Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.11.2023, Az. 30 W (pat) 35/23

30. Senat | REWIS RS 2023, 9848

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2022 203 721

(hier: Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Aussetzung des Widerspruchsverfahrens)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 23. November 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 25. Januar 2022 angemeldete Wortzeichen Cream ist am 21. Februar 2022 unter der Nummer 30 2022 203 721 in das beim [X.] geführte Markenregister für folgende Dienstleistungen eingetragen worden:

2

„Klasse 45: Vermietung von Handtaschen“.

3

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 25. März 2022 veröffentlicht wurde, ist am 25. Juni 2022 Widerspruch erhoben worden und zwar u.a. gestützt auf die am 5. Dezember 2016 angemeldete und am 18. Mai 2017 für die Dienstleistungen:

4

„[X.]: Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, Taschen und Geldbörsen; Alles für [X.]“

5

eingetragene Unionsmarke [X.] 016 132 227 Cream.

6

Soweit der Widerspruch zusätzlich auf die [X.] 1 220 881 „[X.] DENIM [X.]“ gestützt war, hat die Widersprechende den Widerspruch mit [X.] vom 26. Dezember 2022 zurückgenommen.

7

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat am 20. Oktober 2022 beim [X.] ([X.]) einen auf „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Taschen und Geldbörsen; alles für [X.]“ beschränkten Antrag auf (Teil-)Löschung der Widerspruchsmarke wegen Nichtbenutzung gestellt ([X.].: 000 056 538). Mit [X.] vom 20. Oktober 2022 hat sie gegenüber dem [X.] beantragt, den Widerspruch zurückzuweisen, hilfsweise, das Widerspruchsverfahren bis zur Entscheidung über die Erklärung des Verfalls der Widerspruchsmarke auszusetzen. Die Widersprechende geht von einer Ähnlichkeit der Dienstleistungen „Vermietung von Handtaschen“ und den nicht mit dem Verfallslöschungsantrag beim [X.] angegriffenen „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, alles für [X.]“ aus. Angesichts identischer Vergleichsmarken „Cream“ bestehe Verwechslungsgefahr. Eine Aussetzung sei nicht sachdienlich i.S.d. § 32 Abs. 1 [X.] Es liege auch kein Fall der Vorgreiflichkeit [X.]. § 32 Abs. 2 [X.] bzw. § 148 ZPO vor.

8

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 45 des [X.]s hat den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens mit Beschluss vom 21. März 2023 abgelehnt. Die Löschung der Widerspruchsmarke sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Außerdem sei nicht absehbar, wann eine Entscheidung vor dem [X.] ergehen werde. Die hiesige Widersprechende habe der Verfallslöschung widersprochen und Benutzungsunterlagen eingereicht. Hinzu komme, dass die hiesige Widerspruchsmarke selbst bei einem erfolgreichen Verfallsverfahren vor dem [X.] nur für einen Teil der Dienstleistungen der [X.] zu löschen wäre, nämlich für „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Taschen und Geldbörsen, alles für [X.]“. In diesem Fall wäre der Widerspruch immer noch insoweit zu prüfen, als er sich auf die übrigen Dienstleistungen der [X.] „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, alles für [X.]“ stütze. Unter Abwägung der vorgenannten Umstände überwiege das Interesse der Widersprechenden an einem zeitnahen Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegenüber dem Interesse des Markeninhabers an einer Aussetzung.

9

Gegen die Zurückweisung seines [X.] wendet sich der Inhaber der angegriffenen Marke mit seiner am 24. April 2023 eingegangenen Beschwerde. Die von der Widersprechenden im Verfallsverfahren vor dem [X.] eingereichten Benutzungsunterlagen seien mit rund 800 Seiten zwar umfangreich, aber nicht dazu geeignet, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Taschen und Geldbörsen“ nachzuweisen. Es sei deshalb sehr wahrscheinlich, dass das [X.] die Löschung der Widerspruchsmarke für die vorgenannten Dienstleistungen beschließen werde.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Die Widersprechende beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, die Einschätzung des hiesigen Beschwerdeführers, die Widerspruchsmarke sei „sehr wahrscheinlich“ zu löschen, sei nicht maßgeblich, da das [X.] entscheiden müsse, ob der Löschungsantrag Erfolg habe oder nicht. Außerdem stütze sich der Widerspruch nicht nur auf die mit dem Verfallsverfahren angegriffenen „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Taschen und Geldbörsen“, sondern auch auf „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“, die wegen des komplementären Charakters eine gewisse Ähnlichkeit zu „Taschen“ und damit zu der von der angegriffenen Marke umfassten „Vermietung von Handtaschen“ aufwiesen. Die Markenstelle habe die Aussetzung deshalb zu Recht abgelehnt.

Der Markeninhaber hat mit [X.] vom 7. November 2023 seinen hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Daraufhin wurde der anberaumte Termin aufgehoben und den Parteien mitgeteilt, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antrag des Markeninhabers, das hiesige Widerspruchsverfahren im Hinblick auf das gegen die Widerspruchsmarke beim [X.] ([X.].: 000 056 538) anhängige Verfallslöschungsverfahren auszusetzen, ist unbegründet. Die Markenstelle hat den Antrag auf Aussetzung daher zu Recht abgelehnt.

Nach der im Verfahren vor dem [X.] geltenden Vorschrift des § 32 Abs. 2 [X.]; kommt eine Aussetzung in Betracht, wenn ein vorgreifliches Rechtsverhältnis besteht. Im Beschwerdeverfahren ist nicht nur das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Aussetzung, sondern auch das in diesem Zusammenhang ausgeübte Ermessen des [X.] überprüfbar (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 43 Rn. 120).

B. Der Ausgang des von dem hiesigen Markeninhaber und Beschwerdeführer angestrengten Verfallsverfahrens vor dem [X.] ([X.].: 000 056 538) ist für das vorliegende Verfahren nicht vorgreiflich. Selbst wenn die Widerspruchsmarke – antragsgemäß - für „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Taschen und Geldbörsen, alles für [X.]“ gelöscht werden sollte, hat dies keinen Einfluss auf die Entscheidung im vorliegenden Widerspruchsverfahren. Soweit dieses bezüglich der vorgenannten Dienstleistungen voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre, gilt dies gleichermaßen für die nicht mit dem Löschungsantrag angegriffenen „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; alles für [X.]“. Insoweit kann das Widerspruchsverfahren deshalb fortgeführt und mit einer Sachentscheidung abgeschlossen werden.

1. Die Vergleichszeichen [X.] (Widerspruchsmarke [X.] 016 132 227) und [X.] (angegriffene Marke 30 2022 203 721) sind identisch.

2. Der Inhaber der angegriffenen Marke hat seinen Verfallslöschungsantrag vor dem [X.] nur gegen einen Teil der von der Widerspruchsmarke umfassten Dienstleistungen, nämlich „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Taschen und Geldbörsen; alles für [X.]“ ([X.]) gerichtet.

Die von der angegriffenen Marke in Klasse 45 beanspruchten Dienstleistungen „Vermietung von Handtaschen“ und die - übrigen - „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen ; alles für [X.]“ ([X.]) der Widerspruchsmarke können als einander ergänzende Dienstleistungen Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. [X.] (pat) 246/00 – [X.]/[X.] BROTHERS, [X.]. 2007, 845 Rn. 50).

Einer abschließenden und verbindlichen Beurteilung insbesondere der Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bedarf es im Rahmen des hier in Rede stehenden [X.] nicht (vgl. BPatG 25 W (pat) 518/22 flav’n tasty/FLAV TASTIC).

3. Das vor dem [X.] - beschränkt auf „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Taschen und Geldbörsen; alles für [X.]“ - anhängige Verfahren zur Erklärung des Verfalls der Widerspruchsmarke [X.] 016 132 227 begründet deshalb kein Risiko, dass - selbst bei [X.] (Teil-)Verfallslöschung der Widerspruchsmarke - die Grundlage einer etwaigen Löschung der angegriffenen Marke 30 2022 203 721 entfällt.

4. Das Vorbringen des Inhabers der angegriffenen Marke, die von der hiesigen Widersprechenden im Verfallslöschungsverfahren vor dem [X.] eingereichten Benutzungsunterlagen seien nicht dazu geeignet, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Taschen und Geldbörsen“ nachzuweisen, ist deshalb für die vorliegende Frage der Vorgreiflichkeit voraussichtlich unerheblich. Das gilt auch für den Vortrag, es sei deshalb sehr wahrscheinlich, dass das [X.] die Löschung der Widerspruchsmarke für die vorgenannten Dienstleistungen beschließen werde.

5. Die Markenstelle hat deshalb zutreffend und ermessensfehlerfrei über den Aussetzungsantrag entschieden. Das gilt auch im Hinblick auf die Zurückweisung der Aussetzung wegen Sachdienlichkeit gemäß § 32 Abs. 1 [X.]

C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da [X.] für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

Meta

30 W (pat) 35/23

23.11.2023

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.11.2023, Az. 30 W (pat) 35/23 (REWIS RS 2023, 9848)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9848

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