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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern: Anforderungen an die Anklageschrift bei Tatreihen
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte im Anklagepunkt [X.] vom Vorwurf des versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen, im Anklagepunkt I[X.] vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen und im Anklagepunkt II[X.] freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten sowie den [X.] dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich [X.] Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Zugleich hat es die Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Senat hat auf die Revision des Angeklagten das Urteil durch Beschluss vom 30. März 2010 im [X.] wegen unzureichender Feststellungen aufgehoben und insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen; im Übrigen hat er das Rechtsmittel verworfen. Mit der zum damaligen [X.]punkt noch nicht dem Senat zur Entscheidung vorgelegten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen einen Teil der Freisprüche. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
Der Verurteilung liegen folgende Feststellungen des [X.]s zugrunde: Der damals 57 oder 58 Jahre alte Angeklagte missbrauchte in der [X.] von Anfang Juni 2008 bis Ende August 2008 die damals zehn oder elf Jahre alte [X.] sowie [X.], die er im unmittelbaren Wohnumfeld kennengelernt und um die er sich im Einverständnis mit den Eltern als hilfsbereiter Nachbar gekümmert hatte. Er holte die Kinder von der Schule ab, machte Ausflüge mit ihnen und ließ sie in seiner Wohnung das [X.] nutzen. In den Sommerferien waren die Kinder ständig von morgens bis abends bei ihm. Dabei beging der Angeklagte die insgesamt acht Tathandlungen.
Vom Vorwurf, zwei andere Mädchen missbraucht zu haben, hat das [X.] den Angeklagten mangels [X.] freigesprochen. Insoweit greift die Beschwerdeführerin das Urteil nicht mehr an, nachdem der [X.] die Revision auf die übrigen [X.] beschränkt hat.
1. Die Freisprüche halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Dem Angeklagten lag insoweit im Anklagepunkt [X.] der versuchte schwere sexuelle Missbrauch von Kindern in zwei Fällen, im Anklagepunkt I[X.] der sexuelle Missbrauch von Kindern nach § 176 Abs. 1 StGB in vier Fällen und im Anklagepunkt II[X.] der sexuelle Missbrauch von Kindern nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB in zwei Fällen zur Last. In der Hauptverhandlung hat [X.] als Zeugin ausgesagt, es habe jeweils eine größere Zahl an sexuellen Übergriffen als in der Anklage aufgeführt gegeben. Das [X.] hat die Angaben der Zeugin für glaubhaft erachtet und sich davon überzeugt, dass auch diese über die Anklagevorwürfe hinausgehenden Taten sich wie von der Zeugin bekundet zugetragen haben. Mit der Begründung, es könne bei dieser Sachlage nicht festgestellt werden, welche der mehreren Taten Gegenstand der Anklage seien, hat es den Angeklagten insoweit freigesprochen.
Die Voraussetzungen für einen Freispruch waren nicht gegeben.
a) Die vom [X.] unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage war wirksame Verfahrensvoraussetzung. In ihr war dem Angeklagten eine Höchstzahl von sexuellen Übergriffen zur Last gelegt worden. Das Tatgeschehen war durch Mitteilung der Tatopfer, der Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung, vor allem aber durch Bestimmung des Tatzeitraums ausreichend von anderen möglichen Taten desselben Täters abgegrenzt (zu den Anforderungen an eine Anklageschrift bei [X.] von sexuellem Kindesmissbrauchs vgl. BGHSt 40, 44, 46). Durch die Feststellung eines über die Anklage hinausgehenden Geschehens haben die Anklage und der auf ihr beruhende Eröffnungsbeschluss nicht ihre Wirksamkeit verloren. Für die von der Staatsanwaltschaft ursprünglich begehrte Einstellung des Verfahrens besteht deshalb kein Anlass.
b) Von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der angeklagten Taten war das [X.] überzeugt. Es hätte den Angeklagten deshalb insoweit auch aburteilen müssen. Es war in Ermangelung einer Nachtragsanklage lediglich daran gehindert, den Angeklagten wegen der weiteren Taten zu verurteilen, von denen es sich ebenfalls überzeugt hat. Über die Anklagevorwürfe muss deshalb im vorliegenden Verfahren erneut verhandelt werden.
2. Der Senat sieht hierfür Anlass zu folgenden Hinweisen:
a) Sollte die Beschwerdeführerin, wie auf Seite 7 der Revisionsbegründung angedeutet, auch im Hinblick auf die Tatvorwürfe, die noch Gegenstand dieses Verfahrens sind, ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet haben, so läge ein Fall der [X.] vor.
b) Hinsichtlich der Tatvorwürfe im Anklagepunkt [X.] wird ggf. zu prüfen sein, ob es sich um zwei getrennte Taten (so die Anklage) oder um eine Tat des versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich [X.] Fällen handelt.
c) Soweit dem Angeklagten im Anklagepunkt I[X.] vorgeworfen wird, [X.] zweimal "auf den Mund geküsst" zu haben, wird die von § 184 g Nr. 1 StGB vorausgesetzte Erheblichkeit der Handlung [X.], StGB 57. Aufl. § 184 g Rdn. 6 f.) ggf. näher zu begründen sein.
Nachdem [X.] bekundet hat, der Angeklagte habe "sie immer überall angefasst und sie auch auf den Mund geküsst" ([X.]), wäre zudem Folgendes zu beachten: Eine Verurteilung wegen einer selbständigen Tat des sexuellen Kindesmissbrauchs käme nur in Betracht, wenn sich das [X.] davon überzeugt, dass der Angeklagte an einem Tag ausschließlich diese Handlung vornahm, und damit ausschließen kann, dass der Kuss nicht nur Teil eines umfassenderen Tatgeschehens war, welches bereits abgeurteilt ist oder noch zur Verhandlung und Entscheidung ansteht. Gleiches gilt auch für den Tatvorwurf, der Angeklagte habe [X.] zweimal auf seinen Schoß gesetzt und unter ihrer Kleidung am Oberkörper gestreichelt.
d) Im Hinblick auf die - nach der Aufhebung des Urteils auf die Revision des Angeklagten - erneut zu treffende Entscheidung über die Sicherungsverwahrung verweist der Senat zur Behandlung getilgter und deshalb einem Verwertungsverbot unterliegender Vorstrafen auf die Entscheidungen BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 2 und 7; [X.], 332 sowie [X.], 633.
3. Die Form der Anklageabfassung im vorliegenden Fall gibt Anlass darauf hinzuweisen, dass es der Klarheit der Anklage dient, wenn die einzelnen Taten im konkreten Anklagesatz jeweils mit einer Ordnungsziffer versehen werden und deshalb ohne beschreibende Zusätze voneinander zu unterscheiden sind.
[X.]
Schäfer [X.]
Meta
24.06.2010
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Urteil
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Mönchengladbach, 8. Oktober 2009, Az: 32 KLs 8/09 - 601 Js 2370/08, Urteil
§ 200 StPO, § 53 StGB, § 176 StGB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.06.2010, Az. 3 StR 69/10 (REWIS RS 2010, 5472)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 5472
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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5 StR 611/07 (Bundesgerichtshof)
2 StR 92/14 (Bundesgerichtshof)
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