Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.03.2016, Az. I ZB 76/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13735

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Gegenstand

Vollstreckbarerklärung eines polnischen Schiedsspruchs: Auslegung des Schiedsspruchs durch das Rechtsbeschwerdegericht


Leitsatz

Geht es allein um die Frage, ob das Schiedsgericht in einem ausländischen Schiedsspruch eine bestimmte tatsächliche Feststellung getroffen hat, kann das Rechtsbeschwerdegericht den Schiedsspruch regelmäßig ohne Rückgriff auf das gegebenenfalls anwendbare ausländische Recht selbst auslegen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 24. Juli 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 147.627,96 €

Gründe

1

I. Wegen offener Rechnungen aus der Lieferung gerippter Stähle leitete die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin (nachfolgend: [X.]) gegen die Antragsgegnerin ein Schiedsverfahren vor dem Schiedsgericht bei der [X.] ein. Sie begründete ihre Forderung mit den [X.]/272819315/[X.] und [X.]/272819315/[X.] vom 10. Oktober 2007, die in [X.] abgefasst waren.

2

Nachdem das Bezirksgericht [X.] und das Berufungsgericht [X.] die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bestätigt hatten, verurteilte es die Antragsgegnerin dazu, 147.627,96 € zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten einschließlich der Kosten für die Prozessvertretung der Schiedsklägerin an die [X.] zu zahlen.

3

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Aufhebung des Schiedsspruchs hatte vor dem Bezirksgericht [X.] und dem Berufungsgericht [X.] keinen Erfolg.

4

Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vor dem [X.] hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, die Forderung der [X.] sei durch Aufrechnung erloschen. Die von der Antragsgegnerin im Schiedsverfahren zur Begründung ihrer Forderung vorgelegten Einzelverträge hätten sich auf Teillieferungen aus einem zwischen dieser und der [X.] am 10. Oktober 2007 abgeschlossenen Globalvertrag bezogen. Die mit Telefax vom 30. November 2007 abgerufenen Restmengen aus dem Globalvertrag habe die [X.] auch nach anwaltlicher Aufforderung nicht geliefert. Die Antragsgegnerin sei deshalb vom Vertrag zurückgetreten und habe für einen erforderlichen Deckungskauf Mehrkosten in Höhe von 256.425 € aufwenden müssen. Dieser Betrag stehe ihr als Schadensersatz von der [X.] zu. Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 habe die Antragsgegnerin gegen die Hauptforderung der [X.] die Aufrechnung mit einem entsprechenden Teilbetrag des Schadenersatzanspruchs erklärt. Der [X.] sei im Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung zu prüfen, weil sich das Schiedsgericht und die staatlichen Gerichte in [X.] für unzuständig gehalten hätten, darüber zu entscheiden.

5

Das [X.] hat den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Es hat den [X.] der Antragsgegnerin zurückgewiesen, weil das Schiedsgericht mit bindender Wirkung festgestellt habe, die Antragsgegnerin habe den Abschluss des [X.] nicht bewiesen.

6

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt.

7

II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1025 Abs. 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig und begründet.

8

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Der Beschluss des [X.]s verletzt den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör.

9

a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, [X.] des Vorbringens der [X.] zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (vgl. [X.], [X.], 1762, 1763; [X.], Beschluss vom 21. Mai 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1409 Rn. 5; Beschluss vom 9. Februar 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 2137 Rn. 4; Beschluss vom 29. Oktober 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 78 Rn. 7). Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der [X.] erfassenden Wahrnehmung beruht. Setzt sich das Gericht mit dem [X.]vortrag nicht inhaltlich auseinander, sondern mit Leerformeln über diesen hinweg, ist das im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Verfahrensgrundrecht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags ([X.], NJW-RR 2016, 78 Rn. 7 mwN).

b) So verhält es sich hier. Das [X.] hat sich mit [X.] des Vortrags nicht erkennbar befasst, mit dem die Antragsgegnerin substantiiert der Auffassung entgegengetreten ist, das Schiedsgericht habe den Abschluss des [X.] nicht für bewiesen erachtet.

aa) Der [X.] war das zentrale Verteidigungsmittel der Antragsgegnerin gegen den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Ausführungen der Antragsgegnerin zum [X.] hat das [X.] dementsprechend im tatbestandlichen Teil der Gründe des angefochtenen Beschlusses breiten Raum gewidmet.

bb) Im Hinweisbeschluss vom 16. April 2015 hat das [X.] die Auffassung vertreten, die Aufrechnungsforderung stehe der Antragsgegnerin nicht zu, weil das Schiedsgericht mit bindender Wirkung festgestellt habe, dass die Antragsgegnerin den von ihr behaupteten Abschluss eines [X.] zwischen ihr und der [X.] nicht bewiesen habe. Dafür hat sich das [X.] allein auf folgende Textpassage unter [X.]. des Schiedsspruchs gestützt:

… die Forderung, dass dieses Gericht doch über diese Sache und in diesem Umfang erkennt, ist nicht nur inkonsequent, sondern auch unmöglich, da die Beklagte nach Ansicht des hiesigen Gerichts nicht bewies, dass die vertraglichen Beziehungen der [X.]en in Wirklichkeit durch den [X.] (gemeint ist der Globalvertrag) gestaltet wurden …

Wie die Rechtsbeschwerde darlegt, hat sich die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 20. Juli 2015 ausführlich gegen diese Auslegung des Schiedsspruchs durch das [X.] gewandt. Sie hat geltend gemacht, die vom [X.] angeführte Textpassage könne in der Gesamtschau der Ausführungen des Schiedsgerichts nicht als bindende Feststellung über das Zustandekommen des [X.] gewertet werden. Zu Beginn des Absatzes, aus dem die fragliche Textpassage stamme, habe das Schiedsgericht ausgeführt:

Das hiesige Gericht ist nicht zuständig, den [X.] (gemeint ist der Globalvertrag), darunter seinen eventuellen Abschluss und den Rücktritt durch die Beklagte sowie die Folgen der Vornahme solcher Handlungen zu beurteilen. Der Inhalt der Schiedsklausel, die als Grundlage der Zuständigkeit des Gerichts in der vorliegenden Sache gilt, bezieht sich ausdrücklich nur auf Rechtsverhältnisse, die sich aus den zwei o. g. [X.] ergeben und bezieht sich keinesfalls (kann nicht erstreckt werden) auf Rechtsverhältnisse aus anderen Verträgen.

Die Antragsgegnerin hat weiter die [X.] zitiert, der die vom [X.] herangezogene Aussage des Schiedsgerichts enthält, und die lautet:

Auch die Behauptung der [X.] über den angeblichen Konflikt der von ihr und von der Klägerin angewendeten Vertragsmuster war im Hinblick auf fehlende faktische und rechtliche Grundlagen zu verwerfen. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Anlage zu den [X.] die von der Klägerin angewandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellen, die, wie oben ausgeführt, von der [X.] ausdrücklich akzeptiert wurden. Durch ihre wirksame Eingliederung in die geschlossenen Verträge kann von einem [X.] im Sinne des Art. 385 § 1 Zivilgesetzbuch keine Rede sein. In dem Fall, wenn die beiden Geschäftspartner damit einverstanden waren, dass in den nicht geregelten Angelegenheiten das Vertragsmuster eines von ihnen anwendbar ist, werden die [X.]en auch durch dieses Muster gebunden.

Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, danach sei für das Schiedsgericht allein maßgeblich gewesen, dass die Antragsgegnerin an die Schiedsgerichtsvereinbarung in den zwei [X.] gebunden war. Auf die Frage, ob der Globalvertrag zustande gekommen sei oder eine Kollision mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin bestehe, sei es dem Schiedsgericht nicht angekommen. Letztlich könne das Schiedsgericht nicht über etwas mit Bindungswirkung entschieden haben, wenn es sich selbst für unzuständig gehalten habe. Soweit das Schiedsgericht in der vom [X.] herangezogenen Passage dann meine, die Antragsgegnerin habe nicht bewiesen, dass die vertraglichen Beziehungen durch den Globalvertrag gestaltet würden und nicht - wie das Schiedsgericht meine - ausschließlich durch die Verträge vom 10. Oktober 2007, könne sich dies nur auf die ausgefertigten, englischsprachigen Verträge beziehen, deren Existenz die Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt habe. Hierin könne keine bindende Entscheidung des Schiedsgerichts über die Frage erkannt werden, ob der Globalvertrag zustande gekommen sei.

Ferner hat sich die Antragsgegnerin auf das Urteil des Berufungsgerichts [X.] vom 31. Januar 2012 im Aufhebungsverfahren bezogen und daraus folgende Passage (Seite 10 der Übersetzung) angeführt:

Das Bezirksgericht hat auch die Ansicht des Schiedsgerichts geteilt, dass es für die Prüfung des [X.] bzw. dessen Wirksamkeit nicht zuständig war. … Die Beschwerdeführerin hat nicht nachgewiesen, dass die Forderung, die sie aufrechnen wollte, sich aus den Verträgen [X.]/272819315/[X.] und [X.]/272819315/[X.] ergeben hat. Sie hat nur ausgeführt, dass ihre Forderung wegen der Kosten der Ersatzbeschaffung entstanden ist. Das Schiedsgericht konnte somit zur Wirksamkeit der abgegebenen Aufrechnungserklärung keine Stellung nehmen, sofern die Forderung der Schiedsvereinbarung nicht unterlegen hat.

… Das Bezirksgericht hat die durch den Schiedsrichter [X.]in der Begründung des [X.] geäußerte Ansicht geteilt, dass "es dabei ohne Bedeutung ist, ob der Rahmenvertrag, auf den sich die Beklagte beruft, besteht oder nicht oder ob er auf die streitgegenständlichen Verträge Anwendung gefunden hat."

Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, diese Ausführungen des Berufungsgerichts könnten ebenfalls nur so verstanden werden, dass nicht über die Frage entschieden worden sei, ob der Globalvertrag zustande gekommen sei oder nicht. Auch für die ordentlichen Gerichte in [X.] seien nur die zwei Verträge in [X.] maßgeblich gewesen.

cc) Das [X.] geht auf den ausführlichen und erheblichen Vortrag der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 20. Juli 2015 inhaltlich in keiner Weise ein. Es beschränkt sich insoweit vielmehr auf die Aussage, der [X.] vermöge die vertiefte Darlegung der Auslegung des Schiedsspruchs im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 20. Juli 2015, auf den wegen der näheren Einzelheiten des Vorbringens Bezug genommen werde, nicht zu teilen. Mit dieser Behandlung des substantiierten Vortrags der Antragsgegnerin zu der zentralen Frage des Verfahrens, die jede inhaltliche Auseinandersetzung vermissen lässt, hat das [X.] den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt. Das [X.] hätte ausdrücklich auf die differenzierten Erwägungen der Antragsgegnerin zu der Passage des Schiedsspruchs eingehen müssen, auf deren keineswegs eindeutigen Wortlaut es sich für seine Entscheidung maßgeblich stützen wollte.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung über die gesetzlichen Aufhebungsgründe hinaus sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch festgestellten Anspruch zulässig. Allerdings müssen in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, grundsätzlich nach dem Schiedsverfahren entstanden sein, das heißt bei einer Aufrechnung darf die Aufrechnungslage nicht bereits während des Schiedsverfahrens bestanden haben. Letzteres gilt allerdings nicht ausnahmslos. Vielmehr ist die Aufrechnung auch mit einer vor Abschluss des Schiedsverfahrens entstandenen Forderung möglich, wenn der Schuldner schon vor dem Schiedsgericht aufgerechnet oder den [X.] erhoben hat, das Schiedsgericht aber über die zur Aufrechnung gestellte Forderung - zum Beispiel mit der Begründung, es sei für diese nicht zuständig - nicht befunden hat. Wenn ein Schiedsgericht sich der Entscheidung über die Aufrechnung enthält, steht nichts im Wege, den [X.] vor dem ordentlichen Gericht zu wiederholen, gleichviel ob das Schiedsgericht mit Recht oder Unrecht nicht auf die Aufrechnung eingegangen ist ([X.], Beschluss vom 30. September 2010 - [X.]/10, NJW-RR 2011, 213 Rn. 8 = [X.] 2010, 330 mwN).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass es den von der Antragsgegnerin erhobenen [X.] in eigener Zuständigkeit zu prüfen hatte.

Das Schiedsgericht hatte seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die Aufrechnung verneint. Zutreffend hat es das [X.] in diesem Zusammenhang für unerheblich gehalten, ob die Antragsgegnerin einen etwa vom Schiedsgericht bei ihr angeforderten Kostenvorschuss für die Aufrechnung nicht eingezahlt hatte. Auch wenn sich das Schiedsgericht schon deshalb und unabhängig von der Verneinung seiner Zuständigkeit zu Recht nicht zur Entscheidung über die Aufrechnung befugt gehalten haben sollte, wäre der [X.] im Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu berücksichtigen. Es kommt nicht darauf an, ob das Schiedsgericht zu Recht oder zu Unrecht eine Entscheidung über die Aufrechnung abgelehnt hat ([X.], NJW-RR 2011, 213 Rn. 8).

c) Die Annahme des [X.]s, das Schiedsgericht habe mit bindender Wirkung festgestellt, die Antragsgegnerin habe den Abschluss des [X.] nicht bewiesen, so dass ihr [X.] zurückzuweisen sei, hält rechtlicher Nachprüfung dagegen nicht stand.

aa) Das Rechtsbeschwerdegericht ist unbeschränkt dazu befugt, einen Schiedsspruch auszulegen; das gilt auch für ausländische Schiedssprüche ([X.], Beschluss vom 30. November 2011 - [X.], [X.] 2012, 41 Rn. 8). Dabei kann zwar gegebenenfalls im Hinblick auf das für das Schiedsverfahren maßgebliche Sachrecht die Ermittlung ausländischen Rechts oder ausländischer Rechtspraxis gemäß § 293 ZPO erforderlich werden. Geht es jedoch allein um die Frage, ob das Schiedsgericht im Schiedsspruch eine bestimmte tatsächliche Feststellung getroffen hat, ist die Auslegung des Schiedsspruchs regelmäßig ohne Rückgriff auf das gegebenenfalls anwendbare ausländische Recht möglich.

So liegt der Fall hier. Der Beschluss des [X.]s beruht auf der Erwägung, der Antragsgegnerin stehe die Aufrechnungsforderung nicht zu, weil sich diese allein aus dem Globalvertrag ergeben könne, dessen Abschluss das Schiedsgericht nicht als erwiesen erachtet habe. Fraglich ist danach allein, ob das Schiedsgericht eine bestimmte tatsächliche Feststellung getroffen hat.

bb) Das [X.] hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die von ihm zur Begründung seiner Auffassung herangezogene Textpassage im Gesamtzusammenhang des Schiedsspruchs auszulegen. Es ist deshalb zu einem rechtsfehlerhaften Auslegungsergebnis gelangt.

Gleich zu Beginn der Ausführungen, in denen sich das Schiedsgericht mit dem [X.] der Antragsgegnerin befasst, führt es unmissverständlich aus, dass es sich für unzuständig hält, über die Aufrechnung zu entscheiden (S. 10 der Übersetzung des Schiedsspruchs). Den Grund für seine fehlende Zuständigkeit zu dieser Entscheidung sieht das Schiedsgericht darin, dass der zur Aufrechnung gestellte Anspruch nicht in die von der [X.] und der Antragsgegnerin vereinbarte Schiedsklausel einbezogen sei. Weiter heißt es:

Sollte das Schiedsgericht somit - obwohl die von den [X.]en vereinbarte Schiedsklausel die Einrede der Aufrechnung nicht einbezieht - über diese Einrede erkennen (über das Bestehen der Forderung der [X.] gegenüber der Klägerin sowie über die Voraussetzungen für deren wirksame Aufrechnung gegen die mit der Klage geltend gemachte Forderung der Klägerin entscheiden) würde es damit über (den) Zuständigkeitsbereich für die Erkennung der Sache hinausgehen, was … die Aufhebung des Urteils dieses Gerichts zur Folge haben könnte. …

Die Unzulässigkeit der Entscheidung über die von der [X.] erhobene Einrede der Aufrechnung durch das hiesige Gericht … (lässt) das Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung, auf die sich die Beklagte beruft, unberührt. Die Beklagte kann diese Forderung, auf die sich die Schiedsvereinbarung nicht bezieht, separat, in einschlägigen Verfahren und vor ordentlichen Gerichten geltend machen.

Auf der nächsten Seite der Übersetzung des Schiedsspruchs stellt das Schiedsgericht fest, dass zwischen der [X.] und der Antragsgegnerin die Verträge vom 10. Oktober 2007 - [X.]/272819315/[X.] und [X.]/272819315/[X.] - abgeschlossen worden sind, auf die die [X.] ihre Hauptforderung stützte. Hingegen habe die [X.] den Abschluss des [X.]s ("Global 10/2007") bestritten. Daraus ergibt sich, dass das Schiedsgericht den Globalvertrag, der nach Auffassung der Antragsgegnerin Grundlage für ihren zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch ist, als "[X.]" bezeichnet.

Das Schiedsgericht führt dann aus:

Die … Behauptungen der [X.], dass die Verträge vom 10. Oktober 2007 nicht eigenständig waren, sondern die Erfüllung des sog. [X.]s darstellten, der die gegenseitigen Geschäftsverhältnisse zwischen den [X.]en (als ein Rahmenvertrag) regeln sollte, sind zu verwerfen, und zwar aus nachfolgenden Gründen:

Das hiesige Gericht ist nicht zuständig, den [X.], darunter seinen eventuellen Abschluss und den Rücktritt durch die Beklagte sowie die Folgen der Vornahme solcher Handlungen zu beurteilen. Der Inhalt der Schiedsklausel, die als Grundlage der Zuständigkeit des Gerichts in der vorliegenden Sache gilt, bezieht sich ausdrücklich nur auf Rechtsverhältnisse, die sich aus den zwei o.g. [X.] ergeben und bezieht sich keinesfalls (kann nicht erstreckt werden) auf Rechtsverhältnisse aus anderen Verträgen.

Anschließend erörtert das Schiedsgericht Vortrag der Antragsgegnerin, wonach es für den [X.] nicht zuständig sei. Daran schließt sich die vom [X.] tragend herangezogene Textpassage an:

Die Forderung, dass dieses Gericht doch über diese Sache und in diesem Umfang erkennt, ist nicht nur inkonsequent, sondern auch unmöglich, da die Beklagte nach Ansicht des hiesigen Gerichts nicht bewies, dass die vertraglichen Beziehungen der [X.]en in Wirklichkeit durch den [X.] gestaltet wurden. …

Der Vorwurf der Inkonsequenz bezieht sich danach darauf, dass die Antragsgegnerin dem Schiedsgericht einerseits die Befugnis abgesprochen habe, über Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Globalvertrag zu entscheiden, andererseits aber vom Schiedsgericht eine Entscheidung über die Aufrechnung einer Schadensersatzforderung verlange, die sich aus dem Globalvertrag ergeben solle. Soweit das Schiedsgericht hier außerdem von der Gestaltung der "vertraglichen Beziehungen der [X.]en" spricht, bezieht sich diese Formulierung, wie die Antragsgegnerin zu Recht geltend macht, nach ihrem Gesamtzusammenhang und bei sinnvoller, widerspruchsfreier Auslegung des Schiedsspruchs allein auf die zur Begründung der [X.] herangezogenen Verträge vom 10. Oktober 2007.

Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die weiteren Erwägungen des Schiedsgerichts bestätigt. Im [X.] an die vom [X.] zitierte Textpassage heißt es:

Es ist darauf hinzuweisen, dass in beiden o.g. [X.] festgehalten worden ist, dass es sich dabei um autonome Rechtsverhältnisse handelt, und andere hat es zwischen [X.]en nicht gegeben, was ohne jegliche Zweifel davon zeugt, dass zwischen den [X.]en in dem in dieser Streitigkeit einbezogenen Umfang keine andere vertragliche Verpflichtung entstand.

Auch diese Erwägung macht deutlich, dass mit "die vertraglichen Beziehungen der [X.]en" in der vom [X.] zitierten Textpassage die Verträge vom 10. Oktober 2007 gemeint waren, für die allein die Schiedsklausel gilt, und dass insoweit, das heißt im Umfang der sich aus diesen beiden Verträgen ergebenden, von der [X.] im Schiedsverfahren geltend gemachten Forderungen, keine andere vertragliche Verpflichtung zwischen der Antragsgegnerin und der [X.] entstand. Die schwer verständliche, möglicherweise durch einen Übersetzungsmangel beeinflusste Einfügung "und andere hat es zwischen [X.]en nicht gegeben" steht dieser Auslegung nicht entgegen. Sie befasst sich nach ihrem Zusammenhang keinesfalls über die Verträge vom 10. Oktober 2007 hinaus mit anderen möglicherweise bestehenden Rechtsverhältnissen zwischen der [X.] und der Antragsgegnerin. Da die Verträge vom 10. Oktober 2007 in [X.] abgefasst waren, liegt nicht fern, dass mit der Einfügung "und andere hat es zwischen [X.]en nicht gegeben" die in englischsprachigen Vertragstexten häufige Klausel "Entire agreement" gemeint sein sollte, wonach sämtliche Vereinbarungen der [X.]en, die sich auf einen bestimmten Vertrag beziehen, in dem Vertragsdokument selbst enthalten sein müssen (zu dieser Klausel vgl. etwa [X.], [X.], 670 Rn. 6; KG, [X.] 2010, 913).

cc) Für die vom [X.] vertretene Auslegung spricht auch nicht seine Erwägung, die Antragsgegnerin habe sich im Schiedsverfahren damit verteidigt, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthielten eine sogenannte [X.], so dass entgegenstehende (die Schiedsklausel enthaltende) Allgemeine Geschäftsbedingungen der [X.] in den [X.] nicht hätten einbezogen werden können; die Frage des Abschlusses des (auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin verweisenden) [X.] sei damit auch für die Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichts von wesentlicher Bedeutung gewesen.

Aus dem Schiedsspruch (Seite 12 der Übersetzung) ergibt sich am Ende des Absatzes, dem das [X.] die von ihm zitierte Textpassage entnommen hat, dass das Schiedsgericht den Hinweis der Antragsgegnerin auf die [X.] in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mangels Abschlusses des [X.] für unerheblich hielt. Es hat insoweit ausgeführt:

Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Anlage zu den [X.] die von der Klägerin angewandten Allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellten, die, wie oben ausgeführt, von der [X.] ausdrücklich akzeptiert wurden. Durch ihre wirksame Eingliederung in die geschlossenen Verträge kann von dem [X.] im Sinne des Art. 3854 § 1 Zivilgesetzbuch keine Rede sein. In dem Fall, wenn die beiden Geschäftspartner damit einverstanden waren, dass in den nicht geregelten Angelegenheiten das Vertragsmuster eines von ihnen anwendbar ist, werden die [X.]en auch durch dieses Muster gebunden.

Bei dieser Begründung des Schiedsgerichts kam es auf die Frage des Abschlusses des [X.] entgegen der Ansicht des [X.]s nicht an. Entscheidend war für das Schiedsgericht vielmehr allein, dass die Verträge vom 10. Oktober 2007 eigenständige Regelungen darstellten, für die die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der [X.] von der Antragsgegnerin ausdrücklich akzeptiert worden waren.

dd) Das [X.] meint weiter, sein Auslegungsergebnis werde auch durch die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung gestützt, materiell hätten sich die [X.] Gerichte mit der Globalvereinbarung nicht auseinandergesetzt, sie hätten lediglich ausgeschlossen, dass die Globalvereinbarung der Schiedsvereinbarung entgegenstehe. Diese Überlegung des [X.]s ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen nicht nachvollziehbar. Die Globalvereinbarung stand der Schiedsvereinbarung nach Auffassung des Schiedsgerichts und der [X.] Gerichte deshalb nicht entgegen, weil die Verträge vom 10. Oktober 2007 eine eigene, die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründende Schiedsklausel enthielten und selbständige, von der Globalvereinbarung unabhängige Regelungen waren.

III. Danach ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Der [X.] kann nicht in der Sache entscheiden, weil das [X.] keine eigenen Feststellungen über den Abschluss des [X.], eine mögliche Verletzung dieses Vertrags durch die [X.] sowie die Höhe eines sich daraus etwa ergebenden Schadensersatzanspruchs der Antragsgegnerin getroffen hat.

Soweit es in diesem Zusammenhang auf eine Übersetzung in [X.] abgefasster Schriftstücke in die [X.] ankommen sollte, wird darauf hingewiesen, dass es den etwa bei den Institutionen der [X.] herrschenden Gepflogenheiten entspricht, in die Muttersprache und nicht aus der Muttersprache zu übersetzen. Wie die Antragsgegnerin zu Recht geltend macht, weisen die hier vorgelegten Übersetzungen des Schiedsspruchs und der Urteile [X.] Gerichte, bei denen diese Übung nicht beachtet worden ist, deutliche Schwächen auf, die allerdings die für den vorliegenden Beschluss erforderliche Auslegung dieser Urkunden nicht in entscheidungserheblicher Weise beeinflusst haben.

[X.]                         [X.]                             Löffler

                Schwonke                          [X.]

Meta

I ZB 76/15

31.03.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 24. Juli 2015, Az: 11 Sch 2/13, Beschluss

§ 293 ZPO, § 1062 Abs 1 Nr 4 Alt 2 ZPO, § 1065 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.03.2016, Az. I ZB 76/15 (REWIS RS 2016, 13735)

Papier­fundstellen: WM 2016, 1706 REWIS RS 2016, 13735

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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