Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2016, Az. VII ZR 138/13

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16463

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:100216BVIIZR138.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR 138/13

vom

10. Februar 2016

in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am 10. Februar 2016
durch [X.]
Eick, die Richter [X.] und
Prof.
Dr.
Jurgeleit und die
Richterinnen [X.] und Sacher
beschlossen:
Der Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revi-sion wird stattgegeben.
Das Urteil des 25.
Zivilsenats des [X.] vom 10.
Mai
2013 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 1.000.000

Gründe:
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] (im Folgenden: Schuldnerin). Er nimmt die Beklagte wegen einer angeblich mangelhaften Abschlussprüfung der Jahresbilanz der Schuldnerin für das Jahr

Alleinige Gesellschafterin der als Spezialunternehmen im Bergbau täti-gen Schuldnerin ist die [X.], die bis 2008 als H.-[X.] (im Fol-1
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genden nur: [X.]) firmierte. Zwischen der Schuldnerin und der [X.] bestand seit dem 19. Dezember 1988 ein Beherrschungs-
und Gewinnabführungsver-trag, nach dem die Schuldnerin etwaige Gewinne an die [X.] abzuführen hatte, während diese im Gegenzug verpflichtet war, Verluste der Schuldnerin auszu-gleichen. Der Vertrag wurde durch die [X.] am 26. März 2007 auf Grund ihrer angespannten aktuellen Vermögens-
und Ertragslage gekündigt. Bereits zuvor hatte sich die Ertrags-
und Vermögenssituation der [X.] erheblich verschlech-tert. Der Konzernabschluss zum 31. Dezember 2004 wies einen Konzernjahres-

Mitte 2006 wurde die Beklagte, die auch die Abschlussprüfung der [X.] für 2005 durchführte, von der Schuldnerin mit der Abschlussprüfung für das [X.] beauftragt. Die Beklagte erstellte am 27. Oktober 2006 ihren Prüfbe-richt, der unter anderem
die Feststellung enthielt, dass die positive Beurteilung des [X.] und der wesentlichen Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung des Unternehmens im Lagebericht der Geschäftsführung plausibel und folgerichtig abgeleitet seien. Der Bericht enthielt außerdem den Hinweis, dass die Schuldnerin für den Fall, dass die von der Geschäftsführung geplanten Reaktivierungsmaßnahmen sich nicht realisieren ließen oder die [X.] nicht in der Lage sei, der Schuldnerin die benötigten liquiden Mittel zur Verfügung zu stellen, in ihrem Bestand bedroht sei. Im Ergebnis erteilte die Beklagte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk unter Hinweis darauf, dass ohne die kumulative Umsetzung der zur Sanierung der Schuldnerin geplanten Einzel-maßnahmen und ohne die weitere finanzielle Unterstützung durch die [X.] der Fortbestand der Schuldnerin aufgrund der angespannten [X.] ernsthaft gefährdet sei.
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Am 16. April 2007 stellte die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Amtsgerichts D.
vom 1. Juni 2007 wur-de das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Er ist der Auffassung, dass der von der Beklagten erstellte Prüfbericht nicht den Sorgfaltsanforderungen des § 323 Abs. 1 HGB entspreche. Infolge der der Beklagten zur Last fallenden Pflichtverletzung sei es im Zeitraum ab Erteilung des uneingeschränkten Testats bis zur Insolvenzantragstellung zu [X.] Kläger ist der Ansicht, dass die Darlehensforderung gegenüber der [X.] in [X.] das Bestehen stiller Reserven im Vermögen der [X.] zum 31.
Dezem-ber 2005 und ist der Auffassung, dass eine Überschuldung vorgelegen habe.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Be-rufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die [X.] nicht zugelassen.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Kläger seine Kla-geforderung weiter.

II.
Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Be-4
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rufungsurteil beruht, wie die Beschwerde zu Recht rügt, auf einer
Verletzung des Anspruchs des [X.] auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs.
1 GG.
1.
Art. 103 Abs. 1 GG gibt den
an einem gerichtlichen Verfahren Beteilig-ten das Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde zu le-genden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Das Gericht darf nur solche Tatsachen und Beweise verwerten, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
September
2011
VI
ZR
5/11, NJWR
2011, 1558 Rn.
5; [X.], NJW 1994, 1210, juris Rn.
9; [X.]/Gre-ger, ZPO, 31.
Aufl., §
283 Rn.
5
f.).
Nach diesen Maßstäben hat das [X.] den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör im Streitfall ver-letzt.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die durch das Verlustergeb-nis bei der [X.] bestehende bilanzielle Überschuldung in Höhe von rund 68
Mio.

i-gung des Ansatzes
der gegen die [X.] gerichteten Darlehensforderung in der Bilanz der Schuldnerin erforderlich gemacht habe, weil der bei der [X.] aufge-tretene Fehlbetrag durch entsprechende stille Reserven gedeckt gewesen sei. Es hat hierzu ausgeführt, der Kläger habe die von der Beklagten im Schriftsatz vom 20.
März
2013 dargelegten Berechnungen sowie die Höhe der vorgetrage-nen stillen Reserven nicht konkret bestritten.
Das Berufungsgericht hat damit Vorbringen der Beklagten zugrunde ge-legt, zu dem der Kläger in der Sache nicht mehr Stellung nehmen konnte. Der Schriftsatz der Beklagten vom 20.
März
2013 ist innerhalb
der
der Beklagten in der mündlichen
Verhandlung vom 15.
Februar
2013 gewährten Schriftsatzfrist eingegangen. Das Berufungsgericht hat sodann, ohne dass die mündliche [X.] wiedereröffnet worden ist, am 10.
Mai 2013 sein Urteil verkündet.
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b) Der dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverstoß zum Nachteil des [X.] ist entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat seine Ent-scheidung auf das Vorbringen der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 20.
März
2013 gestützt und diesem
damit
Entscheidungserheblichkeit [X.]. Der Kläger hat mit der Beschwerde im Einzelnen ausgeführt, was er in Bezug auf das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Vorbringen der [X.] erwidert hätte. Er hat vorgebracht, dass er die Höhe der stillen Reser-ven konkret bestritten und zum Beweis des Gegenteils den Geschäftsführer der Schuldnerin
J. benannt hätte. Der
Bewertung der stillen Reserven im Umfang von 31.730.000

s
zwischen Buchwert und einem hochgerechneten "100
%"-Wert hätte er entgegengehalten, dass, da eine Min-derheitsbeteiligung in Rede gestanden habe, lediglich ein Betrag in Höhe von rund 30
Mio.

.000

können und hierfür [X.] angeboten. Bezogen auf die Posi-tion "[X.]" hätte der Kläger außerdem darauf hingewiesen, dass [X.] nur an der [X.] A.
unmittelbar beteiligt gewesen sei, nicht jedoch an den übrigen genannten Gesellschaften. Alleinige Gesellschafterin dieser Gesell-schaften sei die D.-[X.] gewesen. Die Position "[X.]/[X.]" über 19
Mio.

.
Es kann daher nicht ausgeschlossen werden,
dass das Berufungsgericht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre, wenn es die mündliche Verhandlung wiedereröffnet und dem Kläger Gelegenheit zur Erwi-derung gegeben hätte.
2.
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, dass durch ihren Schriftsatz vom 20.
März 2013 kein neuer Prozessstoff eingeführt worden sei. In den [X.] Schriftsätzen der Beklagten, auf die diese Bezug nimmt, findet sich kein identischer Vortrag. In der Klageerwiderung vom 22.
Februar
2010 ([X.].
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7
-
d.
A.) hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass ihr die stillen Reserven bei der [X.], welche zum 31.
Dezember
2005 ermittelt gewesen seien und den ausgewiesenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag überstiegen [X.], bekannt gewesen seien. Zur Höhe der stillen Reserven hat die Beklagte hier nicht weiter ausgeführt. In dem weiter in Bezug genommenen Schriftsatz vom 7.
Februar
2012 ([X.]. 522 d. A.) hat die Beklagte als stille Reserven nicht näher aufgeschlüsselten [X.] im Umfang von 58.420.000

e-ne Projekte im Umfang von 6
Mio.

für erhaltene Investitionszuschüsse zum Anlagevermögen in Höhe von 1.189.000

.
im Umfang von 750.000

aufgeführt. [X.] Vorbringen war für den Kläger nicht einlassungsfähig.
Auch wenn den Klä-ger die Beweislast dafür trifft, dass im Zeitpunkt der Prüfung durch die Beklagte mangels ausreichender stiller Reserven eine zur Insolvenzreife
führende Über-schuldung der [X.] vorgelegen hatte, oblag es
der Beklagten,
zunächst zu den stillen Reserven vorzutragen, die aus ihrer Sicht eine zur Stellung eines Insol-venzantrags verpflichtende Überschuldung der [X.] ausschlossen. Der Kläger hatte dann darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass diese stillen Re-serven unzureichend waren. Die Beklagte hat erst im Schriftsatz vom 20. März 2013
die im [X.] liegenden stillen Reserven näher aufgeschlüsselt und die weiteren Positionen näher erläutert. Zu diesem neuen Vorbringen konnte sich der Kläger vor Erlass des Berufungsurteils nicht mehr äußern.
Die Beklagte kann sich zudem nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Klage bereits
deshalb der Erfolg zu versagen gewesen wäre, weil der [X.], soweit er nicht ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt wird, nicht für eine verspätete Insolvenzantragstellung durch die Ge-schäftsführung der Schuldnerin haftet. Der Kläger hat geltend gemacht, dass bei zutreffender Bewertung der [X.] der Schuldnerin der Bestätigungsvermerk nicht hätte erteilt werden dürfen. Die 15
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Schuldnerin hätte sich in diesem Fall veranlasst gesehen, bereits im Oktober 2006 und nicht erst nach Kündigung des Beherrschungs-
und Gewinnabfüh-rungsvertrags durch die [X.] im April 2007 einen Insolvenzantrag zu stellen. Infolge der verspäteten Antragstellung sei die Schuldnerin mit weiteren Verbind-lichkeiten belastet worden. Der vom Kläger behauptete Schaden beruht nach seinem Vorbringen damit kausal auf der der Beklagten zur Last gelegten Pflichtverletzung.

Eick
[X.]
Jurgeleit

[X.]

Sacher

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.02.2011 -
44 O 72/10 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 10.05.2013 -
I-25 U 13/11 -

Meta

VII ZR 138/13

10.02.2016

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2016, Az. VII ZR 138/13 (REWIS RS 2016, 16463)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16463

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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