Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.09.2022, Az. VIa ZR 95/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5367

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 23. Dezember 2021 in der Fassung des [X.] vom 18. Januar 2022 im Kostenpunkt insgesamt und in der Hauptsache teilweise aufgehoben und im Ausspruch zur Hauptsache wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 19. Mai 2021 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Anschlussberufung des [X.] abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.725,25 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die [X.] vom 10. Dezember 2020 bis zum 25. November 2021 aus einem Betrag von 20.134,87 €, der sich [X.] linear auf 18.725,25 € ermäßigt, sowie aus 18.725,25 € seit dem 26. November 2021 Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Pkw [X.] mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer                    zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Die bis zum 15. August 2022 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4. Die danach entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb am 30. April 2014 von einem Händler ein Neufahrzeug des Typs [X.] zum Preis von 35.028,49 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der [X.] entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgestattet. Dieser enthielt eine Motorsteuerungssoftware, die das Durchfahren des [X.] auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren [X.] als im Normalbetrieb bewirkte. Die Software wurde im [X.] 2015 öffentlich bekannt und vom [X.] als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.

3

Mit der im Jahr 2020 erhobenen Klage hat der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der [X.] und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Gegen das landgerichtliche Urteil haben die Beklagte im Rahmen ihrer Beschwer Berufung und der Kläger Anschlussberufung mit dem Ziel einer höheren Verurteilung der [X.] eingelegt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der [X.] die Feststellung des Annahmeverzugs aufgehoben und auf die Anschlussberufung des [X.] die Beklagte verurteilt, 23.979,52 € nebst Zinsen und weitere Zinsen aus einem höheren Betrag Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Rechtsmittel der Parteien - die Berufung der [X.] auch betreffend ihre Verurteilung zur Zahlung von 1.211,50 € (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) nebst Zinsen - zurückgewiesen.

4

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zuletzt ihr Begehren auf Abweisung der Klage weiter, soweit das Berufungsgericht ihre Verurteilung zur Zahlung von mehr als 18.725,25 € nebst Prozesszinsen und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.211,50 € bestätigt, ihre Berufung in diesem Umfang zurückgewiesen und sie auf die Anschlussberufung in weiterem Umfang verurteilt hat.

Entscheidungsgründe

5

Die unbeschränkt zugelassene (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 731 Rn. 16 ff., zur [X.] bestimmt in [X.]Z; Urteil vom 21. März 2022 - VIa ZR 275/21, [X.], 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision der [X.] ist, nachdem die Beklagte das Rechtsmittel durch eine Beschränkung ihres Revisionsangriffs nach Einreichung der Revisionsbegründung in der Sache teilweise zurückgenommen hat (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2022 - [X.], juris Rn. 5), begründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB, der jedoch aufgrund der Verjährungseinrede der [X.] nicht mehr durchsetzbar sei. Das Inverkehrbringen des [X.] mit einer offensichtlich unzulässigen Abschalteinrichtung sei als sittenwidrige Schädigung der unwissenden Fahrzeugkäufer anzusehen. Der Schaden des [X.] liege im Abschluss des [X.]. Sein Anspruch sei auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Wertes gezogener Nutzungen, der sich auf 11.048,97 € belaufe, also auf Zahlung von 23.979,52 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtet. Nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB stehe dem Kläger ein [X.] gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu. Der [X.] belaufe sich wie der verjährte Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf 23.979,52 €, da der von der [X.] erlangte [X.] in Höhe von 29.774,22 € diesen Betrag übersteige. [X.] könne der Kläger schließlich auf diesen Betrag, anfänglich aber auf einen Betrag von [X.] beanspruchen. Dabei sei von einer linearen Reduktion des zu verzinsenden Anspruchs auszugehen, weil der Kläger das Fahrzeug ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit linear weiter benutzt habe. Der Kläger habe zudem Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, die für ein Anspruchsschreiben vom 17. Juli 2020 entstanden seien.

II.

8

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Umfang des nachträglich reduzierten Revisionsangriffs nicht stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen [X.] nur in Höhe von 18.725,25 € zuzüglich [X.] aus einem Betrag von anfänglich 20.134,87 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen besteht nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB weder aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB noch aus Verzug.

9

1. Das Berufungsgericht hat bei der Ermittlung der Höhe des aus §§ 826, 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB geschuldeten [X.] übersehen, dass - was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 16) - der von der [X.] erlangte [X.] nicht lediglich als Vergleichsgröße heranzuziehen, sondern Ausgangspunkt für die Berechnung der Anspruchshöhe ist. Entsprechend hätte das Berufungsgericht, weil auch der [X.] der Vorteilsausgleichung unterliegt, die von ihm gemäß § 287 ZPO geschätzten Nutzungsvorteile in Höhe von 11.048,97 € von dem von ihm als erlangt ermittelten [X.] in Höhe von 29.774,22 €, den die Revision als richtig hinnimmt, abziehen müssen, so dass es rechtsfehlerfrei zu einem Anspruch in der Hauptsache von nur 18.725,25 € gelangt wäre.

2. Außerdem hat das Berufungsgericht dem Kläger unzutreffend einen Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zugesprochen. §§ 826, 852 Satz 1 BGB ergeben einen solchen Anspruch nicht, weil [X.], die dem Kläger durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der vorgerichtlichen Geltendmachung seines Schadensersatzanspruchs entstanden sind, nicht zu einer Vermögensmehrung bei der [X.] geführt haben ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 731 Rn. 77). Da sich die Beklagte bis zum Erhalt des anwaltlichen Aufforderungsschreibens vom 17. Juli 2020 nicht in Verzug befand, kann der Kläger die Freistellung auch nicht als Verzugsschaden beanspruchen (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022, aaO, Rn. 78).

III.

Das Berufungsurteil ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Der Kläger hat einen Anspruch auf [X.] in Höhe von 18.725,25 € nebst [X.] ab dem 26. November 2021. Außerdem kann der Kläger von der [X.] ab dem 10. Dezember 2020 [X.] aus anfänglich 20.134,87 € nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB verlangen, weil die Klage, was der [X.] entnehmen kann (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 2014 - [X.], NJW-RR 2014, 903 Rn. 14), der [X.] am 9. Dezember 2020 zugestellt worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 1990 - [X.], NJW-RR 1990, 518, 519; [X.], Urteil vom 15. November 2000 - 5 [X.], [X.]E 96, 228, 233). Die lineare Reduktion des zu verzinsenden Betrags bis auf 18.725,25 € auf der Grundlage einer unterstellt gleichmäßigen Nutzung des erworbenen Fahrzeugs stellt die Revision, die die Verpflichtung der [X.] zur Leistung von [X.] auf der Grundlage der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB nicht leugnet, nicht in Frage.

[X.]     

      

Götz     

      

Rensen

      

Liepin     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 95/22

19.09.2022

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 23. Dezember 2021, Az: 1 U 946/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.09.2022, Az. VIa ZR 95/22 (REWIS RS 2022, 5367)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5367

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V ZR 110/13

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