Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.11.2016, Az. 3 StR 356/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 3049

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:021116B3STR356.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 356/16
vom
2. November 2016
in der Strafsache
gegen

wegen Geiselnahme
u.a.

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2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 2.
November 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 [X.] einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28.
April 2016 mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen [X.] 1 bis 24 der [X.] wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24
Fällen verurteilt wurde,
b)
im [X.].
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Geiselnahme, Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jah-ren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Seine auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der [X.]
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scheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.].
I. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen trieb der Ange-klagte jedenfalls von Oktober 2014 bis zu seiner Festnahme am 11.
September 2015 Handel mit Marihuana. Er veräußerte das Rauschgift unter
anderem über den Zeugen S.

, der dadurch seine Geldschulden beim Angeklagten "ab-arbeiten" sollte. Im Zeitraum vom 27.
Oktober 2014 bis zum 6.
April 2015 über-gab der Angeklagte dem Zeugen S.

an jedem
Montag -
insgesamt [X.] -
bei einer Tiefgarage mindestens 100
g Marihuana. Dieser ver-kaufte das Rauschgift an unbekannt gebliebene Abnehmer und bezahlte [X.] jeweils die Lieferung der Vorwoche bei Übernahme der nächsten Lieferung (Fälle [X.] 1 bis 24 der Urteilsgründe).
Als sich der Zeuge S.

entschied, nicht weiter für den Angeklagten Marihuana zu verkaufen, und am 13.
April 2015 an dem Übergabeort nicht mehr erschien, brachten ihn der Angeklagte und der Mitangeklagte R.

mit Hilfe eines unbekannt gebliebenen Dritten in ihre Gewalt. Sie wirkten massiv auf ihn ein, insbesondere mittels in einem Kellerraum mit einer Pistole vorge-nommener Todesdrohungen, um die Herausgabe geeigneter "Pfandgegen-stände" zu erzwingen. Hierdurch sollte er dazu angehalten werden, zügig seine Schulden zu begleichen oder die [X.] mit dem Angeklagten fortzuführen. Nachdem der um sein Leben fürchtende Zeuge S.

derartige Gegenstände ausgehändigt hatte, wurde er aus der Gewalt entlassen (Fall
[X.]
25 der Urteilsgründe).
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4
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Am 11.
September 2015 lagerte der Angeklagte in einer von ihm als "Bunker" genutzten Wohnung jedenfalls 1,37
kg Marihuana mit einem Wirk-stoffgehalt von mindestens 203
g THC, das zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt war (Fall [X.] 26 der Urteilsgründe).
Das [X.] hat als Einzelstrafen für die Fälle
[X.]
1 bis
24 der [X.] jeweils Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten, für den Fall
[X.]
25 der Urteilsgründe die Einsatzfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie für den Fall
[X.]
26 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt.
[X.] Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat einen durchgreifenden Rechtsfehler zuungunsten des Angeklagten nur mit Blick auf den Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24
Fällen (Fälle
[X.]
1 bis
24 der Urteilsgründe) ergeben. Insoweit erweist sich die Beweiswürdigung als lückenhaft.
Für die Annahme, dass die wöchentlichen Übergaben von
Marihuana an den Zeugen S.

jeweils mindestens 100
g betrafen und am 27.
Oktober 2014 begannen, fehlt im Urteil jeder Beleg. Damit beruhen die Feststellungen zu dem Tatzeitraum, der Anzahl der [X.] und den gehandelten Mengen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung. Zwar dient die Darstellung der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen nicht dazu, jede getroffene Feststellung
zu begründen (vgl. [X.], Urteil vom 17.
April 2014 -
3 StR 27/14, [X.], 279, 280; Beschluss vom 21.
September 2005 -
2 [X.], [X.], 510, 511; KK-Ott, [X.], 7.
Aufl., §
261 Rn.
82). Handelt es sich aber
-
wie hier -
um für den Schuld-
und Rechtsfolgenausspruch wesentliche Um-stände, so kann auf einen Beleg in aller Regel nicht verzichtet werden (vgl. [X.] [X.]/[X.], §
267 Rn.
19). Im Einzelnen:
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-
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Die [X.] hat die -
wider die Einlassung des Angeklagten ge-troffenen -
Feststellungen zu den Fällen
[X.]
1 bis
24 der Urteilsgründe im [X.] auf die Aussage der Zeugin [X.]

im Ermittlungsverfahren
gestützt. Die Angaben sind, da die Zeugin in der Hauptverhandlung bezüglich dieser Ta-ten von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, über die Zeugenaussage der [X.] Polizeibeamtin eingeführt worden. Die Zeugin [X.]

hatte im Ermittlungsverfahren angegeben, der Zeuge S.

, ihr Verlobter, habe sich vor dem 13. April 2015 wöchentlich montags gegen 17.30
Uhr mit dem Angeklagten bei einer Tiefgarage getroffen und von diesem Marihuana erhalten, das der Angeklagte in der Nähe gelagert gehabt habe; sie selbst habe den Zeugen S.

mehrere Male dorthin gefahren. Dass die [X.] diese Angaben nach eingehender Glaubhaftigkeitsanalyse als zutreffend erachtet hat, ist nicht zu beanstanden, zumal daneben noch weitere -
in den
Urteilsgründen im Einzelnen aufgeführte -
Umstände (sichergestelltes Rauschgift, Einlassung des Angeklagten hierzu, zwei polizeilich überwachte bzw. mitgehörte Telefongespräche) den von der [X.] gezogenen Schluss zulassen, dass der Angeklagte vor seiner Festnahme generell mit
Marihuana handelte.
Den Urteilsgründen ist indes nicht zu entnehmen, dass sich die Zeugin [X.]

dazu geäußert hätte, welche Mengen der Zeuge S.

bei den regel-mäßigen Übergaben erhielt und ab welchem Zeitpunkt diese
stattfanden. Zu den übergebenen [X.] könnte allenfalls die Angabe der Zeugin [X.]

, dass sich das vom Angeklagten gelieferte Marihuana immer in einem Frischhaltebeutel befunden habe, der mit den Zahlen "100" oder "150" [X.] gewesen sei,
einen Hinweis bieten. Zu diesem möglichen Indiz verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht.

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Weitere Beweisergebnisse, die Schlüsse auf die [X.] und den Beginn der [X.] zuließen, sind in den Urteilsgründen nicht dargelegt. Namentlich
der tatnächste Zeuge S.

hat hierzu zu keiner Zeit ausgesagt. In der Hauptverhandlung hat er umfassend die Auskunft zur Sache verweigert; im Ermittlungsverfahren hatte er nur Angaben zum Fall
[X.]
25 der Urteilsgründe gemacht. Im Hinblick auf die Fälle
[X.]
1 bis
24 der Urteilsgründe waren diese Angaben lediglich insoweit ergiebig, als er zum Motiv des Angeklagten für diese spätere Tat erklärt hatte, er -
der Zeuge -
habe am 13.
April 2015 nicht mehr für den Angeklagten "arbeiten" wollen.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäu-bungsmitteln in 24
Fällen (Fälle
[X.]
1 bis
24 der Urteilsgründe) kann folglich kei-nen Bestand haben.
I[X.] Im Übrigen erweist sich der Schuldspruch, wegen Geiselnahme (Fall
[X.]
25 der Urteilsgründe) sowie wegen Handeltreibens mit [X.] in nicht geringer Menge (Fall
[X.]
26 der Urteilsgründe), als rechtsfehlerfrei.
Auch die beiden hierfür verhängten Einzelstrafen können bestehen blei-ben. Die Strafzumessung leidet an keinem durchgreifenden
Rechtsfehler. Zwar hat die [X.] bei der Prüfung minder schwerer Fälle (§
239a Abs.
2, §
239b Abs.
2 StGB und §
29a Abs.
2 BtMG) und bei der Strafbemessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten jeweils die festgestellten zahlreichen weiteren Straftaten berücksichtigt. Jedoch ist -
insbesondere in Anbetracht der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Marihuanahandel als solchem -
auszuschließen, dass das jeweils festgesetzte Strafmaß hierauf beruht
(s. §
337 Abs.
1 [X.]).
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IV. Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen
[X.]
1 bis
24 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung des [X.]s. Die rechtsfehlerfrei getroffene Einziehungsentscheidung hat hingegen Bestand.
V. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Sollte sich das neue wie das erste Tatgericht von den Straftaten über-zeugen, die in den Fällen
[X.]
1 bis
24 der Urteilsgründe abgehandelt werden, so wird es aufzuklären haben, inwieweit hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die einzelnen Rauschgiftlieferungen des Angeklagten ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat stammten, so dass ihre Verbin-dung zu einer Bewertungseinheit oder mehreren Bewertungseinheiten geboten ist (vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 11.
März 1998 -
2
StR 22/98, [X.], 360; vom 28.
April 2015 -
3 [X.], [X.], 313; [X.], BtMG, 4.
Aufl., Vor
§§
29
ff. Rn.
588
ff.). Sollte das neue Tatgericht hiernach nicht von -
nur -
einer Bewertungseinheit ausgehen, indes erneut feststellen, dass der Zeuge S.

jeweils die Lieferung der Vorwoche bei Übernahme der nächs-ten Lieferung bezahlte, so wird es Bedacht darauf zu nehmen haben, dass der-zeit keine einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung zu der konkurrenz-rechtlichen Bewertung derartiger Fallkonstellationen besteht (vgl. einerseits

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Senat, Beschluss vom 3.
September 2015 -
3 StR 236/15, [X.], 415 mwN; andererseits 2.
Strafsenat, Beschluss vom 31. Mai 2016 -
2 [X.], [X.], 313; 4.
Strafsenat, Beschluss vom 1.
September 2016 -
4 ARs 21/15, juris).
Schäfer Gericke Tiemann

Berg Hoch

Meta

3 StR 356/16

02.11.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.11.2016, Az. 3 StR 356/16 (REWIS RS 2016, 3049)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3049

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