Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.02.2022, Az. 5 AZR 347/21

5. Senat | REWIS RS 2022, 1402

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Annahmeverzugsvergütung - Klageerweiterung in der Berufungsinstanz -nicht protokollierte Anträge


Tenor

1. Das Schlussurteil des [X.] vom 1. Oktober 2020 - 3 [X.]/18 - wird im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.] (zweitinstanzliche Zahlungsanträge zu 16. bis 27. ohne die Verzugspauschale) abgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Belang - über Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.].

2

Der Kläger ist Rechtsanwalt und war als solcher bei der [X.], einer bundesweit tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, in deren [X.] Niederlassung seit dem 15. November 2012 in der „[X.] im Grade eines Consultant“ beschäftigt. Seine monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 3.540,00 Euro. [X.]it Schreiben vom 10. [X.]ärz 2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin, der nach ihrer Auffassung der 30. Juni 2015 war. Dagegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die das Arbeitsgericht [X.]ünchen mit Endurteil vom 21. August 2017 (- 29 [X.] -) abwies. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] [X.]ünchen mit rechtskräftigem Teilurteil vom 22. August 2019 (- 3 [X.]/18 -) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und festgestellt, dass weder die fristlose noch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10. [X.]ärz 2015 das Arbeitsverhältnis aufgelöst haben. Außerdem hat es den Antrag der [X.] auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG zurückgewiesen.

3

Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2019 die Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.] erweitert und für die zwölf [X.]onate des [X.] jeweils das zuletzt bezogene Gehalt von 3.540,00 Euro brutto unter Abzug des erhaltenen Arbeitslosengeldes angesetzt. Er hat gemeint, die Beklagte sei im Streitzeitraum aufgrund der unwirksamen Kündigungen im Annahmeverzug gewesen. Neben dem erhaltenen Arbeitslosengeld habe er im Dezember 2016 1.295,49 Euro aus selbständiger Arbeit verdient, weil er eine Klage in eigener Sache beim [X.] gewonnen habe. Dieser Verdienst sei jedoch nicht anzurechnen, weil er ihn auch bei einer Beschäftigung bei der [X.] erzielt hätte, die Klage habe er hauptsächlich am Wochenende geschrieben.

4

Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat der Kläger - soweit für die Revision von Belang - sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 42.480,00 Euro brutto abzüglich 11.547,80 Euro erhaltenes Arbeitslosengeld nebst Zinsen nach bestimmter zeitlicher und betragsmäßiger Staffelung zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung, in die sie nicht einwillige, sei unzulässig und im Übrigen auch unbegründet. Der Kläger müsse sich anderweitigen Verdienst aus selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt und möglicherweise böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen.

6

Das [X.] hat die Klage auf Annahmeverzugsvergütung für das [X.] mit [X.] vom 1. Oktober 2020 abgewiesen und angenommen, es handele sich insoweit um eine in der Berufungsinstanz unzulässige Klageerweiterung. Vergütungsansprüche für den Zeitraum [X.]ärz bis Dezember 2015 sowie die Jahre 2017 bis 2019 sind nach Aktenlage im Januar 2020 in einem gesonderten Verfahren beim Arbeitsgericht anhängig gemacht worden.

7

[X.]it der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.] gerichtetes Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht beantragt.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist begründet und führt zur Teilaufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.], § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

9

I. Das Berufungsurteil unterliegt schon de[X.]alb der Aufhebung, weil das [X.] hinsichtlich des in die Revisionsinstanz gelangten Streitgegenstands „Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.]“ gegen den Antragsgrundsatz des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen hat.

1. Im zivilprozessualen Verfahren darf das Gericht nur über von den [X.]en gestellte Anträge entscheiden, lediglich in den in § 308a ZPO genannten Mietsachen ist eine Entscheidung ohne Antrag statthaft. Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes liegt ua. dann vor, wenn einer [X.] etwas zugesprochen wird, ohne dies beantragt zu haben, oder das Gericht der klagenden [X.] einen Anspruch abspricht, den diese nicht erhoben hat ([X.] 22. Juli 2021 - 2 [X.] - Rn. 42; 25. August 2015 - 1 [X.] 754/13 - Rn. 20 [X.], [X.]E 152, 240). Ein Verstoß der Vorinstanzen gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (st. Rspr., vgl. nur [X.] 25. März 2021 - 6 [X.] 41/20 - Rn. 15; 18. September 2019 - 5 [X.] 240/18 - Rn. 11 [X.], [X.]E 168, 25).

2. Das [X.] hat in dem angefochtenen Schlussurteil über den Streitgegenstand „Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.]“ entschieden, ohne dass der Kläger seine mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2019 klageerweiternd anhängig gemachten Zahlungsanträge in der Berufungsverhandlung gestellt hat.

a) Zwar soll der Kläger die schriftsätzlich angekündigten Zahlungsanträge nach dem Tatbestand des Berufungsurteils auch tatsächlich gestellt haben. Dies folgt aus § 313 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach im Tatbestand des Urteils die gestellten Anträge dargestellt werden sollen.

b) Die gemäß § 297 ZPO in der mündlichen Verhandlung zu stellenden [X.] der [X.]en sind indes auch als wesentliche Förmlichkeit im Protokoll festzustellen, § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Unterbleibt dies, fehlt nach §§ 165, 308 ZPO die Befugnis des Gerichts zur Sachentscheidung (vgl. nur [X.]/[X.] ZPO 34. Aufl. § 297 Rn. 4; Musielak/[X.]/[X.] ZPO 18. Aufl. § 297 Rn. 4).

c) Im Protokoll über die letzte Berufungsverhandlung am 17. September 2020 heißt es dazu: „Der Kläger nimmt Bezug auf die in der Verhandlung vom 18.07.2019 gestellten Anträge ([X.]. 1527 d. A.) in der Fassung des Schriftsatzes vom 11.10.2019 ([X.]. 1626 d. A.) mit der Erweiterung, dass es statt ‚Oktober 2019‘ ‚17.09.2020‘ heißen muss.“ Dagegen ergibt sich aus dem Protokoll nicht, dass der Kläger auch die Anträge aus der auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.] gerichteten [X.] im Schriftsatz vom 8. Dezember 2019 gestellt hätte.

d) Damit widersprechen sich zum Streitgegenstand „Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.]“ die Feststellungen im Protokoll der Berufungsverhandlung und im Tatbestand des angefochtenen Schlussurteils. In einem solchen Fall gilt das Protokoll (vgl. [X.] - Rn. 11; 12. Mai 2015 - VI ZR 102/14 - Rn. 48; [X.]/Feskorn ZPO 34. Aufl. § 314 Rn. 8; Musielak/[X.]/Musielak ZPO 18. Aufl. § 314 Rn. 3, 7 und Musielak/[X.]/[X.] aaO § 559 Rn. 19; Anders/[X.]/[X.] ZPO 80. Aufl. § 314 Rn. 7 - jeweils [X.]). Denn der Beweis der Beachtung von wesentlichen Förmlichkeiten - wie derjenigen der gestellten Anträge (§ 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) - kann nur durch das Sitzungsprotokoll erbracht werden, § 165 Satz 1 ZPO (vgl., zur wesentlichen Förmlichkeit der Verkündung des Urteils, [X.] 14. Oktober 2020 - 5 [X.] 712/19 - Rn. 10).

e) De[X.]alb muss der Senat davon ausgehen, dass das [X.] über einen Streitgegenstand entschieden hat, den der Kläger zwar mit seiner [X.] vom 8. Dezember 2019 anhängig gemacht, den er jedoch in der - nach dem zeitlichen Verlauf allein in Betracht kommenden letzten - Berufungsverhandlung (noch) nicht zur Entscheidung gestellt hat. Dabei gibt es keine Anhaltspunkte dafür, der Kläger habe an der Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nicht mehr festhalten wollen, auch wäre eine entsprechende Klagerücknahme entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 8 ZPO nicht protokolliert. Vielmehr belegen sowohl das Berufungsurteil als insbesondere auch die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.], dass dieser sehr wohl eine Entscheidung des [X.]s auch zu diesem Streitgegenstand wollte. Die unterlassene Protokollierung dürfte somit ein Versehen des Berufungsgerichts sein, das möglicherweise nach seinem Teilurteil in dem umfangreichen Berufungsverfahren - ebenso wie der Kläger - nicht mehr ausreichend im [X.]ick hatte, welcher der zahlreichen Anträge wann und in welchem Schriftsatz angekündigt worden war. Wegen der vom [X.] verletzten Pflicht, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO), und dem Gebot eines fairen Verfahrens muss dem Kläger in einem fortgesetzten Berufungsverfahren die Möglichkeit eröffnet werden, die Anträge aus der [X.] auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.] entsprechend den Erfordernissen aus § 160 Abs. 3 Nr. 2, § 297 ZPO zu stellen (vgl. [X.] 12. Oktober 2021 - 9 [X.] 133/21 - Rn. 24; generell zum verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens [X.] 30. Mai 2012 - 1 BvR 509/11 - Rn. 8; [X.] 14. September 2020 - 5 [X.] - Rn. 27, [X.]E 172, 186) und eine Entscheidung über seine Anträge ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO zu erreichen.

II. Für die Fortsetzung des Berufungsverfahrens beschränkt sich der Senat auf folgende Hinweise:

1. Mit der Begründung des [X.]s, bei der Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.] handele es sich um eine in der Berufungsinstanz unzulässige [X.], weil die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorlägen, kann die Klage nicht abgewiesen werden.

a) Mit der [X.] vom 8. Dezember 2019 hat der Kläger einen neuen Streitgegenstand in das Berufungsverfahren eingeführt. Es handelt sich somit um eine nachträgliche objektive Klagehäufung, auf die § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist ([X.] 12. September 2006 - 9 [X.] 271/06 - Rn. 16, [X.]E 119, 238). Über die Zulässigkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz ist nach dem Maßstab des § 533 ZPO zu entscheiden ([X.] 14. Juni 2017 - 10 [X.] 308/15 - Rn. 38; 14. Dezember 2017 - 2 [X.] 86/17 - Rn. 18, [X.]E 161, 198).

b) Eine Einwilligung der [X.] iSd. § 533 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor, sie hat vielmehr der Einführung eines neuen Streitgegenstands in das Berufungsverfahren ausdrücklich widersprochen. Doch dürfte die nachträgliche objektive Klagehäufung sachdienlich iSd. § 533 Nr. 1 ZPO sein.

aa) Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Beilegung des Streits zwischen den [X.]en führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem anderenfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt ([X.] 14. Juni 2017 - 10 [X.] 308/15 - Rn. 39; [X.]/[X.] 22. Aufl. ArbGG § 67 Rn. 7 [X.]). De[X.]alb kommt es für die Beurteilung der Sachdienlichkeit nicht entscheidend darauf an, ob neuer Tatsachenvortrag erforderlich ist. Der Sachdienlichkeit einer Klageänderung stünde nicht einmal entgegen, dass im Fall ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde. Die Sachdienlichkeit kann unter diesem [X.]ickpunkt im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bi[X.]erigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen ([X.] 13. April 2016 - 4 [X.] 13/13 - Rn. 87 [X.]).

bb) Davon ausgehend wird eine [X.] auf Vergütung wegen Annahmeverzugs im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer Kündigung in der Regel sachdienlich sein, weil sie auf den gleichen Lebenssachverhalt - vom Kläger für unwirksam gehaltene Arbeitgeberkündigung - zurückzuführen ist (zutr. [X.]/Schleusener 9. Aufl. § 64 Rn. 91). Weist das [X.] die Kündigungsschutzklage ab, entfällt damit auch die Grundlage für einen Annahmeverzug des Arbeitgebers und ist die Klage auf Annahmeverzugsvergütung ohne Weiteres abweisungsreif. Stellt das [X.] hingegen den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses fest - im Streitfall durch das Teilurteil vom 22. August 2019 sogar rechtskräftig -, steht damit für das Berufungsgericht regelmäßig zugleich fest, dass sich der Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist im Annahmeverzug befunden hat.

c) Des Weiteren muss nach § 533 Nr. 2 ZPO die in der nachträglichen objektiven Klagehäufung liegende Klageänderung in der Berufungsinstanz auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, die also entweder vom Arbeitsgericht festgestellt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder als neue Tatsachen berücksichtigungsfähig (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) sind. Dabei richtet sich letzteres entgegen der Auffassung des [X.]s nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO. Diese Norm findet nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] im Berufungsverfahren vor den [X.]en keine Anwendung ([X.] 21. Mai 2019 - 2 [X.] 574/18 - Rn. 13 [X.], [X.]E 167, 14).

d) Die Abweisung der vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgenommenen [X.] auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.] wäre de[X.]alb rechtsfehlerfrei nur in Betracht gekommen, wenn für die Entscheidung über diesen Streitgegenstand Vorbringen erforderlich gewesen wäre, das unter den Voraussetzungen des § 67 Abs. 4 ArbGG nicht hätte berücksichtigt werden können (vgl. [X.]/[X.]/[X.] 6. Aufl. ArbGG § 67 Rn. 10; [X.]/[X.] 22. Aufl. ArbGG § 67 Rn. 7; [X.]/Schleusener 9. Aufl. § 67 Rn. 30; GK-ArbGG/[X.] Stand Januar 2022 § 67 Rn. 33, 78; [X.]/[X.]/Maul-Sartori 5. Aufl. § 67 Rn. 52). Davon kann indes nicht ausgegangen werden (zur Überprüfung einer Zurückweisung in der Revisionsinstanz [X.]. [X.]/[X.] aaO Rn. 8 [X.]). Denn die für die Begründung der Klage auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für das [X.] erforderlichen Tatsachen bezüglich des vom Kläger angesetzten Gehalts und des von ihm bezogenen Arbeitslosengeldes sind festgestellt oder unstreitig. Hinsichtlich der zwischen den [X.]en streitigen Frage der Anrechnung anderweitigen Verdienstes hätte das [X.] durch eine nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO gebotene materielle Prozessleitung die Sache zur Entscheidungsreife führen können, ohne dass es zu einer Verzögerung des Rechtsstreits gekommen wäre, zumal zwischen der Erhebung der [X.] und der Fortsetzung der Berufungsverhandlung gut neun Monate lagen.

2. Der Kläger hat für das [X.] Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 [X.]. Die Beklagte hat den Kläger im Streitzeitraum nicht beschäftigt und befand sich aufgrund ihrer unwirksamen Arbeitgeberkündigung im Annahmeverzug (§§ 293 ff. [X.]), ohne dass ein Angebot der Arbeitsleistung erforderlich gewesen wäre (vgl. [X.] 21. Oktober 2015 - 5 [X.] 843/14 - Rn. 19 [X.], [X.]E 153, 85).

3. Die Höhe der - zuletzt vor der Kündigung geschuldeten - monatlichen Vergütung und die Höhe des vom Kläger im Annahmeverzugszeitraum bezogenen Arbeitslosengeldes, das wegen des [X.] nach § 115 Abs. 1 SGB X den [X.] - wie insoweit § 11 Nr. 3 [X.] lediglich klarstellt (vgl. [X.] 8. September 2021 - 5 [X.] 205/21 - Rn. 19 [X.]) - mindert, stehen zwischen den [X.]en außer Streit.

4. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das [X.] - ggf. nach ergänzendem [X.]vortrag (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO) - klären müssen, ob sich der Kläger anderweitigen Verdienst aus selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt oder böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienst anrechnen lassen muss.

a) Anderweitiger Verdienst ist nach § 11 Nr. 1 [X.] auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs dann und insoweit anzurechnen, als der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bi[X.]erigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde ([X.] 24. Februar 2016 - 5 [X.] 425/15 - Rn. 16, [X.]E 154, 192). Dabei ist grundsätzlich eine Gesamtberechnung vorzunehmen, den dafür zugrunde zu legenden Zeitraum bestimmen allerdings die [X.]en mit ihren Anträgen und Einwendungen ([X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] 251/11 - Rn. 29, [X.]E 141, 340). Maßgeblich ist danach nur ein vom Kläger im [X.] erzielter anderweitiger Verdienst, weil Vergütung wegen Annahmeverzugs für die [X.] sowie 2017 bis 2019 in einem gesonderten Klageverfahren anhängig gemacht worden ist. Auszugehen ist de[X.]alb vom Vorbringen des [X.], er habe im [X.] nur Einkünfte aus einem von ihm als Rechtsanwalt geführten und gewonnenen finanzgerichtlichen Verfahren gehabt. Sollte es sich dabei - was die Beklagte bislang nicht in Abrede gestellt hat - um ein Verfahren in eigener Sache handeln, dürfte eine Anrechnung dieser nicht gewerblichen Tätigkeit nach § 11 Nr. 1 [X.] nicht in Betracht kommen, zumal die Beklagte - bislang - nicht substantiiert eingewendet hat, dem Kläger wäre arbeitsvertraglich eine solche Anwaltstätigkeit in eigener Sache untersagt.

b) Für die Anrechnung böswillig unterlassenen Verdienstes bestehen - nach Aktenlage - bislang keine ausreichenden Anhaltspunkte (vgl. zur Anrechnung nach § 11 Nr. 2 [X.] zuletzt [X.] 8. September 2021 - 5 [X.] 205/21 - Rn. 12 ff. [X.] und zu dem von der [X.] in der Revisionserwiderung angesprochenen Auskunftsanspruch [X.] 27. Mai 2020 - 5 [X.] 387/19 - [X.]E 170, 327).

III. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das [X.] auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

        

    Linck    

        

    Bubach    

        

    Biebl    

        

        

        

    Eberhard    

        

    Störring    

                 

Meta

5 AZR 347/21

09.02.2022

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 21. August 2017, Az: 29 Ca 3664/15, Urteil

§ 308 Abs 1 S 1 ZPO, § 313 Abs 2 S 1 ZPO, § 160 Abs 3 Nr 2 ZPO, § 615 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.02.2022, Az. 5 AZR 347/21 (REWIS RS 2022, 1402)

Papier­fundstellen: NJW 2022, 1475 REWIS RS 2022, 1402 MDR 2022, 1046-1047 REWIS RS 2022, 1402

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 AZR 462/14, 5 AZR 225/14 (Bundesarbeitsgericht)

Annahmeverzug - Beschäftigungspflicht - Schadensersatz


5 AZR 498/21 (Bundesarbeitsgericht)

Annahmeverzugsvergütung - Ausschlussfristen


5 AZR 255/22 (Bundesarbeitsgericht)

Annahmeverzug - Leistungswille - Prozessbeschäftigung


5 AZR 30/22 (Bundesarbeitsgericht)

Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes


5 AZR 649/19 (Bundesarbeitsgericht)

Annahmeverzug - Schadensersatz - behinderungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeit


Referenzen
Wird zitiert von

11 Sa 550/22

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.