Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.06.2011, Az. 1 AZR 34/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 5981

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Gegenstand

Sozialplan - Abfindungsausschluss beim Bezug einer Erwerbsminderungsrente


Leitsatz

Arbeitnehmer können von Sozialplanleistungen ausgenommen werden, wenn sie wegen des Bezugs einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt sind und mit der Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit auch nicht zu rechnen ist.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2009 - 16 Sa 577/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten über die Zahlung einer [X.]ozialplanabfindung.

2

[X.]er 1951 geborene und mit einem Grad von 50 behinderte Kläger war seit 1989 bei der [X.] bzw. deren Rechtsvorgängerinnen in [X.] als [X.]chichtelektriker beschäftigt. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.231,85 Euro zuzüglich einer Prämie und [X.]chichtzuschlägen. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Papierindustrie der Bundesrepublik [X.]eutschland Anwendung.

3

[X.]er Kläger war aufgrund eines Wegeunfalls seit [X.]ezember 2001 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. [X.]eit dem 1. April 2003 bezog er eine zunächst bis zum 30. Juni 2007 befristete gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung, die im Juni 2007 bis zum 30. Juni 2009 verlängert wurde. [X.]eit dem 1. Juli 2009 ist der Rentenbezug unbefristet.

4

[X.]ie Rechtsvorgängerin der [X.] legte den Betrieb in [X.] aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom Oktober 2006 zum 31. [X.]ezember 2007 vollständig still. Zuvor hatte sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat am 13. März 2007 einen Interessenausgleich und einen [X.]ozialplan vereinbart. Nach Nr. 1.1 dieses [X.]ozialplans sind alle Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, die am 4. Oktober 2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen und deren Arbeitsverhältnis durch eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung, eine Eigenkündigung oder durch Aufhebungsvertrag endet. Leistungen aus diesem [X.]ozialplan erhalten auch Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis ruht. Als Beispiele hierfür sind Elternzeit, Mutterschutz, Wehr- und Zivildienst genannt. [X.]ie Höhe der Abfindung richtet sich grundsätzlich nach der [X.]auer der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter. [X.]ie Geburtsjahrgänge 1951 und 1952 erhalten 67 % und die Geburtsjahrgänge 1950 und älter 70 % des letzten Nettoentgelts multipliziert mit der Anzahl der Monate vom Austritt bis zum Ende des Monats, in dem der Beschäftigte das 63. Lebensjahr vollendet. [X.]er so ermittelte Nettobetrag ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften auf eine einmalige Bruttoabfindung hochzurechnen und wird mit der letzten Abrechnung zur Auszahlung gebracht.

5

Nach Abschluss des Interessenausgleichs und [X.]ozialplans beendete die Rechtsvorgängerin der [X.] die Arbeitsverhältnisse der insgesamt 358 Arbeitnehmer durch betriebsbedingte Kündigungen oder auf andere Weise. [X.]avon ausgenommen waren zunächst nur der Kläger und drei weitere Arbeitnehmer, die zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen.

6

Am 10. Oktober 2007 schlossen die Betriebsparteien eine „Betriebsvereinbarung zur Ergänzung des [X.]“ vom 13. März 2007 ([X.]). [X.]arin ist bestimmt:

        

„Präambel

        

…       

        

[X.]ie Betriebsparteien sind bei Abschluss des [X.] übereinstimmend davon ausgegangen, dass Mitarbeiter, die aufgrund des Bezuges befristeter voller Erwerbsminderungsrente zum [X.]tichtag 04.10.2006 nicht mehr beschäftigt sind und deren Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar ist, Leistungen aus dem [X.]ozialplan nicht erhalten sollen.

        

Vorsorglich und zur Vermeidung von [X.]treitfällen setzen die Betriebspartner diesen Willen mit der nachfolgenden Ergänzung zum [X.]ozialplan nochmals um:

        

§ 1 - Ergänzung der Ausschlussgründe zur Anspruchsberechtigung

        

Ziff. 1.2 des [X.] vom 13.03.2007 wird wie folgt ergänzt:

                 

Nicht anspruchsberechtigt sind des Weiteren Arbeitnehmer, die am 04.10.2006 unter Bezug einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt sind und

                 

-       

die nach Ablauf der befristeten Erwerbsminderungsrente berechtigt sind, die gesetzliche Regelaltersrente - auch vorgezogen unter Hinnahme von Abschlägen - zu beanspruchen;

                 

-       

deren Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit unbefristet geleistet werden oder unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs. 2 [X.]atz 5 [X.]GB VI);

                 

-       

bei denen aus anderen Gründen damit zu rechnen ist, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf [X.]auer fortbesteht oder zumindest in absehbarer Zeit nicht behoben werden kann und damit einen Grund zur personenbedingten, da krankheitsbedingten, Kündigung gem. § 1 Abs. 2 K[X.]chG vorliegt. [X.]ie Betriebsparteien gehen davon aus, dass dies bei einer die Rente wegen voller Erwerbsminderung begleitenden Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren oder einer entsprechenden Bewilligung von voller Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre gegeben sind.

        

§ 2 - Besonderer Härtefonds

        

Zum Ausgleich besonderer [X.] Härten stellt [X.] einen Härtefonds in Höhe von 40.000,-- € für die in § 1 benannten Mitarbeiter zur Verfügung. Mit diesem Härtefonds sollen zusätzliche [X.] Härten der ausscheidenden Mitarbeiter abgemildert werden. …“

7

Mit [X.]chreiben vom 10. [X.]ezember 2007 kündigte die Beklagte „aufgrund der Betriebsschließung“ das Arbeitsverhältnis des [X.] zum 31. Juli 2008. [X.]er Kläger hat hiergegen keine Kündigungsschutzklage erhoben. Aus dem „Besonderen [X.]“ erhielt er eine Abfindung von 10.000,00 Euro.

8

[X.]er Kläger hat geltend gemacht, er habe einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem [X.]ozialplan vom 13. März 2007. [X.]er in der [X.] vereinbarte Anspruchsausschluss sei unwirksam. Er benachteilige behinderte Menschen und verletze den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da er nicht für alle ruhenden Arbeitsverhältnisse gelte.

9

[X.]er Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 222.700,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. August 2008 zu zahlen.

[X.]ie Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, es sei von Anfang an übereinstimmender Wille der Betriebsparteien gewesen, Arbeitnehmer, die aufgrund des Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente zum [X.]tichtag nicht beschäftigt worden seien und bei denen die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar gewesen sei, von den [X.]ozialplanleistungen auszuschließen. [X.]ies sei in der [X.] nur bestätigt worden. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen einer Behinderung liege nicht vor, weil die [X.] nicht an eine Behinderung als [X.]ifferenzierungskriterium anknüpfe, sondern an den Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente.

[X.]as Arbeitsgericht hat der zunächst auf die Zahlung einer [X.]ozialplanabfindung in Höhe von 133.463,44 Euro brutto gerichteten und nachfolgend auf 222.700,60 Euro brutto erhöhten Klage in Höhe von 123.463,44 Euro brutto stattgegeben und sie im Übrigen wegen Verfalls der Ansprüche und der von der [X.] in Höhe von 10.000,00 Euro erklärten Aufrechnung abgewiesen. [X.]agegen haben beide Parteien im Umfang ihres Unterliegens Berufung eingelegt. [X.]as [X.] hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in voller Höhe weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die Ansprüche des [X.] auf Zahlung einer Sozialplanabfindung richten sich nach dem Sozialplan vom 13. März 2007 idF der [X.] vom 10. Oktober 2007.

1. Die Betriebsparteien haben den Sozialplan vom 13. März 2007 durch die [X.] vom 10. Oktober 2007 geändert und mit deren § 1 den in Nr. 1.2 des Sozialplans vom 13. März 2007 näher bestimmten Kreis der nicht anspruchsberechtigten Beschäftigten erweitert. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich deklaratorisch, sondern konstitutiv, weil die dort geregelten „Ausschlussgründe zur Anspruchsberechtigung“ in dem Sozialplan vom 13. März 2007 nicht enthalten waren.

2. Die Änderung des Sozialplans vom 13. März 2007 durch die [X.] verstößt nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.

a) Die Betriebsparteien können die Regelungen einer Betriebsvereinbarung jederzeit für die Zukunft abändern. Die neue Betriebsvereinbarung kann dabei auch Bestimmungen enthalten, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sind. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die [X.]kollisionsregel. Danach geht die jüngere Norm der älteren vor. Eine spätere Betriebsvereinbarung kann allerdings bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht schmälern. Vielmehr ist die Möglichkeit einer Rückwirkung normativer Regelungen durch das [X.] und das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt ([X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.] 2001 § 77 Nr. 20).

b) Die [X.] greift nicht in bereits entstandene Rechte des [X.] ein. Die Änderung des Sozialplans vom 13. März 2007 erfolgte zu einem [X.]punkt, zu dem der Kläger noch keinen Anspruch auf Sozialplanleistungen erworben hatte. Ohne anderslautende Bestimmung entstehen derartige Ansprüche erst mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses ([X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 21, [X.] 2001 § 77 Nr. 20). Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis des [X.] erst am 10. Dezember 2007 zum 31. Juli 2008 und damit nach Abschluss der [X.] vom 10. Oktober 2007 gekündigt hat, kann offenbleiben, ob der Sozialplan den [X.]punkt der [X.] bereits auf den Ausspruch der Kündigung vorverlagert hat. Im [X.]punkt der Vereinbarung der [X.] hatte der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Rechtsposition inne, die ein schutzwürdiges Vertrauen in die Unabänderbarkeit der Regelungen vom 13. März 2007 hätte begründen können.

3. Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten - vorbehaltlich der Bestimmungen in § 1 [X.] - nach Nr. 1.1 des Sozialplans an sich anspruchsberechtigt. Er stand am 4. Oktober 2006 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis, das durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 10. Dezember 2007 beendet wurde. Die Beklagte hat in dem [X.] als Grund für die Kündigung ausdrücklich die Betriebsschließung angegeben. Ob daneben auch ein personenbedingter Kündigungsgrund bestand, ist unerheblich, weil die Beklagte keine derartige Kündigung erklärt hat.

II. Der Kläger hat nach § 1 3. Spiegelstrich Satz 2 [X.] keinen Anspruch auf Sozialplanleistungen. Er war an dem maßgeblichen Stichtag, dem 4. Oktober 2006, mehr als drei Jahre, nämlich seit Dezember 2001 arbeitsunfähig und bezog seit dem 1. April 2003 und damit seit mehr als drei Jahren volle Erwerbsminderungsrente. Nach dieser Bestimmung war deshalb damit zu rechnen, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer [X.] nicht behoben werden würde. Dieser Anspruchsausschluss ist wirksam.

1. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 [X.]), vereinbar sind. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 [X.] enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat darin die in § 1 AGG geregelten [X.] übernommen ([X.] 12. April 2011 - 1 [X.] - Rn. 10 f.). Dazu gehört auch das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.

2. Der in § 75 Abs. 1 [X.] enthaltene Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung richten sich nach den Vorschriften des AGG (BT-Drucks. 16/1780 S. 56). Eine unmittelbare Benachteiligung liegt dabei gemäß § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten [X.] eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dagegen handelt es sich nach § 3 Abs. 2 AGG um eine mittelbare Benachteiligung, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

3. § 1 3. Spiegelstrich [X.] führt zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG.

a) Eine unmittelbare Ungleichbehandlung liegt nicht nur vor, wenn die weniger günstige Behandlung ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG aufgeführten Grundes erfolgt. Von § 3 Abs. 1 AGG wird vielmehr auch eine sog. verdeckte unmittelbare Ungleichbehandlung erfasst, bei der die Differenzierung zwar nicht ausdrücklich wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt, sondern an ein in dieser Vorschrift nicht enthaltenes Merkmal anknüpft, das jedoch in einem untrennbaren Zusammenhang mit einem in dieser Vorschrift genannten Grund steht (BT-Drucks. 16/1780 S. 32; dazu auch [X.] 28. April 2011 - 1 BvR 1409/10 - Rn. 54, [X.] 2011, 434).

b) Dementsprechend führt § 1 3. Spiegelstrich [X.] zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die zum Ausschluss von Sozialplanleistungen führenden Gründe stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung.

(1) Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 AGG sind entsprechend der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX enthaltenen Begriffsbestimmung Menschen behindert, wenn ihre körperlichen Funktionen, geistigen Fähigkeiten oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der [X.] beeinträchtigt ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Das steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.], nach der eine Behinderung iSd. Richtlinie 2000/78/[X.] eine wahrscheinlich längere [X.] andauernde Einschränkung ist, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet (11. Juli 2006 - [X.]/05 - [[X.]] Rn. 43 ff., Slg. 2006, I-6467).

Gem. § 1 3. Spiegelstrich [X.] sind nicht anspruchsberechtigt Arbeitnehmer, die am 4. Oktober 2006 unter Bezug einer befristeten vollen Erwerbsminderungsrente nicht beschäftigt waren und bei denen aus anderen Gründen damit zu rechnen ist, dass die mit der Erwerbsminderung einhergehende Arbeitsunfähigkeit auf Dauer fortbesteht oder zumindest in absehbarer [X.] nicht behoben werden kann und damit einen Grund zur personenbedingten, da krankheitsbedingten Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt. Die Betriebsparteien sind dabei davon ausgegangen, dass diese Anforderungen bei einer die Rente wegen voller Erwerbsminderung begleitenden Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Jahren oder einer entsprechenden Bewilligung von voller Erwerbsminderungsrente für mehr als drei Jahre erfüllt sind. Soweit in § 1 3. Spiegelstrich [X.] auf den Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgestellt wird, müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 2 [X.] erfüllt sein. Danach sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare [X.] außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Die Gegenüberstellung der Merkmale des Begriffs der Behinderung und der tatbestandlichen Anforderungen des § 1 3. Spiegelstrich [X.] macht deutlich, dass diese in einem untrennbaren Zusammenhang mit der nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung stehen. Ein Arbeitnehmer, der den Tatbestand des § 1 3. Spiegelstrich [X.] erfüllt, ist in der Teilhabe am Berufsleben längere [X.] eingeschränkt. Daher hat die Regelung eine unmittelbare Ungleichbehandlung des [X.] wegen einer Behinderung zur Folge.

4. Diese Ungleichbehandlung stellt jedoch keine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG dar, denn der Kläger wird durch den [X.] in § 1 3. Spiegelstrich [X.] nicht gegenüber Personen in einer „vergleichbaren Situation“ benachteiligt.

a) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass eine Person eine weniger günstige Behandlung, als eine andere Person in vergleichbarer Situation erfährt. Der [X.] Gesetzgeber hat insoweit die Bestimmung des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/[X.], die ebenfalls eine vergleichbare Situation voraussetzt, unverändert umgesetzt. Auch der Gerichtshof der [X.] geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine unmittelbare Benachteiligung nur dann vorliegt, wenn sich die betroffenen Personen in einer vergleichbaren Lage befinden (vgl. 10. Mai 2011 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 41, [X.] 2011, 437; 18. November 2010 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 32 ff., EzA [X.]-Vertrag 1999 Richtlinie 76/207 Nr. 8; 1. April 2008 - [X.]/06 - [[X.]] Rn. 72 f., Slg. 2008, [X.]; 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [[X.]] Rn. 44 ff., Slg. 2004, [X.] zu Art. 141 [X.] sowie 1. März 2011 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 28 f. zu Art. 5 der Richtlinie 2004/113/[X.]). Die Situationen müssen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Dies ist nicht allgemein und abstrakt, sondern spezifisch und konkret von den nationalen Gerichten im Einzelfall anhand des Zwecks und der Voraussetzungen für die Gewährung der fraglichen Leistungen festzustellen ([X.] 10. Mai 2011 - [X.]/08 - [[X.]] Rn. 52; 1. April 2008 - [X.]/06 - [[X.]] Rn. 73, aaO). Danach ist unionsrechtlich geklärt, dass ein letztentscheidungsbefugtes nationales Gericht unter Zugrundelegung des vom Gerichtshof entwickelten Vergleichsmaßstabs selbst zu prüfen hat, ob sich der Betroffene in einer vergleichbaren Situation mit anderen befindet. Die Durchführung eines [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV war deshalb nicht geboten.

b) Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen dem Kläger und den nach dem Sozialplan anspruchsberechtigten Arbeitnehmern keine vergleichbare Situation.

aa) Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sollen gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 [X.] die künftigen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können (18. Mai 2010 - 1 [X.] - Rn. 22 mwN, [X.] [X.] 1972 § 112 Nr. 209 = [X.] 2001 § 112 Nr. 38). Die Sozialplanleistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar ([X.] 26. Mai 2009 - 1 [X.] - Rn. 23, [X.]E 131, 61).

bb) Hiervon ausgehend sind entgegen der Auffassung der Revision nicht alle Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung verloren haben, bereits aus diesem Grund in einer „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Die Vergleichbarkeit bestimmt sich vielmehr nach der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans. Dementsprechend kommt es darauf an, ob sich der Kläger und die vom Sozialplan begünstigten Arbeitnehmer in Bezug auf ihre durch die Betriebsstilllegung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation befinden.

cc) Danach besteht zwischen dem Kläger und den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern keine vergleichbare Situation. Während diese infolge der Betriebsschließung und dem damit verbundenen Verlust der Arbeitsplätze ihren Arbeitsverdienst verloren haben, erhielt der Kläger bereits vor der Betriebsschließung kein Arbeitsentgelt mehr, sondern eine Erwerbsminderungsrente. Hieran hat sich durch die Betriebsstilllegung nichts geändert. Der Kläger verkennt, dass die Sozialplanabfindung keine Belohnung für die Dienste in der Vergangenheit ist, sondern eine zukunftsgerichtete Hilfe, die dazu dient, künftige Nachteile auszugleichen oder zu mildern, die als Folge einer Betriebsänderung entstehen. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Vergleichbarkeit der Situationen nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglicherweise einen Anspruch auf Auszahlung einer Kapitallebensversicherung hat und hierdurch finanziell abgesichert ist. Diese auf privaten Dispositionen des Einzelnen beruhende wirtschaftliche Absicherung steht in keinem Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes infolge einer Betriebsänderung und der damit einhergehenden [X.]. Den nach dem Sozialplan anspruchsberechtigten Arbeitnehmern entstehen deshalb auch dann wirtschaftliche Nachteile, wenn sie Leistungen aus einer privaten Kapitallebensversicherung beziehen können. Derartige Nachteile treten beim Kläger nicht ein.

III. § 1 3. Spiegelstrich [X.] verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 [X.], soweit nach dem Sozialplan auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht, wie beispielsweise während der Elternzeit, dem Mutterschutz oder dem Wehr- und Zivildienst, anspruchsberechtigt sind.

1. Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck ([X.] 14. Dezember 2010 - 1 [X.] - Rn. 15, [X.] 2011, 182).

2. Danach ist die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung nicht zu beanstanden. Die Betriebsparteien durften in Bezug auf die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht, davon ausgehen, dass sie nach Beendigung des [X.] in den Betrieb zurückkehren und dort wieder arbeiten und entlohnt werden. Dieser Personenkreis hat damit infolge der Betriebsänderung einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten. Dagegen konnten die Betriebsparteien davon ausgehen, dass die von § 1 3. Spiegelstrich [X.] erfassten Personen nicht wieder arbeiten werden und damit auch kein Erwerbseinkommen erzielen können. Folglich fehlt es bei diesem Personenkreis an einem ausgleichsfähigen wirtschaftlichen Nachteil.

        

    [X.]    

        

    Koch    

        

    Spelge    

        

        

    Für den aus dem Amt
ausgeschiedenen ehrenamtlichen
Richter Dr. Münzer
[X.]    

        

    [X.]    

        

                 

Meta

1 AZR 34/10

07.06.2011

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 26. März 2009, Az: 5 Ca 5101/08, Urteil

§ 112 BetrVG, § 75 Abs 1 BetrVG, § 3 Abs 1 AGG, Art 2 EGRL 78/2000, Art 3 EGRL 78/2000

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.06.2011, Az. 1 AZR 34/10 (REWIS RS 2011, 5981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5981


Verfahrensgang

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Az. 1 BvR 2803/11

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2803/11, 25.03.2015.


Az. 1 AZR 34/10

Bundesarbeitsgericht, 1 AZR 34/10, 07.06.2011.


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