Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.05.2010, Az. 8 AZR 977/08

8. Senat | REWIS RS 2010, 6429

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2008 - 4 [X.]/08 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2008 - 17 [X.] 4181/07 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird in vollem Umfange abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. September 2005 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der [X.]läger war seit dem Jahre 2003 bei der [X.]eklagten als „Director General Technology Strategy [X.]anagement“ beschäftigt, zuletzt im [X.]ereich „Com [X.]D ([X.]obile Devices)“. Aufgrund eines Vertrages vom 6. Juni 2005 mit der [X.] (Sitz in [X.]) übertrug die [X.]eklagte mit Wirkung vom 30. September 2005 die Vermögensgegenstände dieses Geschäftsbereiches in [X.] im Wege der Einzelrechtsübertragung („Asset Deal“) auf die [X.] (im Folgenden: [X.]). Diese Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30. August 2005 gegründet. Gesellschafter waren die [X.] [X.]anagement GmbH und die [X.] Am 16. September 2005 wurde die [X.] in das Handelsregister beim [X.] eingetragen. Die beiden Gesellschafter der [X.] verfügten über ein Stammkapital von jeweils 25.000,00 Euro. Im Zusammenhang mit der Übertragung der Vermögensgegenstände von der [X.]eklagten auf die [X.] zahlte die [X.]eklagte an die [X.] einen dreistelligen [X.]illionenbetrag.

3

Die [X.]eklagte informierte mit Schreiben vom 29. August 2005 die [X.]itarbeiter des Geschäftsbereiches „Com [X.]D“ ([X.]obile Devices) über die „Übertragung der Aktivitäten“ dieses „[X.]“. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:

        

„Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses           

        

Sehr geehrter Herr …

        

wie Ihnen bereits durch verschiedene [X.] bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes Com [X.]D ([X.]obile Devices) zum 01.10.2005 in die [X.] GmbH & Co. OHG (im Folgenden: [X.]) übertragen.

        

[X.] ist ein weltweit führender Anbieter von [X.], wie beispielsweise [X.], [X.], [X.]ameras und Scannern. [X.]nd im Handygeschäft wird [X.] in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.

        

In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt [X.] schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im [X.]. Durch den Zusammenschluss mit [X.] kann [X.] seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. [X.] bietet [X.] eine globale Organisation mit führenden [X.]arktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält [X.] durch den [X.]auf einen starken, weltweit bekannten [X.]arkennamen, [X.]obiltelefontechnologie und Softwarekompetenz sowie globalen Zugang zu der breiten [X.]undenbasis von [X.]. Daneben bekommt [X.] einen auf drei [X.]ontinenten hervorragend etablierten Fertigungsverbund von [X.].

        

Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt auf Grund eines [X.]aufvertrags im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf [X.]. [X.]it diesem [X.]etriebsübergang wird gem. § 613a [X.]G[X.] [X.] Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der [X.] AG eintritt. Es wird also anlässlich des [X.]etriebsübergangs - sofern nicht in der Überleitungsvereinbarung andere Regelungen getroffen sind - unverändert mit [X.] fortgeführt (insbesondere keine Veränderungen bei dem jeweiligen Einkommenssystem, Altersversorgung, Jubiläumsregelung, Dienstzeitregelung).

        

Die Höhe und Zusammensetzung des bisherigen Jahreszieleinkommens bleibt anlässlich des [X.]etriebsübergangs unverändert.

        

Im Einzelnen gilt für Sie die beiliegende, mit dem Gesamtbetriebsrat der [X.] AG vereinbarte Regelung zur Überleitung der [X.]eschäftigungsbedingungen (Überleitungsvereinbarung), die [X.]estandteil dieses Schreibens ist.

        

Die bestehenden [X.] und örtlichen [X.]etriebsvereinbarungen gelten bis zu einer eventuellen Neuregelung weiter, sofern in der Überleitungsvereinbarung nichts Abweichendes geregelt ist.

        

[X.] haftet ab dem Zeitpunkt des [X.]etriebsübergangs unbeschränkt für alle, auch die rückständigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

        

Zusätzlich haftet die [X.] AG für solche Verpflichtungen, die vor dem [X.]etriebsübergang entstanden sind und spätestens ein Jahr danach fällig werden; soweit sie nach dem 1.10.2005 fällig werden, haftet sie nur zeitanteilig.

        

Eine [X.]ündigung wegen des [X.]etriebsübergangs ist gesetzlich gem. § 613a Abs. 4 [X.]G[X.] ausgeschlossen; das Recht zu [X.]ündigungen aus anderen Gründen bleibt unberührt.

        

Sie werden auch nach dem 1.10.2005 durch Ihren bisherigen [X.]etriebsrat weiter betreut; an den Standorten in [X.], [X.] und [X.] / G Strasse gilt dies solange, bis durch Neuwahlen eigene [X.]etriebsratsgremien gewählt sind, längstens bis zum 31.1.2006.

        

Für den Standort [X.] wurde der örtliche [X.]etriebsrat informiert, dass an diesem Standort aufgrund von Produktivitätssteigerungen in der Fertigung der Abbau von ca. 340 [X.]itarbeitern im [X.]ereich der Lohngruppen 2 bis 7 geplant ist.

        

Dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf [X.] können Sie nach § 613 a Abs. 6 [X.]G[X.] schriftlich widersprechen. Ihr Widerspruch hätte zur Folge, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf [X.] übergeht. Wir möchten Sie jedoch bitten, von diesem Recht nur nach sorgfältiger Abwägung Gebrauch zu machen, denn Ihr Widerspruch sichert Ihnen keinen Arbeitsplatz bei der [X.] AG, da die Com [X.]D - Aktivitäten vollständig auf [X.] übertragen werden und damit diese Arbeitsplätze bei der [X.] AG entfallen, so dass es letztlich zu betriebsbedingten [X.]eendigungen des Arbeitsverhältnisses kommen kann.

        

Sollten Sie trotz dieser Überlegungen dennoch widersprechen wollen, bitten wir darum, Ihren etwaigen Widerspruch unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 1 [X.]onat nach Zugang dieses Schreibens schriftlich an

                 
        

Herrn R [X.], Com HR CG, [X.]

        

oder an

        

Herrn Dr. V E, [X.]

        

zu richten.

        

Für Fragen steht Ihnen Ihre Personalorganisation gerne zur Verfügung.

        

Wir würden uns freuen, wenn Sie mit gleichem Arbeitseinsatz und hoher [X.]otivation Ihre Arbeit bei [X.] weiterführen und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

        

…       

        

Anlage           

        

Überleitungsregelung AT / F[X.]“

4

Der [X.]läger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] zunächst nicht. Am 9./10. August 2006 schloss er mit dieser einen Aufhebungsvertrag zum 30. November 2006. Als Abfindung sollte er 48.500,00 Euro erhalten.

5

Nachdem die [X.] am 29. September 2006 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte, wurde dieses zum 1. Januar 2007 eröffnet. Der [X.]läger hatte mit Schreiben vom 28. September 2006 gegenüber der [X.]eklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen.

6

Der [X.]läger meint, er sei auch noch im September 2006 berechtigt gewesen, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.]G[X.] durch die [X.]nterrichtung der [X.]eklagten über den [X.]etriebsübergang nicht in Gang gesetzt worden sei. Diese [X.]nterrichtung habe nämlich nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 [X.]G[X.] entsprochen. So sei er insbesondere nicht über die Identität der [X.]etriebserwerberin und den Grund des [X.]etriebsübergangs unterrichtet worden.

7

Der [X.]läger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt,

        

es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des [X.]lägers mit der [X.]eklagten aufgrund des Widerspruchs vom 28. September 2006 über den 1. Oktober 2005 hinaus fortbesteht.

8

Die [X.]eklagte hat [X.]lageabweisung beantragt.

9

Sie ist der Ansicht, den [X.]läger mit Schreiben vom 29. August 2005 ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 [X.]G[X.] über den beabsichtigten [X.]etriebsübergang unterrichtet zu haben. Deshalb sei der Widerspruch des [X.]lägers mit Schreiben vom 28. September 2006 wegen Ablaufs der einmonatigen Widerspruchsfrist verspätet. Auf jeden Fall sei das Recht zum Widerspruch aber verwirkt. Auch habe der [X.]läger durch den Abschluss des [X.] mit der [X.] auf sein Widerspruchsrecht verzichtet.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und die [X.]lage auf Vergütung, [X.]rlaubsabgeltung und Jahressonderzahlung abgewiesen. Nachdem der [X.]läger seine [X.] im [X.]erufungsverfahren zurückgenommen hatte, hat das [X.] die [X.]erufung der [X.]eklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

[X.]it ihrer Revision verfolgt die [X.]eklagte ihren [X.]lageabweisungsantrag weiter, während der [X.]läger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Zwischen den Parteien besteht über den 30. September 2005 hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses war gem. § 613a Abs. 1 [X.] auf die [X.] übergegangen. Der vom Kläger am 28. September 2006 gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses erklärte Widerspruch ist wegen Verwirkung unwirksam.

A. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Berufung der Beklagten sei unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis des [X.] wegen eines wirksamen Widerspruchs nicht auf die [X.] übergegangen sei. Der Widerspruch des [X.] vom 28. September 2006 sei nicht verspätet gewesen, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] aufgrund einer nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 [X.] genügenden Unterrichtung durch die Beklagte über den beabsichtigten Betriebsübergang nicht in Gang gesetzt worden sei. So enthalte das Unterrichtungsschreiben vom 29. August 2005 nicht die Anschrift der Betriebsübernehmerin. Außerdem fehle es an der Angabe des Grundes für den Übergang (§ 613a Abs. 5 Nr. 2 [X.]).

Das Widerspruchsrecht des [X.] sei nicht verwirkt oder entsprechend § 144 [X.] als ausgeschlossen anzusehen. Es könne offenbleiben, ab wann das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche [X.] zu laufen beginne, weil es selbst bei der Annahme der Erfüllung des [X.]s am Umstandsmoment fehle. So ergebe sich ein solches nicht allein aus der Weiterarbeit des [X.] bei der [X.]. Dass der Kläger durch den Abschluss des [X.] mit der [X.] gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, sich endgültig (auch) aus den Rechtsbeziehungen mit ihr zu lösen, sei nicht anzunehmen. Dies würde voraussetzen, dass der Kläger in Kenntnis vom Bestehen seines Widerspruchsrechts gehandelt hätte und er davon hätte ausgehen müssen, die Beklagte werde Kenntnis von seiner vertraglichen Ausscheidensregelung mit der [X.] erhalten oder bereits haben. An diesen beiden Voraussetzungen fehle es. Aus den gleichen Gründen sei auch das Widerspruchsrecht des [X.] nicht in entsprechender Anwendung des § 144 [X.] ausgeschlossen.

B. Die Entscheidung des [X.]s hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. September 2005 hinaus fortbesteht, ist unbegründet.

I. In einer Reihe von gleichgelagerten Fällen hat der [X.] entschieden, dass das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom 29. August 2005 über den beabsichtigten [X.] auf die [X.] den Anforderungen des § 613a Abs. 5 [X.] nicht genügt (vgl. 25. Februar 2010 - 8 [X.] -; 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 114 und 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 113).

II. Die unzulängliche Unterrichtung durch die Beklagte hatte die einmonatige Widerspruchsfrist für den Kläger (§ 613a Abs. 6 Satz 1 [X.]) nicht in [X.] gesetzt (st. Rspr., vgl. [X.] 22. Januar 2009 - 8 [X.] - mwN, [X.] § 613a Unterrichtung Nr. 4 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 105), so dass sein Widerspruch vom 28. September 2006 nicht verspätet war.

III. Das Recht des [X.] zum Widerspruch war zum Zeitpunkt seiner Ausübung am 28. September 2006 jedoch verwirkt.

1. Der [X.] hat bereits mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirken kann (vgl. zB 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 113).

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 [X.]). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat ([X.]). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

Schon nach der Rechtsprechung des [X.] vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 [X.] konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der [X.] im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von [X.] und Glauben ausgeübt werden kann (15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, [X.], 289 = [X.] § 613a Nr. 320 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 64).

Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des [X.]s nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei ([X.]. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles ([X.] 15. Februar 2007 - 8 [X.] - [X.], 289 = [X.] § 613a Nr. 320 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können ([X.] 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 114). Außerdem ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit [X.] und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen ([X.] 15. Februar 2007 - 8 [X.] - mwN, aaO).

2. Die Voraussetzungen für eine Verwirkung liegen im Streitfall vor.

a) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt zwar grundsätzlich den [X.]en, die den ihnen zur Begründung des [X.] vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben (vgl. [X.] 17. Januar 2007 - 7 [X.] - [X.] AÜG § 10 Fiktion Nr. 116). Vom Revisionsgericht ist das Berufungsurteil jedoch darauf zu überprüfen, ob das [X.] die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. [X.] 12. Dezember 2006 - 9 [X.] - mwN, EzA [X.] 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1).

b) Vorliegend ist dem [X.] ein - auch revisionsrechtlich zu beachtender - Rechtsfehler unterlaufen. Es hat nämlich die Voraussetzungen für das Vorliegen des [X.], welches zusammen mit dem [X.] zur Verwirkung des Widerspruchsrechts führen kann, verkannt.

c) [X.] ist erfüllt.

Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche [X.] beginnt nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen. Damit setzt auch nicht erst die Kenntnis des Arbeitnehmers von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung die Frist für die Beurteilung des Vorliegens des [X.]s in [X.]. Bei dem [X.] handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgeschriebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. [X.] geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei der das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind (vgl. [X.] 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106).

Erfolgt die Prüfung entsprechend diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte [X.] einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch der jeweilige Informationsstand des Berechtigten gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Grundsätzlich ist der gesamte Zeitablauf seit der Rechtsentstehung von Bedeutung, im Falle der Beklagten jedenfalls der Zeitraum ab Ende September 2005, weil zu diesem Zeitpunkt die aus ihrer Sicht durch ihr Unterrichtungsschreiben vom 29. August 2005 in Gang gesetzte gesetzliche einmonatige Widerspruchsfrist (§ 613a Abs. 6 Satz 1 [X.]) für den Kläger ablief.

Der Kläger hat sein Widerspruchsrecht erst fast ein Jahr nach dem vollzogenen Betriebsübergang am 1. Oktober 2005 ausgeübt, nämlich mit Schreiben vom 28. September 2006. Vor Ablauf eines Monats nach der Unterrichtung in Schriftform muss der Arbeitgeber wegen der in § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] normierten Monatsfrist mit einem Widerspruch des Arbeitnehmers rechnen. Durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang gibt der Arbeitgeber grundsätzlich zu erkennen, dass er mit dieser die Widerspruchsfrist von einem Monat in Gang setzen will und nach Fristablauf die Erklärung von Widersprüchen nicht mehr erwartet ([X.] 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 113).

Dies gilt auch, wenn die Unterrichtung unvollständig oder fehlerhaft war. Der Zeitraum von 13 Monaten zwischen der Unterrichtung über den Betriebsübergang und der Erklärung des Widerspruchs und von fast einem Jahr nach Ablauf der gesetzlichen Widerspruchsfrist ist grundsätzlich geeignet, das Vorliegen des [X.]s zu bejahen und erfüllt im Streitfall insbesondere auch deshalb das [X.], weil der Kläger durch den Abschluss seines [X.] mit der [X.] ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hatte (vgl. [X.] 25. Februar 2010 - 8 [X.] - und 2. April 2009 - 8 [X.]/07 - [X.] § 613a Widerspruch Nr. 6).

d) Der Kläger hat durch sein Verhalten, insbesondere durch den Abschluss des [X.] mit der [X.] am 9./10. August 2006 das Umstandsmoment verwirklicht.

Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Das ist gegeben, wenn er aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers annehmen durfte, dieser habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den [X.] und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem [X.] disponiert hat (vgl. [X.] 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106; 20. März 2008 - 8 [X.], 1354).

Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer (zunächst) widerspruchslos beim [X.] weiterarbeitet und von diesem die Arbeitsvergütung entgegennimmt, stellt ebenso wenig eine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar (vgl. [X.] 27. November 2008 - 8 [X.]/07 -; 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - [X.] § 613a Nr. 347) wie Vereinbarungen mit dem [X.], durch welche einzelne Arbeitsbedingungen, zB Art und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung, Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden. Als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses stellen sich nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dar, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, zB Abschluss eines [X.] ([X.] 27. November 2008 - 8 [X.] - [X.] § 613a Nr. 363 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 106) bzw. die Hinnahme einer vom [X.] ausgesprochenen Kündigung ([X.] 24. Juli 2008 - 8 [X.]/07 - aaO), oder durch welche das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; [X.] 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 113).

Aufgrund des Abschlusses des [X.] zwischen dem Kläger und der [X.] am 9./10. August 2006 durfte die Beklagte davon ausgehen, der Kläger werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben (Erfüllung des [X.]).

e) Es ist entgegen der Auffassung des [X.]s unerheblich, ob und gegebenenfalls ab wann die Beklagte von dem Abschluss des [X.] Kenntnis hatte.

Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle vom Kläger verwirklichten [X.] bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen [X.] und [X.] sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der [X.] als neuer Arbeitgeber mit Erfolg auf [X.] berufen könnte, diese auch der [X.] als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen darf.

Die Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 [X.] trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Betriebsinhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, legt dies nahe, [X.] und [X.] auch hinsichtlich des Informationsstandes zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der [X.] 2001/23/[X.] fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 [X.] der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber ([X.]) als auch gegenüber dem neuen Inhaber ([X.]) erklären darf. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von [X.] und [X.] als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a [X.], insbesondere in dessen Abs. 6, „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 [X.]). Neuer und alter Arbeitgeber dürfen sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist ([X.] 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA [X.] 2002 § 613a Nr. 113).

f) [X.] ist die Annahme des [X.], die Beklagte habe sich wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung über den [X.] nicht darauf verlassen dürfen, der Kläger werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben, so dass die Berufung der Beklagten auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts ihrerseits gegen [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) verstoßen würde. Folgte man dieser Überlegung des [X.], würde das zu einem widersinnigen Ergebnis führen. Einerseits behielte der Kläger sein Widerspruchsrecht deshalb länger als in § 613a Abs. 6 Satz 1 [X.] normiert (einen Monat ab Zugang der Unterrichtung), weil die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß war. Andererseits könnte das Widerspruchsrecht deshalb nicht verwirken, weil der Kläger nicht entsprechend den Vorgaben des § 613a Abs. 5 [X.] unterrichtet worden war. Dies hätte zur Folge, dass - entgegen der Rechtsprechung - die Verwirkung des Rechts zum Widerspruch im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung durch den alten Arbeitgeber in der Regel nicht eintreten könnte. Dies widerspräche jedoch dem Grundsatz, dass jedes Recht verwirken kann.

Anderes könnte nur dann gelten, wenn für die Beklagte handelnde Mitarbeiter den Kläger in [X.] in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise (§ 826 [X.]) im Rahmen des § 613a Abs. 5 [X.] falsch unterrichtet hätten. Wem ein solcher Vorwurf zu machen wäre, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger jedoch nicht vorgetragen.

g) Eine Berufung der Beklagten auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts könnte allerdings dann gegen [X.] und Glauben verstoßen und damit unzulässig sein, wenn die [X.] sich ihrerseits deshalb nicht mit Erfolg auf die Verwirkung berufen könnte, weil sie den Kläger treuwidrig zum Abschluss des [X.] vom 9./10. August 2006 veranlasst und damit das Umstandsmoment unter Verstoß gegen § 242 [X.] herbeigeführt hätte. Für das Vorliegen eines solchen Verstoßes trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast, wenn er sich auf die Nichtverwirklichung des [X.] berufen will ([X.] 25. Februar 2010 - 8 [X.] -).

Für eine solche Darlegung wäre es erforderlich, dass der Kläger vorgetragen hätte, die für die [X.] handelnden Personen, welche ihn zum Abschluss des [X.] veranlasst hatten, hätten bei Abschluss desselben gewusst, dass die [X.] wegen der sich abzeichnenden Insolvenz die vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen werde. Das hat der Kläger aber weder konkret dargelegt noch ist solches aus dem Akteninhalt erkennbar. Auch betrachtet der Kläger selbst den Aufhebungsvertrag offensichtlich nach wie vor als wirksam. Insbesondere hat er seine auf Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht nach § 123 Abs. 1 [X.] angefochten.

C. Der Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Döring    

        

    Schuckmann    

                 

Meta

8 AZR 977/08

20.05.2010

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 26. Februar 2008, Az: 17 Ca 4181/07, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.05.2010, Az. 8 AZR 977/08 (REWIS RS 2010, 6429)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6429

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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