Auffälligkeiten in Bezug auf eine ordnungsgemäße Abrechnung vor, so hat das Krankenhaus schließlich auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung dem [X.] gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, soweit sie im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt werden. Auf dieser Grundlage ist der [X.] ermächtigt, die erforderlichen [X.] beim Krankenhaus anzufordern (vgl [X.] 90, 1 = [X.] 3-2500 § 12 [X.] 3); das Krankenhaus ist zu deren Vorlage verpflichtet, weil in einem solchen Fall allein durch die Angaben gemäß § 301 [X.] und einen etwaigen Kurzbericht eine zuverlässige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit oder anderer Fragen der Abrechnung nicht möglich ist.

Diese Mitwirkungspflicht des Krankenhauses entfällt indes, wenn die Krankenkasse die Vorgaben zur Einleitung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1 [X.] [X.] (idF des Art 1 [X.] 6b [X.] vom [X.], [X.]l I 1412) nicht eingehalten hat. In dieser Vorschrift sind zwei eigenständige Prüftatbestände miteinander verbunden - nach Halbsatz 1 die Prüfung bei der Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von deren Voraussetzungen, Art und Umfang (vor allem primäre und sekundäre Fehlbelegung), und nach Halbsatz 2 die Abrechnungsprüfung, also die Prüfung einer vom Krankenhaus bereits erteilten Zwischen- oder Schlussrechnung. Dieser letztere Prüftatbestand fehlte in der Ursprungsfassung des § 275 Abs 1 [X.] [X.] und ist erst durch das [X.] mit Wirkung zum [X.] eingefügt worden. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 14/7862) heißt es dazu, dass das Verfahren ausdrücklich auf Fälle begrenzt wird, in denen die Krankenkassen einen Anfangsverdacht haben. Der erkennende Senat hat daraus seinerzeit gefolgert, dass durch das Tatbestandsmerkmal der "Auffälligkeiten" eine Abgrenzung der routinemäßigen Stichprobenprüfung nach § 17c [X.] (hier anwendbar ebenfalls idF des [X.] vom [X.]) von der konkreten Einzelfallprüfung nach § 275 Abs 1 [X.] [X.] erfolgt ist und eine Auffälligkeit nur dann vorliegt, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht ([X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], Rd[X.]2 mwN). Der [X.] des [X.] ist dem gefolgt und hat das Bestehen von Auffälligkeiten immer dann angenommen, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen konkrete Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den [X.] nicht bewerten kann (vgl Urteil vom 13.11.2012 - [X.] KR 24/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] 112, 141 und [X.]-2500 § 275 [X.] vorgesehen, Rd[X.]8). Der 3. Senat hat dies dahingehend konkretisiert, dass der Anwendungsbereich der Einzelfallprüfung nach § 275 Abs 1 [X.] Halbs 2 [X.] - soweit also die Rechnungsprüfung in Rede steht - auf solche Anlässe beschränkt ist, die durch "Auffälligkeiten" gekennzeichnet sind; diese hat die Krankenkasse im Zweifelsfall zu belegen (Urteil vom 22.11.2012 - [X.] KR 20/12 R - zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 275 [X.] 9 vorgesehen, Rd[X.]3). Liegt keine Auffälligkeit im dargelegten Rechtssinne vor, kann und muss der [X.] bei einem solchen, auf bloß vermeintliche Auffälligkeiten gestützten Auftrag die Krankenkasse hierauf verweisen und den Auftrag ggf ablehnen. Das Krankenhaus darf die Herausgabe von dennoch angeforderten Krankenbehandlungsunterlagen, die über das für die Abrechnung Erforderliche (vgl § 301 [X.]) hinausgehen, unter Hinweis auf das Fehlen von Auffälligkeiten verweigern.

Auch wenn § 17c [X.] durch Art 5c des Gesetzes zur Beseitigung [X.] Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom [X.] ([X.]l I 2423) mit Wirkung zum [X.] eine andere Ausgestaltung erhalten hat, ergeben sich gleichwohl aus der früheren Abgrenzung zur - routinemäßigen - Stichprobenprüfung nach § 17c [X.] aF weiterhin gerade die Anforderungen, die an das Merkmal der Einzelfallauffälligkeit zu stellen sind. Denn die für [X.] früher vorgesehenen Maßnahmen zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands - beispielsweise das pauschalierte Ausgleichsverfahren, das die Vertragsparteien nach § 18 Abs 2 [X.] vereinbaren sollen, wenn bei einer Stichprobe Fehlabrechnungen festgestellt werden, um eine Erstattung oder Nachzahlung in jedem Einzelfall zu vermeiden (§ 17c Abs 3 [X.] [X.] aF) oder die Anrufung eines Schlichtungsausschusses nach § 17c Abs 4 [X.] aF - dürfen nicht durch die Ausweitung von [X.] nach § 275 Abs 1 [X.] [X.] ausgehebelt werden. Überprüfungen von Stichproben bezogen sich nach § 17c Abs 2 [X.] [X.] aF auf bestimmte Organisationseinheiten sowie bestimmte Diagnosen, Prozeduren und Entgelte. Daraus folgt bereits, dass regelmäßig zB eine bestimmte Diagnose oder Prozedur allein noch keine Auffälligkeit zur Einzelfallprüfung bietet, die die Krankenkasse zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung durch den [X.] im Einzelfall berechtigt und verpflichtet. Hinzukommen muss weiterhin, dass beispielsweise aufgrund der Diagnose die Dauer der Krankenhausbehandlung Fragen aufwirft oder sich die Frage nach einer ambulanten Behandlungsmöglichkeit stellt. Das [X.] ist in der Vergangenheit von einer Auffälligkeit iS des § 275 Abs 1 [X.] Halbs 2 [X.] dann ausgegangen, wenn ein Versicherter an einem Montagmorgen entlassen wurde ([X.] 102, 181 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, Rd[X.] 32 f; [X.]-2500 § 109 [X.]6 Rd[X.]1), wenn die Kodierung der Hauptdiagnose (anhand der anderen Angaben nach § 301 [X.]) unschlüssig erschien (vgl [X.] 106, 214 = [X.]-2500 § 275 [X.] 3, Rd[X.]4 f) oder wenn der Versicherte am Tag nach seiner Entlassung innerhalb der oberen [X.] erneut stationär aufgenommen werden musste (Urteil vom 13.11.2012 - [X.] KR 24/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] 112, 141 und [X.]-2500 § 275 [X.] vorgesehen, Rd[X.]1). Ebenso wurde die Durchführung einer Koronarangiographie als "auffällig" angesehen, wenn dies auch ambulant hätte geschehen können - vorausgesetzt, die Krankenkasse hatte sich zuvor ärztlich beraten lassen ([X.] 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.]7, Rd[X.] 31). Eine Auffälligkeit wurde hingegen als fernliegend angesehen, wenn die Rechnungsprüfung nur mit der Schwere der Erkrankung und einem latent suizidalen Zustand begründet wird ([X.] vom 22.11.2012 - [X.] KR 20/12 R - zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 275 [X.] 9 vorgesehen, Rd[X.]3). Zudem hat der Senat erst kürzlich noch darauf hingewiesen, dass eine Krankenhausbehandlung nicht allein deshalb "auffällig" ist, weil sie sich zeitlich innerhalb der [X.] hält ([X.] vom 16.5.2013 - [X.] KR 32/12 R - für [X.] und [X.] vorgesehen).

Diesen spezifischen Anforderungen genügt der Prüfauftrag der Klägerin an den [X.] nicht. Weder die Klägerin selbst noch der [X.] haben eine konkrete Frage zur Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes aufgestellt. Die Abrechnung der Beklagten weist aus sich heraus keine "Auffälligkeiten" in dem oben genannten Sinn auf. Weitere verwertbare Informationen standen der Klägerin nicht zur Verfügung und liegen bis heute nicht vor. Die Beklagte hatte die [X.] (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems mit schwerer motorischer Funktionseinschränkung) auf der Basis folgender erhobener Diagnosen abgerechnet:

        

F01.3 

-       

Gemischte kortikale und subkortikale vaskuläre Demenz

        
        

F13.2 

-       

Psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika: Abhängigkeitssyndrom

        
        

F32.2 

-       

Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome

        
        

K59.0 

-       

Obstipation

        
        

M62.30

-       

Immobilitätssyndrom (paraplegisch): Mehrere Lokalisationen

        
        

M81.98

-       

Osteoporose, nicht näher bezeichnet: …

        
        

U50.40

-       

Schwere motorische Funktionseinschränkung: [X.]: 20-35 Punkte.

        

Das ist zunächst in sich schlüssig und birgt keine Auffälligkeiten. Gleichwohl stellte die Klägerin ohne Angabe von Gründen die Plausibilität der angegebenen Hauptdiagnose und des [X.] in Frage und beauftragte den [X.] mit einer entsprechenden Fragestellung. Sie hat selbst hierzu lediglich pauschal angegeben, sie vermute eine Fehlkodierung wegen eines Verstoßes gegen die Kodiervorgaben, ohne darzulegen, worauf sie diese Vermutung stützt. Der weitere Hinweis der Klägerin, Anlass für die nochmalige Betrachtung verschiedener Abrechnungsfälle sei eine Kassenprüfung durch das [X.] gewesen, das ihr besondere Schwächen beim Erkennen von [X.] nachgewiesen habe, könnte sogar darauf hinweisen, dass bei grundsätzlichen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit der hier angegebenen Hauptdiagnose eine Stichprobenprüfung nach § 17c [X.] aF hätte durchgeführt werden sollen. Jedenfalls bestand - ohne dass weitere Umstände hinzugetreten wären - kein Anlass für eine Einzelfallprüfung iS von § 275 Abs 1 [X.] [X.].

c) Ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 [X.] an den [X.] scheitert darüber hinaus daran, dass die Prüfung entgegen dem sich aus den Grundsätzen von [X.] ergebenden Beschleunigungsgrundsatz erst etwa 3½ Jahre nach Rechnungslegung und vollständigem [X.] eingeleitet wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin einen möglichen Erstattungsanspruch wegen überzahlter Krankenhausvergütung bereits verwirkt, sodass die zum Zweck der Einzelfallprüfung iS von § 275 Abs 1 [X.] [X.] geforderte Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den [X.] nicht mehr verlangt werden kann.

aa) Wie das [X.] festgestellt hat, bestanden im Jahre 2006 zwar weder gesetzlich noch zwischen den Beteiligten vertraglich festgesetzte Fristen zur Überprüfung einer Abrechnung. Insbesondere sehen die [X.] nach § 112 Abs 1, 2 [X.] [X.] keine Ausschlussfrist vor. Allerdings haben die Krankenkassen nach § 14 Abs 4 des [X.] über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - [X.]" vom 10.12.1996 die Rechnung innerhalb von 14 Tagen nach [X.] zu bezahlen. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können aber nach § 14 Abs 3 [X.] auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden; eine Ausschlussfrist enthält die Vorschrift nicht.

bb) Ebenso wenig sind der von der Klägerin mit der Stufenklage auf der zweiten Stufe geltend gemachte Erstattungsanspruch oder der Herausgabeanspruch selbst verjährt. Nach [X.] des [X.] (vgl nur [X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], Rd[X.]5 und [X.]-2500 § 109 [X.]8 Rd[X.]8) unterliegen die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und spiegelbildlich dazu auch die auf einer Überzahlung beruhenden Erstattungsansprüche einer Krankenkasse der allgemeinen sozialrechtlichen Verjährungsfrist von vier Jahren. Für den damit im Zusammenhang stehenden Hilfsanspruch auf Übermittlung von [X.] an den [X.] ([X.]) kann nichts anderes gelten ( [X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], Rd[X.]6). Der Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den [X.] ist ebenso wie ein möglicher Erstattungsanspruch der Klägerin mit Eintritt einer ggf erfolgten Überzahlung in der zweiten Jahreshälfte 2006 entstanden, sodass die Verjährungsfrist am 31.12.2006 begann und ihr Ablauf durch die Klageerhebung am 2.11.2010 gehemmt wurde.

cc) Die Korrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse steht jedoch nach [X.] (vgl [X.] 89, 104, 110 = [X.] 3-2500 § 112 [X.] S 10, 16 - "[X.] Fälle", sowie zB [X.]-2500 § 109 [X.]8 Rd[X.]2) unter dem Vorbehalt von [X.] (§ 242 [X.]), der über § 69 [X.] (hier § 69 [X.] idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, [X.]l I 2190) auch für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten gilt. Danach ist eine Krankenkasse jedenfalls dann mit Einwendungen gegen eine Schlussrechnung ausgeschlossen, wenn sie die Rechnung zeitnah und vorbehaltlos gezahlt hat, das Prüfverfahren beim [X.] ohne nachvollziehbaren Grund aber erst etwa 3½ Jahre nach Rechnungslegung einleitet.

Zu den oa "[X.] Fällen" hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass eine Krankenkasse nach [X.] mit Einwendungen ausgeschlossen sein kann, wenn sie das zu deren Klärung vorgesehene Verfahren nicht rechtzeitig einleitet (vgl [X.] 89, 104, 110 = [X.] 3-2500 § 112 [X.] S 10, 16). In der Folgezeit hat der [X.] des [X.] entschieden, dass ein Krankenhaus nach dem Grundsatz von [X.] an der Korrektur einer fehlerhaften Abrechnung gehindert ist, wenn dies nicht mehr zeitnah, insbesondere nicht "innerhalb des laufenden Haushaltsjahres" der Krankenkasse, sondern mehr als zwei Jahre nach Übersendung und Bezahlung der ersten Rechnung erfolgt und dafür keine besondere Rechtfertigung besteht ([X.] [X.]-2500 § 109 [X.]9). Zur Begründung ist darauf verwiesen worden, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten und ihnen die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig sind; in diesem Rahmen sei von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten ([X.] aaO Rd[X.]6). Der erkennende 3. Senat hat eine Rechnungskorrektur durch ein Krankenhaus außerhalb von sechs Wochen nach Erteilung der Schlussrechnung - abgesehen von offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern - nach [X.] immer dann für zulässig erachtet, wenn die Nachforderung über 100 Euro (ab 25.3.2009: 300 Euro) liegt und zudem mindestens 5% des [X.] erreicht ([X.] 105, 150 = [X.]-2500 § 109 [X.]0). Beide Senate haben ihre Rechtsprechung in den Entscheidungen vom 13.11.2012 [X.] 4-2500 § 109 [X.]7 ) und vom 22.11.2012 ([X.] KR 1/12 R = [X.]-2500 § 109 [X.]8 ) fortgeführt, wobei der [X.] nunmehr auf das Überschreiten eines "vollen Geschäftsjahres" abgestellt hat: Fordert ein Krankenhaus nach Ablauf von mehr als einem vollen Geschäftsjahr wegen Unvollständigkeit seiner plausiblen Schlussrechnung von der Krankenkasse für die Behandlung eines Versicherten eine weitere Vergütung, verstößt dies regelmäßig gegen [X.] (Leitsatz [X.] KR 6/12 R). Der 3. Senat hat im Urteil vom 22.11.2012 (aaO Rd[X.]7 ff) die gemeinsame Linie beider Senate ausführlich dargestellt und konkretisiert: Danach ist eine Nachberechnung seitens des Krankenhauses in den Grenzen "100 Euro (ab 25.3.2009: 300 Euro) und zudem mindestens 5 % des [X.]" auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt zwar prinzipiell bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist denkbar (zB bei offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern), allerdings darf das Vorgehen des Krankenhauses dabei nicht gegen den Grundsatz von [X.] verstoßen. Dies wäre zB der Fall bei einer regelmäßigen, systematischen Rechnungsoptimierung (zB mehr als 10 % des [X.]) oder wenn dem Anspruch des Krankenhauses das [X.] entgegensteht. Vom Grundsatz her hat sich der erkennende Senat also dem [X.] des [X.] angeschlossen, wobei der zeitliche Rahmen für zulässige Nachberechnungen bereits abgerechneter Behandlungsfälle nicht anhand des laufenden Haushalts- oder Geschäftsjahres bestimmt, sondern generell das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres als äußerster Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten festgelegt wird. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist der Anspruch auf die noch offene restliche Vergütung in der Regel - also von begründeten Ausnahmefällen abgesehen - nach [X.] verwirkt. Den Krankenhäusern ist zuzumuten, die Kontrollen der abgerechneten Behandlungsfälle innerhalb dieser Frist durchzuführen, und die Krankenkassen müssen sich darauf verlassen können, dass alle abgerechneten Behandlungsfälle nach dem Ende des jeweiligen Folgejahres nicht wieder aufgerollt werden - soweit es nicht um offensichtliche Schreib- und Rechenfehler oder um Schlussrechnungen mit zulässigem Nachforderungsvorbehalt geht ([X.] [X.]-2500 § 109 [X.]8 Rd[X.]9; vgl aber auch [X.] [X.]-2500 § 109 [X.]7 Rd[X.]1 [X.] ).

Die aufgezeigten Zeitgrenzen gelten nicht nur für Nachforderungen der Krankenhäuser, sondern auch für mögliche Erstattungsverlangen der Krankenkassen. Wenn die dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichten und diese Sonderbeziehung die Befugnis zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenzt, so muss das naturgemäß auch für nachträglich geltend gemachte Ansprüche der Krankenkassen gelten ("Prinzip der Waffengleichheit"). Das vom Senat immer wieder betonte Beschleunigungsgebot in Abrechnungsverfahren gilt nicht erst seit Inkrafttreten des § 275 Abs 1c [X.] zum [X.]; mit dieser Vorschrift ist lediglich eine Präzisierung für die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens durch den [X.] vorgenommen worden. Der Gesetzgeber hat auch schon zuvor dem Interesse der Krankenhäuser nach möglichst zügiger Entlohnung für erbrachte Leistungen Rechnung getragen, indem er ihnen zB bei längerem Krankenhausaufenthalt eines Versicherten das Recht auf eine Abschlagszahlung (§ 8 Abs 7 S 2 KHEntgG) eingeräumt hat. Zudem ist die Pflicht zur beschleunigten Rechnungsbegleichung allen landesvertraglichen Abrechnungsbestimmungen immanent. So ist nach dem hier maßgeblichen [X.] Landesvertrag der Rechnungssatz in der Regel einmal pro Kalenderwoche an die Krankenkasse oder die von der Krankenkasse benannte Stelle zu übermitteln (§ 14 Abs 1 [X.]); entsprechendes gilt für den Zahlungssatz der Krankenkasse oder der von ihr benannten Stelle (§ 14 Abs 2 [X.]). Vor allem hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 14 Tagen nach [X.] zu bezahlen (§ 14 Abs 4 [X.]).

Um die Verwirkung eines Rechts anzunehmen, bedarf es dreier Voraussetzungen ([X.], zuletzt [X.] vom 13.11.2012 - [X.] KR 24/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] 112, 141 und [X.]-2500 § 275 [X.] vorgesehen, Rd[X.] 37 ff mwN; vgl auch [X.]-Grüneberg, aaO, § 242 Rd[X.] 93 ff mwN):

Zeitmoment: Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss ein längerer Zeitraum verstrichen sein; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin die Abrechnung des Krankenhauses schon im Jahre 2006 überprüfen können, alle dafür erforderlichen Informationen lagen ihr vor. In Anbetracht der vierjährigen Verjährungsfrist und der Pflicht zur Beschleunigung aller Abrechnungsverfahren ist ein Abwarten von ca 3½ Jahren deutlich zu lang.

Umstandsmoment: Der Verpflichtete hat sich darauf eingestellt, der Berechtigte werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wird. Diese Voraussetzung ist hier ebenfalls erfüllt, weil in der Regel zu erwarten ist, dass Krankenkassen - wie Krankenhäuser - ihre Korrekturmöglichkeiten bis zum Ende des auf die Krankenhausabrechnung folgenden Kalenderjahres wahrgenommen haben. Hinweise für einen Ausnahmefall sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Untätigkeit: Die Klägerin ist in der Tat 3½ Jahre bezüglich der Geltendmachung ihrer Rechte untätig geblieben.

Damit steht fest, dass das beklagte [X.] nicht mehr mit einer Korrektur der Rechnung vom [X.] rechnen musste. Sowohl einem potentiellen Erstattungsanspruch als auch dem Herausgabeverlangen stehen mithin der Einwand der Verwirkung entgegen. Die Entscheidung des erkennenden Senats vom [X.] ([X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.]) zur Frage, in welchem zeitlichen Rahmen die Krankenkasse ein Überprüfungsverfahren einleiten darf und ob ausschließlich auf die vierjährige Verjährung abzustellen ist, ist durch die neuere [X.]-Rechtsprechung inzwischen überholt.

3. [X.] beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und § 44 GKG. Bei [X.] der vorliegenden Art ist nach § 44 GKG für die [X.] nur einer der verbundenen Ansprüche maßgebend, und zwar der höhere. Vorliegend steht neben dem Herausgabeanspruch auch der Zahlungsanspruch weiter im Streit, über den lediglich wegen der abweisenden Entscheidungen über den Herausgabeanspruch nicht mehr zu entscheiden war. Der von der Klägerin geltend gemachte Rückerstattungsanspruch kann maximal die Höhe der von ihr für die Krankenhausbehandlung entrichteten Vergütung von 6597,88 Euro erreichen, sodass der Streitwert in dieser Höhe festzusetzen ist. Die Korrektur der Streitwertfestsetzung der Instanzgerichte beruht auf § 63 Abs 3 GKG.

Meta

B 3 KR 22/12 R

18.07.2013

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 10. Februar 2011, Az: S 23 KR 452/10, Gerichtsbescheid

§ 275 Abs 1 Nr 1 Halbs 2 SGB 5 vom 23.04.2002, § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB 5, § 301 Abs 1 SGB 5, § 69 S 3 SGB 5 vom 14.11.2003, § 17c Abs 4 KHG vom 23.04.2002, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.07.2013, Az. B 3 KR 22/12 R (REWIS RS 2013, 3993)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3993

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 3 KR 32/12 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenhaus - stationärer Aufenthalt innerhalb der Grenzverweildauer - Auffälligkeit der Krankenhausrechnung - Einleitung …


B 3 KR 30/12 R (Bundessozialgericht)


B 3 KR 31/12 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung - keine Hemmung der Verjährung des Rückzahlungsanspruchs einer Krankenkasse gegen …


B 1 KR 57/22 B (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Abrechnungsprüfung - Nichteinleitung eines Prüfverfahrens durch die Krankenkasse - isolierte Prüfung …


B 1 KR 11/22 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Abrechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst - Veranlassung des Prüfverfahrens durch das Krankenhaus - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.