Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.08.2013, Az. 9 VR 6/13

9. Senat | REWIS RS 2013, 3460

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Gegenstand

Behelfsbrücke der Bundesautobahn B 19 über die Autobahn A 3 bei Würzburg; kein vorläufiger Rechtsschutz (Baustopp)


Leitsatz

1. Sollen bauliche Maßnahmen zur Verwirklichung des Vorhabens zeitnah begonnen, jedoch über einen längeren Zeitraum gestaffelt ausgeführt werden, muss die Behörde dem grundsätzlich nicht durch eine Teilaussetzung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung des angefochtenen fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich später anstehender Baumaßnahmen Rechnung tragen.

2. Eine Teilaussetzung ist dann geboten, wenn sich der Betroffene allein gegen einen rechtlich und tatsächlich abtrennbaren Vorhabensteil wendet, dessen Ausführung noch nicht in absehbarer Zeit ansteht.

Gründe

I.

1

Der Senat hat mit Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - (BVerwGE 139, 150) die Klage mehrerer Grundstückseigentümer gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von [X.] für den sechsstreifigen Ausbau der [X.] ([X.] - [X.]) im Abschnitt [X.]stelle ([X.]) [X.] bis westlich [X.] vom 17. Dezember 2009 abgewiesen. Hinsichtlich der nach dem Planfeststellungsbeschluss für die Dauer der ersten Bauphase zu errichtenden [X.] der [X.] wird in dem Urteil festgestellt, dass die damit verbundene Lärmproblematik noch nicht hinreichend bewältigt wurde (a.a.[X.] Rn. 57). Bezogen auf die nach der Ausführungsplanung vorgesehene [X.], über die während des Baus der neuen Überführung der [X.] über die [X.] der Verkehr geführt werden soll, wird im Urteil darauf hingewiesen, dass deren Ausgestaltung mit Blick auf die erheblichen Auswirkungen auf die Verkehrssituation im Raum [X.] und wegen der absehbaren Dauer der Planfeststellung bedarf (a.a.[X.] Rn. 63). Mit [X.] vom 13. Mai 2013 hat die Regierung von [X.] u.a. den Bau einer 16 m breiten [X.] zwischen [X.] 289+200 bis [X.] 289+650 und den Bau einer [X.] neben dem bestehenden Überführungsbauwerk der [X.] über die [X.] im Bereich der [X.] [X.] planfestgestellt.

2

Die Antragsteller haben Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen diesen [X.] gestellt. Daraufhin hat die Regierung von [X.] mit Bescheid vom 9. August 2013 die sofortige Vollziehung des [X.]es gegenüber dem Vorhabenträger, der [X.], insoweit ausgesetzt, als er bauliche Vollzugsmaßnahmen zur Umsetzung der o.g. [X.] und der daran anschließenden Verbreiterungen der Richtungsfahrbahn [X.] umfasst. Im [X.] daran haben die Beteiligten den Rechtsstreit im Umfang der Aussetzung der Vollziehung übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

3

1. a) Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in Bezug auf die [X.] übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

4

b) Soweit die Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bau der [X.] der [X.] über die [X.] nach § 80 Abs. 5 VwGO begehren, überwiegt nach der wegen offener Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache vorzunehmenden Folgenabwägung das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug dieser baulichen Maßnahme das gegenläufige [X.] der Antragsteller. Würde insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller angeordnet, hätte diese aber keinen Erfolg, könnte der Antragsgegner die [X.] bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens - entgegen dem im gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zum Ausdruck kommenden [X.] (§ 17e Abs. 2 Satz 1 [X.]) - nicht errichten und bis zu diesem Zeitpunkt faktisch nicht mit dem Neubau der Überführung der [X.] über die [X.] beginnen. Nach Angaben des Antragsgegners wurde das vorhandene Überführungsbauwerk statisch untersucht: Die Berechnungsergebnisse zeigten, dass sich bereits bei Ansatz eines nach der Straßenverkehrszulassungsordnung zulässigen 44 t-Fahrzeugs Überschreitungen der zulässigen Stahl- und Betonspannungen von 24 % bis 51 % ergäben. Diese Überlastungen beeinträchtigten massiv die Dauerhaftigkeit und Standsicherheit des Bauwerks. Sie hätte im Zuge des sechsstreifigen Ausbaus der [X.] gerade noch toleriert werden können. Bei ausbleibender kurzfristiger Erneuerung wären indes erhebliche verkehrsbeschränkende Maßnahmen bis hin zu einer Sperrung für den Schwer- und Güterverkehr unausweichlich. Die Antragsteller haben die Ergebnisse der statischen Untersuchung in ihren Schriftsätzen vom 13. August 2013 nicht in Abrede gestellt. Ihre Ausführungen sind auch nicht geeignet, die vom Antragsgegner angenommene Dringlichkeit eines Neubaus der Überführung als unvertretbar erscheinen zu lassen.

5

Demgegenüber sind keine nennenswerten Nachteile für die Antragsteller erkennbar, wenn vorläufiger Rechtsschutz gegen den Bau der [X.] versagt wird, ihre Klage aber später Erfolg hat. Eine Beeinträchtigung eigener Belange der Antragsteller gerade durch den Bau und Betrieb der [X.] erscheint ausgeschlossen. Das gilt auch für die von ihnen geltend gemachten zusätzlichen Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe. Die Antragsteller haben die Angabe des Antragsgegners nicht in Abrede gestellt, dass sie in einer Entfernung von ca. 2 km von der [X.] [X.] wohnen und sich die Baustraße, über die der Baustellenverkehr geführt werden soll, ihren Anwesen bis auf höchstens 1,4 km nähert. Dem vom Antragsgegner vorgelegten Übersichtslageplan, dessen Richtigkeit von den Antragstellern nicht bezweifelt wird, kann entnommen werden, dass zwischen den Anwesen der Antragsteller und der [X.] [X.] bzw. der Baustraße ein Großteil des Stadtteils [X.] liegt. Vor diesem Hintergrund ist völlig fernliegend, dass die Antragsteller deshalb zusätzlichen Schadstoffbelastungen ausgesetzt sein könnten, weil die [X.] geringfügig näher am Stadtteil [X.] liegt als die [X.]. Angesichts der genannten örtlichen Verhältnisse und Entfernungen erscheint ferner ausgeschlossen, dass allein der durch den Bau der [X.] verursachte Baustellenverkehr mit relevanten Schadstoffbelastungen der Antragsteller verbunden sein könnte. Jeder Substanz entbehrt schließlich die Behauptung, es werde zu erheblichen Staus mit dem damit verbundenen erhöhten Schadstoffausstoß kommen, weil die [X.] auf eine Geschwindigkeit von 50 km/h ausgelegt sei. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragsgegners wird durch die [X.] der Verkehrsfluss verbessert, weil sie im Unterschied zur bestehenden Brücke an den Auffahrtsrampen zur [X.] Linksabbiegespuren aufweist (vgl. [X.] S. 58 f.). Weshalb gleichwohl eine erhöhte Staugefahr bestehen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die [X.] nur für die Dauer des Neubaus der Überführung der [X.] über die [X.] Bestand haben wird.

6

2. Hinsichtlich des erledigten Teils des Rechtsstreits entspricht es billigem Ermessen i.S.d. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, den Beteiligten jeweils die Hälfte der insoweit entstandenen Kosten aufzuerlegen. Denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand lässt sich nicht ohne Weiteres übersehen, ob die Klage Erfolg haben wird. Eine abweichende Kostenverteilung ist nicht deshalb geboten, weil mit dem Bau der [X.] und der Verbreiterungen der Richtungsfahrbahn [X.] erst ab März 2015 begonnen werden soll. Der Antragsgegner war nicht verpflichtet, die Vollziehung des [X.]es vom 13. Mai 2013 bezogen auf diese baulichen Maßnahmen von Amts wegen auszusetzen. Sollen bauliche Maßnahmen zur Verwirklichung des planfestgestellten Vorhabens zeitnah begonnen, mit Rücksicht auf dessen Umfang jedoch in Etappen über einen längeren Zeitraum gestaffelt ausgeführt werden, muss die Behörde dem grundsätzlich nicht durch eine Teilaussetzung hinsichtlich später anstehender Baumaßnahmen Rechnung tragen; etwas anderes gilt dann, wenn sich der Betroffene erkennbar allein gegen einen abtrennbaren Vorhabensteil wendet, dessen Ausführung noch nicht in absehbarer Zeit ansteht (vgl. Beschlüsse vom 13. Juni 2013 - BVerwG 9 VR 2.13 - juris Rn. 2 und vom 14. März 2008 - BVerwG 9 VR 3.07 - [X.] 310 § 80 VwGO Nr. 77 Rn. 4). Hier ist geplant, das Vorhaben mit der Errichtung der [X.] der [X.] zeitnah zu beginnen, andere bauliche Maßnahmen wie den Bau der [X.] aber deutlich später zu verwirklichen. Eine Teilaussetzung war nicht ausnahmsweise geboten. Zum einen wenden sich die Antragsteller auch gegen die [X.] der [X.], mit deren Bau gerade zeitnah begonnen werden soll. Zum anderen kann nicht angenommen werden, dass die Gesamtplanung auch ohne die [X.] der [X.] gewollt ist und den Anforderungen des Abwägungsgebots genügt; insoweit fehlt es also an der rechtlichen Teilbarkeit (vgl. Urteil vom 21. Februar 1992 - BVerwG 7 [X.] 11.91 - BVerwGE 90, 42 <50 ff.> m.w.N.).

7

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des nicht erledigten Teils des Rechtsstreits folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.

8

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei geht der Senat sowohl in Bezug auf den Antrag des Antragstellers zu 1 und den Antrag der Antragsteller zu 2 und 3 als auch hinsichtlich der beiden Streitgegenstände [X.] und [X.] von Teilstreitwerten von jeweils 15 000 € aus. Der Gesamtstreitwert von 60 000 € ist mit Blick auf das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.

Meta

9 VR 6/13

14.08.2013

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: VR

§ 80 Abs 5 VwGO, § 161 Abs 2 S 1 VwGO, § 17e Abs 2 S 1 FStrG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.08.2013, Az. 9 VR 6/13 (REWIS RS 2013, 3460)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3460

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