Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.01.2022, Az. 25 W (pat) 540/21

25. Senat | REWIS RS 2022, 1845

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Streichglück (Wortmarke)/Streich(Wortmarke)/Streich (Unionswortmarke))" – Entscheidung über die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens - Zurückverweisung an das Deutsche Patent-und Markenamt ohne eigene Sachentscheidung des Senates


Tenor

In der Beschwerdesache

…       

betreffend die Marke 30 2018 027 095

(hier: Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Aussetzung des Widerspruchsverfahrens)

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 24. Januar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, des [X.] Dr. [X.] und der Richterin k. A. Fehlhammer

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des [X.] vom 16. Dezember 2020 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung des Widerspruchsverfahrens an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Das am 14. November 2018 angemeldete Zeichen

2

Streichglück

3

ist am 26. Februar 2019 unter der Nummer 30 2018 027 095 als Wortmarke in das beim [X.] geführte Markenregister für verschiedene Waren der Klassen 29, 30 und 32 eingetragen worden.

4

Gegen die Eintragung der am 29. März 2019 veröffentlichten Marke hat die Beschwerdegegnerin jeweils am 14. Juni 2019 Widerspruch aus ihren folgenden prioritätsälteren, für Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 30 und 43 eingetragenen Marken erhoben:

5

1. [X.] 004 010

Abbildung

6

2. [X.] 2011 048 722, Wortmarke "Streich" und

7

3. UM 010 468 081, Wortmarke "Streich".

8

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Oktober 2020 Anträge auf Löschung der Eintragung u. a. der drei [X.] wegen Nichtigkeit aufgrund absoluter Schutzhindernisse und/oder wegen Verfalls aufgrund Nichtbenutzung gestellt. Mit Schriftsatz vom 6. November 2020 hat sie gegenüber dem [X.] deshalb beantragt, das Widerspruchsverfahren gemäß § 32 Abs. 2 [X.] auszusetzen. Die Markenstelle für Klasse 30 des [X.]s hat den Verfahrensbeteiligten mit Schreiben vom 16. Dezember 2020, das von einer Beamtin des gehobenen Dienstes stammt, mitgeteilt, dass das Widerspruchsverfahren nicht ausgesetzt werde. Zur Begründung ist wörtlich ausgeführt:

9

"Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann ein Widerspruchsverfahren ausgesetzt werden, wenn dies ‚sachdienlich‘ ist. Nach Rücksprache mit der zuständigen Markenprüferin wird das Verfahren nicht ausgesetzt und nun beschlussreif vorgelegt. Zur möglichen abschließenden Stellungnahme wird Ihnen eine Frist von einem Monat nach Empfang dieses Schreibens gewährt."

Das Schreiben vom 16. Dezember 2020 war nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen.

Hiergegen wendet sich die Inhaberin der angegriffenen Marke mit ihrer Beschwerde vom 22. März 2021. Sie führt hierzu aus, dass - auch wenn das Schreiben vom 16. Dezember 2020 nicht die Form eines Beschlusses aufweise - die Beschwerde statthaft sei, da die Markenstelle in der Sache über den Aussetzungsantrag entschieden habe. Auf die Form der angegriffenen Entscheidung komme es nicht an. Wegen der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung habe die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 66 Abs. 2 [X.] nicht zu laufen begonnen. Die Jahresfrist sei eingehalten, so dass die Beschwerde fristgerecht eingelegt worden sei. Sie sei auch begründet. Vorliegend sei das Widerspruchsverfahren nach § 32 Abs. 2 [X.] auszusetzen, da gegen die [X.] bzw. [X.] anhängig seien. Auf diesen Aussetzungsgrund sei die Markenstelle in der angegriffenen Entscheidung jedoch nicht eingegangen. Insbesondere sei nicht dargelegt worden, dass die [X.] ohne Aussicht auf Erfolg seien. Tatsächlich sei der angegriffenen Entscheidung keine Ermessensausübung zu entnehmen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 vom 16. Dezember 2020 aufzuheben und dem Antrag auf Aussetzung des Widerspruchsverfahrens stattzugeben.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen und/oder als unbegründet zurückzuweisen.

Sie stellt die Zahlung der [X.] in Abrede. Darüber hinaus sei die Beschwerde auch unbegründet. Eine Aussetzung sei vorliegend nicht zwingend veranlasst, da die Widersprechende den [X.]n der Inhaberin der angegriffenen Marke entgegengetreten sei. Eine Löschung der Eintragung der [X.] wegen Verfalls komme nicht in Betracht. Insoweit sei auf die [X.] zu verweisen, die die Widersprechende im Widerspruchsverfahren nach der Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung vorgelegt habe. Die Löschung der Eintragung der Widerspruchsmarke [X.] 004 010

Abbildung

wegen absoluter Schutzhindernisse sei nach § 50 Abs. 2 Satz 3 [X.] ausgeschlossen. Weiterhin sei gegenwärtig keine für das vorliegende Widerspruchsverfahren relevante Rechtsfrage Gegenstand eines Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Das von der Inhaberin der angegriffenen Marke eingelegte Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Die angegriffene Entscheidung vom 16. Dezember 2020 ist ein Beschluss im materiellen Sinne, gegen den das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist.

(1) Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] findet die Beschwerde unbeschadet der Vorschriften des § 64 [X.] gegen die Beschlüsse der Markenstellen und der [X.] statt. Dabei sind Beschlüsse im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] alle abschließenden Entscheidungen der Markenstellen und der [X.], die die Rechte von Verfahrensbeteiligten berühren können (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 66 Rn. 6).

Vorliegend hat die Markenstelle mit dem von einer Beamtin des gehobenen Dienstes stammenden Schreiben vom 16. Dezember 2020 den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, dass das Verfahren nicht ausgesetzt werde. Sie hat damit eine abschließende Entscheidung getroffen, auch wenn sie in dem genannten Schreiben zugleich eine Schriftsatzfrist für eine etwaige Stellungnahme einräumte. Die Gewährung einer Schriftsatzfrist lässt zwar grundsätzlich vermuten, dass die Markenstelle beabsichtigte, eine abschließende Entscheidung erst nach dem Ablauf dieser Frist und ggf. unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten zu treffen. Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut des Schreibens vom 16. Dezember 2020 nicht eindeutig, ob sich die eingeräumte Schriftsatzfrist auch auf die Frage der Aussetzung des Verfahrens beziehen sollte. Der Satz "Zur möglichen abschließenden Stellungnahme wird Ihnen eine Frist von einem Monat nach Empfang dieses Schreibens gewährt" befindet sich hinter der Feststellung "Nach Rücksprache mit der zuständigen Markenprüferin wird das Verfahren nicht ausgesetzt und nun beschlussreif vorgelegt", so dass sich die Möglichkeit einer Stellungnahme auch auf die Vorlage bei der zuständigen Markenprüferin beziehen kann. Folglich können die Verfahrensbeteiligten das Schreiben so verstehen, dass ihnen lediglich eine letzte Gelegenheit gegeben werden sollte, zur Frage der Verwechslungsgefahr vorzutragen, zumal die Markenstelle ausweislich des Einleitungssatzes "zu Ihrem Antrag auf Aussetzung vom 06.11.2020 teile ich Ihnen mit, dass das Widerspruchsverfahren zu [X.] im Betreff genannten [X.] insbesondere hinsichtlich der [X.] nicht zurückgestellt/ausgesetzt wird" bereits gesetzte Fristen nicht ändern wollte. Ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont lässt sich das Schreiben vom 16. Dezember 2020 damit auch dahingehend auslegen, dass die Markenstelle den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens abschließend zurückgewiesen und nicht beabsichtigt hat, erst nach Ablauf der gewährten Monatsfrist über die Aussetzung zu entscheiden.

(2) Die Beschwerde richtet sich vorliegend gegen eine Entscheidung der Markenstelle, die die Rechte der Verfahrensbeteiligten berühren kann, da die Ablehnung der Aussetzung unter Zugrundelegung der Wirksamkeit der [X.] zu einer für die Inhaberin der angegriffenen Marke unzutreffenden Widerspruchsentscheidung führen kann.

(3) [X.] der Beschwerde wird auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass das Schreiben vom 16. Dezember 2020 von einer Sachbearbeiterin und nicht von der zuständigen Prüferin stammt. Durch die Formulierung "Nach Rücksprache mit der zuständigen Markenprüferin wird das Verfahren nicht ausgesetzt und nun beschlussreif vorgelegt" wird deutlich, dass die Verfasserin des Schreibens die Entscheidung nicht selbst getroffen hat. Dies wird auch durch den Aktenvermerk vom 23. November 2020 erkennbar. Es handelt sich hierbei um eine Anfrage der Sachbearbeiterin bei der zuständigen Prüferin, ob "die Beschlussfassung bis zur endgültigen Erledigung der obigen Widerspruchsmarke(n) zurückgestellt wird?". Letztgenannte lehnt ausweislich des Aktenvermerk die Aussetzung ab und weist die Sachbearbeiterin an, die Verfahrensbeteiligten entsprechend zu informieren.

Gemäß § 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 [X.] können die Aufgaben der Markenstelle auch von einem Beamten des gehobenen Dienstes oder einem vergleichbaren Angestellten wahrgenommen werden. Bei der Unterzeichnerin des Schreibens vom 16. Dezember 2020 handelt es sich zwar um eine Beamtin des gehobenen Dienstes. Allerdings ist sie offensichtlich mangels einer entsprechenden Personalverfügung des [X.]s nicht befugt, im Rahmen des [X.], wozu auch das Widerspruchsverfahren gehört (vgl. [X.], 773, 775 - [X.]/[X.]), Beschlüsse gemäß § 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 [X.] zu fassen. Demzufolge hätte die Entscheidung über die Zurückweisung des [X.] von der hierfür zuständigen Prüferin getroffen werden müssen. Allerdings sind auch rechtlich unzulässige, gleichwohl in Beschlussform gekleidete Anordnungen des [X.]s beschwerdefähig. Wenn diese Behörde den äußeren Anschein einer abschließenden Entscheidung gesetzt hat, muss die Möglichkeit eröffnet sein, im Wege der Beschwerde diese Entscheidung zu beseitigen. Insoweit ist auch gegen einen unwirksamen Beschluss die Beschwerde statthaft (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 66 Rn. 7 m. w. N.).

(4) Weiterhin zählt die Entscheidung über die Aussetzung bzw. Nichtaussetzung des Widerspruchsverfahrens nach § 32 [X.] nicht zu den Entscheidungen, die kraft Gesetzes unanfechtbar sind (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 66 Rn. 10).

b) Fristgerecht wurden die Beschwerde eingelegt und die [X.] gezahlt.

Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 [X.] i. V. m. § 66 Abs. 2 [X.] ist auch die Beschwerde gegen eine Entscheidung der Markenstelle des [X.]s, die von einem Beamten des gehobenen Dienstes oder einem vergleichbaren Angestellten erlassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses einzulegen. Innerhalb der Rechtsmittelfrist ist zudem die [X.] in Höhe von 200,- Euro zu bezahlen (§ 82 Abs.1 Satz 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG i. V. m. Nr. 401 300 Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs. 1 PatKostG). Ansonsten gilt die Beschwerde nach § 82 Abs. 1 Satz 3 [X.] i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt.

Nachdem der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 vom 16. Dezember 2020 allerdings nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen war, konnte gegen ihn noch innerhalb der Jahresfrist des § 61 Abs. 2 Satz 3 [X.] Beschwerde erhoben werden. Sie wurde vorliegend eingehalten, da die Beschwerde am 22. März 2021 beim [X.] eingegangen ist. Ebenso wurde die am 22. März 2021 gutgeschriebene [X.] innerhalb der besagten Jahresfrist und damit rechtzeitig entrichtet.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 vom 16. Dezember 2020, mit dem über den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens entschieden wurde, weist keine überprüfbare Begründung auf. Insbesondere hat die Markenstelle für Klasse 30 bei der Entscheidung über die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens nach § 32 [X.] nicht erkennen lassen, ob sie ihr Ermessen ausgeübt hat, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben war.

Die Entscheidung über die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens nach § 32 [X.] steht im pflichtgemäßen Ermessen der Markenstelle, wobei insbesondere das Interesse der Widersprechenden an einem zeitnahen Abschluss des Widerspruchsverfahrens und das Interesse der Inhaberin der angegriffenen Marke, ihre Marke nicht wegen einer möglicherweise löschungsreifen Widerspruchsmarke zu verlieren, gegeneinander abzuwägen sind. Die Markenstelle hat in der angegriffenen Entscheidung jedoch nur einen einzigen Gesichtspunkt angeführt und erklärt, dass die Sache "beschlussreif" sei. Dieser Umstand mag grundsätzlich ein wichtiger Gesichtspunkt sein, der im Interesse der Widersprechenden gegen eine Aussetzung des Verfahrens spricht, sofern der Widerspruch Aussicht auf Erfolg hat. Im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung ist es jedoch unzureichend, die Entscheidung allein auf diesen Umstand zu stützen. Die Inhaberin der angegriffenen Marke weist zutreffend darauf hin, dass der angegriffene Beschluss nicht erkennen lässt, ob die Markenstelle die Erfolgsaussichten der betreffenden [X.] und [X.] erwogen und insoweit die Interessen der Inhaberin der angegriffenen Marke berücksichtigt hat. Insofern fehlt dem angegriffenen Beschluss eine überprüfbare Begründung (vgl. hierzu [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 43 Rn. 119).

3. Die Sache war nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 [X.] ohne eigene Sachentscheidung des Senats an das [X.] zurückzuverweisen. Das Verfahren vor der Markenstelle leidet ausweislich obiger Ausführungen an mehreren wesentlichen Mängeln.

Meta

25 W (pat) 540/21

24.01.2022

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 61 Abs 2 S 3 MarkenG, § 66 Abs 1 S 1 MarkenG, § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG, § 32 Abs 2 MarkenV

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.01.2022, Az. 25 W (pat) 540/21 (REWIS RS 2022, 1845)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1845

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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