Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02.10.2013, Az. 9 A 23/12

9. Senat | REWIS RS 2013, 2290

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Gegenstand

Sachliche Zuständigkeit des BVerwG für Streitigkeiten über fernstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren; zur Verletzung des drittschützenden Gebots gerechter Abwägung privater Belange


Leitsatz

1. Die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Streitigkeiten über fernstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasst auch Streitigkeiten darüber, ob eine Planänderung nach § 17d FStrG i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG ohne erneutes Planfeststellungsverfahren zugelassen werden durfte.

2. Der Kläger kann sich für eine Verletzung des drittschützenden Gebots gerechter Abwägung privater Belange (§ 17 Satz 2 FStrG) jedenfalls dann nicht auf kumulativ wirkende Belastungen durch andere Planänderungen oder -ergänzungen berufen, wenn er durch die angefochtene Maßnahme selbst nicht nachteilig betroffen sein kann.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Regierung von [X.] vom 13. August 2012, mit dem der Planfeststellungsbeschluss für den sechsstreifigen Ausbau der [X.] ([X.]) im Abschnitt Anschlussstelle ([X.]) [X.]/westlich [X.] vom 17. Dezember 2009 hinsichtlich der neuen Überführung des öffentlichen Feldwegs "[X.]" über die [X.] (künftig: Überführung) geändert wird. Die lichte Weite der Überführung wird von 28 m auf 44,64 m und die Breite zwischen den Brückengeländern von 5,5 m auf 6 m vergrößert. Das [X.] hat mit Urteil vom 3. März 2011 die Klage mehrerer [X.] - darunter auch der Klägerin - gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 abgewiesen (- BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 = [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 215).

2

Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt: Sie werde durch die mehrjährigen Bauarbeiten erheblichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt. Gerade die Überführung sei von zentraler Bedeutung für die Abwicklung des [X.]. Die an der Überführung geplanten Änderungen erlaubten einen noch stärkeren Bauverkehr mit zusätzlichen Immissionen. Hierüber hätte nicht isoliert entschieden werden dürfen, sondern nur zusammen mit den außerdem vorgesehenen Ergänzungen und Änderungen der Planung. Dies folge aus den Grundsätzen der Einheitlichkeit und Konzentration der Planfeststellung, der Pflicht zur Vorlage einer einheitlichen Ausführungsplanung nach der im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss abgegebenen Protokollerklärung und dem aus dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und dem Projektbegriff der [X.] herzuleitenden Gebot, die nachteiligen Auswirkungen aller unmittelbar mit dem Ausbau der [X.] verbundenen Maßnahmen auf Mensch und Umwelt insgesamt zu betrachten. Die Änderung der Überführung sei zudem Voraussetzung für den Bau der [X.] über die [X.]; sie hätte daher als Folgemaßnahme in das auf die [X.] bezogene ergänzende Planfeststellungsverfahren einbezogen werden müssen. Von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht abgesehen worden. Diesen Verfahrensfehler könne nach Unionsrecht jeder zum Kreis der "betroffenen Öffentlichkeit" zählende Private unabhängig davon geltend machen, ob das Vorhaben seine eigenen Belange berühre.

3

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Regierung von [X.] vom 13. August 2012 aufzuheben.

4

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Er verteidigt in der Sache die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

6

1. Das [X.] ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO für diesen Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Eine Streitigkeit "betrifft" im Sinne dieser Vorschrift das Planfeststellungsverfahren, wenn sie Teil der genehmigungsrechtlichen [X.]ewältigung des Vorhabens ist ([X.]eschlüsse vom 12. Juni 2007 - [X.]VerwG 7 VR 1.07 - [X.] 310 § 50 VwGO Nr. 25 Rn. 8 und vom 11. Juli 2013 - [X.]VerwG 9 VR 5.13 - NVwZ 2013, 1219 Rn. 8; stRspr). Dazu zählt auch der hier in Rede stehende Streit darüber, ob eine Planänderung ohne erneutes Planfeststellungsverfahren zugelassen werden durfte (§ 17d Satz 1 [X.] i.V.m. § 76 Abs. 2 VwVfG).

7

2. Die Klage ist mangels Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) unzulässig. Die Klägerin kann sich nicht auf eigene Rechte berufen, deren Verletzung zumindest möglich erscheint (vgl. Urteil vom 22. Mai 1980 - [X.]VerwG 3 [X.] 2.80 - [X.]VerwGE 60, 154 <157 f.> = [X.] 451.731 [X.] Nr. 3 S. 20 f.).

8

a) Die Verletzung einer der Klägerin zustehenden materiellen Rechtsposition ist ausgeschlossen.

9

aa) Die Klägerin kann keine Verletzung ihres Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) geltend machen. Der Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 zum Ausbau der [X.], der den Zugriff auf das Grundeigentum der Klägerin eröffnet, ist ihr gegenüber bestandskräftig geworden. Daher kann sie Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung nur angreifen, wenn sie gerade erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird (Urteil vom 19. Dezember 2007 - [X.]VerwG 9 A 22.06 - [X.]VerwGE 130, 138 = [X.] 316 § 76 VwVfG Nr. 15 jeweils Rn. 20 und [X.]eschluss vom 17. September 2004 - [X.]VerwG 9 VR 3.04 - [X.] 316 § 76 VwVfG Nr. 13 S. 4 f.; ebenso [X.]eschluss vom 22. September 2005 - [X.]VerwG 9 [X.] 13.05 - [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 189 Rn. 4 ff. zu im ergänzenden Verfahren ergangenen Planänderungen). Gegenstand des angefochtenen Änderungsbescheides ist lediglich eine Ausdehnung der lichten Weite der Überführung und der [X.]reite zwischen den [X.]. Hierfür wird nicht erneut auf das Grundeigentum der Klägerin zugegriffen.

bb) Eine Verletzung des aus dem Abwägungsgebot (§ 17 Satz 2 [X.]) folgenden Rechts auf gerechte Abwägung schutzwürdiger und mehr als nur geringfügig berührter privater [X.]elange ist ebenfalls nicht möglich (vgl. Urteile vom 14. Februar 1975 - [X.]VerwG 4 [X.] 21.74 - [X.]VerwGE 48, 56 <66> = [X.] 407.4 § 17 [X.] Nr. 19 S. 12 und vom 20. Dezember 2011 - [X.]VerwG 9 [X.]0.10 - [X.] 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 16; [X.]eschluss vom 9. November 1979 - [X.]VerwG 4 N 1.78 u.a. - [X.]VerwGE 59, 87 <102 f.> = [X.] 406.11 § 1 [X.][X.]auG Nr. 18 = [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 6; stRspr).

(1) Die Klägerin kann nicht die [X.]erücksichtigung derjenigen bauzeitlichen Immissionen verlangen, die dem Ausbau der [X.] zuzurechnen sind. Aufgrund des ihr gegenüber bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 ist sie zur Duldung dieser [X.]elastungen verpflichtet (§ 17c [X.] i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Dazu gehören auch die Lärm- und [X.] durch den [X.]auverkehr zur Verwirklichung des planfestgestellten Ausbaus, der auf eigens dafür planfestgestellten [X.] - u.a. auf dem "[X.]" samt Überführung über die [X.] - abgewickelt wird.

(2) Es ist ausgeschlossen, dass die Änderungen am Überführungsbauwerk für sich genommen zu [X.]elastungen der mehr als 2 km entfernt wohnenden Klägerin durch Lärm und Schadstoffe führen können.

Die Aufweitung der [X.]reite zwischen den Geländern der Überführung von 5,5 m auf 6 m ist für den Umfang des [X.] und dessen räumliche und zeitliche Verteilung ohne jede [X.]edeutung. Diese Maßnahme dient nach den von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Angaben des [X.]eklagten der Anpassung der Fahrbahnbreite zwischen den Geländern an die Fahrbahnbreite der Rampen der Überführung; dadurch soll die dort vorgesehene [X.] für den Winter- und Straßenbetriebsdienst auf der [X.] verbessert werden. Zwischen den [X.]eteiligten ist unstreitig, dass durch die Aufweitung kein Gegenverkehr der [X.]aufahrzeuge auf der Überführung ermöglicht wird. Die Kapazität der [X.]austraße "[X.]" bleibt also im Wesentlichen unverändert.

Das gilt auch mit [X.]lick auf die Vergrößerung der lichten Weite der Überführung. Die Annahme der Klägerin, dadurch könnten entlang der [X.] verlaufende [X.] unterhalb der Überführung eingerichtet werden, trifft nicht zu. Solche [X.] sind weder Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses noch des angefochtenen Änderungsbescheides. Sie können im Übrigen ausweislich der vom [X.]eklagten in der mündlichen Verhandlung gezeigten Lichtbilder der bereits errichteten Überführung auch tatsächlich nicht eingerichtet werden. Soweit die Klägerin darauf verweist, die Überführung ermögliche einen [X.]auverkehr in Richtung Süden, ist nicht erkennbar, dass gerade die streitgegenständlichen Änderungsmaßnahmen hierfür verantwortlich sein könnten. Der angefochtene [X.]escheid legt keine weiteren [X.] fest und nur die planfestgestellten [X.] dürfen über den Gemeingebrauch hinaus durch [X.]aufahrzeuge genutzt werden (Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2009 S. 40, 510 und 519 f.). Sollte die Klägerin geltend machen wollen, die Auf- und Abfahrrampen der Überführung seien tatsächlich abweichend von der Planung errichtet worden, um Möglichkeiten für einen [X.]auverkehr in Richtung Süden zu schaffen, ist dies für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich. Denn die sachliche Zuständigkeit des [X.]s für Streitigkeiten über fernstraßenrechtliche Planfeststellungsverfahren gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasst nicht Streitigkeiten darüber, ob die konkrete [X.]auausführung sich im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses hält (vgl. [X.]eschluss vom 11. Juli 2013 a.a.[X.] Rn. 8 f. m.w.N.). Gegenstand der nicht unter die sachliche Zuständigkeit des [X.]s nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO fallenden Ausführungsplanung ist im Übrigen auch die für die [X.]eurteilung der bauzeitlichen [X.]elastungen eigentlich relevante genaue räumliche und zeitliche Verteilung des [X.]. Schließlich können die Änderungen am Überführungsbauwerk selbst keinen nennenswerten zusätzlichen [X.]auverkehr auslösen, weil die dazu notwendigen [X.]auarbeiten nur einen geringen Umfang aufweisen.

(3) Die Klägerin meint, eine gerechte Abwägung ihrer [X.]elange könne nicht auf die durch die Änderungen am Überführungsbauwerk verursachten Auswirkungen beschränkt werden, sondern setze eine auf sämtliche Änderungen und Ergänzungen der Planfeststellung bezogene Gesamtbetrachtung aller Immissionen voraus, auch wenn über die einzelnen Maßnahmen gesondert entschieden worden sei. Jedenfalls bei der danach gebotenen [X.]erücksichtigung der kumulativen Wirkung aller Planänderungen bzw. -ergänzungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie in abwägungserheblicher Weise zusätzlichen Lärm- und Schadstoffbelastungen ausgesetzt werde. Dem kann nicht gefolgt werden. Dabei kann offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Kläger mit [X.]lick auf das drittschützende Gebot gerechter Abwägung privater [X.]elange überhaupt verlangen kann, dass eventuelle nachteilige Auswirkungen anderer, von ihm nicht angefochtener Maßnahmen zur Änderung oder Ergänzung der Planfeststellung berücksichtigt werden. Wie ausgeführt, wird die Klägerin durch die hier angefochtene Planänderung in keiner Weise belastet. Selbst wenn unterstellt wird, dass es eine von mehreren Maßnahmen ausgehende, kumulativ auf die Klägerin wirkende und daher nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sachgerecht zu bewertende Immissionsbelastung gibt, können jedenfalls die Änderungen an der Überführung hierzu keinen [X.]eitrag leisten.

b) Der Klägerin steht eine Klagebefugnis auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensrecht zu. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist regelmäßig kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von materiellen Rechten und [X.]elangen. Daher können Verfahrensrechte eine Klagebefugnis grundsätzlich nicht selbständig begründen, sondern nur unter der Voraussetzung, dass sich der behauptete [X.] auf eine materiell-rechtliche Position des [X.] ausgewirkt haben kann (Urteil vom 20. Dezember 2011 - [X.]VerwG 9 [X.]0.10 - a.a.[X.] Rn. 19; stRspr). Hier liegen die von der Klägerin in Anspruch genommenen Verfahrensrechte bereits nicht vor.

aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass über die Änderungen am Überführungsbauwerk isoliert und nicht zusammen mit weiteren Änderungen und Ergänzungen der Planung entschieden wurde. Den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§ 17d [X.] i.V.m. § 76 VwVfG, § 17e Abs. 6 Satz 2 [X.]) lässt sich nicht entnehmen, dass über alle Modifikationen eines Planfeststellungsbeschlusses nur einheitlich entschieden werden kann. Eine solche Pflicht zur Entscheidungskonzentration wäre im Übrigen auch nicht sachgerecht, weil sich die Notwendigkeit punktueller Änderungen der Planung nicht notwendig zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern nicht selten in unterschiedlichen Phasen der [X.]auausführung herausstellen wird. Die Klägerin kann einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf einheitliche Entscheidung - insbesondere auf Einbeziehung der Änderungen an der Überführung in die Planergänzung zur [X.]ehelfsbrücke der [X.] unter dem Gesichtspunkt einer "Folgemaßnahme" - auch nicht aus dem Abwägungsgebot herleiten. Wie bereits ausgeführt, ist die hier angefochtene Maßnahme in keiner Weise konfliktträchtig. Daher kann das Gebot der umfassenden [X.]ewältigung aller durch die Planung aufgeworfenen Konflikte einer isolierten Zulassung der Planänderung nicht entgegenstehen.

bb) Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die in der mündlichen Verhandlung am 17. Februar 2011 zu Protokoll erklärte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, wonach "dem Vorhabenträger aufgegeben wird, vor [X.]aubeginn seine Ausführungsplanung der Planfeststellungsbehörde zur Ergänzung oder Änderung der Planfeststellung oder zur Genehmigung vorzulegen." Sie meint, aufgrund dieser Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 17. Dezember 2009 könne sie verlangen, dass der Vorhabenträger die Ausführungsplanung als Ganzes vorlegt und die Planfeststellungsbehörde hierüber einheitlich durch Genehmigung oder durch Änderung bzw. Ergänzung der Planfeststellung entscheidet. Das trifft nicht zu.

Hintergrund der Protokollerklärung ist die nach ständiger Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit, die [X.]auausführung aus der Planfeststellung auszuklammern, soweit sie lediglich nach dem Stand der Technik lösbare Probleme aufwirft; die Pflicht zur Vorlage der Ausführungsplanung vor [X.]aubeginn ermöglicht der Planfeststellungsbehörde die Prüfung und Entscheidung darüber, ob diese Grenze eingehalten ist (vgl. Urteil vom 3. März 2011 a.a.[X.] Rn. 50 m.w.N.). Es ist nicht erkennbar, weshalb die Planfeststellungsbehörde diesen Prüfauftrag von vornherein nur dann sachgerecht sollte wahrnehmen können, wenn die Ausführungsplanung als Ganze vorgelegt wird. Dass dem nicht so ist, zeigt im Übrigen das Urteil vom 3. März 2011, mit dem die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau der [X.] abgewiesen wurde. Darin wird die Frage, ob die weitere Ausführung verschiedener baulicher Maßnahmen (Abbruch der alten [X.] und deren Neubau, Errichtung des [X.], [X.] der [X.] und [X.]ehelfsbrücke der [X.]) aus der Planfeststellung ausgeklammert werden durfte, jeweils gesondert abgehandelt (vgl. Rn. 51 bis 57, 63). Erst recht erschließt sich nicht, weshalb sich aus der Protokollerklärung eine Pflicht der Planfeststellungsbehörde ergeben sollte, über alle von ihr nach Prüfung der Ausführungsplanung als notwendig erachteten Änderungen oder Ergänzungen der Planung einheitlich zu entscheiden. Unabhängig davon ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass hier eine besondere Situation vorliegt, die ausnahmsweise für die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung über alle Modifikationen der Planfeststellung sprechen könnte.

c) Die Klägerin rügt schließlich, die angefochtene Planänderung bilde nach § 3b [X.] zusammen mit sonstigen Änderungen der Planfeststellung und allen bauzeitlichen Maßnahmen wie insbesondere der [X.]ehelfsbrücke der [X.] und der [X.] der [X.] ein Projekt, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 UmwRG und mit [X.]lick auf die Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (A[X.]l [X.] Nr. L 26 S. 1) - [X.] - könne sie diesen Fehler unabhängig von der Möglichkeit einer Verletzung eigener Rechte und [X.]elange i.S.d. § 42 Abs. 1 VwGO geltend machen. Dieser Auffassung kann sich der [X.] nicht anschließen.

In der Rechtsprechung des [X.]s ist bereits geklärt, dass sich ein Einzelner nicht unabhängig von der [X.]etroffenheit in eigenen materiellen Rechten auf die Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung oder UVP-Vorprüfung berufen kann. § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG stellt keine "andere gesetzliche [X.]estimmung" i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO dar, die Einzelnen eine von der möglichen eigenen [X.]etroffenheit unabhängige Klagebefugnis verleiht, sondern betrifft die [X.]. Die genannten Fehler führen abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur [X.]egründetheit der Klage, ohne dass es darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften des UVP-Rechts der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts Einzelner dienen; abweichend von § 46 VwVfG erstreckt sich die [X.] außerdem nicht auf die Frage, ob diese Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können (Urteile vom 20. Dezember 2011 - [X.]VerwG 9 [X.]0.10 - a.a.[X.] Rn. 21 f. und - [X.]VerwG 9 [X.]1.10 - [X.]VerwGE 141, 282 = [X.] 406.251 § 3c [X.] Nr. 3 jeweils Rn. 34; ebenso [X.]eschluss vom 27. Juni 2013 - [X.]VerwG 4 [X.] 37.12 - juris Rn. 10). Insoweit wird den Einzelnen folglich eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition eingeräumt. Für deren Klagebefugnis bleibt es hingegen bei dem allgemeinen Erfordernis, dass eine eigene [X.]etroffenheit durch die Zulassung des [X.] Vorhabens möglich erscheint.

Wie der [X.] ebenfalls bereits ausgesprochen hat, können vernünftigerweise keine Zweifel daran bestehen, dass diese Ausgestaltung der Klagebefugnis mit [X.] vereinbar ist (Urteil vom 20. Dezember 2011 - [X.]VerwG 9 [X.]0.10 - a.a.[X.] Rn. 23). Nach Art. 11 Abs. 1 [X.]uchst. b [X.] kann das nationale Recht den Zugang zu Gerichten davon abhängig machen, dass der Kläger eine Rechtsverletzung geltend macht. Das nationale Recht kann nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 [X.] ferner in Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, bestimmen, was als Rechtsverletzung gilt. Den Mitgliedstaaten steht es frei, diese Rechtspositionen auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken ([X.], Urteil vom 12. Mai 2011 - Rs. [X.]-115/09, [X.] - NJW 2011, 2779 Rn. 45). Das [X.] gebietet mithin nicht die Einführung einer UVP-rechtlichen Popular- oder Interessentenklage ohne die Notwendigkeit eigener [X.]etroffenheit. Der [X.] Gesetzgeber hat diesen Spielraum genutzt und auch für den Anwendungsbereich der [X.] zugunsten eines auf subjektive Rechte Einzelner zugeschnittenen Rechtsschutzes festgehalten ([X.]TDrucks 16/2495 S. 7 f.). Auch widerspricht es offenkundig weder dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gericht zu gewähren noch dem unionsrechtlichen Effektivitätsprinzip, dass ein Einzelner nur dann gegen die Zulassung eines [X.] Vorhabens klagen kann, wenn überhaupt die Möglichkeit besteht, dass er dadurch betroffen wird (Urteil vom 20. Dezember 2011 - [X.]VerwG 9 [X.]0.10 - a.a.[X.] Rn. 23).

Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gibt keinen Anlass für eine abweichende [X.]eurteilung. Der Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 7. Januar 2004 - Rs. [X.]-201/02, [X.] - (NVwZ 2004, 593) geht fehl. Die im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ergangene Entscheidung betraf nicht die Frage, ob Einzelne den Verfahrensmangel einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von eigener [X.]etroffenheit klageweise geltend machen können. Dasselbe gilt für das von der Klägerin außerdem in [X.]ezug genommene, im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens ergangene Urteil des Gerichtshofs vom 11. August 1995 - Rs. [X.]-431/92 - (NVwZ 1996, 369); auf Rügemöglichkeiten Einzelner kam es in diesem Zusammenhang nicht an (Rn. 26). Wenn die Klägerin meint, nach [X.] dürfe der Zugang zu Gericht allein von der Zugehörigkeit des Einzelnen zur "betroffenen Öffentlichkeit" i.S.d. Art. 1 Abs. 2 [X.]uchst. e [X.] abhängig gemacht werden, übersieht sie, dass sich die den Mitgliedstaaten eröffnete [X.] zugunsten eines subjektiven Rechtsschutzes nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 [X.] gerade auf den Zugang der "Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit" zu den Gerichten bezieht; zu Klagemöglichkeiten der allgemeinen Öffentlichkeit trifft die [X.] ohnehin keine Aussagen.

Meta

9 A 23/12

02.10.2013

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

Art 11 Abs 1 EGRL 11/97, Art 11 Abs 3 S 1 EGRL 11/97, § 42 Abs 2 VwGO, § 50 Abs 1 Nr 6 VwGO, § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 46 VwVfG, § 75 Abs 1 S 2 VwVfG, § 76 Abs 2 VwVfG, § 4 Abs 1 S 1 UmwRG, § 4 Abs 3 UmwRG, § 3b Abs 2 UVPG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 02.10.2013, Az. 9 A 23/12 (REWIS RS 2013, 2290)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2290

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Referenzen
Wird zitiert von

4 K 3377/22

9 CS 16.1241

22 AS 16.2421

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