Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2020, Az. 5 StR 10/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1717

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Gegenstand

Diebstahl: Begriff des Gewahrsamsbruchs


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. September 2019 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Unterschlagung schuldig ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s begegneten der Angeklagte und der freigesprochene Mitangeklagte    [X.]am 1. März 2019 kurz nach Mitternacht auf der Straße dem Geschädigten. Nachdem dieser den Angeklagten gefragt hatte, ob er - der Angeklagte - ihm Drogen verkaufe, kam es aus nicht näher bekanntem Anlass zu einem Gerangel, bei dem niemand verletzt wurde. Im Zuge der Auseinandersetzung entschied sich der Geschädigte zu fliehen, dabei „verlor“ er „von ihm selbst zunächst unbemerkt“ sein Mobiltelefon im Wert von etwa 20 Euro. Dem Geschädigten war bei der Flucht klar, dass er [X.] und [X.] am Ereignisort zurückgelassen hatte und beschloss schon zu diesem Zeitpunkt, später zurückzukehren und die Sachen wieder an sich zu nehmen. Der Angeklagte und sein Begleiter setzten zunächst ihren Weg fort. Als sie auf ihrem Rückweg am Ort des Geschehens vorbeikamen, „fand“ der Angeklagte das Mobiltelefon des Geschädigten und entschloss sich, dieses an sich zu nehmen, um es für sich zu behalten.

3

2. Das [X.] hat das Tatgeschehen als Diebstahl bewertet. Es liege nicht lediglich eine Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB vor, da der Gewahrsam des Geschädigten nur gelockert gewesen sei. Denn dieser habe gewusst, dass er das Mobiltelefon am [X.] zurückgelassen hatte, und von vornherein beabsichtigt zurückzukehren und es wieder an sich zu nehmen.

4

3. Dieser Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte hat bei der Ansichnahme des Mobiltelefons keinen für die Erfüllung des [X.] vorausgesetzten fremden, auch keinen gelockerten Gewahrsam gebrochen.

5

Gewahrsam ist die von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ein einmal begründeter Gewahrsam besteht fort, solange der [X.] noch Einwirkungsmöglichkeiten auf die Sache hat. Entscheidend für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten [X.] ausüben kann ([X.]St 16, 271, 273; [X.], Urteil vom 6. März 2019 - 5 StR 593/18, [X.], 613, 614) und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des [X.] zu brechen. Ob die tatsächliche Sachvorherrschaft vorliegt bzw. wer sie innehat, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls und den Anschauungen des täglichen Lebens ([X.], Beschluss vom 9. Januar 2019 - 2 [X.], juris Rn. 5; Beschluss vom 21. März 2019 - 3 [X.], [X.], 726, 727).

6

Gemessen daran hatte der Geschädigte hier zum Zeitpunkt der Mitnahme des Mobiltelefons durch den Angeklagten keinen Gewahrsam. Dieser war nicht am Ort des Geschehens und so tatsächlich nicht in der Lage, auf das im öffentlichen Raum liegende Mobiltelefon einzuwirken. Vielmehr konnte der Angeklagte ungehindert das Mobiltelefon an sich nehmen.

7

Zwar kann der Gewahrsam in gelockerter Form fortbestehen, etwa dann, wenn der [X.] durch eine Täuschung veranlasst scheinbar kurzfristig einen Gegenstand an den Täter übergibt (vgl. [X.], Urteil vom 12. Oktober 2016 - 1 [X.], [X.]R StGB § 242 Abs. 1, Wegnahme 16; [X.], Beschluss vom 24. April 2018 - 5 [X.], juris; [X.], Beschluss vom 13. November 2019 - 3 StR 342/19, juris) oder eine räumliche Entfernung vorliegt, wenn beispielsweise ein Landwirt Geräte auf dem Feld zurücklässt ([X.]St 16, 271, 273; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 26; [X.], StGB, 4. Aufl., § 242 Rn. 19). Anderes gilt jedoch, wenn der Gegenstand - wie hier - in einem öffentlichen, mithin für jede Person zugänglichen Bereich liegt und der ortsabwesende Geschädigte nicht in der Lage ist, auf die Sache einzuwirken und so die Sachherrschaft gemäß seinem Willen auszuüben.

8

4. Der Angeklagte hat sich vielmehr wegen einer (Fund-)Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

9

Der Senat hat den Schuldspruch des angefochtenen Urteils entsprechend geändert; § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Angesichts der vom [X.] aufgeführten [X.] schließt der Senat aus, dass es bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine noch mildere Strafe verhängt hätte.

5. Im Hinblick auf den nur geringfügigen Erfolg der Revision ist es nicht unbillig, dem Angeklagten die gesamten durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Dr. Mutzbauer ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

        

Cirener     

        

Köhler

Cirener

                                   
        

     Resch     

        

von Häfen     

        

Meta

5 StR 10/20

14.04.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 5. September 2019, Az: 931 Js 11813/19 - 15 KLs

§ 242 Abs 1 StGB, § 246 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2020, Az. 5 StR 10/20 (REWIS RS 2020, 1717)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1717

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