Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2010, Az. 3 StR 69/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 5482

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 69/10 vom 24 Juni 2010 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 24. Juni 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] am [X.] [X.], die [X.] am [X.] [X.], von [X.], [X.], [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwältin als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten, [X.]als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte im Anklagepunkt [X.] vom Vorwurf des versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, im Anklagepunkt I[X.] vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von [X.] in vier Fällen und im Anklagepunkt II[X.] freigesprochen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten sowie den [X.] dadurch entstande-nen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, von weiteren [X.] hat es ihn freigesprochen. Zugleich hat es die Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Senat hat auf die Revision des Angeklagten das Urteil durch Beschluss vom 30. März 2010 im [X.] wegen unzureichender 1 - 4 - Feststellungen aufgehoben und insoweit zu neuer Verhandlung und Entschei-dung an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen; im Übri-gen hat er das Rechtsmittel verworfen. Mit der zum damaligen [X.]punkt noch nicht dem Senat zur Entscheidung vorgelegten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen einen Teil der Freisprüche. Das vom Generalbun-desanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg. Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen des [X.] zugrunde: Der damals 57 oder 58 Jahre alte Angeklagte missbrauchte in der [X.] von Anfang Juni 2008 bis Ende August 2008 die damals zehn oder elf [X.] alte [X.] sowie [X.], die er im unmittelbaren Wohnumfeld kennengelernt und um die er sich im Einverständnis mit den Eltern als hilfsbereiter Nachbar gekümmert hatte. Er holte die Kinder von der Schule ab, machte Ausflüge mit ihnen und ließ sie in seiner Wohnung das [X.]. In den Sommerferien waren die Kinder ständig von morgens bis abends bei ihm. Dabei beging der Angeklagte die insgesamt acht Tathandlungen. 2 Vom Vorwurf, zwei andere Mädchen missbraucht zu haben, hat das [X.] den Angeklagten mangels [X.] freigesprochen. Insoweit greift die Beschwerdeführerin das Urteil nicht mehr an, nachdem der [X.] die Revision auf die übrigen [X.] beschränkt hat. 3 1. Die Freisprüche halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 4 Dem Angeklagten lag insoweit im Anklagepunkt [X.] der versuchte schwere sexuelle Missbrauch von Kindern in zwei Fällen, im Anklagepunkt I[X.] der [X.] nach § 176 Abs. 1 StGB in vier Fällen und im Ankla-gepunkt II[X.] der sexuelle Missbrauch von Kindern nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB 5 - 5 - in zwei Fällen zur Last. In der Hauptverhandlung hat [X.] als Zeugin ausge-sagt, es habe jeweils eine größere Zahl an sexuellen Übergriffen als in der [X.] aufgeführt gegeben. Das [X.] hat die Angaben der Zeugin für glaubhaft erachtet und sich davon überzeugt, dass auch diese über die Ankla-gevorwürfe hinausgehenden Taten sich wie von der Zeugin bekundet zugetra-gen haben. Mit der Begründung, es könne bei dieser Sachlage nicht festgestellt werden, welche der mehreren Taten Gegenstand der Anklage seien, hat es den Angeklagten insoweit freigesprochen. Die Voraussetzungen für einen Freispruch waren nicht gegeben. 6 a) Die vom [X.] unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage war wirksame Verfahrensvoraussetzung. In ihr war dem Angeklagten eine Höchstzahl von sexuellen Übergriffen zur Last gelegt worden. Das [X.] war durch Mitteilung der Tatopfer, der Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung, vor allem aber durch Bestimmung des Tatzeitraums ausrei-chend von anderen möglichen Taten desselben Täters abgegrenzt (zu den An-forderungen an eine Anklageschrift bei [X.] von sexuellem Kindesmiss-brauchs vgl. BGHSt 40, 44, 46). Durch die Feststellung eines über die Anklage hinausgehenden Geschehens haben die Anklage und der auf ihr beruhende Eröffnungsbeschluss nicht ihre Wirksamkeit verloren. Für die von der [X.] ursprünglich begehrte Einstellung des Verfahrens besteht deshalb kein Anlass. 7 b) Von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der angeklagten Ta-ten war das [X.] überzeugt. Es hätte den Angeklagten deshalb insoweit auch aburteilen müssen. Es war in Ermangelung einer Nachtragsanklage ledig-lich daran gehindert, den Angeklagten wegen der weiteren Taten zu verurteilen, 8 - 6 - von denen es sich ebenfalls überzeugt hat. Über die Anklagevorwürfe muss deshalb im vorliegenden Verfahren erneut verhandelt werden. 2. Der Senat sieht hierfür Anlass zu folgenden Hinweisen: 9 a) Sollte die Beschwerdeführerin, wie auf Seite 7 der Revisionsbegrün-dung angedeutet, auch im Hinblick auf die Tatvorwürfe, die noch Gegenstand dieses Verfahrens sind, ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet haben, so läge ein Fall der [X.] vor. 10 b) Hinsichtlich der Tatvorwürfe im Anklagepunkt [X.] wird ggf. zu prüfen sein, ob es sich um zwei getrennte Taten (so die Anklage) oder um eine Tat des versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich zusam-mentreffenden Fällen handelt. 11 c) Soweit dem Angeklagten im Anklagepunkt I[X.] vorgeworfen wird, Mi-chelle zweimal "auf den Mund geküsst" zu haben, wird die von § 184 g Nr. 1 StGB vorausgesetzte Erheblichkeit der Handlung [X.], StGB 57. Aufl. § 184 g Rdn. 6 f.) ggf. näher zu begründen sein. 12 Nachdem [X.] bekundet hat, der Angeklagte habe "sie immer überall angefasst und sie auch auf den Mund geküsst" ([X.]), wäre zudem Fol-gendes zu beachten: Eine Verurteilung wegen einer selbständigen Tat des se-xuellen Kindesmissbrauchs käme nur in Betracht, wenn sich das [X.] davon überzeugt, dass der Angeklagte an einem Tag ausschließlich diese Handlung vornahm, und damit ausschließen kann, dass der Kuss nicht nur Teil eines umfassenderen Tatgeschehens war, welches bereits abgeurteilt ist oder noch zur Verhandlung und Entscheidung ansteht. Gleiches gilt auch für den 13 - 7 - Tatvorwurf, der Angeklagte habe [X.] zweimal auf seinen Schoß gesetzt und unter ihrer Kleidung am Oberkörper gestreichelt. d) Im Hinblick auf die - nach der Aufhebung des Urteils auf die Revision des Angeklagten - erneut zu treffende Entscheidung über die Sicherungsver-wahrung verweist der Senat zur Behandlung getilgter und deshalb einem [X.] unterliegender Vorstrafen auf die Entscheidungen BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 2 und 7; [X.], 332 sowie [X.], [X.] Die Form der Anklageabfassung im vorliegenden Fall gibt Anlass dar-auf hinzuweisen, dass es der Klarheit der Anklage dient, wenn die einzelnen Taten im konkreten Anklagesatz jeweils mit einer Ordnungsziffer versehen wer-den und deshalb ohne beschreibende Zusätze voneinander zu unterscheiden sind. 15 [X.] [X.] von [X.] Schäfer Mayer

Meta

3 StR 69/10

24.06.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2010, Az. 3 StR 69/10 (REWIS RS 2010, 5482)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5482

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