Bundessozialgericht, Urteil vom 13.02.2013, Az. B 2 U 25/11 R

2. Senat | REWIS RS 2013, 8219

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - gesetzliche Unfallversicherung - Entziehung einer Verletztenrente - wesentliche Besserung des Gesamtzustandes der Unfallfolgen - Einzel-MdE - Gesamt-MdE - Bestandskraft - Vertrauensschutz


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Entziehung der Verletztenrente durch die Beklagte wegen wesentlicher Besserung der Unfallfolgen.

2

Die Klägerin erlitt am [X.] einen Wegeunfall, als die Ladung eines entgegenkommenden LKW auf ihr Fahrzeug stürzte. Dadurch erlitt sie multiple Prellungen und Schürfwunden sowie eine Fraktur im Bereich des linken [X.]. Anschließend stellten sich psychische Beeinträchtigungen ein. Nach Ermittlungen erkannte die Beklagte den Unfall durch Bescheid vom 25.10.1999 als Arbeitsunfall an und bewilligte ab 1.6.1998 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um [X.] wegen der chirurgischen Unfallfolgen. Zugleich teilte sie mit, wegen der psychischen Unfallfolgen werde ein ergänzender Bescheid ergehen. Ein nervenärztlicher Gutachter schätzte die unfallbedingte MdE auf seinem Fachgebiet mit [X.] ein. Darauf bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom [X.] Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um [X.].

3

Bei Überprüfungen in den Jahren 2002 und 2005 wurde eine unveränderte MdE festgestellt. Im Jahre 2007 beschrieb ein Neurologe und Psychiater einen weitgehend unauffälligen psychopathologischen Befund. Von Seiten des chirurgischen Fachgebiets wurde die MdE nur noch auf [X.] und die [X.] auf [X.] eingeschätzt. Deshalb hob die Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom [X.] den Verwaltungsakt über die Bewilligung einer Rente nach einer MdE um [X.] vom [X.] mit Wirkung ab 1.8.2007 auf und entzog die Rente mit Ablauf des Monats Juli 2007. Gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom [X.] zugrunde lagen, sei eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung eingetreten. Eine MdE in rentenberechtigendem Grad bestehe nicht mehr. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13.6.2008).

4

Die dagegen erhobene Klage hat das [X.] mit Urteil vom [X.] abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das [X.] mit Urteil vom 31.5.2011 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das [X.] ausgeführt, die Beklagte habe der Klägerin die Rente zu Recht mit Ablauf des Monats Juli 2007 entzogen, denn in den Unfallfolgen liege seit Mai 2007 eine wesentliche Besserung im Vergleich zu den Verhältnissen vor, die dem Bescheid vom [X.] zugrunde gelegen hätten. Zwar seien die Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet im Wesentlichen unverändert geblieben und in dem der Festsetzung der Rente zugrunde liegenden Gutachten zu hoch bewertet worden. Dies folge aus dem nunmehr eingeholten chirurgischen Gutachten, nach dem die unfallbedingten Einschränkungen des linken Arms und der linken Schulter sowohl zum Zeitpunkt des Bescheids vom [X.] als auch zum Zeitpunkt der erneuten Untersuchung nur eine [X.] um [X.] rechtfertigten. Dagegen sei in den unfallbedingten Gesundheitsstörungen des nervenärztlichen Fachgebiets eine wesentliche Besserung eingetreten. Diese bedingten im Januar 2001 eine [X.] um [X.] und seien nun nicht mehr feststellbar. Da sich die gesundheitliche Situation wesentlich gebessert habe, sei die Rentenbewilligung aufzuheben. Auch die alternative Betrachtung, die die frühere [X.] zugrunde lege, ergebe keine günstigere Beurteilung. Danach führe der Wegfall der MdE auf [X.] Gebiet unter Berücksichtigung einer chirurgisch-orthopädischen MdE von [X.] zu einer [X.] von [X.]. Folglich sei in der anerkannten [X.] um [X.] eine Absenkung um [X.] eingetreten.

5

Die Klägerin hat die vom [X.] zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 73 Abs 3 [X.]. Das [X.] habe die Auslegung des Rechtsbegriffs der wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen fehlerhaft vorgenommen. Die gesetzlichen Voraussetzungen, den Bescheid der Beklagten mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, seien nicht gegeben, denn der frühere Bescheid dürfe nur aufgehoben werden, wenn sich die Tatsachengrundlage ändere. Vorliegend seien jedoch die gesundheitlichen Feststellungen der Klägerin auf unfallchirurgischem Fachgebiet unverändert geblieben. Bei der erstmaligen Feststellung der MdE habe die unfallchirurgische MdE bei mindestens [X.] gelegen. Nehme man die [X.] weiterhin mit [X.] an, sei unter Berücksichtigung des § 73 Abs 3 [X.] keine wesentliche Änderung eingetreten. Dabei spiele es keine Rolle, ob die [X.] in den Tenor des Bescheids eingeflossen sei oder ob es sich nur um eine vorbereitende Feststellung handele, die in der [X.] zusammengeführt werde. Die [X.] sei gegenüber der [X.] nicht minder bedeutungsvoll und erwachse in Bestandskraft. Im Ergebnis müsse es bei der MdE von [X.] auf chirurgischem Gebiet bleiben. Das Ergebnis der Beklagten verletze die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art 3 GG, denn Personen, deren MdE sich aus mehreren Gesundheitsstörungen zusammensetze, dürften nicht schlechter behandelt werden als Personen mit einer MdE aufgrund nur einer Gesundheitsstörung. Letztere erwachse aber, weil sie zugleich die [X.] darstelle, in Bestandskraft.

6

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des [X.] vom 31. Mai 2011 und des Sozialgerichts Köln vom 8. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juni 2008 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie trägt vor, der Entzug der Rente sei mit Ablauf des Juli 2007 aufgrund wesentlicher Änderung in den Unfallfolgen zu Recht erfolgt, denn es sei eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Bescheid vom [X.] eingetreten. Aus der dort festgestellten [X.] von [X.] könne nicht auf die Höhe der zugrunde gelegten [X.]-Werte geschlossen werden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin ist unbegründet; das angefochtene Urteil des [X.] ist rechtlich nicht zu beanstanden (§ 162 [X.]).

Mit der Revision verfolgt die Klägerin in zulässiger Weise ihre Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.]) wegen der Regelung der Beklagten in ihrem Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.6.2008 weiter, denn sie ist durch diese Verwaltungsakte beschwert. Mit deren Aufhebung wäre ihre Beschwer beseitigt und die Rente nach einer MdE um [X.] würde über den [X.] hinaus weitergezahlt werden. Die Vorinstanzen haben aber zu Recht die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind weder rechtswidrig noch verletzen sie die Klägerin in ihren Rechten.

Die Beklagte war durch § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 73 Abs 3 [X.] ermächtigt, den maßgeblichen "Bescheid vom 09.01.2001 mit Wirkung ab 01.08.2007" aufzuheben und die Rente "mit Ablauf des Monats Juli 2007" zu entziehen. Die Beklagte hat die Entscheidung über die Aufhebung des maßgeblichen Verwaltungsakts sowohl materiell als auch formell rechtmäßig getroffen (1.). Die Entscheidung der Beklagten verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art 3 [X.] (2.).

1. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Diese Vorschrift wird für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung durch § 73 Abs 3 [X.] spezifisch ergänzt. Danach ist eine Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] hinsichtlich der Feststellung der Höhe der MdE nur wesentlich, wenn sie mehr als fünf vH beträgt.

a) Der Verwaltungsakt vom [X.] unterliegt der Aufhebung nach § 48 Abs 1 Satz 1 [X.], denn er ist ein solcher mit Dauerwirkung. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn eine durch Verwaltungsakt getroffene Regelung in rechtlicher Hinsicht über den [X.]punkt seiner Bekanntgabe hinaus Wirkungen erzeugt (BSG vom 30.1.1985 - 1 RJ 2/84 - [X.], 27, 28 = [X.] 1300 § 44 [X.] - Juris Rd[X.] 14; [X.] in jurisPK-[X.] § 48 Rd[X.] 51). Da der Verwaltungsakt vom [X.] eine Rente auf unbestimmte [X.] bewilligt hat, hat er Dauerwirkung.

b) Eine Änderung in den rechtlichen Verhältnissen liegt nicht vor, jedoch ist eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten, wie ein Vergleich der zu den hier maßgeblichen [X.]punkten bestehenden Unfallfolgen ergibt.

Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist jede Änderung des für die getroffene Regelung relevanten Sachverhalts (Schütze in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 48 Rd[X.] 8). In Betracht kommen für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung insbesondere Änderungen im Gesundheitszustand des Betroffenen (vgl BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 14/03 R - [X.], 63 = [X.] 4-2700 § 56 [X.] 1).

Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, ist im Rahmen der hier geführten Anfechtungsklage die Frage, ob eine Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] eingetreten ist, durch Vergleich der tatsächlichen Verhältnisse zu zwei maßgeblichen [X.]punkten zu ermitteln. Bei der Prüfung einer wesentlichen Änderung von Unfallfolgen kommt es zum einen auf die zum [X.]punkt der letzten bindend gewordene Feststellung tatsächlich bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse an, die ursächlich auf dem Unfall beruhen. Diese sind mit den bestehenden unfallbedingten Gesundheitsverhältnissen zu vergleichen, die zum [X.]punkt des Erlasses des [X.] vorgelegen haben (zum maßgeblichen [X.]punkt für die Anfechtungsklage vgl BSG vom 20.10.1983 - 2 RU 61/82; BSG vom 20.4.1993 - 2 RU 52/92 - [X.] 3-1500 § 54 [X.] 18; BSG vom 23.10.2003 - [X.]/03 R - [X.] 4-2600 § 7 [X.] 1 Rd[X.] 7 - Juris Rd[X.] 15; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 54 Rd[X.] 33). Die jeweils bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse kommen insbesondere in den medizinischen Gutachten zum Ausdruck, die über die Unfallfolgen zum [X.]punkt der maßgeblichen Bewilligung und vor der Entscheidung über eine Aufhebung eingeholt worden sind (BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 14/03 R - [X.], 63 = [X.] 4-2700 § 56 [X.] 1). Dagegen ist für die Beurteilung der (rechtlichen) Wesentlichkeit der Änderung von dem Tenor des bindend gewordenen Verwaltungsakts auszugehen.

Von diesen Maßstäben ausgehend hat das [X.] für den Senat bindend festgestellt, dass in den Befunden, die dem maßgeblichen Bescheid vom [X.] zugrunde lagen, verglichen mit denjenigen, die zum [X.]punkt des Erlasses des [X.] vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung nachgewiesen ist. Die dahingehenden Feststellungen des [X.] sind von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden (§ 163 [X.]). Das [X.] hat festgestellt, dass die Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet zwar im Wesentlichen unverändert geblieben sind, zum [X.]punkt des Erlasses des [X.] im Januar 2001 aber zu hoch eingeschätzt worden waren. Dagegen ist nach den Feststellungen des [X.] in den psychischen Unfallfolgen der Klägerin eine wesentliche Besserung eingetreten. Hier lag im Januar 2001 eine [X.] um [X.] vor, bei Erlass des [X.] im Jahre 2007 hat eine [X.] auf psychiatrischem Gebiet nicht mehr bestanden und die [X.] betrug nur noch [X.].

Eine wesentliche Änderung wäre aber - aus Gründen des Vertrauensschutzes - nicht eingetreten, wenn die Feststellung der [X.] für die Rente der Klägerin von Anfang an rechtswidrig zu hoch festgesetzt war und seitdem unverändert geblieben ist oder sich nicht in dem nach § 73 Abs 3 [X.] erforderlichen Maße geändert hat.

Nach seinem Wortlaut unterscheidet § 48 [X.] nicht danach, ob der Verwaltungsakt, der aufgehoben werden soll, rechtmäßig oder rechtswidrig war. Nach ihrem Sinn und Zweck ist die Anwendung der Regelung aber ausgeschlossen, wenn und soweit der Vertrauensschutz des Betroffenen, wie er sich aus § 48 [X.] ergibt, unterlaufen würde. So stellt die Aufdeckung einer Fehldiagnose oder einer überhöhten MdE keine wesentliche Änderung dar ([X.], [X.] 2003, 77, 79). Anders liegt der Fall aber, wenn sich der tatsächliche Zustand so gebessert hat, dass eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 73 Abs 3 [X.] vorliegt ([X.], aaO). In einem solchen Fall ist § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] auch auf von Anfang an rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte anwendbar. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine wesentliche Änderung der maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse dergestalt eingetreten ist, dass sich die Unfallfolgen wesentlich gebessert haben (dazu auch BSG vom 7.7.2005 - B 3 P 8/04 R - [X.], 57 = [X.] 4-1300 § 48 [X.] 6).

Insoweit hat das [X.] festgestellt, dass auch ausgehend von der im Januar 2001 zu hoch angesetzten [X.] auf chirurgischem Gebiet eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Wegfall der MdE auf nervenärztlichem/psychologischem Gebiet bedingt eine wesentliche Änderung, weil diese zu einem Herabsinken der [X.] von [X.] auf [X.] führt.

c) Die Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist auch rechtlich wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 73 Abs 3 [X.].

Für die Feststellung der Wesentlichkeit einer Änderung ist ein Vergleich zwischen dem [X.] des zu prüfenden Verwaltungsakts mit Dauerwirkung und der im [X.]punkt der Entscheidung über die Aufhebung gebotenen Entscheidung über die Höhe der MdE zu ziehen (zum maßgeblichen [X.]punkt bei der Anfechtungsklage siehe oben 1. b>). Ergänzend hierzu schreibt § 73 Abs 3 [X.] vor, dass eine wesentliche Änderung iS des § 48 [X.] bei Änderung der einer Rente zugrunde liegenden MdE nur vorliegt, wenn die Änderung der MdE [X.] beträgt (dazu im Einzelnen auch [X.]/[X.], [X.] 1999, 344).

Für den erforderlichen Vergleich ist zunächst festzustellen, welche Regelung die Beklagte mit Verwaltungsakt vom [X.] getroffen hat. Der bindende Inhalt eines Verwaltungsakts wird durch seine Verfügungssätze bestimmt (BSG vom [X.] - 9a [X.]). Einer der Verwaltungsakte im Bescheid vom [X.] hat der Klägerin "Rente auf unbestimmte [X.]" nach einer MdE um [X.] bewilligt. Nur dieser [X.] ist wirksam und bindend geworden (vgl BSG vom 20.10.1983 - 2 RU 61/82; BSG vom 8.5.1981 - 9 RVs 4/80 - [X.] 3100 § 62 [X.] 21).

Zwar war der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom [X.] möglicherweise nicht hinreichend begründet iS von § 35 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.], denn die der Bewilligung der Rente zugrunde gelegten [X.] sind weder im [X.] noch in der Begründung dieses Verwaltungsakts aufgeführt. Da die [X.] den [X.] von Leistungen - hier einer Rente nach § 56 [X.] - zumindest ähnlich sind und ihre Ermittlung einen von mehreren Schritten zur Bestimmung der insgesamt bestehenden MdE darstellt (zur vergleichbaren Konstellation bei der Bildung eines [X.] der Behinderung: BSG vom 20.11.2012 - [X.] SB 36/12 B), erscheint es angezeigt, die [X.] in der Begründung des bewilligenden Verwaltungsakts zu erläutern. Eine solche Begründung kann auch dem besseren Verständnis des Adressaten und der Ermöglichung der sachgerechten Wahrnehmung seiner Rechte dienen (zur rechtsstaatlichen Funktion der Begründung: [X.] in [X.], [X.], Stand 5/2003, § 35 Rd[X.] 2; [X.] in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 35 Rd[X.] 2). Dass dies hier unterblieben ist, kann aber die Rechtsposition der Klägerin nicht verbessern, wie sich aus dem Folgenden ergibt:

Die der [X.] zugrunde liegenden [X.] nehmen an der Bindungswirkung (vgl § 39 [X.]) des Verwaltungsakts vom [X.] nicht teil. Dem dahingehenden Vorbringen der Klägerin ist nicht zu folgen. Der erkennende Senat (vgl BSG vom 20.10.1983 - 2 RU 61/82) und das BSG haben hinsichtlich der Bindungswirkung von [X.] wiederholt entschieden, dass die Bindungswirkung nur die Gesamtbewertung einer MdE erfasst (vgl zur Bindungswirkung eines Rentenbescheids: BSG vom 26.6.1990 - 5 RJ 62/89 - [X.] 3-1500 § 77 [X.] 1 S 4 f - Juris Rd[X.] 18; zum Recht der schwerbehinderten Menschen: BSG vom [X.] - 9a RVs 55/85 - [X.], 287, 290 = [X.] 1300 § 48 [X.] 29 S 88; [X.]/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 3/2012, § 48 [X.] Anm 5.6, der eine Bindung der Träger an [X.]-Werte bejaht).

Hiervon ausgehend ist die Änderung der (hier allein zu betrachtenden) [X.] wesentlich iS des § 73 Abs 3 [X.]. Denn die vom [X.] festgestellte eingetretene Änderung der zu vergleichenden [X.] übersteigt den Wert 5 vH. Im [X.]punkt des Erlasses des [X.] ist eine MdE in einem rentenberechtigenden Grad von [X.] nicht mehr gegeben, denn es liegt unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes nur (noch) eine MdE von [X.] vor.

d) Die Aufhebung des Verwaltungsakts hält sich auch sonst im Rahmen der Ermächtigung des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.].

Die Aufhebung eines Verwaltungsakts "hat" gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] ohne Ausübung von Ermessen mit Wirkung für die Zukunft zu erfolgen. Sie hat bei Sozialleistungen, die für einen bestimmten [X.]raum bewilligt sind, auf den [X.]punkt des Beginns des folgenden Leistungszeitraums hin zu erfolgen (§ 73 Abs 1 [X.]; [X.] in jurisPK-[X.] § 48 Rd[X.] 44).

Der der Klägerin am [X.] zugestellte Aufhebungsbescheid entfaltet lediglich Rechtswirkung für die Zukunft, hier für die [X.] ab 1.8.2007. Zu diesem [X.]punkt sind die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Rente bereits entfallen gewesen, denn seit der Begutachtung im Mai 2007 war bekannt, dass die Voraussetzungen für den Wegfall des Rentenanspruchs vorlagen. Die Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung der Rente wurde schließlich nicht unter Verletzung des § 73 Abs 1 [X.] getroffen, denn sie entspricht dem "[X.]" dieser Regelung (vgl [X.], aaO; [X.]/[X.], [X.] 1999, 344).

e) Der angefochtene Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 [X.]).

Das Bestimmtheitserfordernis verlangt als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Verwaltungsakts, dass dessen [X.] nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Adressaten bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, die in ihm angeordnete Rechtsfolge zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl BSG vom 17.12.2009 - [X.] AS 20/09 R - [X.], 194 = [X.] 4-4200 § 31 [X.] 2, Rd[X.] 13 mwN; BSG vom 17.12.2009 - [X.] AS 30/09 R - [X.] 4-4200 § 31 [X.] 3 Rd[X.] 16 mwN; BSG vom 15.12.2010 - [X.] [X.]/09 R - Juris Rd[X.] 18; BSG vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.], 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.] 2, Rd[X.] 31; BSG vom [X.] - B 2 U 32/08 R - [X.] 4-2700 § 168 [X.] 2).

Der angefochtene Verwaltungsakt entspricht diesen Anforderungen, denn er benennt ordnungsgemäß den aufzuhebenden Bescheid mit Datum und Regelungsgegenstand und verfügt dessen Aufhebung. Der Verwaltungsakt regelt auch, zu welchem [X.]punkt die Verletztenrente der Klägerin entfällt. Die ausgesprochene Rechtsfolge war für die Klägerin aus den getroffenen Regelungen klar zu erkennen.

f) Der angefochtene Verwaltungsakt leidet auch nicht an formellen Fehlern, denn die gemäß § 24 Abs 1 [X.] vor seiner Bekanntgabe erforderliche Anhörung hat stattgefunden.

2. Das gefundene Ergebnis verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus "Artikel 3" [X.].

In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass der Bestandskraft von Verwaltungsakten eine vergleichbare Bedeutung für die Rechtssicherheit zukommt wie der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen. Art 3 Abs 1 [X.] hindert aber nicht die Anpassung eines bindenden Verwaltungsakts mit Dauerwirkung an geänderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse. Vielmehr besteht auch ein verfassungsrechtliches Interesse daran, die Aufhebung eines Hoheitsakts herbeizuführen, wenn die Rechtsordnung der Verwaltung die Befugnis erteilt hat, für ihren Bereich das im Einzelfall Verbindliche festzustellen, zu begründen oder - wie hier - zu ändern (so ausdrücklich [X.]E 60, 253, 270; vgl auch [X.] vom 15.10.2009 - 1 BvR 3522/08).

Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 [X.] liegt nicht vor. Nach der sog neuen Formel des [X.] ist Art 3 Abs 1 [X.] dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können ([X.]E 55, 72, 88; später [X.]E 84, 133, 157; [X.]E 85, 191, 210; [X.]E 85, 238, 244; [X.]E 87, 1, 36; [X.]E 95, 39, 45). Dabei ist eine strenge Prüfung vorzunehmen, wenn verschiedene Personengruppen ungleich behandelt werden (zu den Stufen der Prüfungsintensität vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2012, Art 3 [X.] Rd[X.] 17 f), während bei der Ungleichbehandlung von Sachverhalten eine großzügigere Prüfung geboten ist.

Bei der von der Klägerin geltend gemachten Ungleichbehandlung handelt es sich um eine solche Ungleichbehandlung von Sachverhalten, denn die Regelungen in § 73 [X.] knüpfen nicht an [X.] an. Unter dem deshalb hier anzulegenden "Willkürmaßstab" ist die Regelung über die Bildung einer [X.] verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist sachlich gerechtfertigt, dass Personen mit einer einzelnen, jedoch zu hoch bewerteten Gesundheitsstörung anders behandelt werden als solche Personen, bei denen die Gesamtbewertung der MdE auf mehreren Gesundheitsstörungen beruht, von denen eine zu hoch bewertet ist. Sowohl bei einer MdE, die auf einem singulärem Gesundheitsschaden beruht, als auch bei einer solchen, die sich aus dem Zusammentreffen mehrerer Gesundheitsschäden ergibt, ist die ([X.] Anknüpfungspunkt der Prüfung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Auch bei der Festsetzung einer [X.] aufgrund mehrerer Gesundheitsstörungen wirkt sich lediglich der Wegfall einer [X.] auf die [X.] aus, wenn diese Änderung [X.] beträgt. Erst dann liegt eine Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 73 Abs 3 [X.] vor. Eine Änderung in dieser Höhe muss auch bei der Feststellung einer nur auf einer einzigen Gesundheitsstörung vorliegenden Einzel-MdE vorliegen. Dass bei mehreren Gesundheitsstörungen jede Veränderung jeder einzelnen MdE in jedem medizinischen Teilbereich berücksichtigt werden kann, hält der Senat für sachgerecht, weil die rentenberechtigende [X.] von [X.] im Regelfall nur aus einer Summation von Schäden resultiert. Das [X.] hat vorliegend - auch für den Fall einer unveränderten Bewertung der chirurgischen Unfallfolgen - eine solche wesentliche Änderung der [X.] in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht, weil die psychologischen Folgen des [X.] nicht mehr vorlagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.].

Meta

B 2 U 25/11 R

13.02.2013

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Köln, 8. Juli 2010, Az: S 16 U 194/08, Urteil

§ 24 Abs 1 SGB 10, § 33 Abs 1 SGB 10, § 39 SGB 10, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 56 Abs 1 SGB 7, § 73 Abs 3 SGB 7

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.02.2013, Az. B 2 U 25/11 R (REWIS RS 2013, 8219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8219

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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