Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2021, Az. XI ZR 217/19

11. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 1607

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 30. April 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers ist gegenstandslos.

Streitwert: 54.490 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der [X.], einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, die Rückabwicklung der kreditfinanzierten Investition in eine in einem Solarpark installierte Photovoltaikanlage.

2

Die nicht am Prozess beteiligte [X.]      GmbH & Co. KG (künftig: [X.]) ist Eigentümerin eines Grundstücks in [X.]     , an dem sie mit notarieller Urkunde vom 19. Dezember 2011 ein Erbbaurecht mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2061 bestellte, das zur Errichtung und Instandhaltung von 298 Photovoltaikanlagen der [X.], der früheren [X.] zu 2 (künftig: [X.]    ), berechtigt. Der Solarpark wurde am 31. Dezember 2011 in Betrieb genommen.

3

Am 17. März 2012 veranstaltete die [X.]     in der [X.] in S.      den sogenannten "[X.]", eine Werbeveranstaltung, die sich an (mögliche künftige) Vermittler richtete, aber auch Anlegern offenstand. Bei dieser Veranstaltung traten ein Filialdirektor der [X.] als Teilnehmer einer Gesprächsrunde und der Finanzvorstand der [X.] als Referent auf.

4

Vermittelt durch den Vermittler M.    schloss der Kläger unter dem 30. August 2012 einen notariell beurkundeten Vertrag mit der E. [X.]  E.    und der [X.]    , mit dem er von der E. [X.]  E.    einen Bruchteilsanteil von 1/298 an dem Erbbaurecht und von der [X.]     eine Photovoltaikanlage zum Preis von 54.490 € kaufte. Der Kaufvertrag enthält eine Benutzungsregelung, nach der der Kläger berechtigt ist, eine genau bestimmte Teilfläche des Grundstücks zur Errichtung der Photovoltaikanlage ausschließlich zu benutzen. Bestandteil des Kaufvertrags sind zudem eine notarielle Bezugsurkunde vom 19. Dezember 2011, die eine "Gemeinschaftsordnung" für die [X.] am Erbbaurecht enthält, und als Anlagen zu der Bezugsurkunde ein Lageplan der 298 Photovoltaikanlagen, der Prospekt der [X.]     für den Solarpark, der fünf durch die [X.] (künftig: [X.]) erstellte, von unterschiedlichen Annahmen ausgehende Ertragsprognosen enthält, sowie ein Verwaltungs- und Überwachungsvertrag des Käufers mit der [X.]     .

5

Zur Finanzierung des Geschäfts schloss der Kläger mit der [X.] unter dem 23./29. August 2012 einen Darlehensvertrag über 54.490 € mit einem Zinssatz von nominal 4,7% p.a. und einer voraussichtlichen Laufzeit von 240 Monaten. Das Darlehen sollte durch eine Briefgrundschuld an dem Erbbaurecht gesichert werden. Darüber hinaus machte der Kläger von der im Darlehensvertrag eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, einen [X.] mit der [X.] abzuschließen und diesen als Tilgungsersatz an die Beklagte abzutreten.

6

Zudem errichtete der Kläger - wie regelmäßig die Anleger, die den Kauf von Anlagen in dem Solarpark [X.]     mit einem Darlehen der [X.] finanzierten - ein Konto bei der [X.] (künftig: [X.]), auf das nach den Vorgaben im Darlehensvertrag die Einspeisevergütung für den von der Photovoltaikanlage produzierten Strom, - nach Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG - die Erstattung der auf den Kaufpreis gezahlten Umsatzsteuer sowie ein monatlich von dem Kläger zu zahlender Eigenanteil in Höhe von 96 € fließen sollten. Von diesem Konto sollten im Wesentlichen die Darlehenszinsen, die monatlichen Beiträge für den [X.] in Höhe von (zunächst) 245 € und die Verwaltervergütung für den Solarpark bedient werden.

7

Als das Konto bei der [X.] im Jahr 2015 im Vergleich zum [X.] ein deutlich geringeres Guthaben aufwies, wandte sich der Kläger an den Klägervertreter. Ein von diesem eingeholtes Sachverständigengutachten vom 4. Juni 2015 kam zu dem Ergebnis, die im Prospekt prognostizierten Erträge hätten technisch nicht erreicht werden können. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. August 2015 erklärte der Kläger gegenüber der [X.] die Anfechtung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Erwerb der Photovoltaikanlage geschlossener Verträge, insbesondere des Darlehensvertrags und des [X.]s, wegen arglistiger Täuschung sowie höchstvorsorglich den Widerruf des Darlehensvertrags. Mit Schreiben vom 1. September 2015 erklärte der Kläger gegenüber der [X.]     die Anfechtung des über den Erwerb des Anteils am Erbbaurecht und der Photovoltaikanlage geschlossenen Vertrags.

8

Mit seiner Klage hat der Kläger insbesondere beantragt festzustellen, dass der [X.] aus dem Darlehensvertrag keinerlei Ansprüche mehr zustehen, und die Beklagte zur Zahlung von 13.681,06 € nebst Zinsen seit dem 27. August 2015, Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Photovoltaikanlage, zu verurteilen.

9

Das [X.] hat dem Feststellungsantrag und dem [X.] in Höhe von 2.745,95 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots auf Übereignung der erworbenen Photovoltaikanlage, stattgeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht den Zug-um-Zug-Vorbehalt um die Übertragung sämtlicher Rechte des [X.] an dem "der Photovoltaikanlage zugehörigen Erbbaurecht" und aus der Rentenversicherung ergänzt und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter, während der Kläger mit der [X.] bezüglich des Zug-um-Zug-Vorbehalts die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die [X.] des [X.] ist damit gegenstandslos.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer eigenen Aufklärungspflicht der Beklagten zu. Zwar sei ein Darlehensgeber - insbesondere eine kreditgebende Bank - grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Risiken der von ihm beabsichtigten [X.] aufzuklären. Etwas anderes könne aber gelten, wenn die Bank im Einzelfall über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgehe. Dies sei der Fall, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Werbung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Objekts gleichsam als Partei des zu finanzierenden Geschäfts in nach außen erkennbarer Weise Funktionen oder Aufgaben des Veräußerers oder [X.] übernommen und damit einen zusätzlichen, auf die übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Insbesondere bestehe eine Aufklärungspflicht, wenn die Bank Interessenten gegenüber den Eindruck erwecke, das Anlageprogramm mit positivem Ergebnis geprüft zu haben. Sie habe dann die Interessenten über alle bei ordnungsgemäßer banküblicher Überprüfung erkennbaren Programmrisiken und Bedenken gegen die Bonität oder Seriosität des Initiators aufzuklären.

Die dargestellten Grundsätze fänden auf die Beklagte Anwendung, auch wenn es sich bei ihr nicht um eine Bank, sondern um eine Versicherung handele. Anknüpfungspunkt für die Annahme eigener Aufklärungspflichten des Darlehensgebers sei nicht die Eigenschaft als Bank, sondern die Überschreitung der Rolle des reinen Darlehensgebers bzw. das Erwecken des Eindrucks eigener Prüfung. Dies wecke jeweils die berechtigte Erwartung des Verkehrs, der Darlehensgeber werde die Anlage mit der ihm jeweils eigenen Sachkunde - d.h. bei einer Bank mit banküblichem kritischem Sachverstand - geprüft haben. Im Fall einer großen [X.] Versicherung, die strenger staatlicher Aufsicht unterliege und sich als Finanziererin von Anlagen wie der streitgegenständlichen betätige, unterschieden sich die Erwartungen des Verkehrs nicht wesentlich von dem, was von einer Bank erwartet werde.

Hier habe die Beklagte durch die unstreitige Mitwirkung ihrer Mitarbeiter und deren Äußerungen auf dem "[X.]" den Eindruck erweckt, das Anlageprogramm mit positivem Ergebnis geprüft zu haben. So sei die Äußerung des Filialdirektors S.      , "in unterschiedlichen Abteilungen" der Beklagten sei "immer wieder daran geschraubt" und versucht worden, "das rund zu machen", dahingehend zu verstehen, dass sich die Beklagte nicht auf ihre Rolle als Kreditgeberin beschränkt, sondern das Anlagekonzept im Ganzen begutachtet und an seiner Modifikation mitgearbeitet habe. Auch die weitere Aussage, es handele sich um eine "Kapitalanlage, die uns sehr sicher erscheint", erwecke den Eindruck einer sorgfältigen Prüfung der Anlage. Der daraus entstehende Gesamteindruck werde abgerundet durch den Vortrag des Finanzvorstands der Beklagten mit dem Titel "Kooperation [[X.]    ]/[Beklagte] - ein Engagement ohne Ausfälle", der aus Sicht der Adressaten dahingehend verstanden werden würde, dass es für keinen der am Geschäft Beteiligten - auch nicht für die Anleger - zu Ausfällen kommen werde, zumal das Geschäft überdies als "Triple-Win-Situation" beschrieben worden sei. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass sich der "[X.]" vornehmlich an (mögliche künftige) Vermittler gerichtet habe. Die Veranstaltung habe nämlich auch potentiellen Anlegern offengestanden. Zudem hätten gerade Vermittler im Hinblick auf ihre Pflicht zur zutreffenden Information von Anlegern besonderen Bedarf, selbst über Risiken und Hintergründe der Anlage bestmöglich informiert zu sein. Gerade bei diesem Adressatenkreis erwecke die Beklagte durch das vorgenannte Auftreten ihrer Mitarbeiter den Eindruck, die Anlage könne bedenkenlos als seriös und ohne das Risiko von Ausfällen für die Anleger vertrieben werden.

Mit dem Auftreten ihres Filialdirektors und ihres Finanzvorstandes auf dem "[X.]" habe die Beklagte auch Werbung für die Anlage gemacht und Aufgaben des Veräußerers übernommen, indem sie dessen Interessen an der Gewinnung von Vermittlern wahrgenommen und durch Ausnutzung des speziell in sie als Versicherung gesetzten Vertrauens gezielt gefördert habe. Gerade im umkämpften grauen Kapitalmarkt sei ein solcher Auftritt in besonderer Weise geeignet, das streitgegenständliche Engagement aus der Masse der stets mit dem Verdacht fehlender Seriosität konfrontierten Konkurrenzprodukte besonders hervorzuheben. Schließlich habe sich die Beklagte mit dem beschriebenen Verhalten gleichsam als Partei des zu finanzierenden Geschäfts präsentiert. Sie und die [X.]     erschienen in der Gesamtschau als mit gleichlaufenden Interessen an Konzept und Konzeptentwicklung beteiligt und geradezu als gemeinsame Urheber. Wer sich für die Anlage entschieden habe, müsse den Eindruck haben, "dahinter" stehe nicht nur die [X.]     , sondern auch die Beklagte, die mit der [X.]     für die Durchführung des Konzepts eine Kooperation eingegangen sei.

Das fragliche Verhalten auf dem "[X.]" sei in nach außen erkennbarer Weise hervorgetreten, da sich diese Veranstaltung sowohl an potentielle Anleger als auch an mögliche Vermittler gerichtet habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Kläger vom Auftritt der Mitarbeiter der Beklagten auf dem "[X.]" Kenntnis erlangt habe. Es handele sich nämlich - wie bei der Prospekthaftung im engeren Sinne - um eine Form des typisierten Vertrauens, das individuelle Kenntnis des einzelnen Anlegers vom pflichtbegründenden Verhalten des Verpflichteten nicht voraussetze.

Zudem sei dem Kläger der Nachweis gelungen, dass er vom Verhalten und den Verlautbarungen der Mitarbeiter der Beklagten auf dem "[X.]" tatsächlich Kenntnis erlangt habe. Aufgrund der Art und der Intention ihres Auftretens vor (künftigen) Vermittlern der Anlage liege es auf der Hand, dass Auftritt und Darstellung der Anlage durch die Beklagte sowie ihre Beteiligung am Konzept von den Vermittlern gegenüber den Anlegern - hier dem Kläger - tatsächlich als Verkaufsargumente eingesetzt worden seien. Es liege fern, dass Vermittler das in Konkurrenz zu anderen Anlageprodukten wesentliche Argument der Beteiligung einer als seriös geltenden [X.] Versicherung nicht genutzt haben könnten.

Die Beklagte habe die sie treffenden Aufklärungspflichten verletzt, indem sie den Kläger nicht darauf hingewiesen habe, dass die Plausibilität des gesamten Geschäfts unmittelbar von eigenen Angaben der [X.]     bezüglich des erwartbaren [X.] der Photovoltaikanlage abhängig gewesen sei, die unüberprüft geblieben seien. Ein wesentliches Risiko des Konzepts habe darin bestanden, ob die den [X.] zugrundeliegenden Prognosen zum erzielbaren Stromertrag über das stets bestehende Prognoserisiko hinaus überhaupt korrekt erstellt gewesen seien oder nicht. Hier sei die Rentabilität des gesamten Konstrukts letztlich von einer schlichten und ungeprüften Behauptung des Initiators abhängig gewesen. Dass die [X.]     ihrerseits die Prognosen von der [X.] habe erstellen lassen, ändere nichts, da diese den Ertrag nicht unabhängig, sondern im Auftrag der [X.]     berechnet habe. Das Risiko sei bei einer Prüfung mit dem Sachverstand einer Versicherung erkennbar gewesen. Es könne daher offenbleiben, ob die Beklagte, die bei früheren Projekten im Bereich der Solarenergie entsprechende Gutachten eingeholt habe, im Rahmen der hier geschuldeten Prüfung verpflichtet gewesen sei, durch Einholung von Gutachten über den möglichen Ertrag das Anlagekonzept zu prüfen.

Die [X.] sei schuldhaft erfolgt und kausal für das Anlagegeschäft. Der Kläger könne daher verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne den Abschluss des streitgegenständlichen Geschäfts gestanden hätte. Er könne neben der beantragten Feststellung die Erstattung der aus Eigenmitteln getätigten Zahlungen verlangen, allerdings nur Zug um Zug gegen Herausgabe der Vorteile, die er infolge des [X.] erlangt habe. Dies betreffe die vom Kläger in seinem Antrag und vom [X.] bereits berücksichtigte Photovoltaikanlage, aber auch die darüber hinaus erlangten Rechte am Erbbaurecht an der [X.] sowie an der Rentenversicherung.

Über die - einen eigenen Streitgegenstand bildenden - Ansprüche nach Widerruf des Darlehensvertrags sei nicht zu entscheiden, da diese nur hilfsweise geltend gemacht worden seien und die Wirksamkeit des Widerrufs vorliegend keine Folgen für den Inhalt des Schadensersatzanspruchs habe. Lediglich ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die klägerischen Ansprüche auch infolge wirksamen Widerrufs bestünden. Dem Kläger habe ein Widerrufsrecht für den Darlehensvertrag zugestanden, den er als Verbraucher geschlossen habe, und der Lauf der Widerrufsfrist sei nicht in Gang gesetzt worden, da in der erteilten Widerrufsinformation der im Fall verbundener Geschäfte, die hier vorlägen, erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs des Darlehensvertrags für das verbundene Geschäft fehle.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Nicht zu beanstanden ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.], dass ein Schadensersatzanspruch des [X.] gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung eigener vorvertraglicher Aufklärungspflichten der Beklagten in Betracht käme, wenn diese ihre Rolle als Kreditgeberin überschritten hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist eine kreditgebende Bank, die mit dem Darlehensnehmer keinen Beratungsvertrag geschlossen hat, nicht verpflichtet, letzteren über die Risiken des finanzierten Geschäfts aufzuklären. Sie darf regelmäßig davon ausgehen, dass ihre Kunden entweder über die notwendigen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Nur ausnahmsweise können sich Aufklärungs- und Hinweispflichten aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, wenn etwa die Bank im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projekts über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht (vgl. nur Senatsurteile vom 16. Mai 2006 - [X.], [X.], 1 Rn. 41, vom 3. Juni 2008 - [X.], [X.], 1346 Rn. 12, vom 21. September 2010 - [X.], [X.], 2069 Rn. 17 und vom 10. Dezember 2013 - [X.], [X.], 124 Rn. 14).

Diese Rechtsprechung ist auch auf die Beklagte als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit anwendbar.

2. Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Begründung, mit der das Berufungsgericht vorliegend das Bestehen einer Aufklärungspflicht der Beklagten wegen Überschreitung der [X.] bejaht hat.

a) Eine Aufklärungspflicht des Darlehensgebers wegen Überschreitung der [X.] setzt voraus, dass er im Zusammenhang mit der Planung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Objekts gleichsam als Partei des zu finanzierenden Geschäfts in nach außen erkennbarer Weise Funktionen oder Aufgaben des Veräußerers oder [X.] übernommen und damit einen zusätzlichen, auf die übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (Senatsurteile vom 6. November 2007 - [X.], [X.], 115 Rn. 38 mwN und vom 5. Juli 2016 - [X.], [X.], 1831 Rn. 31, insoweit in [X.], 189 nicht abgedruckt).

Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Darlehensgeber - nach außen erkennbar - Einfluss auf die unternehmerische Planung oder auf die Werbung genommen oder jedenfalls den zurechenbaren Anschein einer weitergehenden Zusammenarbeit mit den Initiatoren des [X.] erweckt hat (vgl. Senatsurteil vom 31. März 1992 - [X.], [X.], 901, 905) oder wenn er die zu finanzierende Kapitalanlage befürwortet und dadurch beim Anleger den Eindruck erweckt hat, die Anlage mit der üblichen Sorgfalt einer Bank oder - hier - eines Versicherers und mit positivem Ergebnis geprüft zu haben (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1992 - [X.], [X.], 1355, 1358).

b) [X.] nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls davon ausgegangen ist, dass die Beklagte mit ihrer Mitwirkung an dem "[X.]" und den von ihrem Filialdirektor und ihrem Finanzvorstand dort getätigten Äußerungen ihre [X.] überschritten hat, indem sie dadurch gegenüber den anwesenden Teilnehmern der Veranstaltung und damit nach außen erkennbar durch Ausnutzung des speziell in sie als Versicherer gesetzten Vertrauens Einfluss auf die Werbung für die Investition in den Solarpark genommen und den Eindruck einer Beteiligung an Konzept und Konzeptentwicklung erweckt hat.

c) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber angenommen, es komme nicht darauf an, ob der Kläger vom Auftritt der Mitarbeiter der Beklagten auf dem "[X.]" konkret Kenntnis erlangt habe oder nicht.

Eine vorvertragliche Aufklärungspflicht wegen Überschreitens der [X.] setzt voraus, dass das die [X.] überschreitende Verhalten des Darlehensgebers nach außen in Erscheinung getreten ist (Senatsurteile vom 31. März 1992 - [X.], [X.], 901, 905 f., vom 6. November 2007 - [X.], [X.], 115 Rn. 38 und vom 5. Juli 2016 - [X.], [X.], 1831 Rn. 31, insoweit in [X.], 189 nicht abgedruckt). Das bedingt, dass der sich auf die [X.] berufende Darlehensnehmer Kenntnis von dem betreffenden Verhalten hatte (vgl. Senatsurteile vom 31. März 1992, aaO S. 905 und vom 5. Mai 1992 - [X.], [X.], 1355, 1358; [X.], [X.], 133, 134 f. und Urteil vom 18. Juni 2002 - 6 [X.], juris Rn. 25; [X.], Urteil vom 9. Mai 2006 - 9 U 56/04, juris Rn. 64; [X.], Urteil vom 24. Januar 2007 - 3 U 100/06, juris Rn. 41). Das Bestehen von Aufklärungspflichten bei Überschreitung der Rolle als Kreditgeber findet seine Rechtfertigung darin, dass der Kreditgeber einen zusätzlichen, auf die übernommenen Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand gesetzt hat (Senatsurteil vom 31. März 1992, aaO; vgl. auch Senatsurteile vom 6. November 2007, aaO und vom 5. Juli 2016, aaO). Ein solches Vertrauen kann aber nur derjenige bilden, der von diesem Vertrauenstatbestand Kenntnis hat.

d) Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger habe von dem Auftreten und den Verlautbarungen der Mitarbeiter der Beklagten auf dem "[X.]" tatsächlich Kenntnis erlangt.

Da - wie vorstehend ausgeführt - die Beklagte als Darlehensgeberin nur unter besonderen Umständen zur Aufklärung über das finanzierte Geschäft verpflichtet ist, trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzungen einer Haftung aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2018 - [X.], [X.], 1594 Rn. 15), hier also dafür, dass ihm die Umstände, aus denen sich das Überschreiten der [X.] ergibt, zur Kenntnis gelangt sind. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft zu einer etwaigen Kenntnis des [X.] keinen Beweis erhoben und auch nicht die Angaben des in erster Instanz angehörten [X.] und der vernommenen Zeugen oder die vom [X.] durch Verwertung von Vernehmungsprotokollen aus Parallelverfahren in den Prozess eingeführten Aussagen berücksichtigt. Es hat vielmehr unabhängig von den Umständen des konkreten Falles allein aufgrund der Lebenserfahrung angenommen, das Auftreten der Beklagten bei dem "[X.]" sei von "den Vermittlern gegenüber den Anlegern" und damit auch gegenüber dem Kläger tatsächlich als Verkaufsargument eingesetzt worden. Eine solche Annahme entbehrt jeder tatsächlichen Grundlage.

3. Entgegen der von der Revisionserwiderung erhobenen [X.] hat das Berufungsgericht allerdings rechtsfehlerfrei angenommen, dass vorliegend der Widerruf der auf den Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des [X.] - seine Wirksamkeit unterstellt - keine Folgen für den Inhalt des Schadensersatzanspruchs aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB hat und deshalb hilfsweise neben diesem Anspruch geltend gemacht werden kann.

Bei dem auf einen Widerruf gestützten Rückabwicklungsanspruch aus § 357 Abs. 1 Satz 1 in der vom 1. Januar 2002 bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF), § 346 Abs. 1, § 358 Abs. 2 BGB in der vom 4. August 2011 bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) und dem mit einem oder mehreren Aufklärungsfehlern begründeten (vor-)vertraglichen Schadensersatzanspruch handelt es sich materiell-rechtlich um unabhängig nebeneinander stehende Ansprüche und die Geltendmachung des einen Anspruchs schließt die Geltendmachung des anderen nicht aus (Senatsurteil vom 5. Juli 2016 - [X.], [X.], 189 Rn. 21 ff.).

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich mangels ausreichender Feststellungen des [X.] auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Damit ist die [X.] des [X.], mit der dieser sich gegen das Berufungsurteil wendet, soweit es den Zug-um-Zug-Vorbehalt auf die Übertragung sämtlicher Rechte an dem der Photovoltaikanlage zugehörigen Erbbaurecht und aus der Rentenversicherung erstreckt hat, gegenstandslos (vgl. [X.], Urteil vom 14. Februar 2020 - [X.], [X.], 2238 Rn. 3, 7, insoweit in [X.]Z 225, 1 nicht vollständig abgedruckt). Denn vor einer Entscheidung über den Umfang etwaiger von dem Kläger Zug um Zug zu erbringender Leistungen ist zunächst darüber zu befinden, ob ein Anspruch des [X.] gegen die Beklagte besteht.

2. Sofern es im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung darauf ankommen sollte, ob der Kläger die verfahrensgegenständlichen Verträge als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung geschlossen hat, dürfte zu berücksichtigen sein, dass der Begriff des Unternehmers im Sinne von § 14 BGB nicht identisch ist mit dem Unternehmerbegriff aus § 2 UStG (vgl. Senatsurteil vom 3. März 2020 - [X.], [X.], 781 Rn. 11 ff.; anders früher [X.], Urteil vom 24. Februar 2012 - 19 U 151/11, juris Rn. 27 f.; [X.], NJW-RR 2017, 1137 Rn. 14) und dass hier zwischen den einzelnen Erwerbern und der [X.]     mit dem Kaufvertrag ein Verwaltungs- und Überwachungsvertrag geschlossen wurde, nach dem - wie der Kläger vorgetragen hat - die [X.]     insbesondere die Einspeisevergütung entgegengenommen und weiterverteilt sowie sämtliche Korrespondenz geführt habe, so dass der einzelne Erwerber selbst keinerlei Tätigkeiten habe entfalten müssen.

3. Sollte es im weiteren Verfahren überdies auf die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB aF - das Vorliegen eines Finanzierungszusammenhangs und das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit - ankommen, dürfte zu bedenken sein, dass der Nettodarlehensbetrag dem Kaufpreis entsprach, der in dem notariell beurkundeten Kaufvertrag für den Erwerb der Photovoltaikanlage von der [X.]     vereinbart war, während in diesem Vertrag für den Erwerb eines Bruchteils am Erbbaurecht von der [X.]    keine einmalige Gegenleistung vorgesehen, sondern nur bestimmt war, dass der Erwerber die Verpflichtung zur anteiligen Zahlung des Erbbauzinses übernimmt.

4. Sollte das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis kommen, dass Schadensersatz-, Bereicherungs- oder Rückgewähransprüche des [X.] gegen die Beklagte bestehen, letztere aber im Gegenzug die Herausgabe der dem Kläger durch das schädigende Ereignis zugeflossenen Vorteile, die Herausgabe der von dem Kläger erlangten Leistungen bzw. die Rückgewähr der vom Kläger empfangenen Leistungen verlangen kann, wären die von der [X.] erhobenen [X.] hinsichtlich etwaiger Rechte des [X.] aus der Rentenversicherung und an dem Erbbaurecht zu bedenken. Für die Zug um Zug zu übertragenden Rechte am Erbbaurecht könnte auch von Bedeutung sein, ob der Kläger als Bruchteilsberechtigter am Erbbaurecht und die im Kaufvertrag getroffene Benutzungsregelung hinsichtlich der den verschiedenen Photovoltaikanlagen zugeordneten Teilflächen des [X.] im Grundbuch eingetragen sind.

Ellenberger     

        

Grüneberg     

        

Matthias

        

Derstadt      

        

Schild von Spannenberg      

        

Meta

XI ZR 217/19

26.10.2021

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 30. April 2019, Az: 6 U 179/18

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2021, Az. XI ZR 217/19 (REWIS RS 2021, 1607)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1607


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI ZR 217/19

Bundesgerichtshof, XI ZR 217/19, 26.10.2021.


Az. 6 U 179/18

Oberlandesgericht Köln, 6 U 179/18, 05.04.2019.


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V ZR 11/18

XI ZR 232/09

XI ZR 508/12

XI ZR 254/15

6 U 77/02

II ZR 13/17

XI ZR 461/18

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